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29.05.2013 · IWW-Abrufnummer 131654

Finanzgericht Köln: Urteil vom 19.10.2012 – 14 K 2159/12

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Finanzgericht Köln

14 K 2159/12

Tenor:

Unter Abänderung des Einkommensteuerbescheides 2010 vom 08.05.2012 und der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 14.06.2012 wird die Einkommensteuer 2010 auf 6.088 EUR herabgesetzt.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Streitig ist die Berücksichtigung von Aufwendungen für eine Dichtheitsprüfung der privaten Abwasserleitung als steuerermäßigende Handwerkerleistung nach § 35a EStG (Einkommensteuergesetz).

In der Einkommensteuererklärung 2010 beantragte der Kläger für eine Dichtheitsprüfung der Abwasserleitung seines privat genutzten Wohnhauses eine Steuerermäßigung nach § 35a Abs. 3 EStG. In der entsprechenden Rechnung sind Arbeitskosten von 357,36 EUR ausgewiesen.

In dem Einkommensteuerbescheid 2010 vom 08.05.2012 blieben die Aufwendungen unberücksichtigt. Die Einkommensteuer wurde auf 6.160 EUR festgesetzt.

Hiergegen sowie gegen die Berücksichtigung einer zumutbaren Eigenbelastung bei den Krankheitskosten richtete sich der fristgerecht eingelegte Einspruch. Hinsichtlich der zumutbaren Eigenbelastung wurde das Einspruchsverfahren nach § 363 Abs. 2 Satz 1 Abgabenordnung (AO) ruhen gelassen. Hinsichtlich der Steuerermäßigung nach § 35a Abs. 3 EStG wies der Beklagte den Einspruch durch Teileinspruchsentscheidung (§ 367 Abs. 2a Satz 1 AO) zurück. Auf die Teileinspruchsentscheidung vom 14.06.2012 wird Bezug genommen.

Mit der vorliegenden Klage vom 11.07.2012 verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er macht im Wesentlichen geltend, bei der Dichtheitsprüfung handele es sich um eine Handwerkerleistung in Form einer Erhaltungsmaßnahme im Sinne des § 35a Abs. 3 EStG. Hierzu gehörten auch Kontrollmaßnahmen zur Erhaltung der Immobilie unabhängig davon, ob es sich um Arbeiten im oder am Haus handele. Nur durch eine entsprechende Prüfung der Abwasserrohre könne festgestellt werden, ob Schäden vorhanden seien, die zu einem Reparaturaufwand führten. Entgegen der Auffassung des Beklagten handele es sich nicht um Aufwendungen, bei denen eine Gutachtertätigkeit im Vordergrund stehe. Die Dichtheitsprüfung werde nicht von Gutachtern, also nicht von Ingenieuren bzw. Diplom-Ingenieuren mit Hochschul- oder Fachhochschulausbildung durchgeführt, sondern von Installateuren mittels einer Rohrkamera, die Bilder der Abwasserrohre erstelle und anhand dieser Bilder Schäden erkennen lasse. Es handele sich nicht um ein wissenschaftliches Gutachten, sondern um die Überprüfung der Rohrleitung zur Behebung und Beseitigung eventueller Schäden und Verhinderung weiterer Schäden. Im Übrigen gehöre zu Erhaltungsaufwendungen auch eine Untersuchung im Vorfeld einer evtl. Reparaturmaßnahme dahingehend, ob tatsächlich Reparaturaufwand bestehe. Dies gelte umso mehr, wenn es sich um Abwasserrohre handele, bei denen nicht durch bloße Inaugenscheinnahme beurteilt werden könne, ob Reparaturaufwand bestehe. Die Untersuchung sei zudem mit einer Reinigung (Spülung) einher gegangen, da die Messung sonst nicht möglich gewesen wäre.

Der Kläger beantragt,

den Einkommensteuerbescheid 2010 vom 08.05.2012 und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 14.06.2012 abzuändern und die Einkommensteuer 2010 um 72 EUR herabzusetzen,

hilfsweise die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise die Revision zuzulassen.

Der Beklagte macht im Wesentlichen geltend, die Dichtheitsprüfung sei wie die vom TÜV oder anderen autorisierten Fachkräften durchzuführende Sicherheitsprüfung einer Heizungsanlage im Gegensatz zu einer Wartung der Heizungsanlage mit einer Gutachtertätigkeit vergleichbar. Nach Rz. 12 des Schreibens des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 15.02.2010 (Bundessteuerblatt - BStBl - I 2010, 140) seien Aufwendungen, bei denen eine Gutachtertätigkeit im Vordergrund stehe, nicht nach § 35a EStG begünstigt. Eine Vergleichbarkeit mit der Wartung des Abwasserentsorgungssystems sei nicht gegeben. Sofern als Folge von Dichtheitsprüfungen Reparaturmaßnahmen anfielen, seien die entsprechenden Aufwendungen nach § 35a EStG begünstigt.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet.

Nach § 35a Abs. 3 Satz 1 EStG in der im Streitjahr 2010 geltenden Fassung ermäßigt sich die tarifliche Einkommensteuer, vermindert um die sonstigen Steuerermäßigungen, auf Antrag um 20 Prozent der Aufwendungen des Steuerpflichtigen für die Inanspruchnahme von Handwerkerleistungen für Renovierungs-, Erhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen, höchstens jedoch um 1.200 EUR. Nach § 35a Abs. 5 Satz 2 EStG gilt der Abzug von der tariflichen Einkommensteuer nur für Arbeitskosten.

§ 35a Abs. 3 Satz 1 EStG gilt nach seinem Wortlaut für die Inanspruchnahme von Handwerkerleistungen für Renovierungs-, Erhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen. Ausweislich der Gesetzesbegründung (Bundestag-Drucksache16/643 Seite 10) soll die Vorschrift für alle handwerklichen Tätigkeiten gelten, unabhängig davon, ob es sich um regelmäßig vorzunehmende Renovierungsarbeiten oder um Erhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen handelt. Danach werden sämtliche handwerkliche Tätigkeiten, also auch einfache handwerkliche Verrichtungen, etwa regelmäßige Ausbesserungs- und Erhaltungsmaßnahmen von der Vorschrift erfasst (vgl. BFH-Urteil vom 06.05.2010 VI R 4/09, BStBl II 2011, 909 zu § 35a Abs. 2 Satz 2 EStG in der Fassung des Gesetzes zur steuerlichen Förderung von Wachstum und Beschäftigung vom 26.04.2006, BStBl I 2006, 350). Hierzu gehören auch Aufwendungen für Renovierungs-, Erhaltungs- und Modernisierungsarbeiten auf dem Grundstück, z. B. Garten- und Wegebauarbeiten (vgl. BFH-Urteil vom 13.07.2011 VI R 61/10, BStBl II 2012, 232).

Nach diesen Grundsätzen sind die streitgegenständlichen Aufwendungen für die Dicht-heitsprüfung der Abwasserleitung als steuerermäßigende Handwerkerleistung anzuerkennen. Die Kamerauntersuchung wurde zum Zwecke des Dichtheitsnachweises angeordnet. Denn es handelte sich um eine Maßnahme, die in unmittelbarem Zusammenhang mit der Verpflichtung stand, die Abwasserleitung instand zu halten.

Nach § 61a Abs. 1 Satz 1 Landeswassergesetz (LWG) NRW sind private Abwasseranlagen so anzuordnen, herzustellen und instand zu halten, dass sie betriebssicher sind und Gefahren oder unzumutbare Belästigungen nicht entstehen können. Nach Satz 2 der Vorschrift müssen Abwasserleitungen geschlossen, dicht und soweit erforderlich zum Reinigen eingerichtet sein. Nach Abs. 3 Satz 1 der Vorschrift hat der Eigentümer eines Grundstücks Abwasserleitungen von Sachkundigen auf Dichtheit prüfen zu lassen, wobei nach Satz 4 und 5 der Vorschrift über das Ergebnis der Dichtheitsprüfung eine Bescheinigung zu fertigen ist, die der Gemeinde auf Verlangen vorzulegen ist. Nach Abs. 4 der Vorschrift muss die erste Dichtheitsprüfung bis zum 31.12.2015 durchgeführt werden. Der Sinn und Zweck einer derartigen Dichtheitsprüfung erschließt sich ohne weiteres daraus, dass durch diese in regelmäßigen Abständen zu wiederholenden Untersuchungen nachgewiesen werden soll, dass kein Abwasser über undichte Stellen aus der Leitung austritt und das Grundwasser kontaminiert.

Die Dichtheitsprüfung war im Streitfall nach dem Gesamtbild der Verhältnisse durch die Verpflichtung zur Instandhaltung der Abwasserleitung veranlasst. Durch die Untersuchung sollte eine konkrete Grundlage für die Notwendigkeit einer Sanierung geschaffen werden. Die Aufwendungen sind deshalb als Teil der Aufwendungen für die Instandhaltung und damit als steuerermäßigende Handwerkerleistung zu beurteilen. Denn zu den Handwerkerleistungen gehören nicht nur die Kosten, die unmittelbar der Sanierung dienen, sondern auch solche, die - wie hier die fachtechnische Einschätzung der Notwendigkeit einer Sanierung - nach der Art des Auftrags zu den Vorarbeiten gehören. Ebenso wie die Sanierung, das „Abdichten“, der Abwasserleitung muss die Dichtheitsprüfung als Handwerkerleistung anerkannt werden. Ob die Abwasserleitung saniert werden musste, spielt keine Rolle. Der Umstand, dass sich eine Reparatur nicht als notwendig erwiesen hat, vermag den eigentlichen Charakter der Aufwendungen nicht zu berühren.

Entgegen der Auffassung des Beklagten stand bei der Dichtheitsprüfung nicht die Gutachtertätigkeit im Vordergrund. Zielrichtung der Maßnahme war ganz konkret die Instandhaltung der Abwasserleitung. Hätte sich nämlich herausgestellt, dass die Abwasserleitung undicht ist, wäre der Kläger nach § 61a Abs. 1 Satz 1 LWG NRW verpflichtet gewesen, die Abwasserleitung instand setzen zu lassen. Die Aufwendungen gehören daher ihrem Wesen nach zu den Instandhaltungskosten. Dass sich die Abwasserleitung als dicht erwiesen hat, ändert daran nichts. Im Übrigen würden die Aufwendungen für die Dichtheitsprüfung, wenn eine Sanierung erforderlich gewesen wäre, für Zwecke der Steuerermäßigung nach § 35a Abs. 3 EStG aus dem Gesamtaufwand nicht heraus gerechnet.

Dagegen ließe sich auch nicht einwenden, eine Vergleichbarkeit mit der als Handwerkerleistung steuerermäßigten Leistung des Schornsteinfegers sei nicht gegeben, weil dieser die Esse reinige und (lediglich) als Ausfluss der Reinigungstätigkeit die Werte der Heizungsanlage auf Umweltverträglichkeit messe (vgl. Schreiben des Finanzministeriums Schleswig-Holstein vom 21.07.2010; Verfügungen der Oberfinanzdirektion - OFD- Frankfurt vom 20.08.2010, der OFD Koblenz vom 06.09.2010 und der OFD Magdeburg vom 08.09.2010, jeweils zitiert nach juris). Denn die Überprüfungs-, Kehr- und Messarbeiten nach der Kehr- und Überprüfungsordnung (KÜO) bzw. der „Ersten Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (1. BImSchV) müssen nicht mehr durch ein und denselben Schornsteinfeger - nämlich den zuständigen Bezirksschornsteinfeger - durchgeführt werden. Bereits jetzt dürfen Schornsteinfeger aus anderen EU-Mitgliedstaaten im Rahmen der grenzüberschreitenden Dienstleistungsfreiheit Schornsteinfegerarbeiten in Deutschland anbieten. Ab dem Jahr 2013 können Grundstückseigentümer grundsätzlich jeden beliebigen Schornsteinfeger mit Überprüfungs-, Kehr- und Messarbeiten beauftragen (vgl. § 2 Schornsteinfeger-Handwerksgesetz). Reinigung der Esse - soweit überhaupt erforderlich - und Messung müssen daher nicht unbedingt in einem Arbeitsgang vorgenommen werden.

Die festzusetzende Einkommensteuer 2010 errechnet sich wie folgt:

festzusetzende Einkommensteuer bisher
6.160 EUR

weitere Steuerermäßigung gem. § 35a EStG ./. 72 EUR

festzusetzende Einkommensteuer neu
6.088 EUR

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO). Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) zugelassen.