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08.01.2010

Finanzgericht Sachsen: Urteil vom 26.07.2002 – 2 K 1898/01

1. Aufwendungen für alternative medizinische Behandlungsmethoden können Krankheitskosten darstellen. Voraussetzung dafür ist, dass die medizinische Indikation der Behandlung durch ein vor Beginn erstelltes amtsärztliches Attest nachgewiesen wird.

2. Verpflegungsmehraufwendungen können im Zusammenhang mit einer Kur als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen sein, wenn die tatsächlichen Kosten im Einzelnen nachgewiesen oder glaubhaft gemacht sind.


Im Namen des Volkes

URTEIL

In dem Finanzrechtsstreit

wegen Einkommensteuer 1999

hat der 2. Senat durch den Berichterstatter RiFG … gem. § 79a Abs. 3 i.V.m. Abs. 4 Finanzgerichtsordnung auf Grund mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 28. Juni 2002 am 26. Juli 2002 für Recht erkannt:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens fallen den Klägern zur Last.

Tatbestand

Die Kläger, zur Einkommensteuer zusammen veranlagte Eheleute, machten in ihrer Einkommensteuererklärung 1999 Kosten in Höhe von 1.190,00 DM für eine intravenöse Sauerstofftherapie des Klägers und Verpflegungsmehraufwendungen von zunächst 1.920,00 DM anläßlich einer Kur beider Kläger als außergewöhnliche Belastungen geltend. Der Kläger erhielt im Jahr 1999 von seiner behandelnden Ärztin – entsprechend ihrer ärztlichen Verordnung vom 16. August 1999 – Sauerstoffbehandlungen zur Besserung auf Aufrechterhaltung seines Gesundheitszustandes. Ein amtsärztliches Attest oder eine gleichzustellende Bescheinigung bezüglich der Sauerstoffbehandlungen reichten die Kläger nicht ein. Die Versicherung des Kläger beteiligte sich nicht an den Behandlungskosten. Die Kläger begehrten desweiteren die Berücksichtigung von Verpflegungsmehraufwendungen anläßlich einer Kur in S. während der Zeit vom 16. Februar 1999 bis 8. März 1999. Nachweise über die Verpflegungsmehraufwendungen konnten die Kläger nicht vorlegen. Im Einkommensteuerbescheid vom 4. April 2001 berücksichtigte der Beklagte die begehrten außergewöhnlichen Belastungen nicht.

Im dagegen geführten Einspruchsverfahren verfolgten die Kläger die geltend gemachten Aufwendungen weiter. Bei der Sauerstofftherapie sei kein amtsärztliches Attest erforderlich und der Beklagte habe auch nicht zu prüfen, ob die Behandlungsmethode erfolgreich sei. Bei der Sauerstofftherapie handele es sich nicht um eine Sauerstoff- und Eigenbluttherapie, sondern um eine intravenöse Komplex-Sauerstofftherapie, welche von einer Ärztin durchgeführt werde.

Mit Einspruchsentscheidung vom 11. September 2001 wies der Beklagte den Einspruch zurück. Verpflegungsmehraufwendungen könnten nur in tatsächlicher Höhe berücksichtigt werden. Mangels eines Nachweises sei eine Anerkennung jedoch ausgeschlossen. Bei der Sauerstofftherapie fehle es an einem vor der Behandlung erstellten amtsärztlichen Attest oder einer gleichwertigen Bescheinigung.

Die gegen die Einspruchsentscheidung erhobene Klage vom 10. Oktober 2001 begründen die Kläger wie folgt: Der Kläger sei an Systemkrankheiten (u.a. Diabetes, Bluthochdruck, Durchblutungsstörungen, Sehstörungen) erkrankt, zu deren Behandlung die Sauerstofftherapie als alternative Behandlungsmethode eingesetzt worden sei. Dazu weise er auf eine Patienteninformation zur „Komplexen intravenösen Sauerstofftherapie” hin, nach der durch die Sauerstofftherapie „im Gegensatz zu anderen Naturheilverfahren (wie Pflanzenheilkunde, Akupunktur usw.) viele Beschwerde, Störungen sowie Krankheiten von Sinnesorganen, Organen und Zellverbänden gleichzeitig behandelt werden könnten”. Hinsichtlich der Verpflegungsmehraufwendungen lägen keine Belege für die tatsächlichen Kosten vor. Aus Gründen der Vereinfachung hätten die Kläger nur Pauschalsätze für zusätzliche Getränke (Kaffee/Tee/Wasser), Beilagen und Eis angesetzt, so dass sich ein Verpflegungsmehraufwand von 1.552,00 DM ergebe. Unter Berücksichtigung einer Haushaltsersparnis von 20% errechne sich daraus ein anzuerkennender Betrag von 1.241,60 DM. Wegen der tatsächlichen Unsicherheiten würde jedoch mit der Klage nur noch ein Betrag von 500,00 DM abzüglich einer 20%-igen Haushaltsersparnis begehrt werden.

Die Kläger beantragen:

den Bescheid vom 4. April 2001 und die Einspruchsentscheidung vom 11. September 2001 insoweit abzuändern, als weitere außergewöhnliche Belastungen in Höhe von 1.190,00 DM für die Sauerstofftherapie und in Höhe von 500,00 DM abzgl. 20% Haushaltsersparnis für Verpflegungsmehraufwendungen berücksichtigt werden.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er ist der Auffassung, dass es im Hinblick auf die Sauerstofftherapie an einem vor Beginn der Behandlung ausgestellten amtsärztlichen Attest oder einer gleichwertigen Bescheinigung fehle. Im Hinblick auf die Verpflegungsmehraufwendungen hätten die Kläger einen Nachweis ihrer Mehraufwendungen erbringen müssen. Der Ansatz von Pauschalen sei nicht geeignet, einen Verpflegungsmehraufwand zu berücksichtigen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze, die vorgelegten Behördenakten und das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.

Gründe

Das Gericht konnte durch den Berichterstatter als Einzelrichter entscheiden, nachdem sich die Beteiligten damit einverstanden erklärt haben (§ 79a Abs.3 und 4 Finanzgerichtsordnung).

Die Klage ist unbegründet.

1. Nach § 33 Abs. 1 EStG wird die Einkommensteuer auf Antrag ermäßigt, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes erwachsen. Aufwendungen erwachsen nach § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen.

Krankheitskosten erwachsen grundsätzlich – ohne Rücksicht auf die Art und die Ursache der Erkrankung – dem Steuerpflichtigen aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig. Dabei sind alle Aufwendungen für die eigentliche Heilbehandlung typisierend als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen, ohne dass es im Einzelfall der nach § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG an sich gebotenen Prüfung der Zwangsläufigkeit des Grundes und der Höhe nach bedarf (BFH, BStBl II 1999, 227). Eine derart typisierende Behandlung der Krankheitskosten ist zur Vermeidung eines unzumutbaren Eindringens in die Privatsphäre für geboten. Berücksichtigungsfähig sind aber nur solche Kosten, die zum Zwecke der Heilung oder mit dem Ziel aufgewendet werden, die Krankheit erträglich zu machen. Nicht zu den Krankheitskosten gehören daher vorbeugende Aufwendungen, die der Gesundheit allgemein dienen. Diese sind den gemäß § 12 Nr. 1 EStG nicht abzugsfähigen Kosten der Lebenshaltung zuzurechnen. Zum Nachweis der medizinischen Notwendigkeit ist es regelmäßig erforderlich, dass der Steuerpflichtige ein vor Beginn der Maßnahme ausgestelltes amtsärztliches Attest vorlegt, aus dem sich zweifelsfrei entnehmen lässt, dass er krank und die den Aufwendungen zugrunde liegende Art der Behandlung medizinisch indiziert ist (BFH, BStBl. II 2001, 543; BFH, BStBl II 1995, 614). Ebenso ist bei Behandlungen mit Hilfe wissenschaftlich umstrittener Methoden der Nachweis der medizinischen Indikation durch ein vor Beginn erstelltes amtsärztliches Attest erforderlich (BFH, BStBl. II 2001, 543, BFH, BStBl II 1981, 711; BFH, BFH/NV 1991, 386). Während bei Behandlungen, die sich im Rahmen allgemein anerkannter medizinischer Methoden halten, häufig offenkundig ist, dass es sich um Heilbehandlungen handelt, ist bei Außenseitermethoden regelmäßig nicht erkennbar, ob lediglich eine vorbeugende, der Gesundheit allgemein dienende Maßnahme oder eine Heilbehandlung vorliegt.

Aufwendungen für alternative Behandlungsmethoden können zwar ebenfalls Krankheitskosten darstellen. Dies gilt aber nur dann, wenn sie nach den Erkenntnissen und Erfahrungen der Heilkunde und nach den Grundsätzen eines gewissenhaften Arztes zur Heilung oder Linderung der Krankheit angezeigt sind und vorgenommen werden (vgl. BFH, BStBl. II 1997, 805). Aufwendungen für Maßnahmen, denen die objektive Eignung zur Heilung oder Linderung der Krankheit mangelt, sind nicht notwendig und damit auch nicht zwangsläufig i.S. des § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG. Wendet sie der Steuerpflichtige dennoch auf, unterfallen sie als Teil der persönlichen Lebensgestaltung dem Abzugsverbot des § 12 Nr. 1 EStG. § 33 EStG grenzt nur solche außergewöhnlichen Aufwendungen, die den Bereich der Einkommensverwendung betreffen, aus dem Anwendungsbereich des § 12 EStG aus, die für den Steuerpflichtigen zwangsläufig sind. Ob diese Voraussetzung zutrifft, ist anhand von objektiven Maßstäben und nicht nach der subjektiven Einschätzung des Steuerpflichtigen festzustellen, und zwar regelmäßig durch den Amtsarzt, wenn – wie hier – zweifelhaft ist, ob Krankheitskosten vorliegen (vgl. BFH, BStBl. II, 2001, 543). Nur der rechtzeitig eingeschaltete Amtsarzt oder etwa der medizinische Dienst einer gesetzlichen Krankenversicherung besitzen zugleich Sachkunde und die notwendige Neutralität, um die medizinische Indikation von nicht nur für Kranke nützlichen Maßnahmen ohne die für den behandelnden Arzt bestehende Gefahr einer Störung des Vertrauensverhältnisses zu seinem Patienten objektiv beurteilen zu können (BFH; BStBl. II 2001, 543; BFH, BStBl II 1997, 732). Den Nachweis in dieser qualifizierten Weise zu führen, ist unverzichtbar, um die Inanspruchnahme ungerechtfertigter Steuervorteile zu verhindern, mit der im besonderen Maße bei Aufwendungen zu rechnen ist, die ihrer Art nach nicht eindeutig und unmittelbar der Heilung oder Linderung einer Krankheit dienen, sondern teilweise auch deshalb getätigt werden, um Krankheiten vorzubeugen (BFH, BStBl. II 2001, 543; BFH, BFH/NV 2001, 238).

2. Im Streitfall ist ein Nachweis über die medizinische Notwendigkeit der Sauerstofftherapie nicht geführt worden. Ein vor Beginn der Behandlung ausgestelltes amtsärztliches Attest liegt nicht vor. Die von den Klägern überreichte ärztliche Bescheinigung und die sich bei den Behördenakten befindliche ärztliche Quittung vom 11. Dezember 1999 über 1.190,00 DM reichen nicht aus, um die medizinische Notwendigkeit der Behandlung nachzuweisen. Die nach der o.g. Rechtsprechung erforderlichen Nachweise, wie z.B. ein amtsärztliches Attest oder eine Bescheinigung des medizinischen Dienstes der Krankenkasse, liegen nicht vor. Da ein vorheriges amtsärztlichen Attestes oder eine gleichwertige Bescheinigung von den Klägern nicht erbracht wurde, konnte die Klage keinen Erfolg haben. Eine dem entsprechende Bescheinigung hätte auch nicht beigebracht werden können, da gemäß § 135 Abs. 1 SGB V die Komplexe intravenöse Sauerstofftherapie nicht in den Katalog der gesetzlichen Krankenversicherungen für therapeutische Methoden aufgenommen worden ist. Der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen hat in seiner Sitzung am 11. Dezember 2000 beschlossen, die „Komplexe intravenöse Sauerstofftherapie” (Oxyvenierungstherapie nach Regelsberger) als Methode, die nicht als vertragsärztliche Leistung zu Lasten der Krankenkassen erbracht werden darf, anzusehen (vgl. Deutsches Ärzteblatt, Heft 13 vom 30. März 2001, Seite A-864). Der Bundesausschuss hat danach zu keiner der benannten Indikationen – weder durch die Stellungnahmen noch durch die Eigenrecherche, entsprechende Studien oder andere geeignete wissenschaftliche Untersuchungen – Erkenntnisse erhalten, die eine Wirksamkeit einer derartigen Therapie belegen.

3. Auch hinsichtlich der geltend gemachten Verpflegungsmehraufwendungen anläßlich der Kur in S. hat die Klage keinen Erfolg. Die Anerkennung der unmittelbaren Kuraufwendungen in S. als außergewöhnliche Belastung ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Der Beklagte hat jedoch zu Recht die Anerkennung der Verpflegungsmehraufwendungen als außergewöhnliche Belastungen abgelehnt. Verpflegungs-mehraufwendungen können im Zusammenhang mit einer Kur anzuerkennen sein (vgl. Blümich, Kommentar zum EStG, § 33 EStG Rdnr. 153), wenn die tatsächlichen Kosten im Einzelnen nachgewiesen oder glaubhaft gemacht sind (vgl. zur Nachweispflicht: Schmidt, Kommentar zum EStG, § 33 EStG Rdnr. 3; Kirchhof/Söhn, Kommentar zum EStG, § 33 EStG Rdnr. A 44; Blümich, Kommentar zum EStG, § 33 EStG, Rdnr 40). Einen tatsächlichen Nachweis der Verpflegungsmehraufwendungen haben die Kläger nicht erbracht. Dem Gericht ist diesbezüglich eine Schätzungsmöglichkeit nicht eröffnet, da die Kläger keine Umstände nachgewiesen haben, nach denen ihnen im Zusammenhang mit der Kur in S. anzuerkennende Verpflegungsmehraufwendungen entstanden sind. Denn nach den Erklärungen des Klägers in der mündlichen Verhandlung ist während der Kur eine Vollverpflegung erfolgt. Zwar können dem Kläger grundsätzlich wegen seines krankheitsbedingt hohen Flüssigkeitsbedarfs mehr Aufwendungen für Mineralwasser entstanden sein, soweit solche Getränke nicht in der Vollverpflegung enthalten waren. Der Kläger vermochte jedoch nicht nachzuweisen oder glaubhaft zu machen, dass ihm während des Kuraufenthaltes höhere Aufwendungen entstanden sind, weil er jeden Tag drei Liter Mineralwasser in der Kureinrichtung erworben habe. Dazu wäre die Vorlage von entsprechenden Nachweisen für den Erwerb des Mineralwassers in der Kureinrichtung erforderlich gewesen. Ohne jeglichen Anhaltspunkt für das Entstehen der Aufwendungen – zumindest an einigen Tagen des Kuraufenthaltes – sind die geltend gemachten Mehraufwendungen nicht anzuerkennen.

Da die Klage insgesamt keinen Erfolg hat, war sie abzuweisen.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung.

VorschriftenEStG § 33