Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww

19.08.2014 · IWW-Abrufnummer 142449

Bundesgerichtshof: Urteil vom 16.07.2014 – IV ZR 55/14

Ein Anspruch auf Aufnahme in den Basistarif der privaten Krankenversicherung besteht nicht für Personen, die Empfänger laufender Leistungen nach dem Dritten, Vierten, Sechsten oder Siebten Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch sind, und die ohne den Bezug von Sozialhilfe der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung im Sinne von § 193 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 VVG i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 13 Buchst. b SGB V unterlägen. Das gilt auch für Personen, deren Leistungsbezug erstmals ab dem 1. Januar 2009 begonnen hat.


Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Vorsitzende Richterin Mayen, die Richter Wendt, Felsch, die Richterin Harsdorf-Gebhardt und den Richter Dr. Karczewski auf die mündliche Verhandlung vom 16. Juli 2014
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision gegen das Urteil des 20. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 8. November 2013 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt die Verurteilung der Beklagten, ihr und ihren drei minderjährigen Kindern Krankenversicherungsschutz im Basistarif nach § 12 Abs. 1b VAG ohne Selbstbeteiligung ab dem 1. Juni 2012 zu gewähren. Die seit etwa zehn Jahren in Deutschland lebende Klägerin besitzt seit dem 23. Dezember 2004 eine Aufenthaltserlaubnis. Bis zum 30. April 2012 bezog sie Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Seit dem 1. Mai 2012 erhält sie Sozialhilfe nach dem SGB XII. Vom 13. Mai 1997 bis zum 30. April 2012 wurde sie im Rahmen von § 264 SGB V von der ... betreut. Mit Schreiben vom 21. Mai 2012 teilte das zuständige Sozialamt ihr mit, wegen des Wegfalls der Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz und deren Ersetzung durch solche nach SGB XII müsse sie einen Antrag auf Abschluss einer Versicherung zum Basistarif bei einer privaten Versicherung stellen. Diesen von der Klägerin am 14. Juni 2012 gestellten Antrag lehnte die Beklagte ab.

2

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat sie abgewiesen. Mit der Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

3

Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

4

I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die Klägerin habe keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte ihr und ihren minderjährigen Kindern privaten Krankenversicherungsschutz im Basistarif gewähre. Die Regelung des § 193 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 VVG bezüglich der Ausnahme von der Versicherungspflicht im Basistarif greife zwar nach dem Wortlaut der Vorschrift nicht ein, da die Klägerin erst seit dem 1. Mai 2012 Empfängerin von Sozialhilfeleistungen geworden sei. Die scheinbare Konsequenz, dass die Klägerin eine private Krankenversicherung abschließen müsse, sei aber weder mit der Entstehungsgeschichte der Vorschrift noch mit dem erkennbaren Zweck, den der Gesetzgeber mit der Einführung der Versicherungspflicht in der privaten Krankenversicherung verfolgt habe, zu vereinbaren.

5

II. Das hält rechtlicher Nachprüfung stand.

6

Der Klägerin steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Versicherung im Basistarif für sich und ihre minderjährigen Kinder zu.

7

1. Gemäß § 193 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 VVG ist der Versicherer verpflichtet, allen Personen mit Wohnsitz in Deutschland, die nicht in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherungspflichtig sind, nicht zum Personenkreis nach Nr. 1 oder Absatz 3 Satz 2 Nr. 3 und 4 gehören und die nicht bereits eine private Krankheitskostenversicherung mit einem in Deutschland zum Geschäftsbetrieb zugelassenen Versicherungsunternehmen vereinbart haben, die der Pflicht nach Absatz 3 genügt, Versicherung im Basistarif nach § 12 Abs. 1a VAG zu gewähren. Diese Vorschrift korrespondiert mit der in § 193 Abs. 3 Satz 1 VVG geregelten Versicherungspflicht. Nach dessen Satz 2 besteht die Versicherungspflicht nicht für Personen, die

1. in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert oder versicherungspflichtig sind oder

...

4. Empfänger laufender Leistungen nach dem Dritten, Vierten, Sechsten und Siebten Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch sind für die Dauer dieses Leistungsbezugs und während Zeiten einer Unterbrechung des Leistungsbezugs von weniger als einem Monat, wenn der Leistungsbezug vor dem 1. Januar 2009 begonnen hat.

8

Die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung i.S. von § 193 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 VVG richtet sich nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V. Hiernach sind Personen versicherungspflichtig, die keinen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall haben und

a) zuletzt gesetzlich krankenversichert waren oder

b) bisher nicht gesetzlich oder privat krankenversichert waren, es sei denn, dass sie zu den in Absatz 5 oder den in § 6 Abs. 1 oder 2 genannten Personen gehören oder bei Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit im Inland gehört hätten.

9

Da die Klägerin bisher weder gesetzlich noch privat krankenversichert war, besteht für sie dem Grunde nach eine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 Buchst. b SGB V. Allerdings bestimmt § 5 Abs. 8a Satz 2 SGB V, dass diese Versicherungspflicht nicht gilt für Empfänger laufender Leistungen nach dem Dritten, Vierten, Sechsten und Siebten Kapitel des Zwölften Buches und für Empfänger laufender Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Bei wörtlicher Anwendung von § 193 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 und 4, Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 VVG i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 13 Buchst. b, Abs. 8a Satz 2 SGB V bestünde mithin für Personen, die - wie die Klägerin - nach dem 1. Januar 2009 erstmals Anspruch auf Sozialhilfeleistungen nach dem SGB XII haben, ein Anspruch auf Aufnahme in den Basistarif einer privaten Krankenversicherung, unabhängig davon, ob sie zuvor gesetzlich oder privat oder überhaupt nicht krankenversichert waren (so LG Regensburg, Urteil vom 11. August 2011 - 3 O 408/11 (3), nicht veröffentlicht; weitere Nachweise bei Göbel/Köther, VersR 2014, 537, 538; in diese Richtung auch Voit in Prölss/Martin, VVG 28. Aufl. § 193 Rn. 20).

10

2. Dagegen sprechen allerdings Systematik, Entstehungsgeschichte sowie Sinn und Zweck der Vorschriften. § 193 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 und 4, Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 VVG i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 13 und Abs. 8a SGB V sind dahin auszulegen, dass Personen, die nicht der privaten, sondern dem Grunde nach der gesetzlichen Krankenversicherung zuzuordnen sind, auch dann nicht im Basistarif der privaten Krankenversicherung zu versichern sind, wenn sie Sozialhilfeleistungen ab dem 1. Januar 2009 beziehen (so auch OLG Köln VersR 2014, 454 [OLG Köln 26.07.2013 - 20 U 62/13]; LG Berlin VersR 2014, 455; LG Bochum, Beschluss vom 8. April 2013 - I-4 O 19/13, [...]; LG Bonn, Urteil vom 7. Mai 2013 - 9 O 355/12; LG Koblenz, Urteil vom 14. März 2013 - 16 O 37/13, jeweils nicht veröffentlicht; Pabst, NZS 2012, 772, 777 f.; Laux, jurisPR-VersR 11/2013 Anm. 1; Langheid in Römer/Langheid, VVG 4. Aufl. § 193 Rn. 54; Göbel/Köther, VersR 2014, 537, 539 f.; wohl auch MünchKomm-VVG/Kalis, § 193 Rn. 17; HK-VVG/Marko, 2. Aufl. § 193 Rn. 24, 47).

11

a) Ein Anspruch auf Versicherung im Basistarif der privaten Krankenversicherung besteht nicht, wenn die Person in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherungspflichtig ist (§ 193 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. § 193 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 VVG). Bezöge die Klägerin keine Sozialhilfeleistungen, wäre sie gesetzlich versicherungspflichtig gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 13 Buchst. b SGB V, da sie bisher nicht gesetzlich oder privat krankenversichert war. Die gesetzliche Versicherungspflicht besteht lediglich deshalb nicht, weil § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V das negative Tatbestandsmerkmal enthält, dass die Person keinen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall haben darf. Ein derartiger anderweitiger Anspruch kann insbesondere für Empfänger laufender Leistungen nach dem Dritten, Vierten, Sechsten und Siebten Kapitel SGB XII in Betracht kommen. Insoweit wird dieses negative Tatbestandsmerkmal in § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V durch § 5 Abs. 8a Satz 2 SGB V konkretisiert (BSG, Urteil vom 6. Oktober 2010 - B 12 KR 25/09 R, BSGE 107, 26 Rn. 13). Die Absicherung im Krankheitsfall erfolgt in diesen Fällen durch den Sozialhilfeträger, der gemäß § 48 SGB XII i.V.m. § 264 Abs. 2 Satz 1 SGB V für die Übernahme der Krankenbehandlung zuständig ist und dies auch durch die Neuregelung des § 5 SGB V bleiben soll (BSG aaO Rn. 14, 24). Hiernach wird die Krankenbehandlung von der Krankenkasse übernommen, wobei nach § 264 Abs. 7 SGB V die Aufwendungen, die den Krankenkassen durch die Übernahme der Krankenbehandlung entstehen, ihnen von dem Träger der Sozialhilfe vierteljährlich erstattet werden. § 5 Abs. 8a Satz 2 und 3 SGB V dienen mithin lediglich der Abgrenzung der Zuständigkeit des Sozialhilfeträgers von derjenigen des gesetzlichen Krankenversicherers in § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V (BSGE aaO Rn. 13, 24). Ein Anspruch auf Aufnahme in den Basistarif der privaten Krankenversicherung wird durch diese Abgrenzungsregelung hingegen nicht begründet (LG Bochum, Beschluss vom 8. April 2013 - I-4 O 19/13, [...] Rn. 25; Pabst, NZS 2012, 772, 773 f., 776).

12

b) Hierfür spricht auch die Entstehungsgeschichte der Normen. So heißt es im Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung zu § 5 Abs. 8a SGB V (BT-Drucks. 16/3100 S. 95):

"... Mit der Regelung in Satz 2 wird erreicht, dass der Sozialhilfeträger weiterhin für die Krankenbehandlung der Empfänger von Leistungen nach dem Dritten bis Neunten Kapitel des Zwölften Buches oder von laufenden Leistungen nach § 2 des Asylbewerberleistungsgesetzes zuständig bleibt."

sowie im Bericht des Ausschusses für Gesundheit (BT-Drucks. 16/4247 S. 29):

"Satz 2 präzisiert die Regelung zum Vorrang der Leistungspflicht des Sozialhilfeträgers, um sie für diesen leichter umsetzbar zu machen. Mit der Regelung in Satz 3 wird ein Anliegen des Bundesrates übernommen. Die Vorrangregelung der Leistungspflicht des Sozialhilfeträgers nach § 5 Abs. 8a Satz 2 für die Erbringung von Hilfen zur Gesundheit soll nicht dadurch unterlaufen werden können, dass für eine unverhältnismäßig kurze Zeit der Leistungsbezug unterbrochen wird. Durch Satz 3 wird daher geregelt, dass der Sozialhilfeträger auch dann Hilfen zur Gesundheit erbringt, wenn der Anspruch auf laufende Leistungen nach Satz 2 für weniger als einen Monat unterbrochen wird."

13

Aus der Gesetzesbegründung ergibt sich nicht, dass durch die Regelung über die Zuständigkeit des Sozialhilfeträgers für die Krankenbehandlung in § 5 Abs. 8a SGB V und den dadurch bedingten Ausschluss der gesetzlichen Krankenversicherungspflicht in § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V zugleich ein Anspruch auf Aufnahme in den Basistarif der privaten Krankenversicherung nach § 193 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. Abs. 3 Satz 2 VVG geschaffen werden sollte. Die zuständigen Sozialämter dürfen sich nicht ihrer eigenen Verpflichtung aus § 48 SGB XII i.V.m. § 264 SGB V entziehen, indem sie Sozialhilfeempfänger auf den Basistarif der privaten Krankenversicherung verweisen (vgl. Pabst, NZS 2012, 772, 773).

14

c) Eine Versicherung im Basistarif kommt vielmehr nur dann in Betracht, wenn die Person grundsätzlich dem Bereich der privaten Krankenversicherung zuzuordnen ist (vgl. LG Bochum, Beschluss vom 8. April 2013 - I-4 O 19/13, [...] Rn. 23 ff.; LG Bonn, Urteil vom 7. Mai 2013 - 9 O 355/12; LG Koblenz, Urteil vom 14. März 2013 - 16 O 37/13, jeweils nicht veröffentlicht; Göbel/Köther, VersR 2014, 537, 539). So heißt es bereits im Bericht des Ausschusses für Gesundheit zu § 5 SGB V (BT-Drucks. 16/4247 S. 67):

"Der ab dem 1. Januar 2009 von der Pflicht zur Versicherung erfasste Personenkreis ist im Zusammenhang mit den Regelungen zur Versicherungspflicht in der GKV, insbesondere mit der (vorrangigen) Neuregelung in § 5 Abs. 5 Nr. 13 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch zu sehen. Danach sind alle Einwohner, die bisher nicht von der Versicherungspflicht in der GKV erfasst sind und dort auch nicht freiwillig versichert sind, und auch keine andere Absicherung im Krankheitsfall haben, in die Versicherungspflicht in der GKV einbezogen, wenn sie dort zuletzt versichert waren. Personen mit Wohnsitz in Deutschland, die zuletzt privat krankenversichert waren, müssen sich bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen versichern. Fehlt eine frühere Krankenversicherung, werden sie in dem System versichert, dem sie zuzuordnen sind."

15

Eine derartige Zuordnung zu dem System der privaten Krankenversicherung besteht bei der Klägerin nicht. Sie war bisher nicht privat krankenversichert. Auch gehört sie nicht zu dem Kreis der Personen, die im Übrigen in den Bereich der privaten Krankenversicherung fallen wie Beamte, Selbständige oder abhängig Beschäftigte unter Überschreitung der Einkommensgrenze.

16

Von diesem Grundsatz der Zuordnung der der privaten Krankenversicherung zugewiesenen Versicherten geht auch das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 10. Juni 2009 zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit des Basistarifs aus (VersR 2009, 957 Rn. 172 [BVerfG 10.06.2009 - 1 BvR 706/08], 187). Es weist darauf hin, dass eine Absicherung gegen die Risiken im Krankheitsfall nicht nur in der gesetzlichen oder privaten Krankenversicherung erfolgen muss, sondern es noch ein drittes Sicherungssystem, auch "dritte Säule" genannt, gibt (aaO Rn. 14). Hierbei geht es um Leistungen der Krankheitsfürsorge außerhalb von Krankenversicherungen. Regelungen hierzu finden sich etwa in § 193 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 bis 4 VVG. Erfasst werden Personen, die Anspruch auf Heilfürsorge haben oder beihilfeberechtigt sind (etwa Beamte und Soldaten), Anspruch auf Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz haben oder Empfänger von Sozialhilfeleistungen nach dem SGB XII sind. Für derartige Leistungen der Grundsicherung zur Absicherung des Krankheitsrisikos ist bei Sozialhilfeempfängern gemäß § 48 SGB XII i.V.m. § 264 SGB V der jeweilige Sozialhilfeträger zuständig (vgl. LG Bonn, Urteil vom 7. Mai 2013 - 9 O 355/12; LG Bochum, Beschluss vom 8. April 2013 - I-4 O 19/13, [...] Rn. 24; Pabst, NZS 2012, 772, 774; Laux, jurisPR-VersR 11/2013 Anm. 1).

17

d) Gegen eine Zuordnung der Klägerin zum Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung und für einen Anspruch auf Versicherung im Basistarif der privaten Krankenversicherung spricht auch nicht die Regelung des § 193 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 VVG. Hiernach besteht die Versicherungspflicht nicht für Personen, die Empfänger laufender Leistungen nach dem Dritten, Vierten, Sechsten und Siebten Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch sind für die Dauer des Leistungsbezuges und während Zeiten einer Unterbrechung von weniger als einem Monat, wenn der Leistungsbezug vor dem 1. Januar 2009 begonnen hat. Das ist bei der Klägerin nicht der Fall, da sie Sozialhilfe erst seit dem 1. Mai 2012 bezieht. Daraus folgt aber nicht, dass bei erstmaligem Sozialhilfebezug ab dem 1. Januar 2009 ohne weiteres eine Verpflichtung des Versicherers zur Aufnahme in den Basistarif der privaten Krankenversicherung bestünde. Die Frage, ob die gesetzliche Regelung auf einem redaktionellen Fehler beruht (so Pabst, NZS 2012, 772, 777; Laux aaO), kann hierbei offen bleiben. Vielmehr bleibt die Regelung auch unter Anwendung des in ihr enthaltenen Stichtagsprinzips sinnvoll. Aus ihr folgt zunächst, dass für Personen, die vor dem 1. Januar 2009 Sozialhilfeleistungen bezogen haben, keine Versicherungspflicht nach § 193 Abs. 3 VVG besteht und entsprechend keine Verpflichtung des Versicherers in Betracht kommt, sie im Basistarif zu versichern (vgl. BT-Drucks. 16/4247 S. 67). Für diesen Personenkreis kommt es nicht darauf an, ob er vor dem Bezug von Sozialhilfeleistungen gesetzlich oder privat oder überhaupt nicht krankenversichert war.

18

Diese Differenzierung ist demgegenüber für Personen vorzunehmen, die erstmals ab dem 1. Januar 2009 Sozialhilfeleistungen beziehen. Bei diesen ist maßgeblich, ob sie dem Grunde nach dem System der gesetzlichen oder privaten Krankenversicherung zuzuordnen sind oder ob sie zu einem dritten Sicherungssystem gehören. Die Klägerin unterfällt nicht dem System der privaten Krankenversicherung, da sie zu keinem Zeitpunkt privat krankenversichert war und auch nicht zu dem Kreis der typischerweise privat Krankenversicherten (Beamte, Selbständige, abhängig beschäftigte Arbeitnehmer über einer bestimmten Einkommensgrenze) gehört. Vielmehr ist sie gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 13 Buchst. b SGB V dem Grunde nach gesetzlich krankenversicherungspflichtig. Diese Versicherungspflicht, die einen Anspruch auf Versicherung im Basistarif der privaten Krankenversicherung ausschließt, ist lediglich für die Zeiträume unterbrochen, in denen sie Sozialhilfeleistungen erhält. Für diese ist aufgrund der Zuständigkeitsregelung in § 5 Abs. 8a Satz 2 und 3 SGB V der Sozialhilfeträger eintrittspflichtig. Ein Anspruch auf Aufnahme in die private Krankenversicherung lässt sich hieraus nicht herleiten.

19

e) Auf der Grundlage der vorstehenden Erwägungen ist es nicht erforderlich, eine verfassungskonforme Auslegung von § 193 Abs. 5 Satz 1 VVG vorzunehmen (so LG Bochum, Beschluss vom 8. April 2013 - I-4 O 19/13, [...] Rn. 24; LG Bonn, Urteil vom 7. Mai 2013 - 9 O 355/12). Eine sachgerechte Lösung ergibt sich - wie dargestellt - bereits durch die Auslegung des Begriffs der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung i.S. von § 193 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 VVG.

Mayen

Dr. Karczewski

Harsdorf-Gebhardt

Felsch

Wendt

Verkündet am: 16. Juli 2014

VorschriftenZwölften Buches Sozialgesetzbuch, § 193 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 VVG, § 5 Abs. 1 Nr. 13 Buchst. b SGB V, § 12 Abs. 1b VAG, Asylbewerberleistungsgesetz, SGB XII, § 264 SGB V, Asylbewerberleistungsgesetz, SGB XII, § 193 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 VVG