Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww

28.06.2011 · IWW-Abrufnummer 110896

Oberlandesgericht Hamm: Urteil vom 12.01.2011 – I-20 U 102/10

1. Nimmt ein Versicherer den Umstand, dass eine Versicherungsnehmerin bei Beantragung eines Krankenversicherungsvertrages Schwangerschaftskomplikationen nicht angegeben hat, zum Anlass für einen Rücktritt und eine Kündigung, so liegt darin ein Verstoß gegen das zivilrechtliche Benachteiligungsverbot nach § 19 Abs. 1 AGG.



2. Wegen der darin liegenden Diskriminierung wegen des Geschlechts besteht ein Anspruch auf angemessene Entschädigung in Geld, ohne dass dieser das Vorliegen einer schwerwiegenden Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts erfordert.



3. Die Frist des § 21 Abs. 5 Satz 1 AGG ist wirksam. Es widerspricht nicht europäischem Gemeinschaftsrecht, dass ein Entschädigungsanspruch wegen eines Verstoßes gegen das zivilrechtliche Benachteiligungsverbot innerhalb einer Zweimonatsfrist geltend gemacht werden muss.


I-20 U 102/10

Tenor:
Die Berufungen der Kläger gegen das am 14.07.2010 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund werden zurückgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe
A.

Die Parteien streiten - soweit noch für die Berufungsinstanz von Bedeutung - über Ansprüche der Kläger auf ein angemessenes Schmerzensgeld.

Die Klägerin zu 1) vereinbarte für ihren am 07.12.2005 geborenen Sohn, den Kläger zu 2), im Jahr 2006 eine Zusatzkrankenversicherung nach den Tarifen GE, GE-Plus und Z50-3 mit der Beklagten. Am 04.07.2008 beantragte die Klägerin zu 1) unter Verneinung sämtlicher Gesundheitsfragen (abgesehen von einer Sehhilfe) für sich den Abschluss der Tarife GE, GE-Dent, EKH 20 und EEKTG 43/15; für den Kläger zu 2) beantragte sie die Tarife GE, GE-Top, SG 100 und EKH 40 unter Wegfall der Tarife GE-Plus und Z50-3; hierüber stellte die Beklagte den Versicherungsschein vom 28.07.2008 aus.

Mit Schreiben vom 23.03.2009 setzte die Beklagte im Hinblick auf eine ihr angeblich verschwiegene Behandlung der Klägerin zu 1) wegen des Verdachts auf ein Fibroadenom und wegen einer Ovarialzyste rückwirkend zum 01.09.2008 einen Risikozuschlag von 4,49 EUR fest. Mit weiterem Schreiben vom 25.05.2009 hielt die Beklagte der Klägerin zu 1) vor, bei Antragstellung eine stationäre Behandlung wegen Präeklampsie, Schwangerschaftsdiabetes und Bluthochdruck ebenso verschwiegen zu haben wie den Umstand, dass der Kläger zu 2) mit einem Gewicht von 1.465 g per Kaiserschnitt geboren und auf die Intensivstation aufgenommen werden musste. Deshalb erklärte die Beklagte den Rücktritt hilfsweise die Kündigung (hinsichtlich des Klägers zu 2) nur wegen des hinzu versicherten Tarifs EKH 40, SG 100 sowie wegen der Umstellung des Tarifes GE-plus in GE-Top).

Mit ihrer Klage haben die Kläger zunächst die Feststellung begehrt, dass die Krankenversicherungsverhältnisse ungekündigt fortbestehen. Hierzu haben sie geltend gemacht, dass der Versicherungsagent H über sämtliche Vorerkrankungen informiert gewesen sei. Außerdem haben sie jeweils die Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes verlangt, weil sie wegen ihres Geschlechts (Klägerin zu 1)) bzw. wegen einer Behinderung und wegen Alters (Kläger zu 2)) benachteiligt worden seien.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht hat die Beklagte unstreitig gestellt, dass der Versicherungsagent H bei Antragstellung mündlich seitens der Klägerin zu 1) informiert worden war. Daraufhin haben die Parteien einen Teilvergleich dahin geschlossen, dass die Krankenversicherung für die Klägerin zu 1) hinsichtlich des Tarifs GE-Dent und für den Kläger zu 2) insgesamt gemäß Versicherungsschein vom 28.07.2008 rückwirkend wieder in Kraft gesetzt wird.

Wegen des erstinstanzlichen Vortrags der Parteien und wegen der gestellten Anträge wird auf das Urteil des Landgerichts Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Klage, soweit nicht durch Teil-Vergleich erledigt, aus im Wesentlichen folgenden Gründen abgewiesen:

Ein Anspruch der Klägerin aus § 21 Abs. 2 Satz 3 AGG bestehe nicht, weil jedenfalls die Frist des § 21 Abs. 5 Satz 1 AGG versäumt worden sei. Ein Anspruch aus § 253 Abs. 2 BGB setze voraus, dass die verletzte vertragliche Pflicht den Schutz der in § 253 Abs. 2 BGB aufgezählten Rechtsgüter zum Gegenstand habe, was für den Krankenversicherungsvertrag nicht festzustellen sei. Ein Anspruch aus

§ 823 Abs. 1 BGB komme mangels schwerwiegender Verletzung des Persönlichkeitsrechts nicht in Betracht. Der Klägerin zu 1) sei es auf die Wiederherstellung eines sinnvollen Versicherungsschutzes angekommen.

Auch der Kläger zu 2) habe die Frist des § 21 Abs. 5 AGG versäumt. Außerdem habe der Umstand der Frühgeburt weder eine Benachteiligung wegen Behinderung oder Alters begründet. Schadensersatzansprüche aus den §§ 253 Abs. 2, 823 Abs. 1 BGB stünden dem Kläger zu 2) aus den gleichen Gründen wie der Klägerin zu 1) nicht zu.

Hiergegen richten sich die Berufungen der Kläger.

Eine Fristversäumung nach § 21 Abs. 5 AGG läge nicht vor, weil ein Dauerverstoß seitens der Beklagten vorläge. Außerdem habe bereits der erstinstanzliche Vortrag der Beklagten Ansprüche nach dem AGG begründet. Überdies sei die

2-Monatsfrist aus den Gründen des Urteils des EUGH vom 18.07.2010 (C-246/09) unwirksam.

Die Klägerin zu 1) steht auf dem Standpunkt, dass bei der Frage nach dem Vorliegen einer schwerwiegenden Persönlichkeitsverletzung auf die gesetzgeberischen Wertentscheidungen des AGG abgestellt werden müsse. Gleiches gelte für § 253 Abs. 2 BGB, wobei der vertragliche Haftungsmaßstab noch über den des § 823 BGB hinaus gehe.

Der Kläger zu 2) meint, dass er als Frühgeburt wegen seines Alters benachteiligt worden sei. Eine Behinderung müsse nicht tatsächlich vorliegen; es reiche eine vermeintliche Behinderung aus. Diese liege dann vor, wenn die Beklagte in ihren Annahmerichtlinien einen Risikozuschlag für frühgeborene Kinder vorsehe. Außerdem stehe die Frühgeburt noch im Zusammenhang mit Schwangerschaft und Mutterschaft. Auch im Falle des Klägers seien im Rahmen der §§ 253 Abs. 2, 823 BGB die Wertentscheidungen des AGG zu beachten.

Die Kläger beantragen,

abändernd

die Beklagte zu verurteilen, an beide Kläger jeweils ein angemessenes, vom Gericht festzusetzendes Schmerzensgeld nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt mit näheren Darlegungen die angefochtene Entscheidung.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

B.

Die Berufungen der Kläger sind unbegründet.

I.

Der Klägerin zu 1) steht weder einen Anspruch auf eine angemessene Entschädigung in Geld nach den §§ 21 Abs. 2 Satz 3 AGG, 253 Abs. 1 BGB noch ein Anspruch auf Zahlung eines Schmerzensgeldes nach den §§ 253 Abs. 2, 823 BGB zu.

1.

Der Klägerin zu 1) steht ein Anspruch auf Entschädigung aus § 21 Abs. 2 Satz 3 AGG, § 253 Abs. 1 BGB nicht zu.

Zwar ist der zeitliche Anwendungsbereich des AGG eröffnet (dazu unter a); auch hat die Beklagte gegenüber der Klägerin zu 1) gegen das Benachteiligungsverbot dadurch verstoßen, dass sie sie wegen ihres Geschlechts diskriminiert hat (dazu unter b), so dass in der Person der Klägerin zu 1) ein Anspruch auf angemessene Entschädigung in Geld entstanden ist (dazu unter c). Allerdings ist dieser Anspruch wegen Ablaufs der zweimonatigen Frist zur Geltendmachung erloschen (dazu unter d).

a)

Der zeitliche Anwendungsbereich des AGG ist nach § 33 Abs. 4 Satz 2 AGG eröffnet. Zwar findet nach § 33 Abs. 4 Satz 1 AGG im Falle von Schuldverhältnissen, die - wie hier - eine privatrechtliche Versicherung zum Gegenstand haben, das zivilrechtliche Benachteiligungsverbot keine Anwendung, wenn dieses Schuldverhältnis vor dem 22.12.2007 begründet worden ist. Hier ist ein Versicherungsvertrag im Verhältnis der Klägerin zu 1) zur Beklagten erstmals auf Antrag vom 04.07.2008 zustande gekommen.

b)

Dadurch, dass die Beklagte die angebliche Nichtangabe von bei der Klägerin zu 1) eingetretenen Schwangerschaftskomplikationen zum Anlass für einen Rücktritt vom Versicherungsvertrag genommen hat, liegt ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot nach § 19 Abs. 1 AGG vor. Nach § 19 Abs. 1 Nr. 2 AGG ist bei der Begründung, Durchführung und Beendigung zivilrechtlicher Schuldverhältnisse, die eine privatrechtliche Versicherung zum Gegenstand haben, eine Benachteiligung aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, wegen des Geschlechts, der Religion, einer Behinderung, des Alters oder sexuellen Identität unzulässig.

Eine Benachteiligung der Klägerin zu 1) wegen ihres Geschlechts im engeren Sinn kommt nicht in Betracht. Denn die Beklagte hat weder die Festsetzung des Risikozuschlags noch den Rücktritt vom Versicherungsvertrag deshalb erklärt, weil es sich bei der Klägerin zu 1) um eine Frau handelt.

Zwar liegt nach § 3 Abs. 1 Satz 2 AGG auch dann eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts vor, wenn eine Frau wegen Schwangerschaft oder Mutterschaft ungünstiger behandelt wird. Diese allgemeine Gleichstellung gilt jedoch kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung allein in Bezug auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 AGG. Die Regelungen des § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 AGG stehen jedoch allein im Zusammenhang mit einem Beschäftigungs- bzw. Arbeitsverhältnis.

Für den Bereich der privaten Versicherungsverträge hat der Gesetzgeber in § 20 Abs. 2 AGG eine eigenständige Regelung getroffen. Nach § 20 Abs. 2 Satz 1 AGG ist eine unterschiedliche Behandlung wegen des Geschlechts bei Prämien und Leistungen zulässig, wenn dessen Berücksichtigung für eine genaue Risikobewertung ein bestimmender Faktor ist. Jedoch dürfen Kosten im Zusammenhang mit Schwangerschaft und Mutterschaft nach § 20 Abs. 2 Satz 2 AGG nicht zu unterschiedlichen Prämien oder Leistungen führen. Nach dem Erwägungsgrund Nr. 20 der zugrundeliegenden "Richtlinie 2004/113/EG des Rates vom 13. Dezember 2004 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen beim Zugang zu und bei der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen" soll eine "Schlechterstellung von Frauen aufgrund von Schwangerschaft oder Mutterschaft" unzulässig sein; mit den Risiken der Schwangerschaft und der Mutterschaft verbundene Kosten sollen daher nicht den Angehörigen eines einzigen Geschlechts zugeordnet werden. Damit werden von § 20 Abs. 2 Satz 2 AGG nicht nur die Kosten der Schwangerschaft und Entbindung selbst, sondern wegen der Erweiterung auf damit in Zusammenhang stehende Kosten auch solche, für die Schwangerschaft oder Mutterschaft zumindest mitursächlich für die Entstehung oder die Höhe der Kosten sind (MünchKomm/Thüsing, 5. Aufl., § 20 AGG Rz 83). Erforderlich, aber auch ausreichend ist somit ein Kausalzusammenhang; die Schwangerschaft bzw. Mutterschaft muss conditio sine qua non für die Entstehung der Kosten oder für eine Erhöhung von Kosten sein (MünchKomm/Thüsing § 20 AGG Rz 83). Deshalb werden auch die Kosten durch die Behandlung von Schwangerschaftskomplikationen von § 20 Abs. 2 Satz 2 AGG erfasst (vgl. Däubler/Bertzbach/Ambrosius, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, 2. Aufl. § 20 AGG Rz 54).

Bei den Krankheiten, deren angebliche Nichtangabe die Beklagte mit ihrem Schreiben vom 25.05.2009 zum Anlass für den Rücktritt der Beklagten vom Vertrag genommen hat (Schwangerschaftsdiabetes, Präeklampsie sowie Bluthochdruck), handelt es sich um Schwangerschaftskomplikationen. Ein Schwangerschaftsdiabetes ist definiert als eine Kohlenhydrat-Stoffwechselstörung, welche erstmals in einer Schwangerschaft auftritt bzw. diagnostiziert wird; auch wenn der Diabetes unerkannt schon vor der Schwangerschaft bestand, werden Diabetikerinnen, die schwanger werden, nicht unter diesem Begriff zusammengefasst. Präeklampsie ist eine nur in der Schwangerschaft auftretende Erkrankung, die durch erhöhten Blutdruck (Hypertonie), vermehrte Eiweißausscheidung im Urin (Proteinurie) und Wassereinlagerungen (Ödeme) gekennzeichnet ist. Auch die Beklagte geht in ihrer Berufungserwiderung davon aus, dass die Krankheiten der Klägerin zu 1) "gelegentlich in der Schwangerschaft" auftreten.

Damit hat die Beklagte dadurch, dass sie die Behandlungen der Klägerin zu 1) wegen Schwangerschaftsdiabetes, Präeklampsie sowie Schwangerschaftsbluthochdruck, entgegen § 20 Abs. 2 Satz 2 AGG mit Schreiben vom 25.05.2009 zum Anlass für einen Rücktritt bzw. eine Kündigung genommen hat, die Klägerin zu 1) wegen ihres Geschlechts benachteiligt. Da Kosten von Schwangerschaft und Mutterschaft für die Prämien und Leistungen unerheblich zu sein haben, können Krankheiten, die mit Schwangerschaft und Mutterschaft einhergehen, mangels jeglicher Erheblichkeit auch im Falle ihres Verschweigens weder zu Rücktritt noch Kündigung berechtigen.

Anders liegt es mit den Gründen, die die Beklagte mit Schreiben vom 23.03.2009 für die darin ausgesprochene Festsetzung eines Risikozuschlags nach § 19 Abs. 4 Satz 2 VVG herangezogen hat. Denn bei einer Ovarialzyste und einem Fibroadenom handelt es sich um Erkrankungen, die mit Schwangerschaft und Mutterschaft nicht in Zusammenhang stehen. Durch ein Abstellen auf diese Erkrankungen, deren Vorliegen streitig geblieben ist, hat die Beklagte die Klägerin zu 1) nicht wegen ihres Geschlechts benachteiligt.

Auch auf das prozessuale Verhalten der Beklagten, insbesondere auf ihren Klageerwiderungsschriftsatz, kann die Klägerin zu 1) das Vorliegen einer Benachteiligung nicht stützen. Denn hierbei handelt es sich allein um die prozessuale Verteidigung ihres zuvor mit Schreiben vom 25.05.2009 erklärten Rücktritts bzw. Kündigung. Die geschlechtsspezifische Benachteiligung der Klägerin zu 1) liegt in dem Rücktritt bzw. in der Kündigung wegen verschwiegener Schwangerschaftskomplikationen entgegen dem Verbot des § 21 Abs. 2 Satz 2 AGG. Bloßes Vorbringen in einem Rechtsstreit kann eine solche Benachteiligung nicht bewirken.

c)

Durch die Benachteiligung der Klägerin zu 1) wegen ihres Geschlechts hat die Beklagte deren Achtungsanspruch verletzt. Offenbleiben kann, ob der Anspruch nach § 20 Abs. 2 Satz 3 AGG ein Vertretenmüssen voraussetzt, obschon § 20 Abs. 2 Satz 2 AGG allein auf § 20 Abs. 2 Satz 1 AGG verweist (zum Streitstand Erman/Armbrüster, Bürgerliches Gesetzbuch, 12. Aufl. § 21 AGG Rz 13 sowie Armbrüster VersR 2006, 1297, 1303). Denn die Beklagte handelte fahrlässig, weil sie ohne weiteres erkennen konnte, dass die bei der Klägerin aufgetretenen Schwangerschaftskomplikationen für die Prämienhöhe und den Leistungsumfang kraft gesetzlicher Anordnung ohne Bedeutung waren. Gesichtspunkte, die ein Verschulden ausschließen könnten, hat die hierfür nach § 21 Abs. 2 Satz 1 AGG darlegungs- und beweisbelastete Beklagte nicht geltend gemacht.

Für die Bemessung der Höhe des Entschädigungsanspruchs kommt es nach der Gesetzesbegründung auf die Grundsätze zur Entschädigung bei Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts an (so Erman/Armbrüster § 21 AGG Rz 14; MünchKomm/Thüsing § 21 AGG Rz 60). Nach diesen Grundsätzen (vgl. BGH NJW 2010, 1454, 1456 Tz 13 ; Palandt/Sprau, Bürgerliches Gesetzbuch, 69. Aufl., § 823 BGB Rz 124) kann eine Geldentschädigung nur dann verlangt werden, wenn die Verletzung schwerwiegend ist und wenn die Beeinträchtigung nach Art der Verletzung nicht in anderer Weise befriedigend ausgeglichen werden kann. Nach anderer Auffassung (so Erman/Armbrüster § 21 AGG Rz 14; Däubler/Bertzbach/Deinert § 21 AGG Rz 54) soll auch bei weniger einschneidenden persönlichen Verletzungen dem Benachteiligten ein Anspruch zustehen, weil die Gefahr einer uferlosen Haftungsausweitung nicht bestünde und der Normzweck einer wirksamen und abschreckenden Sanktion nicht erreicht werden könne.

Nach Auffassung des Senats gilt folgendes:

Zwar lässt der Gesetzeswortlaut jede Benachteiligung als tatbestandliche Voraussetzung des Entschädigungsanspruchs genügen, der allerdings allein im Rahmen der Angemessenheit gewährt wird. Nach der Gesetzesbegründung (BT-Drucksache 16/1780 Seite 46) soll es einer schwerwiegenden Persönlichkeitsverletzung bedürfen. Dass nicht jede Benachteiligung einen Entschädigungsanspruch auslösen kann, entspricht auch dem Zweck der Norm. Denn der immaterielle Schadensersatzanspruch im Diskriminierungsrecht soll jene Nachteile kompensieren, die sich aus der durch die Verletzung des Benachteiligungsverbots bewirkten Persönlichkeitsrechtsverletzung ergeben; als Grundlage des Nichtvermögensschadens wird daher die Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Benachteiligten gesehen (vgl. MünchKomm/Thüsing § 21 AGG Rz 60). Der von der Gesetzesbegründung in den Vordergrund gerückte Gesichtspunkt der Genugtuungsfunktion, zu dem nach allgemeinen Grundsätzen ein Präventionszweck hinzutritt (vgl. BGH NJW 2005, 215, 217 [BGH 05.10.2004 - VI ZR 255/03]), erfordert es nicht, für jede Verletzung eine Entschädigung zuzuerkennen, zumal sich die Rechtsfolgen einer Diskriminierung nicht auf einen Entschädigungsanspruch beschränken und der Beseitigungs-, Unterlassungs- und der Schadensersatzanspruch wegen materieller Schäden unberührt bleibt. Allerdings ist § 21 Abs. 2 AGG richtlinienkonform auszulegen. Nach Art. 17 Satz 2 der "Richtlinie 2000/43/EG des Rates vom 29. Juni 2000 zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft" (Anti-Diskriminierungs-Richtlinie) sowie nach Art 14 Satz 2 der "Richtlinie 2004/113/EG des Rates vom 13. Dezember 2004 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen beim Zugang zu und bei der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen" (Gleichbehandlungsrichtlinie) müssen die Sanktionen "wirksam, verhältnismäßig und abschreckend" sein. Damit ist es nicht vereinbar, den Entschädigungsanspruch von denselben engen Voraussetzungen wie beim Allgemeinen Persönlichkeitsrecht abhängig zu machen (Palandt/Grüneberg, Bürgerliches Gesetzbuch, 69. Aufl., § 21 AGG Rz 6; BAG NJW 2010, 2970, 2973 Tz 37; BAG NZA 2009, 945, 952 Tz 72). Ausreichend ist vielmehr, dass die durch die Diskriminierung zugefügte Herab- bzw. Zurücksetzung eine gewisse Intensität erreicht hat (Grüneberg a.a.O.).

Ob eine in diesem Sinn als erheblich zu bewertende Verletzung vorliegt, hängt von Bedeutung und Tragweite des Eingriffs, Anlass und Beweggrund des Verletzers, Verbreitung gegenüber Dritten, dem Grad des Verschuldens und der Wiederholung bzw. der Hartnäckigkeit des Handelns ab (Grüneberg a.a.O.).

Der Rücktritt von einem Krankenversicherungsvertrag unter Benachteiligung der Klägerin zu 1) wegen ihres Geschlechts hat einiges Gewicht. Der Rücktritt bzw. die Kündigung mit der von der Beklagten gegebenen Begründung hat den Achtungsanspruch der Klägerin zu 1) als Frau und Mutter verletzt. Der Verlust von Krankenversicherungsschutz aufgrund Rücktritts bzw. Kündigung des Versicherers hat erhebliches Gewicht für jeden Versicherungsnehmer. Allerdings hat es sich bei der Klägerin zu 1) allein um eine Zusatzversicherung und keine Vollversicherung gehandelt. Ferner ist zu berücksichtigen, dass die Beklagte ihren Standpunkt mit ihrer Klageerwiderung sowie mit Schriftsatz vom 19.04.2010 wiederholt hat, so dass die Diskriminierung der Klägerin zu 1) hierdurch aufrechterhalten wurde. Außerdem liegt die Fahrlässigkeit des Handelns der Beklagten auf der Hand. Auch wenn die Parteien vor dem Landgericht am 02.06.2010 einen Teilvergleich dahin abgeschlossen haben, dass die Krankenversicherung für die Klägerin zu 1) rückwirkend hinsichtlich des Tarifs GE-Dent - im Übrigen hatte die Klägerin bereits eine anderweitige Krankenversicherung abgeschlossen - in Kraft gesetzt wird, liegt in einer Gesamtwürdigung aller Einzelfallumstände eine Benachteiligung von hinreichender Intensität vor, so dass ein Entschädigungsanspruch gegeben ist.

Für einen Fall wie diesen hält der Senat im Rahmen einer Gesamtabwägung aller Umstände eine Entschädigung von 2.000 EUR für angemessen. Denn angesichts der Vorgaben der Anti-Diskriminierungsrichtlinie und der Gleichbehandlungsrichtlinie kommt eine bloß symbolische Geldentschädigung nicht in Betracht.

d)

Allerdings ist der Anspruch der Klägerin auf angemessene Entschädigung in Geld wegen Ablaufs der zweimonatigen Frist zur Geltendmachung wieder erloschen.

aa)

Nach § 21 Abs. 5 Satz 2 AGG ist ein Anspruch nach § 21 Abs. 1 und 2 AGG innerhalb einer Frist von zwei Monaten geltend zu machen. Hierbei handelt es sich um eine Ausschlussfrist, deren Versäumung zum Erlöschen des materiellen Anspruchs führt (MünchKomm/Thüsing § 21 AGG Rz 65). Eine Klagefrist besteht nicht (Palandt/Grüneberg § 21 AGG Rz 8); es reicht die auch mündlich mögliche Geltendmachung (Bauer/Göpfert/Krieger, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, 2.Aufl., § 21 AGG Rz 16).

Anders als § 15 Abs. 2 AGG stellt § 21 Abs. 5 Satz 1 AGG nicht auf die Kenntnis von der Benachteiligung ab. Im Anschluss an die Gesetzesbegründung (BT-Drucksache 16/1780 Seite 47) ist deshalb auf die Entstehung des Anspruchs abzustellen (Palandt/Grüneberg § 21 AGG Rz 8; Bauer/Göpfert/Krieger § 21 AGG RZ 15; MünchKomm/Thüsing § 21 AGG Rz 66).

Grundsätzlich ist ein Anspruch entstanden, sobald er im Wege der Klage geltend gemacht werden kann; erforderlich ist die Fälligkeit des Anspruchs (Palandt/Ellenberger, Bürgerliches Gesetzbuch, 69. Aufl., § 199 BGB Rz 3). Die Entstehung eines Schadensersatzanspruches nach § 21 Abs. 2 AGG setzt ferner die Entstehung eines Schadens voraus (Ellenberger a.a.O. § 199 BGB Rz 15 sowie Palandt/Grüneberg § 21 AGG Rz 8).

bb)

Die Zweimonatsfrist ist unabhängig davon nicht eingehalten, ob man für die Benachteiligungshandlung der Beklagten auf ihr Schreiben vom 23.03.2009 oder dasjenige vom 25.05.2009 abstellt. Denn mangels außergerichtlicher Geltendmachung jeglichen Anspruchs lag bereits sowohl der Eingang der Klage bei Gericht am 14.09.2009 wie auch ihre Zustellung am 13.10.2009 außerhalb der Zweimonatsfrist.

Soweit die Klägerin zu 1) als relevante Diskriminierungshandlung auch auf die Klageerwiderung der Beklagten vom 06.11.2009 abstellen will, ändert dies nichts an der Überschreitung der Zweimonatsfrist. Denn der Schriftsatz der Klägerin vom 08.12.2009, mit dem erstmals ein Schmerzensgeldanspruch geltend gemacht worden ist, ist dem Gericht zunächst lediglich als Entwurf vorgelegt worden, der zur Akte genommen wurde; die Abschriften sind der Beklagten erst am 28.01.2010 zugestellt worden.

cc)

Auf den Gesichtspunkt eines Dauerverstoßes oder eines Dauertatbestandes, der so lange andauere, wie die Beklagte nicht bereit sei, die Klägerin zu 1) weiter zu versichern, kann sich die Berufung nicht mit Erfolg berufen. Zwar entsteht bei einer einmaligen Dauerhandlung der Anspruch noch nicht, solange der Eingriff andauert (vgl. BGH NJW 1973, 2285 [BGH 28.09.1973 - I ZR 136/71]); anders ist es jedoch bei wiederholten Eingriffen, bei denen jede Handlung den Anspruch entstehen lässt (vgl. BGH NJW 1985, 1023, 1024 [BGH 26.01.1984 - I ZR 195/81]). Bei einer wiederholten Handlung entsteht der Anspruch mit der Beendigung jeder einzelnen schadensstiftenden Handlung, mögen auch weitere gleichartige Handlungen mit gleichem Erfolg nachfolgen (BGH NJW 1998, 1023, 1024).

Wie oben ausgeführt liegt allein in dem Schreiben der Beklagten vom 25.05.2009 eine geschlechtsspezifische Benachteiligung der Klägerin zu 1). Dass von dem Rücktritt- bzw. Kündigungsschreiben der Beklagten für die Klägerin zu 1) eine dauerhafte Diskriminierung ausgegangen sein mag, führt nicht zur Annahme eines Dauerverstoßes bzw. eines Dauertatbestandes (vgl. BAG NZA 2010, 387, 393 [BAG 24.09.2009 - 8 AZR 705/08] Tz 61).

dd)

Die Zweimonatsfrist des § 21 Abs. 5 Satz 1 AGG ist entgegen der Meinung der Berufung nicht unwirksam, insbesondere ist diese Norm mit Gemeinschaftsrecht vereinbar. Zwar gehört zu den Grundsätzen des gemeinschaftsrechtlichen Primärrechts der Union auch der Grundsatz der Äquivalenz und der Effektivität (vgl. EuGH NJW 2010, 2713 [EuGH 08.07.2010 - Rs. C-246/09] zu § 15 Abs. 4 AGG). Nach dieser im Bereich des Arbeitsrechts ergangenen Entscheidung steht die Regelung der Zweimonatsfrist des § 15 Abs. 4 AGG nur dann dem Primärrecht der Union nicht entgegen, wenn zum einen diese Frist nicht weniger günstig ist als die für vergleichbare innerstaatliche Rechtsbehelfe im Bereich des Arbeitsrechts (Äquivalenz) und zum anderen die Festlegung des Zeitpunkts, mit dem der Lauf dieser Frist beginnt, die Ausübung der von der Richtlinie verliehenen Rechte nicht unmöglich macht oder übermäßig erschwert (Effektivität).

Anders als die Berufung meint verstößt § 21 Abs. 5 Satz 1 AGG nicht gegen den Grundsatz der Äquivalenz. Nach EuGH NJW 2010, 2713, 2714 [EuGH 08.07.2010 - Rs. C-246/09] Tz 26 setzt die Wahrung dieses Grundsatzes voraus, dass die streitige Regelung in gleicher Weise für Klagen gilt, die auf die Verletzung des Unionsrechts gestützt sind, wie für solche, die auf die Verletzung des innerstaatlichen Rechts gestützt sind, sofern diese Klagen einen ähnlichen Gegenstand und Rechtsgrund haben. Allerdings hat der EuGH selbst darauf hingewiesen (NJW 2010, 2713, 2714 [EuGH 08.07.2010 - Rs. C-246/09] Tz 30), dass die Möglichkeit, für Vermögens- und Nichtvermögensschäden, die infolge eines Verstoßes gegen das Verbot der Benachteiligung aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität entstanden sind, entschädigt zu werden, erst mit dem AGG geschaffen worden ist. Deshalb gab es vor dem Erlass dieses Gesetzes keine entsprechenden Verfahren (EuGH a.a.O.). Folglich gab es auch im Bereich des Versicherungsvertragsrechts keine Verfahrensvorschriften, die sich auf Entschädigungsklagen bezogen, die infolge einer Diskriminierung erhoben werden konnten. Deshalb kommt es von vornherein nicht in Betracht, dass die Verfahrensvorschrift des § 21 Abs. 5 Satz 1 AGG weniger günstig ist als Verfahrensmodalitäten, die für vergleichbare Klagen des deutschen innerstaatlichen Rechts gelten. Hinzukommt ferner, dass es dem deutschen Versicherungsvertragsrecht auch nach Abschaffung des § 12 Abs. 3 VVG a.F. nicht fremd ist, dass das Verstreichen kurzer Fristen zu einer Veränderung der materiell-rechtlichen Rechtslage führen kann. Denn nach § 5 Abs. 1 VVG gilt ein dem Versicherungsnehmer ungünstiger Inhalt eines Versicherungsscheins auch im Fall einer zuvor getroffenen Vereinbarung, wenn der entsprechend belehrte Versicherungsnehmer nicht innerhalb eines Monats nach Zugang des Versicherungsscheins widerspricht.

2.

Ein Anspruch der Klägerin zu 1) aus § 253 Abs. 2 BGB besteht nicht.

Den erhobenen Anspruch auf ein angemessenes Schmerzensgeld kann die Klägerin zu 1) nicht auf § 253 Abs. 2 BGB stützten. Nach § 253 Abs. 2 BGB kann wegen eines Nichtvermögensschadens eine billige Entschädigung in Geld gefordert werden, wenn wegen einer Verletzung des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit oder der sexuellen Selbstbestimmung Schadensersatz zu leisten ist. Zwar kommt damit anders als unter der Geltung des § 847 BGB a.F. auch bei der Vertragshaftung ein Schmerzensgeldanspruch in Betracht. Voraussetzung ist jedoch die Verletzung eines der in § 253 Abs. 2 BGB benannten Rechtsgüter (Palandt/

Grüneberg, 69. Aufl. § 253 BGB Rz 11). Die Klägerin zu 1) behauptet jedoch selbst nicht, dass sie etwa durch den Rücktritt der Beklagten eine Körper- oder Gesundheitsverletzung erlitten hätte. Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht ist kein von § 253 Abs. 2 BGB erfasstes Rechtsgut (Grüneberg a.a.O. Rz 10). Schon deshalb scheidet ein auf § 253 Abs. 2 BGB gestützter vertraglicher Anspruch aus. Überdies ist weitere Voraussetzung für einen Schmerzensgeldanspruch nach § 253 Abs. 2 BGB, dass das dort genannte, verletzte Rechtsgut in den Schutzzweck der verletzten Pflicht fällt (BGH NJW 2009, 3015, 3027 Tz 14 ff). Die Pflicht, nicht ohne Vorliegen eines Rücktrittsgrundes einen Rücktritt vom Krankenversicherungsvertrag zu erklären, ist vermögensrechtlicher Natur und dient nicht dem Schutz der Rechtsgüter des § 253 Abs. 2 BGB.

3.

Ebenfalls kann die Klägerin zu 1) keinen Schmerzensgeldanspruch aus § 823 Abs. 1 BGB herleiten.

Zwar ist das Allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG als sonstiges Recht nach § 823 Abs. 1 BGB anerkannt (vgl. Palandt/Sprau, Bürgerliches Gesetzbuch, 69. Aufl., § 823 BGB Rz 84); zudem bleiben Ansprüche aus unerlaubter Handlung nach § 21 Abs. 3 AGG unberührt. Jedoch kann eine Geldentschädigung für immaterielle Schäden nur dann verlangt werden, wenn die Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts schwerwiegend ist und wenn die Beeinträchtigung nach Art der Verletzung nicht in anderer Weise befriedigend ausgeglichen werden kann (vgl. BGH NJW 2010, 1454, 1456 [BGH 06.10.2009 - VI ZR 314/08] Tz 13; Palandt/Sprau § 823 BGB Rz 124).

Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben:

Ob eine Rechtsverletzung schwerwiegend ist, hängt insbesondere von der Bedeutung und Tragweite des Eingriffs, ferner von Anlass und Beweggrund des Handelnden sowie von dem Grad seines Verschuldens ab; auch eine wiederholte und hartnäckige Rechtsverletzung kann sich als schwere, einen Anspruch auf Geldentschädigung rechtfertigende Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Betroffenen darstellen (vgl. vgl. BGH NJW 2010, 1454, 1456 [BGH 06.10.2009 - VI ZR 314/08] Tz 13). Zutreffend hat das Landgericht entschieden, dass es an einer solchen Schwere, die über die für Ansprüche nach dem AGG genügende Intensität hinausgeht, vorliegend fehlt. Soweit die Berufung der Klägerin zu 1) dies im Hinblick auf die Wertungen des AGG in Zweifel ziehen will, bleibt dies ohne Erfolg, weil nicht jeder Verstoß gegen § 20 Abs. 2 Satz 2 AGG die Annahme einer Persönlichkeitsrechtsverletzung mit besonderem Gewicht rechtfertigt. Andere Gesichtspunkte, die das Vorliegen einer schwerwiegenden Rechtsverletzung begründen könnten, sind weder dargetan noch sonst ersichtlich.

Darüber hinaus haben die Parteien vor dem Landgericht am 02.06.2010 einen Teilvergleich dahin abgeschlossen, dass die Krankenversicherung für die Klägerin zu 1) rückwirkend hinsichtlich des Tarifs GE-Dent - im Übrigen hatte die Klägerin bereits eine anderweitige Krankenversicherung abgeschlossen - in Kraft gesetzt wird.

II.

Auch dem Kläger zu 2) steht weder einen Anspruch auf eine angemessene Entschädigung in Geld nach den §§ 21 Abs. 2 Satz 3 AGG, 253 Abs. 1 BGB noch ein Anspruch auf Zahlung eines Schmerzensgeldes nach den §§ 253 Abs. 2, 823 BGB zu.

1.

Dem Kläger zu 2) steht kein Anspruch aus § 21 Abs. 2 Satz 3 AGG, § 253 Abs. 1 BGB zu.

a)

Zwar ist auch im Fall des Klägers zu 2) der zeitliche Anwendungsbereich des AGG nach § 33 Abs. 4 Satz 2 AGG eröffnet. Allerdings findet nach § 33 Abs. 4 Satz 1 AGG im Falle von Schuldverhältnissen, die - wie hier - eine privatrechtliche Versicherung zum Gegenstand haben, das zivilrechtliche Benachteiligungsverbot keine Anwendung, wenn dieses Schuldverhältnis vor dem 22.12.2007 begründet worden ist. Letzteres ist hier der Fall, weil das Versicherungsverhältnis des Klägers zu 2) mit der Beklagten bereits auf den Antrag vom 28.04.2006 hin zustande gekommen ist. Jedoch stellt die Umstellung des Versicherungsschutzes - Neuabschluss der Tarife GE, GE-Top, SG 100 und EKH 40 unter Wegfall der Tarife GE-Plus und Z50-3 - eine Änderung des Altvertrages dar, die von § 33 Abs. 4 Satz 2 AGG erfasst wird. Denn mit dieser Tarifstellung geht eine Erweiterung von Rechten und Pflichten beider Parteien einher (vgl. MünchKomm/Thüsing § 33 AGG Rz 9). Damit unterliegt nicht das gesamte Versicherungsverhältnis dem Anwendungsbereich des AGG, sondern allein die aufgrund des Antrags vom 04.07.2008 vorgenommene Tarifänderung (vgl. Erman/Armbrüster § 33 AGG Rz 8).

b)

Die Beklagte hat jedoch gegenüber dem Kläger zu 2) nicht gegen das Benachteiligungsverbot nach § 19 Abs. 1 AGG verstoßen. Nach § 19 Abs. 1 Nr. 2 AGG ist bei der Begründung, Durchführung und Beendigung zivilrechtlicher Schuldverhältnisse, die eine privatrechtliche Versicherung zum Gegenstand haben, eine Benachteiligung aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, wegen des Geschlechts, der Religion, einer Behinderung, des Alters oder sexuellen Identität unzulässig.

Anders als der Kläger zu 2) meint liegt weder eine Benachteiligung wegen des Alters noch wegen einer Behinderung vor.

aa)

Für den Begriff der Behinderung im Sinne des AGG ist der sozialrechtliche Begriff des § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX heranzuziehen (vgl. OLG Karlsruhe VersR 2010, 1163 [OLG Karlsruhe 27.05.2010 - 9 U 156/09]; BeckOK-Fuchs, Edition 18, § 1 AGG Rz 13; Erman/Armbrüster § 1 AGG Rz 10). Danach sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Es ist jedenfalls in der Berufungsinstanz unstreitig, dass eine solche Behinderung in der Person des Klägers zu 2) nicht vorliegt. Der Umstand allein, dass der Kläger zu 2) als Frühgeburt mit einem Geburtsgewicht von 1.465 g mittels Kaiserschnitts geboren wurde und er wegen seiner Frühgeburtlichkeit auf die Baby-Intensivstation verbracht wurde, begründet keine Behinderung.

bb)

Es liegt auch keine Benachteiligung des Klägers zu 2) wegen seines Alters vor. Alter im Sinne des AGG meint das biologische Alter im Sinne der vergangenen Zeit des Lebens eines Menschen (MünchKomm/Thüsing § 1 AGG Rz 86). Das Alter ist daher die seit der Geburt eines Menschen verstrichene Zeitspanne

(BeckOK-Fuchs § 1 AGG Rz 14); das Lebensalter beginnt nicht etwa, wie es der Kläger zu 2) meint, mit der Zeugung. Das Alter eines Menschen ist deshalb davon unabhängig, ob es sich bei ihm um eine Frühgeburt gehandelt hat.

Entgegen der Auffassung des Klägers zu 2) kommt es auch nicht in Betracht, im Wege einer richtlinienkonformen Auslegung der Begriffsmerkmale Alter oder Behinderung auf den Zeitpunkt der Zeugung abzustellen, um auch das ungeborene Kind durch das AGG zu schützen. Abgesehen davon, dass eine Auslegung angesichts des klaren Wortlauts des Gesetzes nicht in Betracht kommt und das AGG zudem nicht analogiefähig ist (vgl. MünchKomm/Thüsing § 1 AGG Rz 93), besteht für eine richtlinienkonforme Auslegung der Begriffsmerkmale Alter oder Behinderung schon deshalb kein Raum, weil hinsichtlich dieser Merkmale keine Richtlinien-Vorgaben bestehen (vgl. Erman/Armbrüster § 19 AGG Rz 3).

cc)

Anders als der Kläger zu 2) meint kann von dem Vorligen einer tatsächlichen Behinderung nicht abgesehen werden und eine vermeintliche Behinderung als ausreichend angesehen werden. Es kann offenbleiben, ob das Benachteiligungsverbot auch dann berührt wird, wenn jemand einem anderen irrtümlich ein Merkmal zuschreibt und ihn aufgrund dieses benachteiligt (vgl. Erman/Armbrüster § 19 AGG Rz 3, § 1 AGG Rz 15). Denn die Beklagte ist nicht etwa irrtümlich davon ausgegangen, dass bei dem Kläger zu 2) eine Behinderung vorläge.

2.

Entsprechend den Ausführungen oben unter B I 2 kommt zwar bei der Vertragshaftung ein Schmerzensgeldanspruch unter der Voraussetzung der Verletzung eines der in § 253 Abs. 2 BGB benannten Rechtsgüter in Betracht. Jedoch behauptet auch der Kläger zu 2) selbst nicht, dass er etwa durch den Rücktritt der Beklagten eine Körper- oder Gesundheitsverletzung erlitten hätte. Überdies dient die verletzte Pflicht, wie ebenfalls unter B I 2 dargelegt, nicht dem Schutz der Rechtsgüter des § 253 Abs. 2 BGB.

3.

Schließlich steht dem Kläger zu 2) mangels schwerwiegender Persönlichkeitsrechtsverletzung auch kein Schadensersatzanspruch aus § 823 BGB zu. Auch hier gelten die Ausführungen oben unter B I 3., wobei allerdings hier hinzutritt, dass die Beklagte gegenüber dem Kläger zu 2) nicht gegen das zivilrechtliche Benachteiligungsverbot verstoßen hat. Andere Gesichtspunkte, die das Vorliegen einer schwerwiegenden Rechtsverletzung begründen könnten, sind auch für den Kläger zu 2) weder dargetan noch sonst ersichtlich.

Überdies ist durch den Teilvergleich vom 02.06.2010 die Krankenversicherung für den Kläger zu 2) rückwirkend in vollem Umfang des Versicherungsscheins vom 28.07.2008 wieder in Kraft gesetzt worden. Damit ist jede Beeinträchtigung des Klägers zu 2) durch den unberechtigt erfolgten Vertragsrücktritt aus der Welt geschaffen worden ohne dass noch das Bedürfnis für die Zuerkennung eines Schmerzensgeldes bestünde.

III.

Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 97, 708 Nr. 10, 711, 543 Abs. 2 ZPO. Die Revision war nicht zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung keine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern.

RechtsgebietAGGVorschriften§ 19 Abs. 1 AGG § 21 Abs. 5 S. 1 AGG