Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • · Fachbeitrag · Klagefrist

    Wie weit schützt der Fortbestandsantragvor Versäumung der Klagefrist?

    Stellt der ArbN verbunden mit einer Kündigungsschutzklage gemäß § 4 KSchG, mit der er punktuell eine Kündigung angreift, zugleich einen allgemeinen Feststellungsantrag im Sinne von § 256 Abs. 1 ZPO, ist dies ausreichend, um hinsichtlich etwaiger Folgekündigungen den Eintritt der Fiktionswirkung des § 7 KSchG zu verhindern. Dies gilt zumindest dann, wenn die Folgebeendigungstatbestände noch vor Schluss der mündlichen Verhandlung in erster Instanz einbezogen werden und ein entsprechend angepasster Kündigungsschutzantrag gestellt wird (BAG 26.9.13, 2 AZR 682/12, Abruf-Nr. 141886).

     

    Sachverhalt

    Die ArbN und deren Ehemann waren beim ArbG, der Dienstleistungen für die Versicherungswirtschaft anbietet, langjährig beschäftigt. Hierbei war die ArbN als Firmenkundenberaterin tätig. Ihr Ehemann war zunächst mit unterschiedlichen Führungspositionen betraut. Von diesen wurde er 2009 entbunden. In einem Personalgespräch wurde ihm verdeutlicht, dass er seine neue Aufgabe als „Fulltime-Job“ zu begreifen habe, der grundsätzlich um acht Uhr am Hauptsitz beginne und mindestens acht Zeitstunden pro Tag andauere. Gleichzeitig wurden die ArbN und deren Ehemann angewiesen, ihre Arbeitszeiten durch Benutzung des neu eingeführten Zeiterfassungssystems zu dokumentieren.

     

    Im Zeitraum zwischen dem 20. und 24.9.10 erschien die ArbN jeweils vor acht Uhr am Hauptsitz und bediente das Zeiterfassungsterminal für sich selbst und mit der mitgebrachten Stempelkarte ihres Ehemanns auch für diesen. Nachdem sie das Büro ihres Mannes aufgesucht und dort Licht und Computer eingeschaltet hatte, begab sie sich dann zu ihrem Arbeitsplatz, während ihr Ehemann jeweils 18-20 Minuten später seine Arbeit aufnahm.

     

    Nach Anhörung des bei ihr bestehenden Betriebsrats kündigte der ArbG das Arbeitsverhältnis mit der ArbN außerordentlich, hilfsweise fristgerecht zum 31.3.11.

     

    Gegenüber dem Betriebsrat führte er aus, die ArbN habe „am 20., 21. und 22.9.10 unter Verwendung der Stempelkarte des Ehemanns einen Arbeitszeitbetrug zu dessen Gunsten begangen“.

     

    Mit Schreiben vom 6.10.10 kündigte der ArbG das Arbeitsverhältnis mit der ArbN erneut außerordentlich, hilfsweise fristgemäß nach Anhörung des Betriebsrats. Zur Begründung führte er auf, auch am „23. und 24.9.10 habe die ArbN die Stempelkarte des Ehemanns in der beschriebenen Weise benutzt“.

     

    Unter dem 15.10.10 erhob die ArbN Kündigungsschutzklage gegen die Kündigung vom 27.9.10, die sie mit einem Antrag verband, „festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis unverändert fortbesteht“. Im Rahmen der Klageschrift führte sie aus, sie könne nicht ausschließen, dass sich der ArbG auf weitere Beendigungstatbestände als die punktuell angegriffene Kündigung vom 27.9.10 berufen werde. Nachdem der ArbG in der mündlichen Verhandlung vom 2.2.11 das Kündigungsschreiben vom 6.10.10 zur Gerichtsakte reichte, stellte die ArbN einen Kündigungsschutzantrag nach § 4 S. 1 KSchG auch gegen die im Schreiben vom 6.10.10 enthaltene außerordentliche, hilfsweise fristgemäße Kündigung.

     

    Die Kündigungsschutzklage war erstinstanzlich und vor dem LAG Hamm(5 Sa 467/11) erfolgreich. Die Revision des ArbG führte zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das LAG Hamm.

     

    Entscheidungsgründe

    Der 2. Senat des BAG stellt zunächst im Einklang mit den Vorinstanzen klar, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht aufgrund der Wirksamkeitsfiktion nach § 7 KSchG mit Zugang der außerordentlichen Kündigung vom 6.10.10 geendet habe. Die ArbN habe nämlich die Frist des § 4 S. 1 KSchG durch den Fortbestandsantrag als allgemeinen Feststellungsantrag und durch die Einführung des Kündigungsschreibens vom 6.10.10 als Beendigungstatbestand zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung gewahrt.

     

    Insofern vertritt das BAG wie das LAG Hamm die Auffassung, die ArbN habe die Kündigung vom 6.10.10 neben der Kündigung vom 27.9.10 mit einer Klage nach § 13 Abs. 1 S. 2, § 13 Abs. 4 S. 1 KSchG jeweils gesondert angreifen müssen, was sie hingegen auch getan habe. Zwar sei die Kündigung vom 6.10.10 erstmals in der mündlichen Verhandlung vor dem Arbeitsgericht am 2.2.11 mit einem gesonderten Antrag angegriffen worden. Dies reiche hingegen aus. Die ArbN habe nämlich bereits bei Klageeinreichung am 15.10.10 verbunden mit dem punktuellen Angriff gegen die Kündigung vom 27.9.10 einen allgemeinen Feststellungsantrag im Sinne des § 256 Abs. 1 ZPO gestellt. Dies sei ausreichend, um hinsichtlich der Folgekündigung vom 6.10.10 das Eintreten der Fiktionswirkung des § 7 KSchG zu verhindern.

     

    Dies liege daran, dass der ArbN, der neben der Klage gegen eine konkret bezeichnete einzelne Kündigung binnen der Drei-Wochen-Frist des § 4 S. 1 KSchG eine Feststellungsklage nach § 256 ZPO erhebe, mit dieser Antragskonstellation zeige, dass er sich auch gegen weitere, gegebenenfalls vorsorgliche Kündigungen wenden wolle. Daher könne der ArbN in diesem Fall noch nach Ablauf der Drei-Wochen-Frist solche Kündigungen in den Prozess einführen und sich auf deren Unwirksamkeit berufen. Ein Antrag nach § 256 Abs. 1 ZPO auf Feststellung des Fortbestands des Arbeitsverhältnisses wahre in entsprechender Anwendung des § 6 KSchG die Klagefrist für eine erst nach Ablauf der Drei-Wochen-Frist in den Prozess einführte Kündigung. Voraussetzung sei aber, dass sich der ArbN auf die Unwirksamkeit der weiteren Kündigung noch vor Schluss der mündlichen Verhandlung in erster Instanz berufe und einen entsprechenden Kündigungsschutzantrag stelle, der dem Wortlaut des § 4 S. 1 KschG entspreche.

     

    In materiell-rechtlicher Hinsicht hat der 2. Senat des BAG hingegen ausgeführt, das LAG Hamm habe nicht auf Grundlage der bisherigen Feststellungen annehmen dürfen, die fristlose Kündigung vom 6.10.10 sei mangels eines wichtigen Grundes nach § 626 Abs. 1 BGB unwirksam.

     

    Die entsprechende Rechtsauffassung habe das LAG darauf gestützt, dass sich die ArbG auf eine strafrechtlich relevante Pflichtverletzung im Sinne des § 263 StGB im Prozess und gegenüber dem Betriebsrat im Rahmen der Anhörung berufen habe. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 263 StGB seien aber nach den Feststellungen des LAG nicht erfüllt. Der Ehemann der ArbN sei an keine festen Arbeitszeiten gebunden gewesen. Daher stelle das Vortäuschen von Anwesenheitszeiten keinen Vermögensvorteil für den Ehemann auf Kosten des ArbG dar.

     

    Nach Auffassung des BAG kommt es hingegen nicht auf eine mögliche Strafbarkeit des objektiv pflichtwidrigen Verhaltens an. Entscheidend sei vielmehr, ob ein objektiver Verstoß gegen vertragliche Haupt- oder Nebenpflichten vorliege, und welches Gewicht ein damit verbundener Vertrauensbruch habe. Dies gelte auch, sofern der ArbG im Rahmen der Betriebsratsanhörung eine fehlerhafte strafrechtliche Bewertung des Lebenssachverhalts vorgenommen habe.

     

    Praxishinweis

    Das BAG führt seine Rechtsprechung fort, nach der ein sogenannter Fortbestandsantrag „der mit einem punktuellen Kündigungsschutzantrag verbunden ist“, die Klagefrist nach § 4 KSchG auch dann wahrt, wenn hinsichtlich etwaiger Folgekündigungen die Drei-Wochen-Frist verstrichen ist. Dies setzt voraus, dass der Antrag auf Feststellung des Fortbestands gestellt ist und der entsprechende Kündigungstatbestand bis zum Schluss der erstinstanzlichen letzten mündlichen Verhandlung in den Rechtsstreit eingeführt wird (so auch: BAG NZA 05, 1259). Dem Parteivertreter des ArbN ist daher zu raten, eine Kündigungsschutzklage stets mit einem Antrag auf Feststellung des Fortbestands des Arbeitsverhältnisses zu verbinden, der als sogenannter Annexantrag zum Kündigungsschutzantrag gestellt werden kann. Im Rahmen der Klageschrift sollte zumindest die Befürchtung, dass gegebenenfalls seitens der ArbG weitere Beendigungstatbestände eingeführt werden können, zum Ausdruck gebracht werden.

     

    Ein solcher Fortbestandsantrag kann, sofern beide Parteien in der letzten mündlichen Verhandlung erster Instanz klarstellen, dass keine weiteren Beendigungstatbestände als die konkret eingeführten im Streit sind, gegebenenfalls zurückgenommen werden, falls der Parteivertreter des ArbN eine negative Kostenfolge befürchtet. Diese ist, da in der ersten Instanz vor den Arbeitsgerichten die außergerichtlichen Kosten unabhängig vom Obsiegen und Verlieren stets von den Parteien selbst zu tragen sind, ohnehin nicht mit gravierenden finanziellen Nachteilen verbunden.

     

    Weiterführende Hinweise

    • Klagefrist bei einer Entfristungsklage nach Verlängerung sachgrundloser Befristung: BAG in AA 14, 99
    • Beginn der Klagefrist bei Kündigung durch vollmachtlosen Vertreter: BAG in AA 13, 112
    Quelle: Ausgabe 07 / 2014 | Seite 120 | ID 42744083