Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww

· Fachbeitrag · Buchauszug

OLG Stuttgart stellt geringe Anforderungen an die Verjährung des Anspruchs auf Buchauszug

von Rechtsanwalt Kai-Uwe Recker, Kanzlei Dr. Heinicke, Eggebrecht, Ossenforth & Kollegen, München

| Ein Anspruch des Handelsvertreters auf Erteilung eines Buchauszugs kann bereits verjährt sein, auch wenn für den betroffenen Abrechnungszeitraum möglicherweise noch unverjährte nicht abgerechnete Provisionsansprüche bestehen. Das hat das OLG Stuttgart entschieden. Es steht damit allerdings allein auf weiter Flur. |

Vertreter klagt stufenweise auf Buchauszug und Provision

Der Kläger war vom 1. Juli 2012 bis 31. Dezember 2014 als Bezirksvertreter für ein Unternehmen tätig. Er verfolgte im Wege der Stufenklage

  • auf der ersten Stufe einen Anspruch auf Buchauszug für den gesamten Zeitraum seiner Tätigkeit und
  • auf der zweiten Stufe bisher nicht abgerechnete Provisionen, die erst nach Erteilung des Buchauszuges beziffert werden könnten.

Regelung zur Verkürzung der Verjährung rechtens

Im Handelsvertretervertrag war eine Verkürzung der Verjährung geregelt.

 

  • Klausel zur Verjährung im Handelsvertretervertrag
  • 1. Die Ansprüche aus diesem Vertragsverhältnis verjähren in zwölf Monaten ab Kenntnis des Berechtigten von denjenigen Umständen, die die Entstehung des Anspruchs begründen. In jedem Fall tritt die Verjährung spätestens nach Ablauf von zwei Jahren nach Fälligkeit des Anspruchs ein.
  • 2. Unberührt bleiben gesetzliche Regelungen, die eine längere Verjährungsfrist zwingend vorsehen. Für den Ausgleichsanspruch (§ 89b HGB) beginnt die Verjährungsfrist gemäß Abs. 1 erst nach Ablauf von einem Jahr nach Vertragsende.
 

Das OLG Stuttgart hat diese Verkürzung der Verjährungsfristen für zulässig erachtet, weil sie individuell vereinbart worden war. Hätte es sich um eine Allgemeine Geschäftsbedingung gehandelt, wäre die Verjährungsverkürzung unwirksam gewesen (OLG Stuttgart, Urteil vom 17.2.2016, Az. 3 U 118/15, Abruf-Nr. 187109).

Anspruch auf Buchauszug verjährt

Besonders bedeutend sind die Ausführungen des OLG Stuttgart zur Verjährung des Anspruchs auf Erteilung eines Buchauszugs. Das OLG weicht nämlich von der Rechtsprechung der Oberlandesgericht München, Nürnberg und Oldenburg ausdrücklich ab (OLG München, Urteil vom 3.11.2010, Az. 7 U 3083/10, Abruf-Nr. 104266; OLG Nürnberg, Beschluss vom 28.1.2011, Az. 12 U 744/10, Abruf-Nr. 187110; OLG Oldenburg, Urteil vom 4.4.2011, Az. 13 U 27/10, Abruf-Nr. 111642).

 

OLG Stuttgart: Abrechnung setzt Verjährungsfrist für Buchsauszug in Gang

Nach Ansicht des OLG Stuttgart ist im Urteilsfall der Buchauszugsanspruch bereits selbstständig verjährt. Und zwar unabhängig von etwaigen restlichen Provisionsansprüchen des Vertreters, über die das Unternehmen bisher nicht abgerechnet hat.

 

Damit nimmt das OLG bewusst in Kauf, dass dem Vertreter noch restliche unverjährte Provisionsansprüche zustehen, er diese jedoch aufgrund der Verjährung der Hilfsrechte nicht mehr beziffern kann.

 

Es folgt hierbei der verbreiteten Auffassung, dass erst nach einer vollständigen und abschließenden Abrechnung ein Buchauszug verlangt werden kann. Neben den abgerechneten Provisionen für einen bestimmten Zeitraum entnimmt das OLG der Abrechnung die regelmäßige Behauptung, weitere provisionspflichtige Geschäfte seien im jeweiligen Zeitraum nicht getätigt worden.

 

Wichtig | Mit der Abrechnung über einen bestimmten Zeitraum ist damit nach Ansicht des OLG Stuttgart der Buchauszugsanspruch für diesen Zeitraum fällig, und die Verjährungsfrist beginnt zu laufen. Die Verjährungsfrist kann individuell vereinbart sein. Laut Gesetz beträgt die Verjährungsfrist drei Jahre, kenntnisunabhängig zehn Jahre (§§ 195 BGB, 199 BGB).

 

OLG München, Nürnberg und Oldenburg: Anspruch nicht verjährt

Nach der Ansicht der Oberlandesgerichte München, Nürnberg und Oldenburg verjährt der Anspruch auf Erteilung eines Buchauszugs nicht hinsichtlich solcher Geschäfte, die in der vom Unternehmer erteilten Abrechnung nicht enthalten sind. Um solche bisher nicht abgerechneten Provisionsansprüche ging es dem Vertreter im Urteilsfall. Somit bestünde hier ein unverjährter Anspruch auf Erteilung eines Buchauszugs.

 

Wichtig | Die Verjährungsfrist für den Anspruch auf Erteilung des Buchauszugs hätte nach Auffassung dieser Oberlandesgerichte gar nicht erst zu laufen begonnen. Schließlich kann ein Vertreter erst anhand des Buchauszugs kontrollieren, ob die Abrechnungen ordnungsgemäß und vollständig sind.

 

OLG Frankfurt: Lauf der Verjährung mit Verlangen des Buchauszugs

Das OLG Frankfurt knüpfte den Lauf der Verjährung des Buchauszugsanspruchs an die tatsächliche Geltendmachung des Anspruchs gegenüber dem Unternehmen. Bei dieser Auffassung liegt der Lauf der Verjährung im Ermessen des Vertreters. Allerdings soll die Verjährung spätestens mit Vertragsende zu laufen beginnen (OLG Frankfurt Urteil vom 18.9.2012, Az. 5 U 101/09, Abruf-Nr. 187326).

 

Wichtig | Ein Buchauszug müsste damit auch noch weit zurückliegende Abrechnungsperioden erfassen. Auch diese Auffassung würde im vom OLG Stuttgart behandelten Fall einen Buchauszugsanspruch des Vertreters vorsehen.

 

  • Übersicht über die Argumentationen zum Lauf der Verjährung beim Buchauszug
Verjährung - ja
Verjährung - nein
  • Abrechnung über bestimmten Zeitraum setzt Lauf der Verjährung für Buchsauszug in Gang (OLG Stuttgart, Urteil vom 17.2.2016, Az. 3 U 118/15, Abruf-Nr. 187109).
  • Lauf der Verjährungsfrist des Buchauszugsanspruchs ist an die tatsächliche Geltendmachung des Anspruchs gegenüber dem Unternehmen geknüpft; Lauf der Verjährung beginnt spätestens mit Vertragsende (OLG Frankfurt, Urteil vom 18.9.2012, Az. 5 U 101/09, Abruf-Nr. 187326).
 

Das richtige Vorgehen in der Praxis

Leider hat der Vertreter die vom OLG Stuttgart zugelassene Revision nicht eingelegt. Damit wird keine Rechtssicherheit für dieses Verjährungsproblem geschaffen, das seit Streichung der starren allein fälligkeitsbezogenen vierjährigen Verjährungsfrist des § 88 HGB existiert. Je nach Auffassung des Gerichts sind daher große Zeiträume für den Anspruch auf Buchauszug bereits verjährt - oder eben nicht.

 

Nach der engen Rechtsprechung des OLG Stuttgart müsste ein Vertreter wie folgt vorgehen: Er müsste zur Kontrolle seiner Abrechnungen innerhalb der regelmäßigen oder ggf. individualvertraglich vorgesehenen Verjährungsfrist nach Erteilung der Abrechnung über den jeweiligen Zeitabschnitt seinen Buchauszugsanspruch

  • über diesen Zeitabschnitt geltend machen und
  • zur Hemmung der Verjährung ggf. auch gerichtlich verfolgen.

 

Wichtig | Diese Situation wird zwangsläufig ein laufendes Vertretervertragsverhältnis belasten und war von größeren Teilen der Rechtsprechung auch aus diesem Grunde nicht gewünscht.

 

Alternativ müsste der Vertreter damit rechnen, dass er nicht abgerechnete Provisionsansprüche aufgrund einer Verjährung der Hilfsansprüche nicht mehr verfolgen kann. Das hätte ggf. große Auswirkungen für Bezirksvertreter, die überhaupt nur durch Hilfsrechte von ausstehenden Provisionen in ihrem Gebiet erfahren könnten.

 

PRAXISHINWEIS | Bis hier der BGH für Klarheit sorgt, kann nur geraten werden: Sichern Sie Ihre möglichen offenen Provisionsansprüche, indem Sie den Buchauszugsanspruch rechtzeitig im Sinne des OLG Stuttgart geltend machen. Das bedeutet: Vermuten Sie offene Provisionen im Jahr 2013 und ist in diesem Jahr über die Provisionen abgerechnet worden, so müssten Sie verjährungsunterbrechende Maßnahmen ergreifen und bis spätestens 31. Dezember 2016 Klage auf Erteilung des Buchauszugs einreichen.

 

Weiterführende Hinweise

  • Rechtsprechungsübersicht „Buchauszug und Lauf der Verjährung“ → Abruf-Nr. 44179970
  • Buchauszug: Elf-Punkte-Schema des Buchauszugs → Abruf-Nr. 44179659
Quelle: Ausgabe 08 / 2016 | Seite 3 | ID 44169382