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11.04.2012 · IWW-Abrufnummer 130430

Finanzgericht München: Beschluss vom 20.02.2012 – 7 V 2818/11

Für die Berechnung des Teilwerts der Pensionsverpflichtung gegenüber dem beherrschendem GmbH-Gesellschafter-Geschäftsführer ist entgegen R 6a Abs. 8 EStR 2009 weiterhin der in der Pensionszusage vorgesehene Zeitpunkt des Eintritt des Versorgungsfalls ab Vollendung des 65. Lebensjahres anzuwenden und nicht das geburtsjahrabhängige höhere Pensionsalter. Die Hebung der Altersgrenzen in der gesetzlichen Rentenversicherung durch das RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz wirkt sich auf den Eintritt des Versorgungsfalles nicht aus, da das vertraglich vereinbarte Pensionsalter nicht von der Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung abhängig ist.


Beschluss
In der Streitsache
hat der 7. Senat des Finanzgerichts München durch den Vorsitzenden Richter am Finanzgericht … die Richterin am Finanzgericht … und den Richter am Finanzgericht … ohne mündliche Verhandlung am 20.02.2012 beschlossen:
1. Die Vollziehung des Körperschaftsteuerbescheids 2010 vom 15. September 2011 wird in Höhe von 3.919 EUR ausgesetzt.
2. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe
I.
Streitig ist im Einspruchsverfahren, ob bei der Ermittlung des Teilwerts der Pensionsverpflichtung der Antragstellerin gegenüber ihren beiden, 1961 und 1965 geborenen Gesellschafter-Geschäftsführern zum 31.12.2010, anstelle des in den Pensionszusagen vorgesehenen Zeitpunkts des Eintritts des Versorgungsfalls ab Vollendung des 65. Lebensjahres das in R 6a Abs. 8 Einkommenssteuerrichtlinien 2009 (EStR 2009) vorgesehene geburtsjahrabhängige höhere Pensionsalter anzuwenden ist. Wird die Pensionsrückstellungen unter Anwendung von R 6a Abs. 8 EStR berechnet, ergibt sich ein Teilwert in Höhe von 176.878 EUR. Wird vom Eintritt des Versorgungsfalles ab Vollendung des 65. Lebensjahres ausgegangen, ergibt sich ein Teilwert von 203.005 EUR.
Die Antragstellerin beantragt nach erfolgloser Antragstellung beim Finanzamt
die Aussetzung der Vollziehung des Körperschaftsteuerbescheids 2010 vom 15. September 2011 in Höhe von 3.919 EUR wegen ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit.
Der Antragsgegner beantragt,
die Ablehnung des Antrags.
Wegen der Einzelheiten wird auf die Akten und die von den Beteiligten eingereichten Schriftsätze Bezug genommen.
II.
Der Antrag ist begründet.
Nach der im vorliegenden Verfahren erforderlichen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts.
Zutreffend gehen die Beteiligten davon aus, dass die beiden Gesellschafter-Geschäftsführer, obwohl sie nur zu jeweils 50 % an der Antragstellerin beteiligt sind, beherrschende Gesellschafter-Geschäftsführer sind. Beide haben gleich lautende Geschäftsführerverträge, ein gleiches festes Monatsgehalt und gleich lautende Versorgungszusagen. Daher ist von einer beherrschungsähnlichen Situation kraft Interessenübereinstimmung auszugehen.
Unzutreffend hat der Antragsgegner (das Finanzamt) jedoch einen Teilwert der Pensionsverpflichtung der Besteuerung zu Grunde gelegt, welcher nicht auf Grundlage des in den Versorgungszusagen festgelegten Eintritts des Versorgungsfalles ab Vollendung des 65. Lebensjahres berechnet wurde, sondern bei dem unterstellt wurde, dass der Versorgungsfall erst mit einem Pensionsalter von 66 bzw. 67 Jahren eintritt. Da sich der Finanzierungsaufwand aus der Pensionszusage dadurch über einen längeren Zeitraum verteilt, führte dies zu einem Absinken des Teilwerts und einem dadurch bedingten höheren Einkommen der Antragstellerin. Dafür fehlt es jedoch an einer Rechtsgrundlage.
Nach § 6a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1Satz 3 Einkommensteuergesetz (EStG) sind der Wertermittlung einer Pensionsverpflichtung die Beträge zu Grunde zu legen, die vom Beginn des Wirtschaftsjahres, in dem das Dienstverhältnis begonnen hat, bis zu dem in der Pensionszusage vorgesehenen Zeitpunkt des Eintritts des Versorgungsfalles rechnungsmäßig aufzubringen sind. Maßgebend ist also grundsätzlich der in der Pensionszusage vorgesehene Zeitpunkt des Eintritts des Versorgungsfalles. Dies ist nach § 3 der mit den beiden Gesellschafter-Geschäftsführern abgeschlossenen Versorgungszusagen die Vollendung des 65. Lebensjahres. Die Hebung der Altersgrenzen in der gesetzlichen Rentenversicherung durch das RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz wirkt sich auf den Eintritt des Versorgungsfalles nicht aus, da das vertraglich vereinbarte Pensionsalter nicht von der Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung abhängig ist. Von diesem Grundsatz geht auch R 6a Abs. 11 Satz 1 EStR aus und gibt lediglich ein Wahlrecht, von einem höheren Pensionsalter auszugehen, sofern mit einer Beschäftigung des Arbeitnehmers bis zu diesem Alter gerechnet werden kann.
Es gibt keinen Grund, bei einem beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer von § 6a Abs. 3 Satz 3 EStG abzuweichen und zu unterstellen, dass bei diesem die vertraglich festgelegte Altersgrenze nicht gelten soll. Dies ergibt sich auch nicht aus dem von der Rechtsprechung im Verhältnis zwischen Kapitalgesellschaft und beherrschendem Gesellschafter entwickelten formellen Fremdvergleich (vgl. Gosch, KStG, 2. Aufl. § 8 Rz. 318). Danach sind Zuwendungen der Kapitalgesellschaft an ihren beherrschenden Gesellschafter nur dann betrieblich veranlasst, wenn sie auf einer wirksamen, klaren, eindeutigen und im Vorhinein abgeschlossenen Vereinbarung beruhen, welche zivilrechtlich wirksam und tatsächlich durchgeführt worden sein muss. Wenn die Beteiligten nun eine solche, den Anforderungen der Rechtsprechung Rechnung tragende Vereinbarung mit klar festgelegten Rechten und Pflichten getroffen haben, kann nicht unterstellt werden, die Beteiligten würden sich nicht an den Inhalt der Vereinbarung halten.
Etwas anderes ergibt sich entgegen der Auffassung des Finanzamts auch nicht aus dem BFH-Urteil vom 23. Januar 1991 I R 113/88 (BStBl II 1991, 207). Vielmehr ist der BFH auch in dieser Entscheidung davon ausgegangen, dass bei Vereinbarung einer Altersrente mit Erreichen des 65. Lebensjahres die Pensionsrückstellungen für einen beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer nach einem Ruhestandsalter von 65 Jahren zu berechnen ist. Im Übrigen wurde vom Finanzamt nicht vorgetragen und ist dem Senat auch nicht bekannt, dass es gesicherte Erkenntnisse gibt, wonach die Hebung der Altersgrenzen in der gesetzlichen Rentenversicherung durch das RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz dazu führt, dass die Altersgrenze von 65 nicht mehr der Lebenswirklichkeit entspricht, so dass ein vertraglich vereinbartes Pensionsalter von 65 unterhalb desjenigen Alters liegt, ab dem der Berechtigte üblicherweise seine gesetzliche Altersrente beziehen kann (vgl. Höfer/Veit/Verhufen, Betriebsrentengesetz, Band II, Rz. 286). Eine solche Entwicklung könnte im Übrigen auch nur für neu abgeschlossene Verträge dazu führen, dass sie steuerlich nicht mehr anzuerkennen sind und würde nicht für Altverträge gelten, da eine Anpassungspflicht fernliegend erscheint. Die Regelung in R 6a Abs. 8 EStR 2009 ist daher jedenfalls in den Fällen nicht anwendbar, in denen – wie im Streitfall – das vertraglich vereinbarte Pensionsalter nicht von der Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung abhängig ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

VorschriftenEStG 2009 § 6a Abs. 3 S. 2 Nr. 1 S. 3, EStG 2009 § 6a Abs. 3 S. 3, KStG § 8 Abs. 1, FGO § 69 Abs. 2 S. 2, FGO § 69 Abs. 3 S. 1