Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • · Fachbeitrag · Mindestlohn

    „Immerda“, „Leergut“,„Sauberkeit“: Wie werden Prämien auf den Mindestlohn angerechnet?

    von Dr. Guido Mareck, stellv. Direktor Arbeitsgericht Dortmund

    | Honoriert der ArbG mit der Zahlung bestimmter Prämien (auch) die Arbeitsleistung, sind diese mindestlohnrelevant, also auf den Mindestlohn anrechenbar. Dies gilt zumindest dann, wenn solche Prämien monatlich in bestimmter Höhe gezahlt werden und endgültig im Vermögen des ArbN verbleiben. |

     

    Sachverhalt

    Der ArbN war als Kraftfahrer beschäftigt. Der ArbG zahlte ihm ein monatliches Bruttogehalt von 1.605 EUR und folgende Prämien:

     

    • eine „Immerda-Prämie“ von 95 EUR,
    • eine Prämie für Ordnung und Sauberkeit von 50 EUR und
    • eine „Leergut-Prämie“ von 155 EUR.

     

    Die „Immerda-Prämie“ erhielten Beschäftigte, die im Abrechnungsmonat durchgehend arbeitsfähig waren und nicht unentschuldigt fehlten. Die Prämie für Ordnung und Sauberkeit zahlte die ArbG, wenn das zum Transport von Frischfleisch benutzte Fahrzeug sauber gehalten wurde, die „Leergut-Prämie“ für den korrekten Umgang mit vom Kunden zurückzugebendem Leergut.

     

    Mit der beim Arbeitsgericht eingereichten Klage wandte sich der ArbN zunächst gegen eine ab September erfolgte Kürzung der „Immerda-Prämie“ von 180 EUR brutto auf 95 EUR brutto. Mit Klageerweiterung im Oktober verlangte er unter Berufung auf das Mindestlohngesetz Differenzvergütung für den Zeitraum Januar und März bis September 2015, da der ArbG den Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn nicht erfüllt habe. Die im Streitzeitraum gezahlten Prämien seien nicht mindestlohnwirksam. Der ArbG meinte, die von ihm gezahlten Prämien seien im arbeitsvertraglichen Austauschverhältnis erbrachtes Arbeitsentgelt, das den Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn miterfülle.

     

    Entscheidungsgründe

    Der 5. Senat des BAG entschied, dass die streitgegenständlichen Prämien mindestlohnwirksam seien (8.11.17, 5 AZR 692/16, Abruf-Nr. 199192). Für die drei Prämien gelte Folgendes:

     

    • Mit der Zahlung der „Immerda-Prämie“ honoriere der ArbG nicht nur die bloße Anwesenheit des ArbN im Betrieb, sondern die Erbringung der Arbeitsleistung. Die Prämie solle einen finanziellen Anreiz geben, auch bei (geringfügigen) gesundheitlichen Beeinträchtigungen zu arbeiten und sich nicht krankschreiben zu lassen.

     

    • Auch die Prämie für Ordnung und Sauberkeit sei Gegenleistung für eine Arbeitsleistung des ArbN. Sie honoriere Sauberhalten und Desinfektion des von ihm zum Transport von Frischfleisch benutzten Fahrzeugs. Diese Aufgaben seien Teil der vom ArbN zu verrichtenden Tätigkeiten.

     

    • Dasselbe gelte für die „Leergut-Prämie“. Sie sei Gegenleistung für die ordnungsgemäße Abwicklung des von den belieferten Kunden an den ArbN zurückzugebenden Leerguts und unterliege daher dem umfassenden Entgeltbegriff des Mindestlohngesetzes. Dabei sei es entgegen der Auffassung des ArbN unerheblich, ob der ArbG berechtigt gewesen sei, Differenzen aus dem Umgang mit Leergut von der Prämie „abzuziehen“.

     

    Zwar müsse, um mindestlohnwirksam zu sein, die Zahlung des ArbG dem ArbN endgültig verbleiben. Indes ergebe sich aus dem in der Berufungsverhandlung zu Protokoll erklärten Vortrag des ArbN nur, dass er beim Auftreten von Differenzen die Leergutprämie nicht bzw. nicht in voller Höhe erhalte. Dass er für den Streitzeitraum bezogene Prämien wegen späterer Leergutdifferenzen zurückzahlen musste oder sich der ArbG zumindest die Rückzahlung vorbehalten hätte, habe der ArbN nicht vorgebracht.

     

    Relevanz für die Praxis

    Im Rahmen der Zahlung von Zuschlägen, Zulagen oder Prämien stellt sich in der Praxis oft die Frage, inwiefern diese auf den Mindestlohn anrechenbar ‒ also geeignet ‒ sind, den gesetzlichen Mindestlohnanspruch nach § 1 Abs. 1 MiLoG zu erfüllen. Während Sachbezüge gleich welcher Art nicht berücksichtigungsfähig sind, sind Zuschläge in Geld in der Regel mindestlohnwirksam, sofern sie nicht ohne Rücksicht auf die tatsächliche Arbeitsleistung erbracht werden oder auf einer besonderen gesetzlichen Zweckbestimmung (Feiertags- oder Nachtarbeit) beruhen.

     

     

    Weiterführende Hinweise

    • So geht es: Mindestlohn korrekt berechnen!: Laws in AA 18, 32
    • Mindestlohn: Feiertagsvergütung und Nachtarbeitszuschlag berechnen: BAG in AA 17, 187
    Quelle: Ausgabe 03 / 2018 | Seite 47 | ID 45150331