19.11.2014 · IWW-Abrufnummer 143288
Oberlandesgericht Köln: Urteil vom 31.01.2014 – 20 U 156/13
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Oberlandesgericht Köln
20 U 156/13
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das am 8. August 2013 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Aachen – 1 O 579/12 – wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird gemäß § 540 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.
II.
Die zulässige Berufung der Klägerin bleibt in der Sache ohne Erfolg.
1.
Der Klägerin steht wegen etwaiger Beratungspflichtverletzungen bei Abschluss der streitgegenständlichen fondsgebundenen Lebensversicherung kein Anspruch auf Schadensersatz gegen die Beklagte zu. Der Senat teilt schon nicht die Auffassung des Landgerichts, die Beklagte hätten Beratungspflichten nach Kapitanlagegrunds ätzen getroffen. Der Abschluss einer fondsgebundenen Lebensversicherung ist regelmäßig nicht als Kapitalanlagegeschäft zu werten; er ist nur dann ausnahmsweise nach Kapitalanlagegrundsätzen zu behandeln, wenn nach den vertraglichen Regelungen die Renditeerwartung gegenüber der Absicherung des Todesfallrisikos von untergeordneter Bedeutung war (BGHZ 194, 39, Rn. 53). Vorliegend ist nichts dafür ersichtlich, dass das Todesfallrisiko von nur untergeordneter Bedeutung war; es war vielmehr bei monatlichen Beiträgen von 50,- DM eine Mindesttodesfallsumme von 15.000,- DM vereinbart.
Weiterer Vertiefung bedarf dies indes nicht, denn etwaige Schadensersatzansprüche, die aus einer fehlerhaften Beratung bei Vertragsschluss im Jahr 1991 resultieren könnten, sind verjährt. Die Verjährung begann mit der Entstehung des Anspruchs nach den damals noch geltenden Bestimmungen des BGB (§§ 195, 198 BGB). Der für die Fälligkeit maßgebende Eintritt des Schadens ist zwar regelmäßig erst dann anzunehmen, wenn es zu einer konkreten Verschlechterung der Vermögenslage des Gläubigers gekommen ist; der Eintritt einer risikobehafteten Situation reicht dafür in der Regel nicht aus. Jedoch kann der auf einer Aufklärungs- oder Beratungspflichtverletzung beruhende Abschluss eines Lebensversicherungsvertrags bereits für sich genommen einen Schaden darstellen und den Versicherungsnehmer dazu berechtigen, im Wege des Schadensersatzes die Rückabwicklung zu verlangen; der Anspruch entsteht dann schon mit dem wirksamen Abschluss des Vertrages (vgl. BGH, VersR 2012, 601, Rn. 31). So liegt der Fall hier: Die Klägerin behauptet, den Lebensversicherungsvertrag bei sachgerechter Aufklärung nicht abgeschlossen zu haben. Demgemäß begann die Verjährungsfrist, die gemäß § 195 BGB a.F. 30 Jahre betrug, mit dem Vertragsschluss im Jahr 1991. Gemäß Art. 229 § 6 Abs. 4 Satz 1 EGBGB galten ab 1. Januar 2002 die neuen, kürzeren Verjährungsfristen. Vorliegend kommt es alleine auf die Verjährungsregelung in § 199 Abs. 4 BGB an, wonach die Verjährungsfrist ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis 10 Jahre ab Entstehung des Anspruchs beträgt. Begonnen hat die Frist gemäß Art. 229 § 6 Abs. 4 Satz 1 EGBGB mit dem 1. Januar 2002; sie endete am 30. Dezember 2011 (vgl. Palandt-Ellenberger, BGB, 73. Aufl., Art. 229 EGBGB § 6, Rn. 6). Die Klageerhebung konnte die Verjährung nicht mehr hemmen, weil die Klage erst am 27. Dezember 2012 anhängig gemacht und am 18. Januar 2013 zugestellt worden ist. Für sonstige Hemmungstatbestände ist nichts vorgetragen oder ersichtlich.
2.
Die Beklagte ist auch nicht zur Leistung von Schadensersatz wegen etwaiger Aufklärungspflichtverletzungen anlässlich des Fondswechsels im Jahr 2004 verpflichtet. Mit den Ausführungen des Landgerichts hierzu beschäftigt sich die Berufung nicht, so dass es bereits an einem hinreichenden Berufungsangriff fehlen dürfte. Unabhängig davon bestand beim Fondswechsel jedenfalls keine Pflicht der Beklagten zu einer Aufklärung über die allgemeinen Risiken einer fondsgebundenen Lebensversicherung mit Beteiligung an einem offenen Immobilienfonds. Nach dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag der Beklagten in der Klageerwiderung (S. 3, GA 52) ist die Klägerin 2004 lediglich von einem offenen Immobilienfonds in einen anderen gewechselt. Insoweit bestand kein erneuter Beratungsbedarf. Dass beim SEB-Fonds zum damaligen Zeitpunkt besondere Risiken bestanden, über die hätte aufgeklärt werden müssen, ist nicht dargetan.
3.
Der Klägerin steht nach Kündigung der fondsgebundenen Lebensversicherung kein Zahlungsanspruch zu.
a)
Die Klägerin will einen vertraglichen Anspruch auf ein uneingeschränktes Wahlrecht zwischen einer Leistung in Wertpapieren und einer Geldleistung aus der Regelung in Ziff. 3 des ihr überlassenen Merkblatts (GA 19) herleiten. Hierbei handelt es sich aber unzweifelhaft und auch für die Klägerin erkennbar nicht um Allgemeine Geschäftsbedingungen, sondern um Erläuterungen zu der abgeschlossenen Versicherung, die für sich genommen keinen regelnden Charakter haben. Im Übrigen verhält sich Ziff. 3 nicht zu den Folgen einer vorzeitigen Kündigung, sondern beschäftigt sich mit der Leistungspflicht bei Eintritt des Versicherungsfalls.
b)
Die Klägerin kann sich auch nicht auf § 176 Abs. 1 VVG in der damaligen (und gemäß Art. 4 Abs. 2 EGVVG fortgeltenden) Fassung berufen. Danach hat der Versicherer den Betrag der auf die Versicherung entfallenden Prämienreserve zu erstatten, wenn eine Kapitalversicherung für den Todesfall, die in der Art genommen ist, dass der Eintritt der Verpflichtung des Versicherers zur Zahlung des vereinbarten Kapitals gewiss ist, durch Rücktritt, Kündigung oder Anfechtung aufgehoben wird.
Diese gesetzliche Bestimmung ist durch die Absätze 6-9 des § 2 AVB (GA 70 ff.), die auch im Falle der vorzeitigen Beendigung des Vertrags in Bezug auf die Rückkaufswert gelten (§ 6 Abs. 5 Satz 2 AVB), in zulässiger Weise modifiziert worden. Dem steht nicht entgegen, dass von § 176 VVG a.F. gemäß § 178 Abs. 2 VVG a.F. nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers abgewichen werden kann. § 176 Abs. 1 a.F. VVG verlangt lediglich, dass dem Versicherungsnehmer bei vorzeitiger Beendigung die Prämienreserve zu gewähren ist, schreibt aber dem Versicherer nicht zwingend vor, in welcher Weise die Erstattung zu erfolgen hat.
Vorliegend hat die Beklagte eine Geldleistung mit Blick auf die Schließung des SEB-Immobilienfonds und die deshalb fehlende Möglichkeit, die Fondsanteile an die Kapitalanlagegesellschaft zurückzugeben, zu Recht verweigert. Dies ist von § 2 Abs. 9 der AVB gedeckt.
Die AVB (gemäß dem Versicherungsschein handelt es sich um die Bedingungen „LA 114 (1.91)“, die von der Beklagten als Anlage B2 auch vorgelegt worden sind) sind wirksam in den Vertrag einbezogen worden.
Nach § 23 Abs. 3 des im Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch geltenden AGBG unterlag ein Versicherungsvertrag den von der zuständigen Behörde genehmigten Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Versicherers auch dann, wenn die in § 2 Abs. 1 Nr. 1 und 2 AGBG bezeichneten Erfordernisse nicht eingehalten waren.
Das nach § 2 Abs. 1 AGBG grunds ätzlich erforderliche Einverständnis mit der Geltung der AVB ist mit dieser Regelung zwar nicht außer Kraft gesetzt worden. Allerdings ist von einer regelmäßig anzunehmenden konkludenten Einwilligung des Versicherungsnehmers auszugehen, wenn im Antrag auf die Geltung der AVB hingewiesen worden ist und auf diese dann auch nochmals im Versicherungsschein Bezug genommen wird. In diesem Fall ist der widerspruchslose Vertragsschluss als Einverständnis mit den Bedingungen zu werten, weil allgemein bekannt ist, dass Versicherungsunternehmen nur auf der Grundlage von AVB Versicherungsverträge abschließen (vgl. OLG Nürnberg, r+s 1993, 234 und ZfS 1993, 172; OLG Karlsruhe, VersR 1983, 169). Vorliegend war die Klägerin im Versicherungsantrag in den wichtigen Hinweisen am Ende des Antrags auf die Geltung der AVB hingewiesen worden, und der Versicherungsschein wies die beigefügten Unterlagen, insbesondere die genau bezeichneten AVB, ausdrücklich aus. Zudem war der Klägerin aus dem ihr überlassenen Merkblatt bekannt, dass die Beklagte den Vertrag nur auf der Grundlage detaillierter Bedingungen abschließen wollte, denn diese waren in dem Merkblatt erläutert.
Es ist ferner als nicht wirksam bestritten und damit als zugestanden anzusehen, dass die hier maßgebenden AVB vom Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen genehmigt waren. Der entsprechenden erstinstanzlichen Behauptung der Beklagten im Schriftsatz vom 25. Juni 2013 (GA 138) ist d ie Klägerin innerhalb der ihr gewährten Schriftsatznachlassfrist nicht entgegengetreten. Ein Bestreiten erfolgte erst im Schriftsatz vom 30. Juli 2013 (GA 166). Das ist prozessual unbeachtlich (§ 296a Satz 1 ZPO). Ein Bestreiten findet sich auch in der Berufungsbegründung nicht; im Gegenteil wird vorgetragen, es komme nicht darauf an, ob eine Genehmigung vorliege (GA 217). Das Aufgreifen des Bestreitens unter Bezugnahme auf den Schriftsatz vom 30. Juli 2013 im (insoweit auch nicht nachgelassenen) Schriftsatz vom 6. Januar 2014 ist verspätet (§ 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO).
c)
Die Regelung in § 2 Abs. 9 AVB ist mit dem AGBG vereinbar.
aa)
Die Klausel ist nicht überraschend im Sinne von § 3 AGBG. Mit ihr ist keine insoweit von der Rechtsprechung verlangte „Überrumpelung“ verbunden. Eine solche liegt nur dann vor, wenn in den AVB eine Regelung enthalten ist, die von den Erwartungen des Vertragspartners deutlich abweicht und mit der dieser den Umständen nach vernünftigerweise nicht zu rechnen braucht, wobei diese Erwartungen von allgemeinen und individuellen Begleitumständen bestimmt werden (vgl. etwa BGHZ 109, 197).
Nach § 6 Abs. 5 Abs. 1 AVB kann der Versicherungnehmer den Rückkaufswert in Wertpapieren der zugrundeliegenden Anlagestöcke verlangen. Alternativ steht ihm grundsätzlich nach § 6 Abs. 5 Satz 2 in Verbindung mit § 2 Abs. 6 AVB ein Zahlungsanspruch zu. § 2 Abs. 9 Satz 2 AVB regelt zudem die Verpflichtung der Beklagten, bei Wahl des Zahlungsanspruchs die Veräußerung von Vermögenswerten der Anlagestöcke unverzüglich vorzunehmen. Damit, dass eine solche Veräußerung in Sondersituationen wie der vorliegenden ausnahmsweise nicht oder jedenfalls nicht zeitnah möglich ist, muss der Versicherungsnehmer, der eine fondgebundene Lebensversicherung mit Beteiligung an einem Immobilienfonds abschließt, redlicherweise rechnen.
bb)
Die Regelung hält auch einer Inhaltskontrolle statt.
§ 308 Nr. 1 BGB (bzw. § 10 Abs. 1 AGBG) ist entgegen der Auffassung der Klägerin nicht einschlägig. Danach sind Klauseln unwirksam, in denen sich der Verwender (u.a.) unangemessen lange oder nicht hinreichend bestimmte Fristen für die Erbringung einer Leistung vorbehält. Grundsätzlich hat der Versicherungsnehmer nach den Bestimmungen in § 6 Abs. 5 AVB mit § 2 Abs. 6-9 AVB einen Anspruch auf zeitnahe Erstattung des Rückkaufswertes. Der Umstand, dass sich unter besonderen Voraussetzungen die Leistungserbringung verzögern kann, macht die Klausel nicht unwirksam.
Gerade deswegen, weil die Regelung in § 2 Abs. 9 AVB allenfalls in Ausnahmefällen zu einer Verzögerung von Auszahlungsansprüchen führen kann, liegt auch keine unangemessene Benachteiligung im Sinne von § 9 Abs. 1 AGBG vor. Dabei ist auch in Rechnung zu stellen, dass dem Versicherungsnehmer in der vorliegenden Konstellation andere Wege zur Realisierung der nach Vertragskündigung geschuldeten Leistung zur Verfügung stehen, namentlich die vorliegend der Klägerin von der Beklagten mit Schreiben vom 22. Mai 2012 (GA 32) dargestellte Möglichkeit der Anteilsveräußerung.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.
Berufungsstreitwert: 11.675,05 €