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11.04.2019 · IWW-Abrufnummer 208279

Landgericht Frankfurt a. M.: Urteil vom 19.03.2019 – 3-06 O 5/18

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


LG Frankfurt
6. Kammer für Handelssachen

19.03.2019

3-06 O 5/18

Tenor

I. Die Beklagte wird verurteilt,

1.es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu unterlassen, geschäftlich handelnd
gegenüber sonstigen Marktteilnehmern mittels Telefonanrufen zu werben und/oder werben zu lassen, sofern die Adressaten nicht ausdrücklich oder mutmaßlich in eine werbliche Ansprache per Telefon eingewilligt haben, wenn dies geschieht wie im Fall der Firma ……………………., am 07.11.2017 um 9:51 Uhr,

2. an den Kläger 267,50 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit dem 25.01.2018 zu zahlen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 29.000,-- €.

Tatbestand

Bei dem Kläger handelt es sich um einen Verband im Sinne von § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG.

Die Beklagte ist Versicherungsmaklerin und bietet private Krankenversicherungen an.

Der Zeuge ……….wurde am 07.11.2017 von einer Person angerufen, die ihm eine private Krankenversicherung anbieten wollte. Mit E-Mail vom gleichen Tag (Anlage K 2) wurde ein Termin am 10.11.2017 bestätigt. In der E-Mail heißt es, dass sich für diesen Termin der Krankenversicherungsspezialist, die Firma …… GmbH, bereit erklärt hat. Zudem wurden die Kontaktdaten der Beklagten bekannt gegeben. Auf den genauen Inhalt der E-Mail wird Bezug genommen.

Am 08.11.2017 wurde der Zeuge ……….. von einem Mitarbeiter der Beklagten angerufen, um den Gesprächstermin zu bestätigen.

Mit Schreiben vom 14.11.2017 mahnte der Kläger die Beklagte ab und forderte sie zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf.

Die Beklagte ließ mit anwaltlichem Schreiben vom 20.11.2017 die den Unterlassungsanspruch zurückweisen und lehnte die Abgabe einer Unterlassungserklärung ab.

Der Kläger behauptet, Zweck und Inhalt des Telefonats am 07.11.2017 sei gewesen, einen Termin für die Beklagte zu vereinbaren. Der Anrufer habe gesagt, er sei von der Beklagten und er habe im Namen der Beklagten eine private Krankenversicherung angeboten. Der Zeuge habe dem Anrufer bei dem Telefonat am 08.11.2017 mitgeteilt, dass er an einem Termin nicht interessiert sei. Er habe zuvor weder um einen Anruf gebeten, noch habe er seine ausdrückliche Einwilligung erklärt. Er habe sich durch den Anruf belästigt gefühlt, zudem seien ihm Umleitungsgebühren in Höhe von 2 € entstanden.

Dass der Anrufer im Namen und Auftrag der Beklagten gehandelt habe, ergebe sich auch daraus, dass er die E-Mail vom 07.11.2017 an die Beklagte mit „………“ unterzeichnet habe (Anlage K 4), bei der E-Mail gemäß Anlage K 2 sei diese Kennung offenbar vergessen worden, da diese E-Mail mit „Mit freundlichen Grüßen“ ende.

Er ist der Auffassung, die Beklagte hafte für die Handlungen des Anrufers, da es ausreiche, dass die Möglichkeit eines bestimmenden und durchsetzbaren Einflusses auf diesen besteht, unabhängig davon, ob sie hiervon Gebrauch mache. Da sie die Sicherung eines derartigen Einflusses unterlassen habe, handele sie auf eigenes Risiko.

Der Kläger beantragt, die Beklagte zu verurteilen,

1.

es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu unterlassen, geschäftlich handelnd

gegenüber sonstigen Marktteilnehmern mittels Telefonanrufen zu werben und/oder werben zu lassen, sofern die Adressaten nicht ausdrücklich oder mutmaßlich in eine werbliche Ansprache per Telefon eingewilligt haben, wenn dies geschieht wie im Fall der Firma …………………, am 07.11.2017 um 9:51 Uhr,

2.

an den Kläger 267,50 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, sie habe mündlich eine sogenannte Leadvereinbarung mit dem Unternehmer ………. aus Istanbul / Türkei, geschlossen, wonach dieser Kontakt zu Kunden aufnehmen solle und bei sich ergebendem Interesse an einer Vor-Ort-Beratung zum Thema private Krankenversicherung den Interessenten einen bereits vereinbarten Gesprächstermin mit der Beklagten anbiete. Wegen der Einzelheiten des von der Beklagten behaupteten Konzepts des „………………“ wird auf die Ausführungen im Schriftsatz vom 10.07.2018, Bl. 65 Bezug genommen. Nach der Vereinbarung zwischen der Beklagten und Herrn ……………. obliege es einzig und allein diesem, welchen Kundenkontakt er an welche Vertragspartei weitergebe. Herr …………….. sei eigeninitiativ an die Beklagte herangetreten und habe ihr seine Dienstleistung angeboten. Es sei Herr ………………, der die Beklagte mit der Ausführung der Termine beauftrage, nicht umgekehrt. Sie behauptet, sie sei von einer Einwilligung des potentiellen Kunden ausgegangen, da der Anruf zur Bestätigung eines bereits bestehenden Gesprächstermins gedient habe. Die Beklagte sei in dem Telefonat mit Herrn ………………von Herrn ……………… nicht erwähnt worden; erst nach dem Gespräch seien die diesbezüglichen Kontaktdaten mit der Mail Anlage K 2 offen gelegt worden. Sie ist der Auffassung, sie hafte nicht durch Handlungen des Herrn …………………., da dieser nicht unmittelbar Beauftragter sei mangels Bestehen einer Einflussnahmemöglichkeit der Beklagten auf dessen Tätigkeit.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet.

Dem Kläger steht gegen die Beklagte der geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus §§ 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2, 7 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 2 UWG zu.

Der Kläger ist anspruchsberechtigt nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG, da es sich bei ihm gerichtsbekannt um einen Verband im Sinne dieser Norm handelt.

Streitgegenständlich ist die konkrete Verletzungsform, nämlich der Anruf vom 07.11.2017. Unstreitig ist, dass dieser erste Anruf von einem Kooperationspartner der Beklagten, Herrn ………., erfolgte. In Bezug auf diesen Anruf lag keine vorherige ausdrückliche Einwilligung des Zeugen …………. gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG vor. Auch gibt es für eine mutmaßliche Einwilligung keine konkreten Anhaltspunkte, so dass eine unzumutbare Belästigung im Sinne von § 7 Abs. 1 UWG gegeben ist.

Nach dem streitigen Vortrag der Beklagten besteht zwischen dem Leadunternehmer und der Beklagten die mündliche Absprache einer „……“-Kooperation, im Rahmen derer der Leadunternehmer für den Auftraggeber Kundenkontakte generiert. Der Leadunternehmer kontaktiert den Interessenten mit dem Angebot einer Beratung/Vermittlung zu einem bestimmten Produkt. Nimmt der Interessent das Angebot an, bietet der Leadunternehmer den Kundenkontakt einem seiner Vertragspartner – hierunter auch die Beklagte - an.

Das Bestehen einer derartigen Lead-Vereinbarung kann dahinstehen, da selbst wenn der diesbezügliche Vortrag der Beklagten unterstellt wird, eine Haftung der Beklagten als Unternehmensinhaberin aufgrund der Zuwiderhandlung des Herrn …… gemäß § 8 Abs. 2 UWG gegeben ist und der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gegen sie besteht.

Bei Herrn …………… handelt es sich um einen Beauftragten im Sinne des § 8 Abs. 2 UWG. Dies ist jeder, der, ohne Mitarbeiter zu sein, für das Unternehmen eines anderen auf Grund eines vertraglichen oder anderen Rechtsverhältnisses tätig ist. Der innere Grund für die Zurechnung der Geschäftstätigkeit des Beauftragten liegt vor allem in einer dem Betriebsinhaber zu Gute kommenden Erweiterung des Geschäftsbetriebs und einer gewissen Beherrschung des Risikobereichs durch den Betriebsinhaber. Deshalb ist es unerheblich, wie die Beteiligten ihre Rechtsbeziehungen ausgestaltet haben, so dass Beauftragter auch ein selbständiges Unternehmen sein kann (BGH GRUR 2009, 1167, Tz. 21 - Partnerprogramm). Bei dem Leadunternehmer…………….. handelt es sich um einen selbständigen Unternehmer, dem die Beklagte nach ihrem Vortrag Aufgaben der Kundengenerierung vertraglich übertragen hat.

Soweit die Beklagte einwendet, dass Herr ……… nicht in ihrem Lager stehe, da sie keine Möglichkeit der Einflussnahme auf ihn habe, weil Herr …….. selbst entscheide, an welchen Vertragspartner er den Kundenkontakt weitergebe, ist dies nicht erheblich. Es kommt nicht darauf an, welchen Einfluss sich der Betriebsinhaber gesichert hat, sondern welchen Einfluss er sich sichern konnte und musste. Er haftet daher gegebenenfalls auch für ohne sein Wissen und gegen seinen Willen von einem Beauftragten begangene Rechtsverstöße (BGH a.a.O.). Da die Beklagte nach ihrem Vortrag mit Herrn ………….. einen Vertrag geschlossen hat, wonach dieser Kundenkontakte generiert und Kontaktdaten an sie weitergibt, hätte sie auf ihn Einfluss nehmen müssen und dies ggf. auch kontrollieren müssen, dass Herr …… die Kundenkontakte in wettbewerbsrechtlich zulässiger Form generiert. Dass sie das offenbar nicht getan hat, geht zu ihren Lasten.

Die geltend gemachten Abmahnkosten in unbestrittener Höhe sind aus § 12 Abs. 2 UWG begründet, da – wie oben dargestellt – die Abmahnung berechtigt war. Die Zinsforderung ist aus §§ 291, 288 BGB begründet.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 1 ZPO.