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  • · Fachbeitrag · Neuerwerb

    Pflicht des Treuhänders zur Herausgabe von Neuerwerb nach vorzeitiger Restschuldbefreiung

    | Bereits in SSK 21, 73 haben wir über die Pflicht des Treuhänders berichtet, zu viel eingezogenes Einkommen nach vorzeitiger Restschuldbefreiung an den Schuldner zurückzuzahlen. Das LG Bochum hat unsere Ansicht in seinem Urteil vom 23.4.21 (NZI 21, 634) bestätigt und entschieden, dass zwar bis zur Entscheidung des Gerichts über den Antrag auf vorzeitige Restschuldbefreiung der Treuhänder berechtigt ist, auf Grundlage der Abtretungserklärung Gehaltsanteile einzuziehen. Bereits ab dem Zeitpunkt, in dem die Voraussetzungen für eine vorzeitige Restschuldbefreiung vorliegen, steht der Neuerwerb allerdings dem Schuldner zu. Insofern muss der Treuhänder bei Rechtskraft der Erteilung der Restschuldbefreiung den Neuerwerb an den Schuldner herausgeben und über die Verwaltung des Neuerwerbs Rechnung legen. |

    1. Das besagt die Entscheidung

    Die Entscheidung ist richtig. Sie betrifft sog. Altfälle, also solche, in denen das Insolvenzverfahren bis zum 16.12.19 beantragt wurde und daher noch eine sechsjährige Abtretungsfrist nach § 287 Abs. 2 InsO a. F. bestand. Im Einzelnen ist Folgendes zu beachten:

     

    a) Sechsjährige Wohlverhaltensphase bei Insolvenzverfahren bis 30.9.20

    In den Fällen, in denen bis zum 30.9.20 ein Insolvenzverfahren beantragt wurde, beträgt die reguläre Abtretungsfrist (Wohlverhaltensphase) sechs Jahre (vgl. § 287 Abs. 2 InsO a. F.). Die mit dem Insolvenzantrag erklärte (Lohn-)Abtretung endet damit taggenau nach sechs Jahren, ohne dass das Gericht einen weiteren Beschluss fassen muss.

     

    Folge: Ab diesem Tag steht dem Schuldner der pfändbare Anteil des Einkommens wieder zu, denn die Grundlage für den Einbehalt entfällt mit Erreichen dieses Tags von selbst. Wann das Gericht den Beschluss zur Erteilung der Restschuldbefreiung erlässt oder gar dessen Rechtskraft eintritt, ist hierfür nicht maßgeblich.

     

    b) Vorzeitige Restschuldbefreiung

    Im Fall einer vorzeitig erteilten Restschuldbefreiung hat der Schuldner einen gleichlautenden Antrag mit Abtretungserklärung für sechs Jahre gestellt. Soweit die Voraussetzungen für eine vorzeitige Restschuldbefreiung nach § 300 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 InsO a. F. (bis zum 30.9.20) vorliegen, muss der Schuldner hierfür nach § 300 Abs. 1 S. 2 InsO a. F. einen Antrag stellen. Einen Automatismus, wie bei regulärem Fristablauf nach sechs Jahren, gibt es daher nicht.

     

    Folge: Der Treuhänder ist weiterhin bis zur Entscheidung des Gerichts über den Antrag auf vorzeitige Restschuldbefreiung berechtigt, auf Grundlage der Abtretungserklärung Gehaltsanteile einzuziehen (vgl. § 300a Abs. 1 InsO a. F.; BT-Drucksache 17/11268, 17).

     

    Weil es eine rückwirkende Verkürzung der Abtretungsdauer nicht gibt, verweist § 300 Abs. 4 S. 3 InsO a. F. u. a. auf § 300a InsO a. F. in entsprechender Anwendung. Folge: Das Vermögen, das der Schuldner nach Eintritt der Voraussetzungen des § 300 Abs. 1 S. 2 InsO a. F. erwirbt, gehört im Fall der Erteilung der Restschuldbefreiung nicht mehr zur Insolvenzmasse.

     

    Daraus folgt wiederum, dass bereits ab dem Zeitpunkt, in dem die Voraussetzungen für eine vorzeitige Restschuldbefreiung vorliegen, der Neuerwerb dem Schuldner zusteht.

     

    Im Klartext: Der Gesetzgeber behandelt sämtliches schuldnerisches Einkommen, das noch nach diesem Zeitpunkt einbehalten wird, so, als wäre die Abtretung rückwirkend entfallen.

    2. Fordern Sie eine Rechnungslegung über das Insolvenzgericht

    Bis zur rechtskräftigen Erteilung der Restschuldbefreiung muss der Verwalter den Neuerwerb, der dem Schuldner zusteht, treuhänderisch vereinnahmen und verwalten. Der Insolvenzverwalter muss bei Rechtskraft der Erteilung der Restschuldbefreiung dem Schuldner den Neuerwerb herausgeben und über die Verwaltung des Neuerwerbs Rechnung legen (§ 300a Abs. 2 InsO a. F.)

     

    Beachten Sie | Erfolgt eine vorzeitige Restschuldbefreiung, ist alles, was bis zur rechtskräftigen Erteilung der Restschuldbefreiung noch eingezogen wurde, als Neuerwerb zu behandeln und an den Schuldner zurückzuzahlen.

     

    PRAXISTIPP | Schuldner sollten daher unbedingt vom Gericht die durch den Treuhänder vorzulegende Rechnungslegung anfordern bzw. Akteneinsicht nehmen.

     

    In diesem Zusammenhang betont nämlich das LG: Bei einem Verstoß des Treuhänders gegen diese Grundsätze handelt dieser schuldhaft und ist daher dem Schuldner zum Schadenersatz verpflichtet, wenn er fälschlicherweise die vereinnahmten Gelder an die Gläubiger ausschüttet.

     

    Weiterführender Hinweis

    • Vorzeitige Restschuldbefreiung: Rückzahlung von zu viel eingezogenem Einkommen, SSK 21, 73
    Quelle: Ausgabe 05 / 2021 | Seite 86 | ID 47499384