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26.02.2009 | Sensationelle Entscheidung des LG München I

Die Anrechnung des Rentenbarwerts
auf den Ausgleichsanspruch wackelt!

von Rechtsanwalt Bernhard Schleicher, Kanzlei Dr. Heinicke,
Eggebrecht, Ossenforth & Kollegen München

Nach Ansicht des Landgerichts (LG) München I gibt es keine „funktionelle Verwandtschaft“ zwischen Ausgleichsanspruch und Altersversorgung. Mit dieser vermittlerfreundlichen Entscheidung hat das LG die bisherige Rechtsprechung auf den Kopf gestellt. Erfahren Sie nachfolgend, was das Urteil für Sie bedeuten könnte.  

Der zugrunde liegende Fall

Ein selbstständiger Versicherungsvertreter hatte nach Erreichung des 65. Lebensjahrs seine 34-jährige Tätigkeit für die Allianz beendet. Die Allianz Beratungs- und Vertriebs-AG errechnete einen Ausgleichsanspruch nach den „Grundsätzen“ in Höhe von gut 300.000 Euro. Weil der Vertreter, wie üblich, nach Beginn seiner Tätigkeit für die Allianz eine Versorgungszusage des Vertreterversorgungswerks (VVW) erhalten hatte, ermittelte die Allianz allerdings einen Rentenbarwert dieser Altersvorsorge in Höhe von gut 532.000 Euro und rechnete diesen Betrag voll auf den Ausgleichsanspruch an.  

Dagegen setzte sich der Vertreter zur Wehr. Er verklagte die Allianz auf Zahlung des Ausgleichsanspruchs in Höhe von 300.000 Euro. Das LG sprach ihm diesen Anspruch zu (Urteil vom 8.12.2008, Az: 14 HKO 24599/07; Abruf-Nr. 090483).  

LG München wendet sich gegen BGH-Rechtsprechung

Aufsehenerregend ist die Entscheidung, weil sie von der seit 1966 bestehenden Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) abweicht (Urteil vom 23.5.1966, Az: VII ZR 268/64; VersR 1966, 754). Gerade in den Fällen, in denen es keine Fälligkeitsdifferenz gibt, in denen also das Ausscheidedatum des Vertreters mit dem Beginn der Rentenzahlungen aus einer betrieblichen Altersvorsorge zusammenfällt, hat der BGH eine Anrechnung des Rentenbarwerts auf den Ausgleichsanspruch aus Billigkeitsgesichtspunkten zugelassen.  

 

BGH erkennt Anrechnung aus Billigkeitsgründen an

Zwar ist eine solche Anrechnungsklausel seit der Entscheidung des BGH aus dem Jahr 2002 unwirksam, weil sie gegen § 89b Absatz 4 Handelsgesetzbuch (HGB) verstößt (der Vertreter kann nicht während der Vertragslaufzeit wirksam auf seinen Ausgleichsanspruch verzichten oder diesen beschneiden). Der BGH hat aber eine Anrechnung aus Billigkeitsgesichtspunkten wegen einer Doppelbelastung des Versicherers im Regelfall für zulässig erachtet (Urteile vom 20.11.2002, Az: VIII ZR 146/01; Abruf-Nr. 021782; Az: VIII ZR 211/01; Abruf-Nr. 030027). Dem tritt nun das LG mit guten Argumenten entgegen.  

LG sieht keine „funktionelle Verwandtschaft“

Nach Ansicht des LG gibt es keine „funktionelle Verwandtschaft“ zwischen Ausgleichsanspruch und Altersversorgung. Während der Vertreter über eine Barabfindung frei verfügen könne, diese also multifunktional sei, sei die vom Versicherer gewährte Altersversorgung nur monofunktional. Sie diene alleine der Alterssicherung, und zwar auch dann, wenn der Vertreter einer solchen nicht bedürfe. Dem Versicherungsvertreter werde quasi eine bestimmte Verwendung seines Ausgleichsanspruchs, nämlich zur Alterssicherung, aufgedrängt. Er könne den Betrag nicht anderweitig verwenden.