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20.02.2014 · IWW-Abrufnummer 140484

Landessozialgericht Rheinland-Pfalz: Urteil vom 07.11.2013 – L 5 KR 65/13

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Landessozialgericht Rheinland-Pfalz

Urt. v. 07.11.2013

Az.: L 5 KR 65/13

Tenor:

1.

Auf die Berufung der Beklagten und der Beigeladenen wird das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 7.1.2013 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
2.

Außergerichtliche Kosten sind für beide Rechtszüge nicht zu erstatten.
3.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Umstritten ist die Beitragspflicht des Klägers zur gesetzlichen Krankenversicherung und privaten Pflegeversicherung aus der Auszahlung einer Direktversicherung.

Der 1949 geborene Kläger, der bei der Beklagten seit dem 1.10.2011 freiwillig krankenversichert ist, bezieht eine Altersrente und ist daneben im Rahmen eines geringfügigen Beschäftigungsverhältnisses tätig. Mit Wirkung ab dem 1.12.1986 hatte seine damalige Beschäftigungsfirma, die e GmbH, für ihn eine Lebensversicherung als Direktversicherung bei der A Lebensversicherung AG abgeschlossen. Nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses war die Versicherung ab dem 1.5.1987 auf den Kläger übertragen worden, der seither die Versicherung als Versicherungsnehmer privat weitergeführt und Beiträge entrichtet hatte. Zum 1.9.2009 hatte er aus einem anderen Lebensversicherungsvertrag eine Kapitalleistung der A Lebensversicherung AG in Höhe von insgesamt 22.456,29 EUR erhalten.

Im November 2009 teilte die A Lebensversicherung AG der Beklagten mit, dass sie zu Gunsten des Klägers aus der Direktversicherung zum 1.12.2009 eine Kapitalleistung in Höhe von 50.884,46 EUR erbringen werde. Auf Nachfrage der Beklagten stellte sie klar, während der Laufzeit als Direktversicherung seien Beiträge in Höhe von insgesamt 511,30 EUR geleistet worden; die vom Kläger selbst gezahlten Beiträge beliefen sich auf insgesamt 27.712,46 EUR; bezogen auf den Auszahlungsbetrag von 50.884,46 EUR ergebe sich eine anteilige Leistung aus der Direktversicherung in Höhe von 905,42 EUR; die anteilige Leistung aus den vom Kläger als Versicherungsnehmer erbrachten Beiträgen liege bei 49.979,04 EUR. Mit Bescheid vom 19.10.2011 und Widerspruchsbescheid vom 1.2.2012 teilte die Beklagte dem Kläger mit: Der monatliche Beitrag zur Kranken und Pflegeversicherung betrage ab dem 1.10.2011 zusammen 406,88 EUR. Bei der Beitragsberechnung ab dem 1.10.2011 sei ein monatliches Einkommen des Klägers von 2.664,81 EUR zu berücksichtigen (Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung 1.606,88 EUR, anteilige Versorgungsbezüge der "A AG und A AG" 194,69 EUR; anteilige Versorgungsbezüge der A AG aus der privaten Lebensversicherung 416,49 EUR; Einkünfte aus Kapitalvermögen 46,75 EUR). Die Kapitalleistung der Lebensversicherung sei bei der Beitragsbemessung, auch soweit sie auf privat vom Kläger als Versicherungsnehmer gezahlten Beiträgen beruhe, nach § 240 Abs 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) und § 57 Abs 4 Satz 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) sowie den Vorgaben der §§ 2, 3, 6 der Einheitlichen Grundsätze zur Beitragsbemessung freiwilliger Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen (Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler) vollumfänglich zu berücksichtigen. Der Widerspruchsbescheid ergehe auch in Aufgabenwahrnehmung der Pflegekasse.

Mit seiner am 10.2.2012 erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt, wonach die von der A Lebensversicherung AG erhaltene Kapitalleistung in Höhe von 49.979,04 EUR bei der Berechnung der Beiträge zur Kranken und Pflegeversicherung nicht berücksichtigt werden dürfe. Das Sozialgericht (SG) Koblenz hat durch Urteil vom 7.1.2013 den angefochtenen Bescheid insoweit aufgehoben, als die Beklagte die Kapitalleistung in Höhe von 49.979,04 EUR bei der Beitragsberechnung berücksichtigt hatte. Zur Begründung hat es ausgeführt: Als Rechtsgrundlage der Erhebung von Beiträgen aus der Auszahlung der Lebensversicherung komme allein § 240 Abs 1 SGB V i.V.m. §§ 3 Abs 1, 5 Abs 4 und 7 Abs 6 Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler in Betracht. Nach den gesetzlichen Vorgaben seien als Einkommen mindestens die Einnahmen zu berücksichtigen, die bei einem vergleichbaren Versicherungspflichtigen der Beitragsbemessung zugrunde zu legen wären. Als Vergleichsgruppe seien dabei die pflichtversicherten Rentner und damit die Regelungen der §§ 226, 229 SGB V in den Blick zu nehmen. Zwar seien zu den Renten der betrieblichen Altersversorgung iSd § 229 Abs 1 Nr 5 SGB V grundsätzlich auch solche Renten zu zählen, die aus einer vom Arbeitgeber für den Arbeitnehmer abgeschlossenen Direktversicherung gezahlt würden. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) sei jedoch eine Beitragserhebung für Kapitalleistungen aus Direktversicherungen ausgeschlossen, soweit der Arbeitnehmer die Beiträge nach Beendigung der Erwerbstätigkeit unter Einrücken in die Stellung des Versicherungsnehmers geleistet habe (Hinweis auf BVerfG 28.9.2010 1 BvR 1660/08). Eine darüber hinausgehende Beitragspflicht ergebe sich auch nicht aus den Beitragsverfahrensgrundsätzen Selbstzahler. Soweit in deren §§ 2 und 3 eine Beitragspflicht bezogen auf den Zahlbetrag der Versorgungsbezüge insgesamt statuiert werde, stehe dies in Widerspruch zu den Vorgaben des SGB V. § 3 Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler sei verfassungskonform so auszulegen, dass eine über die gesetzlichen Mindestvorgaben hinausgehende Beitragsbemessung ausscheide. Jedenfalls bei freiwillig versicherten Rentnern sei Art 3 Abs 1 Grundgesetz (GG) in den Blick zu nehmen, weil sich der Gesetzgeber dafür entschieden habe, die Altersvorsorge in Form der privaten Lebensversicherung nicht mit Beiträgen zur Krankenversicherung der Rentner (KVdR) zu belegen. Die Beitragspflicht von ursprünglich als Direktversicherung durchgeführten Verträgen würde den Fehlanreiz setzen, diese Verträge für die Durchführung privater Altersvorsorge nicht zu nutzen, was dem explizit vom Gesetzgeber verfolgten Zweck, einen Anreiz zur Eigenvorsorge des Arbeitnehmers in Ergänzung zur betrieblichen Altersrente zu geben, widerspreche (Hinweis auf BVerfG aaO Rn 17). In diesen vom BVerfG vorgegebenen Abwägungsgesichtspunkten sei eine Grenze für die Beitragsbemessung im Rahmen der Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler zu erblicken.

Gegen dieses ihr am 12.2.2013 zugestellte Urteil richtet sich die am 7.3.2013 eingelegte Berufung der Beklagten. Die Beigeladene hat im Termin zur mündlichen Verhandlung des Senats am 7.11.2013 erklärt, sie schließe sich dem Antrag der Beklagten an.

Die Beklagte trägt vor: Das SG habe verkannt, dass der Kläger im Rahmen seiner freiwilligen Mitgliedschaft anderen beitragsrechtlichen Voraussetzungen unterliege als Pflichtversicherte. Im Unterschied zu den beitragspflichtigen Einnahmen Versicherungspflichtiger unterlägen bei freiwilligen Mitgliedern auch die auf einer privaten Vorsorge beruhenden Rentenleistungen mit ihrem Zahlbetrag der Beitragspflicht (Hinweis auf BSG 6.9.2001 B 12 KR 40/00 R und B 12 KR 5/01 R).

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des SG Koblenz vom 7.1.2013 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Die Beigeladene schließt sich der Berufung der Beklagten und deren Antrag an.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Prozessakte verwiesen, die ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Beratung gewesen sind.
Entscheidungsgründe

Die Berufungen der Beklagten und der Beigeladenen sind zulässig. Die Zulässigkeit der Berufung der Beigeladenen scheitert nicht an der fehlenden Einhaltung der Berufungsfrist (§ 151 Abs 1 SGG). Es kann offenbleiben, ob die Berufungsschrift der Beklagten so auszulegen ist, dass diese gleichzeitig für die Beigeladene Berufung eingelegt hat. Jedenfalls hat für die Beigeladene die Berufungsfrist überhaupt nicht zu laufen begonnen, weil das Urteil des SG, das den angefochtenen Bescheid insgesamt und damit auch zu Lasten der Beigeladenen aufgehoben hat, der Beigeladenen nicht zugestellt worden war.

Die Berufungen der Beklagten und der Beigeladenen sind auch begründet. Die im angefochtenen Urteil erfolgte Beitragsfestsetzung ist rechtmäßig. Das angefochtene Urteil ist daher aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat auch der Höhe nach zu Recht Beiträge für die Kapitalleistung der A Lebensversicherung AG festgesetzt. Der Kläger ist bei der Beklagten als freiwillig versicherter Rentner gesetzlich krankenversichert. Gemäß § 238 a SGB V werden daher der Beitragsbemessung nacheinander der Zahlbetrag der Rente, der Zahlbetrag der Versorgungsbezüge, das Arbeitseinkommen und die sonstigen Einnahmen, die die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des freiwilligen Mitglieds bestimmen (§ 240 Abs. 1), bis zur Beitragsbemessungsgrenze zu Grunde gelegt. Der Auszahlungsbetrag der Lebensversicherung in Höhe von 49.979,04 EUR zählt zwar nicht zu den in § 229 Abs 1 Nr 5 SGB V geregelten Versorgungsbezügen, weil hierunter der Anteil der Kapitalleistung, der auf eigenen Beiträgen nach dem Ausscheiden aus dem Beschäftigungsverhältnis und Einrücken in die Stellung als Versicherungsnehmer beruht, mangels Erwerbsbezogenheit nicht fällt (BVerfG 28.09.2010 1 BvR 1660/08). Anders als bei in der KVdR versicherungspflichtigen Rentnern, bei denen nach § 237 Satz 1 Nrn 1 bis 3 SGB V die der Beitragsbemessung zu Grunde zu legenden Einkunftsarten abschließend geregelt sind, so dass sonstige Einnahmen etwa aus privaten Lebensversicherungsverträgen beitragsfrei sind, bezieht jedoch § 238 a SGB V ausdrücklich auch "die sonstigen Einnahmen, die die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des freiwilligen Mitglieds bestimmen (§ 240 Abs 1)", ein. Die Beitragspflicht ist dabei insbesondere nicht deshalb ausgeschlossen, weil entsprechende Einkünfte bei versicherungspflichtigen Rentnern beitragsfrei sind (vgl Bundessozialgericht BSG 06.09.2001 B 12 KR 5/01 R, [...] Rn 16).

Für die Erhebung von Beträgen zur freiwilligen Krankenversicherung aus dem vorliegend streitigen Teilauszahlungsbetrag der Lebensversicherung des Klägers ist Grundlage § 240 Abs 1 SGB V i.V.m. §§ 2 Abs 1, 3 Abs 1, 5 Abs 4 und 7 Abs 6 der Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler, die als untergesetzliche Normen für sich genommen ab 01.01.2009 eine hinreichende Rechtsgrundlage für die Beitragsfestsetzung gegenüber freiwillig Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung darstellen (hierzu eingehend BSG 19.12.2012 B 12 KR 20/11 R, [...]). Nach § 2 Abs 1 Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler werden die Beiträge nach den beitragspflichtigen Einnahmen des Mitglieds bemessen. Die Beitragsbemessung hat dabei die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Mitglieds zu berücksichtigen. Als beitragspflichtige Einnahmen sind nach § 3 Abs 1 Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler das Arbeitsentgelt, das Arbeitseinkommen, der Zahlbetrag der Rente der gesetzlichen Rentenversicherung, der Zahlbetrag der Versorgungsbezüge sowie alle Einnahmen und Geldmittel, die für den Lebensunterhalt verbraucht werden oder verbraucht werden können, ohne Rücksicht auf ihre steuerliche Behandlung zu Grunde zu legen. § 5 Abs 4 Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler bestimmt, dass die in Form nicht regelmäßig wiederkehrender Leistungen gewährten Versorgungsbezüge, Leistungen aus einer befreienden Lebensversicherung sowie Leistungen von Versicherungsunternehmen, die wegen einer Einschränkung der Erwerbsfähigkeit oder zur Alters oder Hinterbliebenenversorgung gezahlt werden, vom Zeitpunkt des auf die Auszahlung folgenden Monats dem jeweiligen Beitragsmonat mit 1/120 des Zahlbetrags der Leistung für 120 Monate zuzuordnen sind. Für diese Einnahmen gilt nach § 7 Abs 6 Satz 1 Nr 5, Satz 2 Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler der ermäßigte Beitragssatz nach § 243 Abs 1 SGB V, soweit kein Anspruch auf Krankengeld besteht.

Danach hat die Beklagte für die Zeit ab 01.10.2011 auch den Anteil der Auszahlung der Lebensversicherung in Höhe von 49.979,04 EUR zu Recht mit 1/120 des Zahlbetrags der Leistung der Beitragsbemessung mit dem ermäßigten Beitragssatz zu Grunde gelegt. Insbesondere ist in den Beitragsverfahrensgrundsätzen Selbstzahler bezüglich der Berücksichtigung des "privaten Anteils" der Lebensversicherung in § 5 Abs 4 Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler eine konkretisierende Regelung vorhanden, die das BSG allgemein für erforderlich hält, wenn die Feststellung der beitragspflichtigen Einnahmen auf erhebliche Schwierigkeiten stößt oder hierfür verschiedene Berechnungsweisen zur Verfügung stehen und sich dem Gesetz keine eindeutigen Bewertungsmaßstäbe entnehmen lassen (vgl hierzu BSG 19.12.2012 aaO, [...] Rn 52 mwN). Dass bei freiwilligen Mitgliedern der gesetzlichen Krankenversicherung etwa eine Altersrente aus einem privatrechtlichen Versicherungsvertrag mit dem Zahlbetrag und nicht nur mit dem Ertragsanteil beitragspflichtig ist, auch wenn es sich bei der Rente nicht um einen Versorgungsbezug im Sinne des § 229 SGB V handelt, hat das BSG bereits zum früheren Recht klargestellt (BSG 06.09.2001 B 12 KR 5/01 R, [...]). Ebenso hat das BSG Satzungsregelungen einer Krankenkasse nach § 240 Abs 1 SGB V in der bis zum 31.12.2008 geltenden Fassung nicht beanstandet, die die Kapitalauszahlung einer privaten Rentenversicherung mit 1/120 für zehn Jahre als beitragspflichtige Einnahmen des freiwilligen Mitglieds berücksichtigten (BSG 27.01.2010 B 12 KR 28/08 R). Demgemäß sieht der Senat die vorliegend streitige Berücksichtigung des Teilbetrags der Lebensversicherung, der auf den von dem Kläger privat zur Altersvorsorge gezahlten Beiträgen beruht, in gleicher Weise als zulässig an. Ein Verfassungsverstoß ist hinsichtlich der Ungleichbehandlung gegenüber den in der KVdR pflichtversicherten Rentnern nicht gegeben, vielmehr hat der Gesetzgeber in zulässiger Weise die Beitragsbemessung anknüpfend an den unterschiedlichen Status (Pflichtversicherte, freiwillig Versicherte) in unterschiedlicher Weise geregelt.

Auch die zur sozialen Pflegeversicherung von der Beklagten im Namen der Beigeladenen festgesetzten Beiträge aus der Leistung der Lebensversicherung sind zu Recht festgesetzt. Diesbezüglich gelten gemäß § 57 Abs. 4 SGB XI die Regelungen zum Beitragsrecht für freiwillig Krankenversicherte nach dem SGB V entsprechend.

Die Berufung der Beklagten hat nach alledem Erfolg.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Revisionszulassungsgründe nach § 160 Abs 2 SGG sind nicht gegeben.