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08.12.2015 · IWW-Abrufnummer 145902

Amtsgericht Borken: Urteil vom 17.07.2014 – 12 C 201/13

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Amtsgericht Borken

12 C 201/13

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

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Ohne Tatbestand (gemäß § 313a Abs. 1 ZPO).

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Entscheidungsgründe:

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Die zulässige Klage ist unbegründet.

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I.

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Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch auf Zahlung von 509,25 EUR aus dem zwischen den Parteien bestehenden Versicherungsvertrag nicht zu.

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Die Beklagte ist auf der Grundlage der getroffenen vertraglichen Vereinbarungen nicht zur Schadensregulierung gegenüber der Klägerin verpflichtet.

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1. Gemäß § 2 Ziff. 2 Buchst. b) der Allgemeinen Versicherungsbedingungen (Anlage K2, Blatt 8 d.A.) ist der Verlust des Handys durch Diebstahl nur dann versichert, wenn das Gerät in persönlichem Gewahrsam sicher mitgeführt wurde oder wenn andere, vorliegend nicht einschlägige Voraussetzungen gegeben sind.

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Die nach der genannten Bestimmung erforderliche Voraussetzung, dass das Gerät „im persönlichen Gewahrsam sicher mitgeführt wurde“ verlangt einen gesteigerten persönlichen Gewahrsam insbesondere während der Zeit, in der sich der Versicherungsnehmer in der Öffentlichkeit aufhält oder fortbewegt, wobei das Maß des geforderten Sicherungsverhaltens vom Wert des Gegenstandes, der Intensität des Diebstahlsanreizes sowie insbesondere von dem Gefährdungsgrad der jeweiligen Örtlichkeit und Situation abhängt (LG Berlin, Urteil vom 09.09.2010 – Az. 7 S 26/10; AG Köln, Urteil vom 12.10.2009 – Az. 147 C 16/09). Demgemäß gibt es Orte, an denen die Gefährdung aus der Situation heraus auch ohne Rücksicht auf den Wert des Gegenstandes, wie u.a. innerhalb einer anonymen Menschenmenge, offensichtlich ist (AG Köln, a.a.O.). Erforderlich ist, dass der Versicherungsnehmer den Gegenstand entsprechend seinem äußeren Wert und den äußeren Umständen der Gefährdung sichert und körpernah trägt oder hält, so dass die naheliegenden Gefahren eines Verlustes vermieden werden und er jederzeit bereit und in der Lage ist, einen möglichen Diebstahlsversuch abzuwehren (LG Berlin, a.a.O., m.w.N.).

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Ein sicherer persönlicher Gewahrsam in diesem Sinne ist vorliegend nicht gegeben.

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Die Klägerin sowie die Zeugin S haben übereinstimmend geschildert, am Dienstag den 13.08.2013 in der Gelsenkirchener Innenstadt unterwegs gewesen zu sein. Die Klägerin habe ihr Handy zuletzt im Geschäft Q in der Hand gehabt. Die Klägerin habe das Handy in ihrer Handtasche verstaut. Dann seien sie durch die Innenstadt und in weitere Geschäfte gegangen. Die Handtasche habe die Klägerin über der Schulter getragen und den Arm auf die Handtasche gelegt. Ca. eine halbe Stunde nach dem Wegpacken des Handys habe die Klägerin den Verlust des Gerätes bemerkt. Die Klägerin hat weiterhin behauptet, den Reißverschluss ihrer Handtasche verschlossen zu haben, ohne dass die Zeugin S diese Behauptung durch ihre Aussage zu bestätigen vermochte. Überdies hat die Klägerin dargelegt, dass es sowohl in dem Geschäft Q als auch in der Fußgängerzone ziemlich voll gewesen sei; überall seien Leute gewesen.

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Weder den Darlegungen der Klägerin im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung noch der Aussage der vernommenen Zeugin S lässt sich ein sicherer persönlicher Gewahrsam des entwendeten Handys entnehmen.

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Die Klägerin bewegte sich im Zeitpunkt des Verlustes des Handys auf stark belebten öffentlichen Verkehrsflächen in der Innenstadt bzw. in gut besuchten Ladenlokalen. Zu dem Handy hielt sie weder Blickkontakt noch bestand ein unmittelbarer körperlicher Kontakt zu dem Gerät. Lediglich zu der auf der Schulter getragenen Handtasche, nicht aber zu dessen Inhalt, bestand ein unmittelbarer Körperkontakt, indem die Klägerin die Handtasche auf der Schulter trug und dabei den Arm auf die Tasche legte. Die Handtasche war – den Vortrag der Klägerin als richtig unterstellt, sie habe die Handtasche nach Hineinlegen des Handys wieder verschlossen – durch einen Reißverschluss gesichert. Allerdings befand sich der Öffner des Reißverschlusses hinten am Rücken und damit außerhalb des Blickfeldes der Klägerin. Aufgrund dieser Umstände bestand die Gefahr, dass der Reißverschluss der Handtasche unbemerkt von hinten geöffnet werden und das Handy herausgezogen werden konnte, ohne dass die Klägerin bereit gewesen wäre, einen solchen Diebstahlsversuch abzuwehren. Angesichts der aufgrund der Örtlichkeit offensichtlich gesteigerten Gefährdungslage wäre es zumutbar gewesen, den Verschlussmechanismus der Handtasche, etwa durch Handauflegen oder durch Anbringen eines Zahlenschlosses, zu sichern (vgl. LG Berlin, a.a.O.), die Handtasche vor dem Oberkörper zu tragen oder die Tasche zumindest dergestalt über der Schulter zu tragen, dass sich der Öffner des Reißverschlusses vorne befunden hätte.

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2. Die streitgegenständliche Regelung unter § 2 Ziff. 2 Buchst. b) der Allgemeinen Versicherungsbedingungen stellt entgegen der Ansicht der Klägerin bei der hier vorgenommenen Auslegung des Begriffes des „sicheren persönlichen Gewahrsams“ keine nach § 305c BGB überraschende oder im Sinne von § 307 BGB unangemessen benachteiligende und damit unwirksame Klausel dar.

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Denn es handelt sich bei der streitgegenständlichen Handy-Versicherung gerade nicht um eine reine Diebstahlsversicherung, die letztlich überraschend gering ausfällt. Vielmehr stellt der Verlust durch Diebstahl nur eine einer Reihe von Gefahren dar, die von der Versicherung abgedeckt werden. So besteht Versicherungsschutz beispielsweise auch bei Beschädigung und Zerstörung des Gerätes durch Bedienungsfehler, Bodenstürze, Bruchschäden, Flüssigkeitsschäden, Brand, Vandalismus etc., Verlust des Gerätes durch Raub oder Plünderung (siehe § 2 Ziff. 2 Buchst. b) der Allgemeinen Versicherungsbedingungen, Anlage K2, Blatt 8 d.A.). Im Gegensatz zu den meisten anderen versicherten Gefahren, wie Beschädigung durch Bodenstürze, Bedienungsfehler etc., enthält die Klausel bzgl. der Gefahr des Verlustes des Gerätes durch Einbruchdiebstahl und Diebstahl weitergehende bzw. qualifizierte Anforderungen. Insofern musste die Klägerin damit rechnen, dass nicht jeder „einfache“ bzw. „normale“ Diebstahl mitversichert ist (siehe auch LG Berlin, a.a.O.).

16

II.

17

Mangels Hauptforderung besteht ebenfalls kein Anspruch auf die geltend gemachten Nebenforderungen.

18

III.

19

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.

20

IV.

21

Der Streitwert des Rechtsstreits wird auf 509,29 EUR festgesetzt.

22

Rechtsbehelfsbelehrung:

23

Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,

24

a) wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder

25

b) wenn die Berufung in dem Urteil durch das Amtsgericht zugelassen worden ist.

26

Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils schriftlich bei dem Landgericht Münster, Am Stadtgraben 10, 48143 Münster, eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten.

27

Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Landgericht Münster zu begründen.

28

Die Parteien müssen sich vor dem Landgericht Münster durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.

29

Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.