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· Fachbeitrag · Bilanz

Neue Entwicklungen bei der Bildung von Rückstellungen für die Vertragsnachbetreuung - Teil II

von Dipl. Finanzwirt (FH), Steuerberater Daniel Scherf, Gesellschafter der Steuerkanzlei Scherf, Wirth und Zobel, Bamberg

| Der BFH hat in mehreren Urteilen entschieden, dass ein Versicherungsvertreter für die Pflicht zur Nachbetreuung von Versicherungsverträgen eine Rückstellung bilden muss. Die Situation der Versicherungsmakler wurde in diesen Urteilen bislang nicht gewürdigt. „WVM“ hat daher in der November-Ausgabe 2013 die Frage beantwortet, wann ein Makler eine Rückstellung „dem Grunde nach“ bilden muss. Im zweiten Teil geht es nun um die Höhe der Rückstellung. |

Nachbetreuungspflicht ist Sachleistungspflicht

Ist die Bildung einer Rückstellung für Vertragsnachbetreuung „dem Grunde nach“ gegeben, stellt sich die Frage, auf welcher Rechtsgrundlage die Höhe der Rückstellung basiert und wie sie gebildet wird.

 

Die Nachbetreuungsverpflichtung ist eine Sachleistungsverpflichtung nach § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchstabe b EStG. Somit ist sie mit den Einzelkosten und dem angemessenen Teil der notwendigen Gemeinkosten zu bewerten. Als Sachleistungsverpflichtung ist jede einzelne Rückstellung bis zum Beginn der erstmaligen Nachbetreuungstätigkeit abzuzinsen (§ 6 Abs.1 Nr. 3a Buchstabe e Satz 2 EStG).

Welche Verträge sind rückstellungsfähig?

Rückstellungsfähig sind nur die Versicherungsverträge, für die Sie nach dem Bilanzstichtag aufgrund rechtlicher Verpflichtungen noch Betreuungsleistungen erbringen müssen und für die Sie kein weiteres Entgelt erhalten.

 

Nur für bereits abgeschlossene Verträge können Rückstellungen gebildet werden. Deswegen dürfen Werbeleistungen, mit dem Ziel neue Vertragsabschlüsse zu erzielen, nicht angesetzt werden.

 

Bei den maßgebenden Verträgen müssen Sie die Laufzeit bzw. die Restlaufzeit angeben. Vor allem der Erfahrungssatz, dass ein Teil der Verträge vorzeitig gekündigt und aufgelöst wird, ist einzubeziehen, weil der Betreuungsaufwand nur für einen Teil der zunächst geplanten Vertragslaufzeit anfällt.

 

PRAXISHINWEIS | Das FG Münster hat für das Risiko der vorzeitigen Beendigung einen pauschalen Abzug von zehn Prozent anerkannt. Dieser Abzug soll auch weitere Unsicherheiten abdecken (FG Münster, Urteil vom 13.6.2013, Az. 13 K 4827/08 F; Abruf-Nr. 132281).

 

Was sind Nachbetreuungspflichten?

Zu den Leistungen einer Nachbetreuung zählen beispielsweise:

 

  • Namens- und Adressänderungen
  • Bezugsrechtsänderung
  • Beitragsfreistellung
  • Kontoänderungen
  • Änderung der Zahlungsweise
  • Abtretungen
  • Reduzierung der Versicherungssumme bzw. des Beitrags
  • Todesfall
  • Berechnung der Ablaufsumme bzw. des Rückkaufwerts
  • Aufbereitung für Bürgschaften
  • Rentenberechnungen
  • Abwicklung bei Berufsunfähigkeit
  • Kündigung
  • Scheidung

Nachweis des Zeitaufwands

Für die Rückstellung ist der jeweilige Zeitaufwand für die Betreuung je Vertrag und je Jahr maßgebend. Hierfür müssten Sie die einzelnen Betreuungstätigkeiten mit dem jeweiligen Zeitaufwand genau beschreiben. Sie müssen angeben, wie oft die einzelnen Tätigkeiten über die Gesamtlaufzeit des jeweiligen Vertrags zu erbringen sind. Eine genaue Aufzeichnung von jedem einzelnen Vertrag ist allerdings nicht erforderlich, es reichen Stichproben.

 

PRAXISHINWEIS | Wie Sie solche Aufzeichnungen erstellen, zeigen wir Ihnen am Ende des Beitrags anhand einer Tabelle. Diese Excel-Tabelle steht Ihnen als Arbeitshilfe auf wvm.iww.de zur Verfügung.

 

Beachten Sie | Allein die Excel-Tabelle reicht nicht aus, um den Anforderungen an die genaue Beschreibung der einzelnen Betreuungstätigkeiten gerecht zu werden. Vielmehr müssen Sie die einzelnen Tätigkeiten in einer Legende explizit beschreiben. Dies könnte zum Beispiel für die Spalte „Namens- und Adressänderung“ wie folgt aussehen:

 

  • Telefonat mit Kunden
  • Änderung der Adressdaten am PC
  • Übermittlung der Daten an die Gesellschaft

 

Sie müssen die entsprechenden Unterlagen, mit denen sich Ihre Tätigkeit nachweisen lässt, zum Beispiel E-Mails oder Briefe, aufbewahren und dem Finanzamt gegebenenfalls als Nachweis vorlegen.

 

Wichtig | Allgemeine Schätzungen, wie etwa Aufwand von 20 Minuten pro Vertrag im Jahr ohne nähere Begründung, reichen nach Ansicht des BFH nicht. Vielmehr müssen Sie die Zeiten genau deklarieren, die Tätigkeiten genau beschreiben und die entsprechenden Dokumente aufbewahren.

Ermittlung der Personalkosten

Eine Rückstellung für die Nachbetreuung dürfen Sie nur hinsichtlich der Personalkosten Ihrer Mitarbeiter erstellen. Ihre eigene künftige Arbeitsleistung ist nicht rückstellungsfähig.

 

PRAXISHINWEIS | Beschäftigen Sie keine Mitarbeiter, dürfen Sie keine Rückstellung bilden. Hier könnten Sie die Beschäftigung Ihres Ehegatten zur Bestandspflege in Betracht ziehen, um die Rückstellungsfähigkeit zu begründen.

Von Ihren Mitarbeitern müssen Sie die Höhe der Personalkosten pro Stunde ermitteln. Was Sie bei der Berechnung beachten müssen, lässt sich am einfachsten anhand eines Beispiels verdeutlichen:

 

  • Beispiel

Makler (M) beschäftigt eine Mitarbeiterin (S). S ist mit der Betreuung der laufenden Verträge betraut. Im Arbeitsvertrag mit S ist ein monatliches Grundgehalt in Höhe von 1.200 Euro vereinbart. Die wöchentliche Arbeitszeit beträgt 24 Stunden. Zudem erhält S nach dem Arbeitsvertrag monatlich einen Tankgutschein im Wert von 44 Euro und Weihnachtsgeld in Höhe eines Monatsgehalts. Der Arbeitgeber-Anteil zur Sozialversicherung beträgt 25 Prozent.

 

Ermittlung der Personalkosten pro Stunde

Monatliches Grundgehalt

1.200,00 Euro

Anteiliges Weihnachtsgeld

100,00 Euro

Tankgutschein

44,00 Euro

Summe Gehalt pro Monat

1.344,00 Euro

Wöchentliche Arbeitszeit in Stunden

24 Std.

Durchschnittliche monatliche Stundenzahl (= 24 Stunden wöchentliche Arbeitszeit x 52 Wochen : 12 Monate)

104 Std.

Aufwand je Mitarbeiterstunde (1.344 Euro : 104)

12,92 Euro

Zuzüglich AG-Anteil Sozialversicherung 25 %

3,23 Euro

Personalkosten je Stunde Betreuungszeit

16,15 Euro

 

Das 13. Monatsgehalt oder das Weihnachtsgeld dürfen Sie bei der Berechnung für die Rückstellung berücksichtigen, soweit es sich um einen festen Bestandteil der Bezüge handelt und nicht um eine jährlich vereinbarte Sondervergütung. Um einen festen Bestandteil handelt es sich, wenn Sie das Weihnachtsgeld im Arbeitsvertrag explizit aufgeführt haben.

 

Für die Berechnung der Rückstellungen zählen auch alle Sachbezüge, die Sie dem Mitarbeiter in Form von Sachleistungen als Arbeitslohn gewähren (wie zum Beispiel: Wohnung, Kost, Waren). Deswegen ist im Beispiel der Tankgutschein in Höhe von 44 Euro berücksichtigt.

Zusammenfassendes Berechnungsbeispiel

Wie Sie die Berechnung der Rückstellung in der Praxis umsetzen, verdeutlicht das folgende Beispiel:

 

  • Beispiel

Makler (M) ist aufgrund seiner Vereinbarungen im Maklervertrag verpflichtet, seine Bestandskunden nach Vertragsabschluss weiter zu betreuen. M vermittelt Geschäft an verschiedene Versicherer. Für einen Teil der Verträge erhält er lediglich eine Abschlusscourtage, für den anderen Teil auch eine Bestandscourtage. M beschäftigt einen Mitarbeiter (S), der die laufende Betreuung der Versicherungsbeträge übernimmt. S erhält ein monatliches Grundgehalt in Höhe von 2.000 Euro. Die wöchentliche Arbeitszeit beträgt 40 Stunden. Weiterhin hat S laut Arbeitsvertrag einen Anspruch auf Weihnachtsgeld in Höhe eines Monatsgehalts. Der AG-Anteil an der Sozialversicherung beträgt 25 Prozent. Der Gemeinkostenzuschlag auf die Personalkosten beträgt 10 Prozent.

 

M betreut 2.000 Verträge, je zur Hälfte mit Abschlusscourtage und Bestandscourtage entfallen. Nach den vollständig geführten Aufzeichnungen ergeben sich die folgenden verbleibenden Vertragslaufzeiten:

 

Vertragsdauer
Anzahl Verträge mit Abschlusscourtage
Anzahl Verträge mit Bestandscourtage

1 Jahr

100

100

3 Jahre

200

200

5 Jahre

300

200

10 Jahre

200

300

15 Jahre

100

100

20 Jahre

100

100

Summe

1.000

1.000

 

 

M hat seine Betreuungsleistungen detailliert dokumentiert und kommt auf einen durchschnittlichen Betreuungsaufwand von 40 Minuten je Vertrag. Dabei entfallen 3/4 der Arbeitszeit auf S und 1/4 der Arbeitszeit auf M.

 

Ergebnis: M darf eine Rückstellungen nur für die Verträge mit Abschlusscourtage bilden. Nur hier besteht ein Erfüllungsrückstand, da M die Abschlusscourtage nicht nur für die Vermittlung der Versicherung, sondern auch für die weitere Betreuung der Versicherungsverträge erhält. Bei den Verträgen mit Bestandscourtage liegt kein Erfüllungsrückstand vor.

 

M darf bei Ermittlung der Personalkosten für S das Weihnachtsgeld berücksichtigen, da es sich dabei um einen festen Bestandteil der Bezüge handelt (keine Sondervergütung). Seine eigene Betreuungsleistung darf M nicht berücksichtigen.

 

Nach Ansicht des FG Münster muss M Rückstellung für die Verträge mit Abschlusscourtage wie folgt ermitteln (FG Münster, Urteil vom 13.6.2013, Az. 13 K 4827/08 F; Abruf-Nr. 132281):

  • Ermittlung der Mitarbeiterstunden

Vertragsdauer

Anzahl

Zeitaufwand Minuten
Zeitaufwand
Stunden
Abzinsungs- faktor
Ergebnis
Stunden

Jahre

gesamt

durchschnittlich

Mitarbeiter

gesamt

gesamt

1 Jahr

100

40

30

3.000

50

0,948

47,40

3 Jahre

200

40

30

6.000

100

0,852

85,20

5 Jahre

300

40

30

9.000

150

0,765

114,75

10 Jahre

200

40

30

6.000

100

0,585

58,50

15 Jahre

100

40

30

3.000

50

0,448

22,40

20 Jahre

100

40

30

3.000

50

0,343

17,15

Summe

1.000

345,40

  • Ermittlung der Personalkosten

Monatliches Grundgehalt

2.000,00 Euro

Anteiliges Weihnachtsgeld

200,00 Euro

Summe Gehalt pro Monat

2.200,00 Euro

Durchschnittliche monatliche Stundenzahl

(= 40 Stunden wöchentliche Arbeitszeit x 52 Wochen : 12 Monate)

173 Std.

Aufwand je Mitarbeiterstunde (2.200 Euro : 173)

12,72 Euro

zuzüglich AG-Anteil Sozialversicherung 25 %

3,18 Euro

Personalkosten je Stunde Betreuungszeit

15,90 Euro

zuzüglich Gemeinkostenzuschlag (10 % von 15,90 Euro)

1,59 Euro

Summe Personalkosten je Stunde

17,49 Euro

 

 

  • Ermittlung der Rückstellung

Anzahl Stunden

345,40 Std.

x Personalkosten je Stunde zzgl. Gemeinkosten

17,49 Euro

Ergebnis

6.041,05 Euro

abzüglich Abschlag für vorzeitige Vertragskündigung 10 %

./. 604,10 Euro

Rückstellung

5.436,95 Euro

 

Wichtig | Das Beispiel zeigt, dass die Umsetzung der Rückstellung in der Praxis an viele Faktoren geknüpft ist. Diese Informationen müssen Sie Ihrem Steuerberater zur Verfügung stellen. Dies bedeutet einen erheblichen administrativen Mehraufwand.

 

Weiterführende Hinweise

  • Beitrag „Neue Entwicklung bei der Bildung von Rückstellungen für die Vertragsbetreuung - Teil I“, WVM 11/2013, Seite 6
  • Das Excel-Tool „Leistungen zur Nachbetreuung von Versicherungsverträgen“, finden Sie auf wvm.iww.de unter Downloads → Arbeitshilfen → Büro-Organisation
  • Haben Sie Fragen zu diesem Thema? Dann senden Sie diese bitte per E-Mail an die Redaktion (wvm@iww.de).

 

  • Leistungen zur Nachbetreuung von Versicherungsverträgen

lfd. Nr.

Gesellschaft

Vertrag

Versicherungsnr.

Betreuungsleistung 2013

Anspruch auf Folgecourtage

rechtliche Verpflichtung zur Nachbetreuung

Zeitaufwand in Min

rückstellungsfähiger Zeitaufwand

Restlaufzeit Jahre

1

XXX

111111

Namens- und Adressänderungen

nein

ja

20

20

10

2

XXX

111112

Bezugsrechtsänderung

nein

ja

30

30

25

3

XXX

111113

Beitragsfreistellung

nein

ja

30

30

30

4

XXX

111114

Kontoänderungen

nein

ja

15

15

15

5

XXX

111115

Veränderung der Zahlungsweise

nein

ja

30

15

5

6

XXX

111116

Abtretungen

nein

ja

60

60

14

7

XXX

111117

Reduzierung des Beitrages

nein

ja

45

45

23

8

XXX

111118

Todesfall

nein

ja

120

120

12

9

XXX

111119

Berechnung des Rückkaufwertes

nein

ja

30

30

9

10

XXX

111120

Aufbereitung für Bürgschaften

nein

ja

30

30

8

11

XXX

111121

Rentenberechnungen

nein

ja

30

30

12

12

XXX

111122

Abwicklung bei Berufsunfähigkeit

nein

ja

45

45

30

13

XXX

111123

Kündigung/Abwehr

nein

ja

20

20

25

14

XXX

111124

Trennungen

nein

ja

30

30

14

15

XXX

111125

Namens- und Adressänderungen

nein

ja

20

20

23

16

XXX

111126

Bezugsrechtsänderung

nein

ja

20

20

10

17

XXX

111127

Beitragsfreistellung

nein

ja

20

20

9

18

XXX

111128

Kontoänderungen

nein

ja

30

30

20

19

XXX

111129

Todesfall

nein

ja

90

90

2

Summe

700

296

Durchschnitt

36,84

15,58

 
Quelle: Ausgabe 12 / 2013 | Seite 10 | ID 42271851