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· Fachbeitrag · Personalmanagement

Der neue Mindestlohn: Das müssen Versicherungsagenturen wissen

von Fachanwalt für Arbeitsrecht Nicolàs A. Knille, Osborne Clarke, Köln

| In Deutschland gilt ab dem 1. Januar 2015 ein genereller gesetzlicher Mindestlohn von mindestens 8,50 Euro brutto pro Stunde. Nachfolgend erfahren Sie, bei welchen Arbeitsverhältnissen in Ihrer Agentur der Mindestlohn eine Rolle spielt und warum es gravierende Folgen haben kann, wenn Sie den Mindestlohn nicht zahlen. |

Mindestlohn für alle

Bisher gibt es nur in einzelnen Bereichen Regelungen über Mindestlöhne, insbesondere aufgrund allgemeinverbindlicher Tarifverträge, nach dem Arbeitnehmerentsendegesetz (AEntG) oder dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG).

 

Ab dem 1. Januar 2015 schreibt das Mindestlohngesetz (MiLoG) vor, dass grundsätzlich alle Arbeitgeber e- auch wenn für sie kein anderes Regelungswerk gilt oder dieses bisher niedrigere Löhne vorsieht - allen Arbeitnehmern mindestens einen Bruttostundenlohn von 8,50 Euro zahlen müssen.

 

Beachten Sie | Es gibt jedoch ein paar zeitliche Übergangsregelungen und von der Person des Mitarbeiters abhängige Ausnahmen, die Sie kennen sollten, auch wenn sie in Agenturen in der Regel keine große Rolle spielen. Ihr Augenmerk richten sollten Sie aber auf geringfügig und kurzfristig Beschäftigte in Ihrer Agentur, denn auch für diese gilt der Mindestlohn.

 

Zeitliche Übergangsregelungen

Folgende Übergangsregelungen sieht das Gesetz vor (§ 24 MiLoG):

 

  • Tarifverträge können in den ersten beiden Jahren - also in den Jahren 2015 und 2016 - geringere Mindestlöhne vorsehen. Das spielt aber in Versicherungsagenturen kaum eine Rolle, weil die Tarifverträge (etwa der BVK-Tarifvertrag) in der Regel höhere Stundenlöhne als 8,50 Euro vorsehen und diese an Fachkräfte in der Regel auch gezahlt werden. Den aktuell maßgeblichen Mindestlohn erfahren Arbeitgeber von ihrem Tarifpartner.

 

  • Auch Löhne aufgrund von Rechtsverordnungen, die auf der Grundlage des AEntG oder des AÜG erlassen wurden, können in den ersten beiden Jahren vom gesetzlichen Mindestlohn abweichen.
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  • PRAXISHINWEIS | Die Mindestlöhne im AEntG und AÜG können Sie auf wvv.iww.de abrufen. Geben Sie die Abruf-Nrn. 142713 bzw. 142714 in die Suchfunktion ein.

     

Wichtig | Ab 2017 darf der Betrag von 8,50 Euro brutto auch in den Ausnahmefällen nicht mehr unterschritten werden. Sehen andere Regelungswerke einen höheren Mindestlohn vor, gilt dieser bereits vorher (§ 1 Abs. 3 MiLoG).

 

Ausnahmen für bestimmte Arbeitnehmer (§ 22 MiLoG)

  • Auszubildenden und Jugendlichen unter 18 Jahren ohne Berufsabschluss müssen Sie keinen Mindestlohn zahlen.
  • Langzeitarbeitslose, die vor der Anstellung mindestens ein Jahr arbeitslos waren, können Sie sechs Monate lang niedriger entlohnen.
  • Für bestimmte Praktikanten gilt der Mindestlohn nicht, nämlich für solche,
    • die ihr Praktikum auf Grundlage einer (hoch)schulrechtlichen Bestimmung, Ausbildungsordnung oder im Rahmen einer Ausbildung an einer gesetzlich geregelten Berufsakademie verpflichtend leisten;
    • die ein Praktikum von bis zu drei Monaten vor der Ausbildung bzw. dem Studium zur Orientierung ableisten;
    • die ein nicht vorgeschriebenes Praktikum begleitend zur Berufs- oder Hochschulausbildung ableisten und beim jetzigen Arbeitgeber bisher noch kein Praktikum absolviert haben; auch hier gelten die drei Monate;
    • die an einer Einstiegsqualifizierung (§ 54a Sozialgesetzbuch III) oder an einer Berufsausbildungsvorbereitung (§§ 68 bis 70 BBiG) teilnehmen.

 

Geringfügig Beschäftigte

In vielen Agenturen gibt es Mitarbeiter, die auf 450-Euro-Basis beschäftigt sind. Zum Beispiel

  • Ehepartner, die in der Verwaltung mitarbeiten,
  • Reinigungskräfte oder
  • Aushilfen für Botengänge oder Hausmeistertätigkeiten.

 

Für diese muss künftig der Mindestlohn gezahlt werden. Ist das bisher nicht der Fall, müssen Sie Arbeitsverträge anpassen. Das wird in der Regel einvernehmlich möglich sein, weil dem Mitarbeiter daraus keine Nachteile erwachsen. Sie werden daher keine Änderungskündigung (Kündigung des bestehenden und Angebot zum Abschluss eines neuen Arbeitsverhältnisses zu geänderten Bedingungen) aussprechen müssen, die an weitere Voraussetzungen geknüpft wäre.

 

  • Beispiel

Eine Reinigungskraft putzt in Ihrer Agentur an fünf Tagen in der Woche von 18:00 Uhr bis 20:30 Uhr. Im Schnitt arbeitet sie damit an 22 Arbeitstagen insgesamt 55 Stunden pro Monat. Sie zahlen ihr dafür 450 Euro. Das entspricht einem Stundenlohn von 8,18 Euro. In diesem Fall haben Sie zwei Möglichkeiten:

  • Sie erhöhen den Stundenlohn auf 8,50 Euro (= 467,50 Euro im Monat). Damit überschreitet die Reinigungkraft allerdings die Gerinfügigkeitsgrenze und wird zur voll sozialversicherungspflichtigen Mitarbeiterin (mit den geringfügigen Vorteilen für die Mitarbeiterin aufgrund der Gleitzonenregelung). Da Sie das in der Regel wohl nicht wollen, bleibt nur die zweite Möglichkeit.
  • Sie vereinbaren mit der Reinigungskraft, dass sie künftig maximal 52,5 Stunden arbeitet. Damit steigt ihr Stundenlohn auf 8,57 Euro und erfüllt die Anforderungen an den Mindestlohn.
 

 

PRAXISHINWEIS | Dokumentieren Sie die einvernehmliche Änderung des Arbeitsvertrags und unterschreiben Sie diese mit dem Mitarbeiter.

 

Beachten Sie | Bei der Beschäftigung von Minijobbern gelten auch neue Dokumentationspflichten (§ 17 MiLoG). Wenn diese außerhalb von Privathaushalten tätig sind, müssen Sie als Arbeitgeber den Beginn, das Ende und die Dauer der täglichen Arbeitszeit aufzeichnen. Die Aufzeichnungen müssen spätestens innerhalb einer Woche nach der Arbeitsleistung erfolgen und mindestens zwei Jahre aufbewahrt werden.

 

PRAXISHINWEIS | Bei der Vertragsgestaltung von Mindestlohn-relevanten Arbeitsverhältnissen sollten Sie berücksichtigen, dass die Höhe des gesetzlichen Mindestlohns künftig immer wieder angepasst werden wird (§ 1 Abs. 2 Satz 1MiLoG; erstmals soll darüber im Jahr 2016 beraten werden). Sie sollten daher die Gehaltsklauseln in den Verträgen vorausschauend gestalten: Statt einer Fixierung der Vergütung auf 8,50 Euro sollten Sie vereinbaren, dass die Vergütung an gesetzliche Erhöhungen angepasst wird. Alternativ können Sie sich verpflichten, die vertragliche Vergütung anzuheben.

 

Folgen bei Verstößen gegen den Mindestlohn

  • Unterschreitet eine vertragliche Vereinbarung den Anspruch auf Mindestlohn oder schränkt sie diesen ein, ist dieser Teil der Vereinbarung unwirksam (§ 3 Satz 1 MiLoG). In einem solchen Fall kann es passieren, dass Sie die „übliche“ Vergütung und die darauf entfallenden höheren Steuern und Sozialabgaben zahlen müssen (§ 612 BGB). Die übliche Vergütung kann deutlich oberhalb des gesetzlichen Mindestlohns liegen (§ 21 MiLoG).

 

  • Agenturen, die den gesetzlichen Mindestlohn nicht oder nicht rechtzeitig zahlen, handeln ordnungswidrig und können mit einer Geldbuße bis zu 500.000 Euro belegt werden. Weitere Bußgelder bis zu 30.000 Euro drohen bei Verstößen gegen Meldepflichten oder fehlender Mitwirkung bei Prüfungen nach dem Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz.

 

  • Die Geldbußen können nicht nur bei eigenen Mitarbeitern verhängt werden, sondern auch wenn eine Versicherungsagentur andere Firmen mit Werk- oder Dienstleistungen in erheblichem Umfang beauftragt (zum Beispiel Reinigungsfirmen, Backoffice-Dienstleister), von denen sie weiß oder fahrlässig nicht weiß, dass sie oder Unterfirmen den Mindestlohn nicht oder nicht rechtzeitig zahlen. In dem Fall haftet die Agentur wie ein Bürge (§ 13 MiLoG).
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  • PRAXISHINWEIS | Lassen Sie sich von Ihren Auftragnehmern schriftlich zusichern, dass sie und etwaige Nachunternehmer („Subcontractors“) die Vorschriften des Mindestlohngesetzes einhalten.

Weiterführender Hinweis

  • Online-Seminar „Mindestlohn 2015“ am 10. Dezember von 13 bis 15 Uhr. Weitere Informationen und Anmeldung unterwww.iww.de/sl510 
Quelle: Ausgabe 12 / 2014 | Seite 18 | ID 43065515