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  • 17.04.2014 · IWW-Abrufnummer 141891

    Landesarbeitsgericht Düsseldorf: Urteil vom 19.02.2014 – 1 Sa 1273/13

    Kurzfristige Unterbrechungen eines Arbeitsverhältnisses zu demselben Arbeitgeber bei bestehendem sachlichen Zusammenhang lösen den Lauf der Wartezeit des § 4 BUrlG in dem neuen Arbeitsverhältnis nicht erneut aus.


    Tenor:

    Die Berufung der Beklagten gegen das Schlussurteil des Arbeitsgerichts Krefeld vom 19.09.2013 - 1 Ca 30/13 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

    Die Revision wird für die Beklagte zugelassen.

    Tatbestand

    Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz noch über die Anzahl abzugeltender Urlaubstage.

    Der Kläger war bei der Beklagten seit dem 01.01.2009 als Innendienstmitarbeiter im Verkauf zu einer monatlichen Bruttovergütung von zuletzt 2.624,00 EUR beschäftigt. Mit Schreiben vom 30.05.2012 kündigte er das Arbeitsverhältnis zum 30.06.2012. Unter dem 21.06.2012 schlossen die Parteien auf Initiative der Beklagten einen neuen Arbeitsvertrag mit Wirkung ab dem 02.07.2012 (Montag). Das zweite Arbeitsverhältnis endete aufgrund fristloser Kündigung der Beklagten am 12.10.2012.

    Die Parteien hatten in beiden Arbeitsverhältnissen arbeitsvertraglich 26 Urlaubstage pro Jahr im Rahmen einer 5-Tage-Woche vereinbart. Die Beklagte gewährte dem Kläger am 30.04., 18.05. und 08.06.2012 Urlaub.

    Mit seiner beim Arbeitsgericht Krefeld eingereichten Klage hat der Kläger die Beklagte u.a. auf Urlaubsabgeltung für 33 Urlaubstage mit einem Tagessatz von 121,09 EUR brutto in Anspruch genommen.

    Der Kläger hat die Auffassung vertreten, angesichts der nur kurzfristigen Unterbrechung zwischen den beiden Arbeitsverhältnissen sei für die Berechnung des ihm zustehenden Urlaubs in der Gesamtschau von einem einheitlichen Arbeitsverhältnis auszugehen. Für das Jahr 2012 ergebe sich danach ein voller Urlaubsanspruch von 26 Tagen. Hinzu komme ein Resturlaubsanspruch von sieben Tagen aus dem Jahr 2011.

    Der Kläger hat insoweit beantragt,

    die Beklagte zu verurteilen, an ihn Urlaubsabgeltung in Höhe von 3.995,97 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2012 zu zahlen.

    Die Beklagte hat beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Sie hat die Auffassung vertreten, die Urlaubsansprüche seien anteilig für die beiden Arbeitsverhältnisse zu berechnen und damit für das Jahr 2012 zu zwölfteln. Die Resturlaubsansprüche aus dem Jahr 2011 seien verfallen.

    Im Übrigen hat die Beklagte behauptet, dem Kläger seien insgesamt 14 Urlaubstage im Jahr 2012 gewährt worden.

    Das Arbeitsgericht hat nach Durchführung einer Beweisaufnahme mit Schlussurteil vom 19.09.2013 dem Kläger einen Abgeltungsanspruch für 23 Urlaubstage aus dem Jahr 2012 in Höhe von 2.785,07 EUR brutto zuerkannt und die weitergehende Klage auf Urlaubsabgeltung abgewiesen.

    Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:

    Im Jahr 2012 sei trotz der rechtlichen Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses der volle Urlaubsanspruch von 26 Tagen entstanden. In Abzug zu bringen seien nur die unstreitig gewährten drei Urlaubstage. Hinsichtlich weiterer genommener Urlaubstage sei die Beklagte beweisfällig geblieben. Die Resturlaubsansprüche aus dem Jahr 2011 seien mit Ablauf des 31.03.2012 verfallen.

    Gegen das ihr am 11.10.2013 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit einem beim Landesarbeitsgericht am 11.11.2013 eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit einem hier am 11.12.2013 eingereichten Schriftsatz - eingeschränkt - wie folgt begründet:

    Bei richtiger Anwendung des Bundesurlaubsgesetzes stehe dem Kläger für das erste Halbjahr 2012 ein anteiliger Urlaubsanspruch von 13 Tagen abzüglich der drei gewährten Urlaubstage und für den Zeitraum vom 02.07.2012 bis 12.10.2012 ein Anspruch von sieben Urlaubstagen zu. Insgesamt ergebe sich ein Anspruch auf Abgeltung von 17 Tagen mit der Folge, dass sie nur zur Urlaubsabgeltung in Höhe von 2.058,53 EUR brutto verpflichtet sei.

    Die Beklagte beantragt,

    auf die Berufung das Schlussurteil des Arbeitsgerichts Krefeld vom 19.09.2013 - 1 Ca 30/13 - teilweise abzuändern und die Klage auch insoweit abzuweisen, als sie verurteilt worden ist, an den Kläger mehr als 2.058,53 EUR brutto Urlaubsabgeltung nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2012 zu zahlen.

    Der Kläger beantragt,

    die Berufung zurückzuweisen.

    Er verteidigt in der Berufungserwiderung das angefochtene Urteil.

    Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien im Einzelnen wird auf den mündlich vorgetragenen Inhalt der Akte ausdrücklich Bezug genommen.

    Entscheidungsgründe

    A.

    Die Berufung gegen das Schlussurteil des Arbeitsgerichts Krefeld vom 19.09.2013, die die Beklagte mit der Berufungsbegründung auf die Verurteilung zur Urlaubsabgeltung von mehr als 17 Tagen beschränkt hat, ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat die Beklagte zu Recht zur Abgeltung von weiteren sechs Urlaubstagen mit dem rechnerisch unstreitigen Tagessatz von 121,09 EUR brutto und damit zur Zahlung von Urlaubsabgeltung in Höhe von insgesamt 2.785,07 EUR brutto nebst Zinsen verurteilt.

    1. Der Anspruch des Klägers auf die zugesprochene Urlaubsabgeltung folgt aus § 7 Abs. 4 BUrlG. Zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses stand dem Kläger gemäß §§ 1, 4 BUrlG der volle Urlaubsanspruch für das Jahr 2012 in Höhe der arbeitsvertraglich vereinbarten 26 Tage abzüglich der drei gewährten Urlaubstage zu. Eine Zwölftelung des Urlaubsanspruchs nach § 5 Abs. 1 BUrlG fand nicht statt, da der Kläger nach erfüllter Wartezeit am 12.10.2012 in der zweiten Hälfte des Kalenderjahres aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden ist (Umkehrschluss aus § 5 Abs. 1 lit. c) BUrlG). Die beiden Arbeitsverhältnisse der Parteien erscheinen in der Gesamtschau als eine Einheit. Die Unterbrechung am 01.07.2012 nach der Eigenkündigung des Klägers zum 30.06.2012 ist für die Berechnung des Urlaubs rechtlich irrelevant.

    2. Das Arbeitsgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass höchstrichterlich noch nicht entschieden sei, ob eine Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses, insbesondere nur eine kurzfristige, zu einem Neubeginn der Wartezeit gemäß § 4 BUrlG führe. Im Schrifttum ist die Frage umstritten.

    a) Teilweise wird angenommen, dass die Wartezeit neu beginnt, wenn das Arbeitsverhältnis z.B. - wie im Streitfall - durch Kündigung rechtlich unterbrochen und anschließend wieder fortgesetzt wird (vgl. ErfK/Gallner ,14. Aufl. 2014, § 4 BUrlG Rn. 4; Leinemann/Linck, UrlaubsR, 2. Aufl. 2001, Rn. 13 und 14; Arnold/Tillmanns, BUrlG, 2. Aufl. 2010, § 4 Rn. 22, 23). Das soll auch dann gelten, wenn die Unterbrechung sehr kurz und vom Arbeitgeber veranlasst war. Begründet wird dies damit, dass sich für die Gegenansicht im Gesetz kein Anhaltspunkt finde. Es führe zur Rechtsunsicherheit, wenn eine Fülle ungeschriebener Rechtsbegriffe wie "kurze Unterbrechung, längere Unterbrechung, Verhältnis von Wartezeit zu geplanter Dauer des Arbeitsverhältnisses" maßgebend sein solle. In extremen Ausnahmefällen könne der Einwand der rechtsmissbräuchlichen Berufung auf die nicht verstrichene Wartezeit als Korrektiv herangezogen werden.

    b) Die Vertreter der Gegenansicht halten zumindest kürzere Unterbrechungen für unschädlich. Sie führen an, aus der Entstehungsgeschichte des § 4 BUrlG ergebe sich, dass der Gesetzgeber von einem allgemeinen Grundsatz ausgegangen sei, Unterbrechungen seien ggfs. unschädlich, und dass er die Einzelheiten der Rechtsprechung habe überlassen wollen (vgl. Neumann/Fenski, BUrlG, 10. Aufl. 2011, § 4 Rn. 43 ff m.w.N.; Hk-BUrlG/Hohmeister, 3. Aufl. 2013, § 4 BUrlG Rn. 35ff).

    3. Die Berufungskammer folgt - wie auch schon das Arbeitsgericht - der letztgenannten Ansicht.

    a) Dafür spricht, dass die Rechtsprechung auch bei anderen gesetzlich geregelten Wartefristen jedenfalls kurzfristige Unterbrechungen als unschädlich ansieht. Dies gilt zunächst für die Wartefrist gemäß § 1 Abs. 1 KSchG. Trotz rechtlicher Unterbrechung ist danach die Zeit eines früheren Arbeitsverhältnisses mit demselben Arbeitgeber bei erneuter Begründung eines Arbeitsverhältnisses auf die Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG anzurechnen, wenn die Unterbrechung verhältnismäßig kurz ist und zwischen beiden Arbeitsverhältnissen ein enger sachlicher Zusammenhang besteht (vgl. BAG 22.09.2005 - 6 AZR 607/04 - EzA KSchG § 1 Nr. 58; BAG 23.05.2013 - 2 AZR 54/12 -EzA KSchG § 23 Nr. 39; BAG 20.06.2013 - 2 AZR 790/11 - [...]). Die gleichen Grundsätze gelten für § 3 Abs. 3 EFZG (BAG 22.08.2001 - 5 AZR 699/99 - NZA 2002, 610) und für § 622 Abs. 2 BGB (BAG 18.09.2003 - 2 AZR 330/02 - EzA BGB 2002 § 622 Nr. 2).

    b) Dafür spricht weiter der Sinn und Zweck des § 4 BUrlG. Er besteht in erster Linie darin, für die Inanspruchnahme von Erholungsurlaub eine gewisse Dauer des Arbeitsverhältnisses zu verlangen. Vor beendeter Wartezeit kann der Arbeitnehmer im Geltungsbereich des Bundesurlaubsgesetzes keine Befreiung von der Arbeitspflicht beanspruchen, auch nicht für einen Teil des Jahresurlaubs (ErfK/Gallner, 14. Aufl. 2014, § 4 BUrlG Rn. 1). Diesem Normzweck würde eine rein formalistische Auslegung der Vorschrift nicht gerecht werden. Wenn nämlich das Arbeitsverhältnis nur kurzfristig unterbrochen und sodann fortgesetzt wird, erscheint es doch in der Gesamtschau noch als Einheit, sodass das Arbeitsverhältnis trotz der kurzen Unterbrechung eine solch lange Zeit bestanden hat, dass ein Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers auch aus Arbeitgebersicht als gerechtfertigt erscheint (Hk-BUrlG/Hohmeister, 3. Aufl. 2013, § 4 BUrlG Rn. 37).

    c) Demgegenüber vermag das Argument einer befürchteten Rechtsunsicherheit nicht zu überzeugen. Unbestimmte Rechtsbegriffe sind für unsere Rechtsordnung typisch und es obliegt den Gerichten, sie im Rahmen der Subsumtion auszufüllen und so für Einzelfallgerechtigkeit zu sorgen.

    d) Diesem Verständnis steht auch der Gesetzeswortlaut nicht entgegen. Zum Einen verlangt die Erfüllung der Wartezeit in § 4 BUrlG nicht den "ununterbrochenen" Bestand des Arbeitsverhältnisses, obwohl dies in anderen gesetzlichen Regelungen zu Wartezeiten z.B. § 1 Abs. 1 KSchG ("ohne Unterbrechung länger als sechs Monate") oder § 3 Abs. 3 EFZG ("nach vierwöchiger ununterbrochener Dauer des Arbeitsverhältnisses") sogar ausdrücklich der Fall ist. Das Wort "ununterbrochenem" (Bestehen des Arbeitsverhältnisses) ist zum Anderen aber bei den seinerzeitigen Beratungen im Bundestag am 07.12.1962 gerade gestrichen worden, um der Rechtsprechung die Anwendung zu überlassen. In den Ausschussberatungen des Bundestages war man sogar der Auffassung, dass der Rechtsgedanke, wonach kurzfristige Unterbrechungen des Arbeitsverhältnisses für die Entstehung des Urlaubsanspruchs ohne Bedeutung seien, auch ohne ausdrückliche gesetzliche Normierung gelte (schriftl. Bericht des Ausschusses für Arbeit, BT-Drucks. IV/785 zu § 4, S. 3).

    4. Ausgehend von der Rechtsauffassung, dass kurzfristige Unterbrechungen des Arbeitsverhältnisses unschädlich sind, hat im Streitfall mit dem Neubeginn des Arbeitsverhältnisses ab dem 02.07.2012 die Wartefrist des § 4 BUrlG nicht neu begonnen. Es liegt eine nur kurzfristige Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses bei bestehendem engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang vor. Der Kläger ist im unmittelbaren Anschluss an seine Kündigung und das Beendigungsdatum von der Beklagten wieder eingestellt und weiterbeschäftigt worden. Der neue Arbeitsvertrag ist schon vor Ablauf der Kündigungsfrist geschlossen worden, die Beschäftigung erfolgte bei rechtlicher Unterbrechung von nur einem Tag rein tatsächlich durchgehend, da es sich bei dem 01.07.2012 um einen Sonntag handelte, an dem der Kläger ohnehin nicht gearbeitet hätte. Schon aufgrund der tatsächlich nahtlosen Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses am bisherigen Arbeitsplatz des Klägers liegt ein hinreichend enger innerer Zusammenhang zwischen den beiden - rechtlich getrennten - Arbeitsverhältnissen vor. Auf die zutreffenden Erwägungen des Arbeitsgerichts kann zur Vermeidung von Wiederholungen ergänzend Bezug genommen werden.

    5. Hilfsweise macht sich die Berufungskammer aus den dargelegten Gründen auch die weiteren Ausführungen des Arbeitsgerichts zur rechtsmissbräuchlichen Berufung der Beklagten auf die formale Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses trotz der von ihr selbst initiierten nahtlosen Weiterbeschäftigung des Klägers zu Eigen.

    B.

    Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG.

    Da der entscheidungserheblichen Rechtsfrage, ob eine kurzfristige Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses im Rahmen der Wartefrist des § 4 BUrlG unschädlich ist, grundsätzliche Bedeutung zukommt, war die Revision an das Bundesarbeitsgericht zuzulassen (vgl. § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG).

    Göttling

    Priebe

    Koesling

    Vorschriften§ 4 BUrlG, Bundesurlaubsgesetzes, § 7 Abs. 4 BUrlG, §§ 1, 4 BUrlG, § 5 Abs. 1 BUrlG, § 5 Abs. 1 lit. c) BUrlG, § 1 Abs. 1 KSchG