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  • 01.07.2005 | Kündigungsrecht

    Achten Sie bei wiederholten Abmahnungen auf den Verlust der Warnfunktion

    von VRiLAG i.R. Dr. Hans Georg Rummel, Duisburg
    1. Eine Abmahnung kann nur dann die Funktion erfüllen, den ArbN vor der drohenden Kündigung bei der nächsten gleichartigen Pflichtverletzung zu warnen, wenn der ArbN diese Drohung ernst nehmen muss. Dies kann je nach den Umständen nicht mehr der Fall sein, wenn jahrelang die Kündigung stets nur angedroht wird. Es handelt sich dann um eine „leere“ Drohung.  
    2. Bei der Frage, ob eine Abmahnung entgegen ihrem Wortlaut der ernsthaft gemeinten Warnung entbehrt, ist insbesondere die Anzahl der vorausgegangenen Abmahnungen von Bedeutung. Angesichts der im Arbeitsleben verbreiteten Praxis, bei als leichter empfundenen Vertragsverstößen einer Kündigung mehrere, häufig drei Abmahnungen vorausgehen zu lassen, kann in aller Regel nicht bereits die dritte Abmahnung als „entwertet“ angesehen werden.  
    3. Wenn die in der Abmahnung enthaltene Warnung beim ArbN die Hoffnung offen lässt, der ArbG werde vielleicht „Gnade vor Recht ergehen lassen“, weil er in der Vergangenheit „Milde walten“ ließ, so entwertet dies die Warnung nicht. Ansonsten wäre gerade der ruhig und verständig Abwägende, im Zweifel eher zur Nachsicht neigende ArbG benachteiligt.  
    (BAG 16.9.04, 2 AZR 406/03, NZA 05, 459, Abruf-Nr. 051550)

     

    Sachverhalt und Entscheidungsgründe

    Der seit 1993 beim ArbG beschäftigte ArbN erhielt während des Beschäftigungsverhältnisses drei Abmahnungen. Diese beruhten auf Nichtvorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU) (27.5.00) bzw. auf mehrfach um wenige Minuten verspätete Arbeitsaufnahmen (6.2.01 und 10.7.01). In allen Abmahnungen hieß es nach Darlegung der beanstandeten Vertragsverstöße wortgleich: „Wir weisen Sie mit allem Nachdruck darauf hin, dass durch diese wiederholte Pflichtverletzung der Bestand Ihres Arbeitsverhältnisses in hohem Maße gefährdet ist. Im Wiederholungsfall oder bei ähnlichen Verstößen in Zukunft werden wir das mit Ihnen bestehende Arbeitsverhältnis kündigen.“ Zwischen Dez. 01 und März 02 trat der ArbN die Arbeit wiederholt verspätet um drei bis fünf Minuten an. Zudem monierte der ArbG im April eine angebliche zu späte Krankmeldung bzw. AU-Vorlage. Er kündigte daher das Arbeitsverhältnis. Der ArbN hielt die Kündigung für unwirksam und erhob Kündigungsschutzklage.  

     

    Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Nach Auffassung des LAG ergab sich die Unwirksamkeit der Kündigung daraus, dass die dritte Abmahnung ihre Warnfunktion nicht mehr in ausreichendem Maße habe erfüllen können. Alle drei Abmahnungen hätten hinsichtlich der Folgen weiterer Pflichtverletzungen die gleiche Formulierung enthalten. Eine Kündigung sei schon in der ersten Abmahnung für den Fall gleichgelagerter Pflichtverletzungen als sicher hingestellt, dann aber doch nicht ausgesprochen worden. Es hätte deshalb aus der dritten Abmahnung deutlich werden müssen, dass sie von höherer Relevanz für den Bestand des Arbeitsverhältnisses habe sein sollen.  

     

    Das BAG ist dem nicht gefolgt und hat den Rechtsstreit zur weiteren Aufklärung zurückverwiesen. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass die Warnfunktion der dritten Abmahnung nicht mehr hinreichend vorhanden gewesen sei. Bei dem Vorliegen erst dreier Abmahnungen könne von einer Abschwächung der Warnfunktion im Regelfall noch nicht ausgegangen werden. Darüber hinaus enthielten auch die zweite und dritte Abmahnung eine gewisse Steigerung der Intensität. In der dritten Abmahnung sei ausdrücklich auf die vorangegangene Abmahnung Bezug genommen worden. Der ArbN werde im Anschluss an die Beschreibung seines Fehlverhaltens „nochmals“ aufgefordert, pünktlich zur Arbeit zu erscheinen.