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  • 07.08.2012 · IWW-Abrufnummer 122432

    Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz: Beschluss vom 08.05.2012 – 3 TaBV 43/11

    Für die Anerkennung als leitender Angestellter i.S.v. § 5 Abs. 3 Satz 2 BetrVG genügt nicht, dass ein Arbeitnehmer nur vertretungsweise im Falle der vorübergehenden Abwesenheit seines Vorgesetzten zur Durchführung personeller Maßnahmen (Einstellungen und Entlassungen) berechtigt ist.


    Tenor:

    1. Die Beschwerde des zu 1) beteiligten Betriebsrats gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Mainz -Auswärtige Kammern Bad Kreuznach- vom 17.11.2011 -6 BV 17/11- wird zurückgewiesen.

    2. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

    Gründe

    I. Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beteiligten zu 3) und 4) leitende Angestellte im Sinne des § 5 Abs. 3 BetrVG sind.

    Die zu 2) beteiligte Arbeitgeberin betreibt in A-Stadt (A-Straße) ein SB-Warenhaus. In diesem Betrieb sind ca. 130 Arbeitnehmer beschäftigt. Der zu 1) beteiligte Antragsteller ist der im Betrieb der Arbeitgeberin gewählte Betriebsrat. Die Beteiligten zu 3) und 4) sind im Betrieb als Teamleiter beschäftigt und im Falle der Abwesenheit des Geschäftsleiters dessen Stellvertreter. Der Geschäftsleiter des Betriebs, Herr M., ist der Vorgesetzte der Beteiligten zu 3) und 4).

    Die am 17. und 18. März 2010 im Betrieb turnusmäßig durchgeführte Betriebsratswahl ist von der Arbeitgeberin und drei Arbeitnehmern, darunter der Beteiligte zu 4), angefochten worden. Im Wahlanfechtungsverfahren haben die Beteiligten vor dem Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz (Az: 11 TaBV 31/10) in der Sitzung vom 11. November 2010 folgenden Vergleich (Bl. 8 d. A.) geschlossen:

    Der aus der Wahl vom 17.03.2010/18.03.2010 hervorgegangene Betriebsrat, der Beteiligte zu 5., tritt unverzüglich zurück und bleibt nach den gesetzlichen Bestimmungen geschäftsführend im Amt.

    Es werden Neuwahlen eingeleitet. Der Beteiligte zu 5. wird bei der Bestellung des neuen Wahlvorstandes den Beteiligten zu 3., Herrn E., als Mitglied des Wahlvorstandes bestellen.

    Damit ist vorliegendes Verfahren erledigt.

    (...)

    Der vom Betriebsrat eingesetzte Wahlvorstand vertritt im Zusammenhang mit der eingeleiteten Neuwahl zum Betriebsrat die Auffassung, dass die Beteiligten zu 3) und 4) als leitende Angestellte von der Wählerliste zu streichen sind.

    Den Beteiligten zu 3) und 4) wurde ebenso wie dem Geschäftsleiter (Herr M.) und sechs weiteren Arbeitnehmern eine Untervollmacht vom 6. Januar 2010 (Bl. 14 d. A.) erteilt, je einzeln die für die Arbeitgeberin bestimmten Postsendungen (beschränkt auf den Markt in A-Stadt und mit Ausnahme der eigenhändig auszuhändigenden und postlagernd nachzuweisenden Sendungen) in Empfang zu nehmen; die Untervollmacht ist jederzeit widerruflich und berechtigt die betreffenden Personen nicht, ihrerseits Untervollmachten zu erteilen.

    Mit Aushang der Geschäftsleitung der Arbeitgeberin vom 21. Dezember 2010 (Bl. 15 d. A.) wurden die Mitarbeiter auf Folgendes hingewiesen:

    "Aushang

    Hinweis an alle Mitarbeiter/innen in den Märkten

    der Zweite real-, SB-Warenhaus GmbH

    Betrifft: Bevollmächtigung bei personellen Angelegenheiten

    Sehr geehrte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter,

    in vorgenannter Angelegenheit weisen wir darauf hin, das die nachfolgenden Funktionsträger als leitende Angestellte bevollmächtigt und jeweils alleine berechtigt sind, im Namen des Arbeitgebers personelle Maßnahmen durchzuführen:

    Geschäftsleiter

    Bezirksleiter

    Regionaler Personalleiter

    Als nicht leitende Angestellte sind folgende Funktionsträger bevollmächtigt und jeweils alleine berechtigt, personelle Maßnahmen im Namen des Arbeitgebers durchzuführen:

    Personalreferenten der regionalen Personalleitungen

    Stellvertreter des Geschäftsleiters (diese im Falle der Abwesenheit des Geschäftsleiters)

    Diese Vollmacht bezieht sich nicht nur auf die Einstellung von Mitarbeitern und den Abschluss von Arbeitsverträgen, sondern insbesondere auch auf die Erteilung von Abmahnungen, den Ausspruch von Kündigungen und den Abschluss von Aufhebungsverträgen.

    Die Namen der derzeitigen Stelleninhaber der genannten Funktionen sind in der Anlage aufgeführt.

    Wir bitte um Kenntnisnahme."

    In der Anlage vom 10. März 2011 (Bl. 16 d. A.) zum Aushang "Bevollmächtigung bei personellen Angelegenheiten" vom 21. Dezember 2010 sind die Beteiligten zu 3) und 4) als Stellvertreter des Geschäftsleiters aufgeführt.

    Der Betriebsrat hat mit seiner beim Arbeitsgericht Mainz - Auswärtige Kammern Bad Kreuznach - eingereichten Antragsschrift vom 07. Juli 2011, die der Arbeitgeberin und den Beteiligten zu 3) und 4) jeweils am 14. Juli 2011 zugestellt worden ist, das vorliegende Beschlussverfahren eingeleitet und die Feststellung begehrt, dass die Beteiligten zu 3) und 4) leitende Angestellte im Sinne von § 5 BetrVG sind.

    Der Betriebsrat hat erstinstanzlich vorgetragen, er sei vor dem Hintergrund der realen Gegebenheiten und Befugnisse der Beteiligten zu 3) und 4) der Auffassung, dass diese leitende Angestellte seien. Diesen sei dieselbe Untervollmacht wie dem Geschäftsleiter, Herrn M., mit den gleichen Vertretungsbefugnissen erteilt worden. Ebenso wie die nach Ansicht der Arbeitgeberin als leitende Angestellte zu qualifizierenden Geschäftsleiter seien die Beteiligten zu 3) und 4) ausweislich des Aushangs vom 21. Dezember 2010 jeweils alleine berechtigt, personelle Maßnahmen im Namen des Arbeitgebers durchzuführen. Der Geschäftsleiter M. habe regelmäßig mindestens einen Tag in der Woche frei, so dass die Beteiligten zu 3) und 4) diesen an mindestens einem Tag in der Woche vollständig vertreten müssten. Darüber hinaus ergebe sich aus den Einsatzplänen für den Geschäftsleiter, dass dieser lediglich ein- bis zweimal pro Woche während der Phase der Spätöffnung bis 22.00 Uhr eingeplant sei und arbeite, während er an anderen Tagen seine Arbeitszeit um 17.00 Uhr bzw. 18.00 Uhr beende. Dementsprechend hätten die Beteiligten zu 3) und 4) den Geschäftsleiter M. regelmäßig von 17.00 Uhr bis 22.00 Uhr an den im einzelnen aufgeführten Tagen in der Zeit von Juli bis September 2011 jeweils vertreten. An mehreren Tagen im Monat beginne der Geschäftsleiter seine Arbeit erst um 12.00 Uhr, an anderen Tagen beende er seinen Dienst um 16.00 Uhr. Weiterhin müsse der Geschäftsleiter aus organisatorischen bzw. geschäftlichen Gründen verschiedentlich an Inventuren teilnehmen. Hinzu komme die Urlaubsphase von Herrn M., in der die Beteiligten zu 3) und 4) jeweils abwechselnd in vollem zeitlichen Umfang die Geschäftsleiteraufgaben wahrgenommen hätten. Dasselbe gelte für die Fälle der Erkrankung von Herrn M.. Im Hinblick darauf, dass die beiden stellvertretenden Geschäftsleiter in einem sehr wesentlichen zeitlichen Umfang die originären Aufgaben des Geschäftsleiters in der Zeit seiner Abwesenheit wahrnehmen würden, seien sie als leitende Angestellte im Sinne von § 5 BetrVG anzusehen.

    Der Betriebsrat hat erstinstanzlich beantragt

    festzustellen, dass die Mitarbeiter der beteiligten Arbeitgeberin in deren Betrieb in A-Stadt, die Herren C. und E., die Beteiligten zu 3) und 4), leitende Angestellte im Sinne von § 5 BetrVG sind.

    Die Arbeitgeberin und die Beteiligten zu 3) und 4) haben beantragt,

    den Antrag zurückzuweisen.

    Sie haben erwidert, die Beteiligten zu 3) und 4) seien nicht den leitenden Angestellten zuzuordnen. Die vom Betriebsrat angeführte Untervollmacht beziehe sich auf den Empfang von Postsendungen für den Markt in A-Stadt, so dass nicht ersichtlich sei, welches Merkmal im Sinne von § 5 Abs. 3 BetrVG diese Befugnis erfüllen solle. Soweit der Betriebsrat auf den Aushang der Geschäftsleitung vom 21. Dezember 2010 verwiesen habe, werde bereits daraus deutlich, dass die vertretungsweise wahrzunehmenden Aufgaben während der Abwesenheit des Geschäftsleiters nicht den überwiegenden Anteil der Tätigkeiten der Beteiligten zu 3) und 4) ausmachten. Es sei auch nicht üblich, dass personelle Maßnahmen durch stellvertretende Geschäftsleiter getroffen würden, weil es sich in der Regel nicht um unaufschiebbare Maßnahmen handele und diese ohne weiteres bis zur Anwesenheit des Geschäftsleiters oder der Verfügbarkeit anderer Vorgesetzter warten könnten. Die Vornahme derartiger Handlungen falle nämlich vorrangig in den Aufgabenbereich des Geschäftsleiters, welcher die Personalhoheit in dem jeweiligen Betrieb ausübe. Bezeichnenderweise habe der Betriebsrat keinen einzigen Fall genannt, in welchem die Beteiligten zu 3) und 4) eine Einstellung oder eine Entlassung vorgenommen hätten. Unabhängig davon würden einzelne Fälle zur Begründung der Eigenschaft als leitende Angestellte ohnehin nicht ausreichen. Die Tätigkeiten, die einen Angestellten zu einem leitenden Angestellten machten, müssten die Tätigkeiten des Angestellten prägen und sie damit schwerpunktmäßig bestimmen, was hier auch nach dem Vortrag des Betriebsrats nicht der Fall sei. Der Verweis auf die Abwesenheitszeiten des Geschäftsleiters ändere nichts daran, dass die Beteiligten zu 3) und 4) ihre Tätigkeiten als Teamleiter zum überwiegenden Teil ausüben würden und die vertretungsweise Wahrnehmung von Aufgaben der jeweiligen Beschäftigung nicht ihr Gepräge gebe. Vielmehr gestalte sich die Vertretung derart, dass die stellvertretenden Geschäftsleiter vorrangig ihre eigenen Aufgaben wahrnehmen würden. Allenfalls dringende, unaufschiebbare Angelegenheiten würden daher für den Geschäftsleiter erledigt. Allein die Abwesenheit des Geschäftsleiters bedeute nicht, dass die stellvertretenden Geschäftsleiter vollumfänglich dessen Aufgaben wahrnehmen und damit ihre eigene Arbeit aufgeben würden. Im Übrigen würden die stellvertretenden Geschäftsleiter nahezu keine der eigentlichen Kernaufgaben des Geschäftsleiters bei dessen Abwesenheit übernehmen.

    Mit Beschluss vom 17. November 2011 - 6 BV 17/11 - hat das Arbeitsgericht Mainz - Auswärtige Kammern Bad Kreuznach - den Antrag zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass die Beteiligten zu 3) und 4) keine leitenden Angestellten im Sinne des § 5 Abs. 3 BetrVG seien. Allein der Umstand, dass diese abstrakt Abwesenheitsvertreter des Geschäftsleiters seien, genüge nicht. Der Betriebsrat habe trotz des gerichtlichen Auflagenbeschlusses keine einzelnen Umstände geschildert, aus denen sich die Wahrnehmung entsprechender Aufgaben im Sinne von § 5 Abs. 3 BetrVG tatsächlich nachvollziehen lasse. Allein die Abwesenheit des regulären Geschäftsleiters für gewisse Zeiten, in denen er aufgrund der Begrenzung seiner täglichen Arbeitszeit oder wegen Urlaubs bzw. Krankheit keinen Dienst verrichte, erfülle die gesetzlichen Voraussetzungen nicht. Im Übrigen würden für die Feststellung eines hinreichende Einflusses im Sinne einer unternehmerischen Personalverantwortung jegliche Anhaltspunkte fehlen.

    Gegen den ihm am 24. November 2011 zugestellten Beschluss des Arbeitsgerichts hat der Betriebsrat mit Schriftsatz vom 22. Dezember 2011, beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz am 27. Dezember 2012 eingegangen, Beschwerde eingelegt und diese innerhalb der antragsgemäß bis zum 24. Februar 2012 verlängerten Beschwerdebegründungsfrist mit Schriftsatz vom 22. Februar 2012, beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz am 24. Februar 2012 eingegangen, begründet.

    Der Betriebsrat trägt vor, entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts komme es auf die den Beteiligten zu 3) und 4) eingeräumten Befugnisse und nicht darauf an, ob mit dem überwiegenden Anteil der Tätigkeit diese Befugnis auch tatsächlich ausgeübt werde. Ausweislich des Aushangs der Arbeitgeberin vom 21. Dezember 2010 und der erteilten Untervollmacht vom 06. Januar 2010 würden sich die den Beteiligten zu 3) und 4) erteilten Vollmachten im Außenverhältnis mit denen des Geschäftsleiters, Herrn M., decken. Darüber hinaus unterlägen die Beteiligten zu 3) und 4) im Innenverhältnis während der Zeit der Stellvertretung des Geschäftsleiters keinen Einschränkungen bezüglich Einstellung und Entlassung. Während der Urlaubs-, Krankheits- oder dienstbedingten Abwesenheitszeiten des Herrn M. hätten die Beteiligten zu 3) und 4) ohne Einschränkung nach innen oder außen Geschäftsleiterfunktionen innegehabt. Auf die Frage, in welchem Umfang sie diese Befugnisse dann auch ausgeübt hätten, komme es hingegen nicht an. Bezeichnenderweise habe das Unternehmen in einem Verfahren vor dem Arbeitsgericht Gießen (Az: 4 BV 3/11) in einer vergleichbaren Konstellation ausgeführt, dass der Stellvertreter des Geschäftsleiters leitender Angestellter im Sinne von § 5 BetrVG sei, woraufhin das Arbeitsgericht Gießen mit Beschluss vom 14. Juli 2011 (Anlage B 1 zum Schriftsatz vom 22. Februar 2012) einen entsprechenden Antrag des Betriebsrats mit dieser Begründung zurückgewiesen habe. Ihre personellen Befugnisse hätten die Beteiligten zu 3) und 4) in ihrer Eigenschaft als stellvertretende Geschäftsleiter regelmäßig mehrere Mal im Monat während der Abwesenheit des Geschäftsleiters ohne interne oder externe Beschränkungen ausgeübt; wegen der Einzelheiten der diesbezüglich angeführten Vorgänge wird auf die Ausführungen des Betriebsrates unter Ziffern 4 und 5 der Beschwerdebegründung vom 22. Februar 2012 (S. 4 bis 7 = Bl. 178 bis 181 d. A.) nebst Anlagen B 1a bis B 12 (Bl. 188 bis 279 d. A.) Bezug genommen. Danach hätten die Beteiligten zu 3) und 4) tatsächlich in Abwesenheit des Geschäftsleiters Einstellungen und Entlassung verfügt, verantwortet und vorgenommen. Der vorgelegte Auszug aus dem "Handbuch Personalsachbearbeitung" betreffe nicht die im vorliegenden Verfahren beteiligte Arbeitgeberin, sondern eine andere Gesellschaft. Unabhängig davon ergebe sich hieraus auch nicht, dass stellvertretende Geschäftsleiter keine Geschäftsleiterbefugnisse hätten, weil sie in Abwesenheit des hauptamtlichen Geschäftsleiters die "Geschäftsleiter" im Sinne des "Handbuchs" seien. Ein Stellvertreter habe im Falle der Abwesenheit des Vertretenen begrifflich dessen Funktion sowie Rolle und dementsprechend auch dessen Befugnisse inne. Er sei in Abwesenheit des Geschäftsleiters funktional "Geschäftsleiter".

    Der Betriebsrat beantragt,

    unter Abänderung des am 24. November 2011 zugestellten Beschlusses des Arbeitsgerichts Mainz vom 17. November 2011 - 6 BV 17/11 - festzustellen, dass die Mitarbeiter der beteiligten Arbeitgeberin in deren Betrieb in A-Stadt, die Herren C. und E., die Beteiligten zu 3) und 4), leitende Angestellte im Sinne von § 5 BetrVG sind.

    Die Arbeitgeberin und die Beteiligten zu 3) und 4) beantragten,

    die Beschwerde zurückzuweisen.

    Sie erwidern, den Beteiligten zu 3) und 4) stehe im Innenverhältnis die Befugnis, selbständige Entscheidungen über Einstellungen und Entlassungen treffen zu dürfen, nicht zu. Das Arbeitsgericht habe richtigerweise darauf abgestellt, dass es gerade nicht auf das Außenverhältnis einer erteilten (Unter-)Vollmacht ankomme, sondern vielmehr auf das der Außenvollmacht zugrunde liegende Innenverhältnis, d. h. das tatsächliche rechtliche Dürfen. Es fehle jeglicher Sachvortrag, aufgrund welcher konkreten Handlungen der Beteiligten zu 3) und 4) sich Rückschlüsse auf die zwingend erforderliche selbständige Entscheidungskompetenz ziehen lassen könnten. Die Beteiligten zu 3) und 4) seien allenfalls in Eilfällen (etwa bei krankheitsbedingtem Ausfall von Arbeitnehmern) befugt, Leiharbeitnehmer einzusetzen, sofern dies für den Geschäftsbetrieb zwingend erforderlich sei. Der vom Betriebsrat angeführte Aushang betreffe lediglich das Außenverhältnis, ohne dass hieraus ein Rückschluss auf das Vorliegen einer selbständigen Entscheidungskompetenz im Innenverhältnis über Einstellungen und Entlassungen gezogen werden könne. Es sei unzutreffend, dass die Beteiligten zu 3) und 4) im Innenverhältnis während der Zeit der Vertretung des Geschäftsleiters keinen Beschränkungen unterliegen würden. Soweit der Betriebsrat auf das Verfahren vor dem Arbeitsgericht Gießen (Az: 4 BV 3/11) verwiesen habe, sei klarzustellen, dass sich die betreffende Arbeitgeberin in diesem Verfahren nicht darauf berufen habe, dass der betroffene Mitarbeiter leitender Angestellter sei. Im Übrigen reiche auch der weitere Vortrag des Betriebsrats nicht aus, die erforderliche selbständige Personalverantwortung der Beteiligten zu 3) und 4) zu begründen; im Übrigen wird wegen der weiteren Einzelheiten auf die diesbezüglichen Ausführungen unter Ziffer 2 der Beschwerdeerwiderung vom 12. April 2012 (Seite 5 bis 8 = Bl. 303 bis 306 d. A.) verwiesen. Aus dem vorgelegten Auszug "Handbuch Personalsachbearbeitung" (Anlage BG 1 zum Schriftsatz vom 30. April 2012 bzw. Anlage BG 2 zum Schriftsatz vom 07. Mai 2012) ergebe sich, dass die Personalverantwortung ausschließlich beim Geschäftsleiter liege, der für Einstellungen, Kündigungen und Gehaltsvereinbarungen von Mitarbeitern bis zur Ebene der Teamleiter und Abteilungsleiter ausschließlich zuständig sei. Den Beteiligten zu 3) und 4) würden keine Befugnisse zur Personalentscheidung zustehen.

    Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die erst- und zweitinstanzlich eingereichten Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.

    II. Die gemäß § 87 Abs. 1 ArbGG statthafte Beschwerde ist zulässig. Sie ist insbesondere frist- sowie formgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 87 Abs. 2, 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. §§ 519, 520 ZPO, § 89 Abs. 1 und 2 ArbGG).

    In der Sache hat die Beschwerde des Betriebsrats aber keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat zu Recht den Antrag zurückgewiesen. Der Feststellungsantrag ist zulässig, aber unbegründet.

    1. Der Feststellungsantrag des Betriebsrats ist zulässig.

    Das entsprechend § 256 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse an der Klärung der Frage des betriebsverfassungsrechtlichen Status der Beteiligten zu 3) und 4) ergibt sich daraus, dass für Betriebsrat und Arbeitgeber der personelle Kompetenzbereich des Betriebsrat geklärt werden muss (vgl. Fitting BetrVG 26. Aufl. § 5 Rn. 465).

    Der Betriebsrat ist antragsberechtigt. Neben der Arbeitgeberin (Beteiligte zu 2) sind auch die betroffenen Arbeitnehmer (Beteiligte zu 3 und 4), um deren Status als leitender Angestellter es geht, im vorliegenden Beschlussverfahren zu beteiligen (vgl. Fitting BetrVG 26. Aufl. § 5 Rn. 463).

    2. Der zulässige Feststellungsantrag ist aber nicht begründet.

    Die Beteiligten zu 3) und 4) sind keine leitenden Angestellten im Sinne des § 5 Abs. 3 BetrVG.

    a) Nach § 5 Abs. 3 Satz 2 BetrVG ist leitender Angestellter, wer nach Arbeitsvertrag und Stellung im Unternehmen oder im Betrieb zur selbständigen Einstellung und Entlassung von im Betrieb oder in der Betriebsabteilung beschäftigten Arbeitnehmern berechtigt ist (Nr. 1) oder Generalvollmacht oder Prokura hat und die Prokura auch im Verhältnis zum Arbeitgeber nicht unbedeutend ist (Nr. 2) oder regelmäßig sonstige unternehmerische Aufgaben im Sinne der Nr. 3 wahrnimmt.

    Nach den Tatbestandsmerkmalen des Eingangssatzes des § 5 Abs. 3 Satz 2 BetrVG ist für die Anerkennung als leitender Angestellter erforderlich, dass dieser seine qualifizierende Tätigkeit "nach Arbeitsvertrag" und "Stellung im Unternehmen oder im Betrieb" ausführt. Eine nur vertretungsweise Ausübung der Befugnisse genügt nicht, weil sie nicht die "Stellung" im Unternehmen kennzeichnet (BAG 23. Januar 1986 - 6 ABR 22/82 - Rn. 23, NZA 1986, 487; Fitting BetrVG 26. Aufl. § 5 Rn. 369; Richardi BetrVG 8. Aufl. § 5 Rn. 199; Däubler/Kittner/Klebe BetrVG 11. Aufl. § 5 Rn. 195). Eine Übertragung von Aufgaben und Befugnissen im Arbeitsvertrag reicht für sich allein nicht aus. Ein Arbeitnehmer kann nur leitender Angestellter sein, wenn er tatsächlich - im Innenverhältnis - die Aufgaben und Befugnisse ausübt, die seinen Status als leitender Angestellter begründen können (Fitting BetrVG 26. Aufl. § 5 Rn. 369). Die Ausübung der übertragenen Funktionen (im Sinne von § 5 Abs. 3 Satz 2 BetrVG) muss die Stellung des Arbeitnehmers in der Arbeitsorganisation prägen (Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht/Koch 12. Aufl. § 5 BetrVG Rn. 18; Richardi BetrVG 8. Aufl. § 5 Rn. 199). Der Arbeitnehmer, der einen leitenden Angestellten jeweils nur vorübergehend vertritt, kann allein deshalb nicht schon leitender Angestellter sein (Fitting BetrVG 26. Aufl. § 5 Rn. 369 u. 400; Richardi BetrVG 8. Aufl. § 5 Rn. 199; Däubler/Kittner/Klebe BetrVG 11. Aufl. § 5 Rn. 195).

    b) Danach sind die Beteiligten zu 3) und 4) keine leitenden Angestellten im Sinne von § 5 Abs. 3 Satz 2 BetrVG.

    aa) Das Arbeitsgericht hat zutreffend angenommen, dass insbesondere die Voraussetzungen des § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BetrVG nicht vorliegen.

    Die Einstellungs- und Entlassungsbefugnis muss nach § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BetrVG sowohl im Innenverhältnis als auch im Außenverhältnis bestehen. An dem Merkmal der Selbständigkeit fehlt es daher, wenn der Angestellte nur im Verhältnis zu den Arbeitnehmern, nicht aber im Innenverhältnis zu seinen Vorgesetzten befugt ist, über Einstellungen und Entlassungen zu entscheiden. Die Ausübung der Personalkompetenz darf nicht von der Zustimmung einer anderen Person abhängig sein (BAG 25. März 2009 - 7 ABR 2/08 - Rn. 26, NZA 2009, 1296).

    Die Beteiligten zu 3) und 4) sind als Teamleiter ihrem Vorgesetzten, Herrn M., unterstellt, der lediglich im Falle seiner Abwesenheit von ihnen jeweils vertreten wird. Ausweislich des Aushangs vom 21. Dezember 2010 ist dementsprechend bereits im Außenverhältnis die den Beteiligten zu 3) und 4) erteilte Vollmacht dahingehend beschränkt, dass sie als Stellvertreter nur "im Falle der Abwesenheit des Geschäftsleiters" zur Durchführung von personellen Maßnahmen bevollmächtigt sind. Im Hinblick darauf, dass die Beteiligten zu 3) und 4) lediglich im Falle der Abwesenheit des Geschäftsleiters zu dessen Vertretung berechtigt sind, können und dürfen sie die Personalkompetenz des Geschäftsleiters allenfalls dann ausüben, wenn und solange der Geschäftsleiter selbst verhindert ist. Der jeweilige Stellvertreter ist danach kein zweiter Geschäftsleiter mit gleichen Rechten. Die vom Betriebsrat in diesem Zusammenhang angeführte "Untervollmacht" vom 06. Januar 2010 bezieht sich lediglich auf die Entgegennahme bestimmter Postsendungen (beschränkt auf den Markt in A-Stadt) und ist bereits deshalb im Hinblick auf die Tatbestandsmerkmale des § 5 Abs. 3 BetrVG ohne jede Bedeutung.

    In Bezug auf das Innenverhältnis hat auch der Betriebsrat nicht behauptet, dass die stellvertretenden Geschäftsleiter bei kurzzeitiger Abwesenheit des Geschäftsleiters Kündigungen nicht nur im Außenverhältnis erklären, sondern regelmäßig auch die Entscheidung über den Ausspruch einer Kündigung gegenüber einem bestimmten Mitarbeiter selbständig treffen dürfen, und zwar auch dann, wenn es sich - wie in der Regel - um keine unaufschiebbare Angelegenheit handelt. Vielmehr hat der Betriebsratsvorsitzende im Anhörungstermin vom 17. November 2011 vor dem Arbeitsgericht selbst erklärt, dass er sich an Entlassungen nicht erinnern könne. Mit Ausnahme der angeführten Mitarbeiterin W., bei der der Beteiligte zu 3) am 13. Mai 2009 eine Kündigungsanhörung durchgeführt und die Kündigung angeblich auch "eigenverantwortlich" ausgesprochen haben soll, hat der Betriebsrat keinen einzigen Fall zu schildern vermocht, in dem ein stellvertretender Geschäftsleiter ohne Rücksprache mit seinem Vorgesetzten (Geschäftsleiter) bzw. dessen Zustimmung selbst entschieden haben soll, dass einem bestimmten Mitarbeiter gekündigt wird. Falls der Geschäftsleiter lediglich an einzelnen Tagen oder zu bestimmten Öffnungszeiten nicht anwesend ist, ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass die stellvertretenden Geschäftsleiter in diesen Abwesenheitszeiten eigenständig über Entlassungen entscheiden, zumal es sich regelmäßig nicht um unaufschiebbare Maßnahmen handelt, die ein Abwesenheitsvertreter selbständig zu treffen hat. Allein der Verweis auf Urlaubs- oder Krankheitszeiten des Geschäftsleiters, in denen es zu einer solchen eigenständigen Entscheidung durch einen der Abwesenheitsvertreter ausnahmsweise kommen könnte, genügt nicht. Unerheblich ist, dass die Beteiligten zu 3) und 4) in einer Vielzahl von Fällen den Einsatz von Leiharbeitnehmern an der Kasse verfügt haben. Selbst wenn die Beteiligten zu 3) und 4) im Falle der Abwesenheit des Geschäftsleiter zum vorübergehenden Einsatz von Hilfskräften bzw. Leiharbeitnehmern befugt sind, begründet dies noch keine Einstellungs- und Entlassungsbefugnis im Sinne des § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BetrVG (vgl. Richardi BetrVG 12. Aufl. § 5 Rn. 201).

    Entgegen den Ausführungen des Betriebsrats in der Beschwerdebegründung reicht allein die Übertragung von Aufgaben und Befugnissen für sich alleine nicht aus. Ein Arbeitnehmer kann nur leitender Angestellter sein, wenn er tatsächlich - im Innenverhältnis - die Aufgaben und Befugnisse ausübt, die seinen Status als leitender Angestellter begründen können. Allein die angeführte vertretungsweise Wahrnehmung der in § 5 Abs. 3 Satz 2 BetrVG aufgeführten Aufgaben genügt nicht, weil sie nicht die "Stellung" im Unternehmen kennzeichnet. Entgegen der Annahme des Betriebsrats sind die Beteiligten zu 3) und 4) nicht bereits deshalb als leitende Angestellte zu qualifizieren, weil sie den Geschäftsleiter jeweils vorübergehend während dessen Abwesenheit vertreten.

    bb) Die Anwendbarkeit des § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 BetrVG scheidet aus, weil die Beteiligten zu 3) und 4) weder Generalvollmacht noch Prokura haben.

    cc) Schließlich erfüllen die Beteiligten zu 3) und 4) auch nicht die Voraussetzungen des § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 BetrVG. Soweit der Betriebsrat der Ansicht ist, dass es entgegen den Ausführungen des Arbeitsgerichts nicht darauf ankomme, in welchem Umfang die Beteiligten zu 3) und 4) die ihnen während der Abwesenheit des Geschäftsleiters eingeräumten Befugnisse auch tatsächlich ausübten, ist das unzutreffend. Vielmehr kommt es gerade darauf an, in welchem Umfang die Vertretung den Angestellten neben dessen eigentlichen Aufgaben beansprucht, d.h. ob die Wahrnehmung der unternehmerischen Aufgaben im Sinne von Nr. 3 den Schwerpunkt der Tätigkeit bilden und ihr das Gepräge geben (Däubler/Kittner/Klebe BetrVG 11. Aufl. § 5, Rn. 195; Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht/Koch 12. Aufl. § 5 BetrVG Rn. 21). Die Beteiligten zu 3) und 4) vertreten den Geschäftsleiter nur während dessen Urlaubs-, Krankheits- oder den angeführten dienstbedingten Abwesenheitszeiten. Hinzu kommt noch, dass der Geschäftsleiter von den Beteiligten zu 3) und 4) lediglich gemeinsam bzw. im Wechsel vertreten wird. Der auf den Auflagenbeschluss des Arbeitsgerichts vom 15. September 2011 erfolgte Vortrag des Betriebsrats und seine Ausführungen im Beschwerdeverfahren lassen nicht den Schluss darauf zu, dass die Wahrnehmung unternehmerischer Aufgaben im Sinne von § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 BetrVG für die Tätigkeit und Stellung der Beteiligten zu 3) und 4) in der Arbeitsorganisation der Arbeitgeberin prägend ist. Die nur vertretungsweise erfolgte Ausübung einzelner Befugnisse des Geschäftsleiters durch mehrere Stellvertreter erfüllt auch unter Zugrundelegung des Vortrags des Betriebsrates nicht die Voraussetzungen des § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 BetrVG.

    VorschriftenBetrVG § 5 Abs. 3 S. 2