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· Fachbeitrag · Erbschaftsteuer

Betriebsvermögen in der Erbschaftsteuer: Derzeitige Regelung teilweise verfassungswidrig

von Prof. Dr. Gerd Brüggemann, Münster

| Die Privilegierung des Betriebsvermögens bei der Erbschaftsteuer ist nicht in jeder Hinsicht mit der Verfassung vereinbar. Der erste Senat des BVerfG hat die §§ 13a und 13b Erbschaftsteuergesetz (ErbStG) und § 19 Abs. 1 ErbStG für verfassungswidrig erklärt. Die sechs zentralen Punkte der Entscheidung haben wir für Sie zusammengefasst. |

Übergangsregelung bis zum 30. Juni 2016

Das BVerfG hat dem Gesetzgeber eine Frist bis zum 30. Juni 2016 eingeräumt, um eine Neuregelung zu treffen. Dem Gesetzgeber wird damit Zeit für eine neue - verfassungsrechtlich überzeugendere - Lösung gegeben (BVerfG, Urteil vom 17.12.2014, Az. 1 BvL 21/12; Abruf-Nr. 143542).

 

In der Urteilsbegründung kommt das BVerfG zu dem Ergebnis, dass die Verschonung von Erbschaftsteuer beim Übergang betrieblichen Vermögens in §§ 13a und 13b ErbStG angesichts ihres Ausmaßes mit dem Gleichheitsgrundsatz in Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz unvereinbar ist.

Entlastung für kleine und mittelständische Unternehmen

Der Gesetzgeber kann kleine und mittelständische Unternehmen, die in personaler Verantwortung geführt werden, zur Sicherung ihres Bestands und damit auch zur Erhaltung der Arbeitsplätze von der Erbschaftsteuer weitgehend oder vollständig freistellen. Das BVerfG weist ausdrücklich darauf hin, dass die durch die Verschonungsregelung bewirkte Ungleichbehandlung auch eine Steuerverschonung von 100 Prozent ermöglicht.

 

PRAXISHINWEIS | Das BMF hat bereits angedeutet, dass es diesen Entscheidungsspielraum nutzen und kleine und mittelständische Unternehmen weiterhin verschonen will. Wohl erst im Gesetzgebungsverfahren wird sich aufhellen, wie der Gesetzgeber kleine und mittelständische Unternehmen definieren will.

 

Einschränkung der Begünstigung für größere Unternehmen

Die Privilegierung des unentgeltlichen Erwerbs von Betriebsvermögen ist unverhältnismäßig, soweit die Verschonung über den Bereich kleiner und mittlerer Unternehmen hinausgreift, ohne eine Bedürfnisprüfung vorzusehen.

 

Im Umkehrschluss heißt das: Der Übergang großer Unternehmensvermögen bedarf der Korrektur und wird zu einer spürbaren Verschlechterung führen. Aufgabe des Gesetzgebers wird es sein, präzise und handhabbare Kriterien zur Bestimmung der Unternehmen festzulegen, für die eine Verschonung ohne Bedürfnisprüfung nicht mehr in Betracht kommt.

 

Lohnsummenregelung und Zahl der Beschäftigten

Die Freistellung von der Mindestlohnsumme von Betrieben mit bis zu 20 Beschäftigten sieht das BVerfG als unverhältnismäßig an. Es verweist hierzu auf die Ausführungen des BFH, wonach weit über 90 Prozent aller Betriebe in Deutschland nicht mehr als 20 Beschäftigte haben.

 

Das BVerfG sieht damit die Lohnsummenklausel nicht nur als verfassungsgemäß an, sondern weitet ihren Anwendungsbereich sogar noch aus. Der mit dem Nachweis und der Kontrolle der Mindestlohnsumme verbundene Verwaltungsaufwand ist nach Ansicht des BVerfG nicht so hoch, wie teilweise geltend gemacht wird. Sofern der Gesetzgeber an dem gegenwärtigen Verschonungskonzept festhält, wird er die Freistellung von der Lohnsummenpflicht auf Betriebe mit einigen wenigen Beschäftigten begrenzen müssen.

 

PRAXISHINWEIS | Gehen Betriebe mit nicht mehr als 20 Beschäftigten noch vor dem Inkrafttreten eines geänderten ErbStG über, greift die notwendige Verschärfung der Lohnsummenklausel noch nicht.

 

Verwaltungsvermögen und damit verbundene Gestaltungen

Die Regelung über das Verwaltungsvermögen ist nach Ansicht des BVerfG verfassungswidrig, soweit begünstigtes Vermögen mit einem Anteil von bis zu 50 Prozent Verwaltungsvermögen insgesamt in den Genuss der steuerlichen Privilegierung gelangt. Ein tragfähiger Rechtfertigungsgrund für eine derart umfangreiche Einbeziehung von Vermögensbestandteilen, die das Gesetz eigentlich nicht als förderungswürdig ansieht, ist für das BVerfG nicht erkennbar. Auch die mit der Abgrenzung des Verwaltungsvermögens verbundenen und vom BFH im Vorlagebeschluss aufgezeigten Gestaltungsmöglichkeiten zur Steuerentlastung seien gleichheitsrechtlich nicht zu rechtfertigen.

 

Beachten Sie | Da junges Verwaltungsvermögen von der Steuerverschonung ausgeschlossen ist, kann eine Verlagerung privaten Vermögens in den betrieblichen Bereich nicht mehr zur Steuerverschonung führen, wenn diese innerhalb von zwei Jahren vor Inkrafttreten der Reform des ErbStG erfolgt.

Keine uneingeschränkte Fortgeltung bis zur Neuregelung

Die Fortgeltung der beanstandeten Vorschriften hält das BVerfG auch deshalb für hinnehmbar, weil der Gesetzgeber mit der Einfügung von § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 4a ErbStG im Jahr 2013 eine der Hauptlücken für unerwünschte Gestaltungen durch „Cash-Gesellschaften“ geschlossen hat.

 

Das BVerfG weist darauf hin, dass die Fortgeltung der verfassungswidrigen Normen keinen Vertrauensschutz begründet. Die als gleichheitswidrig befundenen §§ 13a und 13b ErbStG lassen sich daher nicht mehr für uneingeschränkte exzessive Gestaltungen nutzen, wenn diese rückwirkend vom Gesetzgeber ausgeschlossen werden sollten. Zu beachten ist zudem, dass der Gesetzgeber das Reformgesetz nicht erst zum 30. Juni 2016, sondern auch schon zu einem früheren Zeitpunkt umsetzen kann.

Quelle: Ausgabe 03 / 2015 | Seite 13 | ID 43147739