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  • · Fachbeitrag · Mobbing

    Oberarzt verklagt Chefarzt auf Schadenersatz

    Es ist kein mobbingtypisches Verhalten gegeben, wenn die Grenze sozial- und rechtsadäquaten Verhaltens in Konfliktsituationen nicht überschritten wird (LAG Hamm 19.1.12, 11 Sa 722/10, Abruf-Nr. 120498).

    Sachverhalt

    Der 61 Jahre alte ArbN ist seit 14 Jahren als Oberarzt in dem Krankenhaus beschäftigt. Er bewarb sich im Jahr 2001 erfolglos auf die Chefarztstelle der Neurochirurgischen Klinik. Die Stelle wurde einem anderen Chefarzt übertragen. Im März 2003 erhob der ArbN erste Mobbingvorwürfe gegen den neuen Chefarzt. Der ArbN war danach in psychiatrischer Behandlung und für längere Zeit arbeitsunfähig. Er verklagte im Jahr 2004 seinen ArbG u.a. mit dem Antrag, den Chefarzt zu entlassen und Schmerzensgeld zu zahlen.

     

    Die Klage wurde vom Arbeitsgericht und LAG Hamm abgewiesen. Nachdem das BAG das LAG-Urteil aufgehoben hatte, schloss der ArbN mit dem ArbG einen Vergleich. Er wird seither im medizinischen Controlling eingesetzt. Schadenersatzansprüche gegen den Chefarzt wurden in dem Vergleich nicht ausgeschlossen. Diese Ansprüche verfolgt der ArbN im vorliegenden Verfahren. Er behauptet, er sei durch eine Vielzahl von Übergriffen des Chefarztes psychisch arbeitsunfähig geworden und er habe erhebliche Einkommenseinbußen erlitten. Daher verlangte er die Zahlung von etwa einer halben Million Euro. Der Chefarzt trägt vor, er habe sich nicht pflichtwidrig verhalten. Die Auseinandersetzungen seien darauf zurückzuführen, dass der ArbN ihn als Chefarzt und Vorgesetzten mit Weisungsbefugnis nicht habe akzeptieren wollen.

     

    Entscheidungsgründe

    Das Arbeitsgericht Dortmund hat die Klage abgewiesen, die Berufung des ArbN blieb erfolglos. Nach Vernehmung von zehn Zeugen ist das LAG zu dem Ergebnis gelangt, dass der Chefarzt in den vom ArbN vorgetragenen 29 Vorfällen die Grenzen eines sozial- und rechtsadäquaten Verhaltens in üblichen Konfliktsituationen nicht überschritten hat. In etwa 2/3 der Fälle waren die Vorwürfe entweder unzureichend vorgetragen oder nicht unter Beweis gestellt. In den Fällen, die Gegenstand der Beweisaufnahme waren, wurde die mobbingtypische Schaffung eines feindlichen Umfelds nicht festgestellt. Soweit sich die Zeugen noch hinreichend genau erinnern konnten, handelte es sich um Konflikte am Arbeitspatz, die im üblichen Rahmen lagen.

     

    Praxishinweis

    Ein zum Schadenersatz oder Schmerzensgeld verpflichtendes Verhalten liegt insbesondere vor, wenn unerwünschte Verhaltensweisen bezwecken oder bewirken, dass die Würde des ArbN verletzt und ein durch Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird. Bei der Prüfung von Ersatzansprüchen ist zu berücksichtigen, dass im Arbeitsleben übliche Konfliktsituationen, die sich auch über einen längeren Zeitraum erstrecken können, aber sozial- und rechtsadäquat sind, nicht geeignet sind, diese Voraussetzungen zu erfüllen.

    Quelle: Ausgabe 03 / 2012 | Seite 41 | ID 31830420