08.01.2010
Finanzgericht Brandenburg: Urteil vom 02.06.2004 – 2 K 658/02
1. Der Anbau eines wegen Einbaus einer Heizung zum dauernden Aufenthalt von Menschen geeigneten Wintergartens bedarf einer Genehmigung durch die Bauaufsichtsbehörde, da es sich weder um ein untergeordnetes Vorhaben, noch um eine Nebenanlage handelt.
2. Eine zunächst von der zuständigen Bauaufsichtsbehörde wegen unvollständiger Angaben im Bauantrag erteilte Baufreistellungsbescheinigung indiziert keine Genehmigungsfreiheit, wenn später eine Baugenehmigung erteilt wird. Eine Festsetzung von Eigenheimzulage kann erst ab dem Jahr erfolgen, in dem die erforderliche Genehmigung des Bauvorhabens erteilt worden ist.
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
In dem Rechtsstreit
wegen Festsetzung der Eigenheimzulage für 2001
hat das Finanzgericht des Landes Brandenburg – 2. Senat – im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung am 02. Juni 2004 durch den Vizepräsidenten des Finanzgerichts …, den Richter am Finanzgericht …, den Richter am Finanzgericht …, den ehrenamtlichen Richter … sowie die ehrenamtliche Richterin …
für Recht erkannt:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
Die Klägerin ist Eigentümerin eines in L… belegenen Grundstücks, das mit einem Einfamilienhaus bebaut ist. Am 18. Januar 2001 beantragte die Klägerin eine Baugenehmigung für die Errichtung eines Wintergartens, der an ihr Gebäude angebaut werden sollte. Der umbaute Raum des Wintergartens sollte weniger als 50 Kubikmeter –m³ –umfassen, und die Grundfläche des Wintergartens sollte drei mal fünf Meter betragen. Der Wintergarten sollte zudem mit einer Fußbodenheizung ausgestattet werden. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass der Wintergarten zum dauernden Aufenthalt von Menschen geeignet sein würde. Wegen der weiteren Einzelheiten des Bauantrags wird auf Bl. 48 ff. der Streitakte verwiesen.
Mit Schriftsatz vom 15. März 2001 teilte die untere Bauaufsichtsbehörde der Klägerin unter Bezugnahme auf deren Bauantrag vom 18. Januar 2001 mit, dass es sich bei dem Anbau eines Wintergartens um ein genehmigungsfreies Vorhaben im Sinne von § 67 der Brandenburgischen Bauordnung in der Fassung vom 25. März 1998 (GVBl. Brandenburg I, 82, 108) –BbgBO –handle und daher eine Baugenehmigung nicht zu erteilen sei. Der Wintergartenanbau stelle einen untergeordneten Vorbau in den nach § 6 Abs. 6 Nr. 2 BbgBO zulässigen Abmessungen dar.
Der Klägerin entstanden für den Anbau des Wintergartens im Jahr 2001 Herstellungskosten in Höhe von DM 54.523,–. In ihrem Antrag auf Eigenheimzulage ab dem Jahr 2001 begehrte die Klägerin die Festsetzung der Eigenheimzulage für das Bauvorhaben unter Berücksichtigung einer Kinderzulage für das Kind Nicole.
Mit Bescheid vom 30. November 2001 lehnte der Beklagte die Festsetzung einer Eigenheimzulage ab und begründete dies damit, dass die Errichtung eines Wintergartens zum dauerrechtlichen Wohnen genehmigungspflichtig sei. Eine Baugenehmigung sei der Klägerin nicht erteilt worden. Hiergegen legte die Klägerin fristgerecht Einspruch ein und machte geltend, dass die untere Bauaufsichtsbehörde die Genehmigungsfreiheit des Bauvorhabens festgestellt habe.
Mit Einspruchsentscheidung vom 05. März 2002 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Er begründete dies damit, dass nach § 67 Abs. 2 Nr. 9 BbgBO nur solche Wintergärten untergeordnete Vorbauten seien, die mangels Heizung nicht zum dauernden Wohnen geeignet seien. Ermögliche hingegen eine Heizung den dauerhaften Aufenthalt von Menschen im Wintergarten, bestehe keine Baugenehmigungsfreiheit. Es sei davon auszugehen, dass die Klägerin im Bauantrag nicht erwähnt habe, dass der Wintergarten zum Aufenthalt von Menschen bestimmt sei; nach einer telefonischen Auskunft des zuständigen Sachbearbeiters der unteren Bauaufsichtsbehörde habe die Klägerin lediglich mitgeteilt, dass sie den Wintergarten zum Abstellen von Blumen benötige.
Mit ihrer Klage macht die Klägerin geltend, dass die Errichtung eines Wintergartens eine Erweiterung von Wohnraum darstelle, der grundsätzlich eigenheimzulagenbegünstigt sei. Ein so genannter Schwarzbau liege nicht vor, da Genehmigungsfreiheit bestünde, wie auch die untere Bauaufsichtsbehörde mit ihrem Schriftsatz vom 15. März 2001 anerkannt habe.
Während des Klageverfahrens hat die untere Bauaufsichtsbehörde auf Nachfrage durch die Klägerin mit Schriftsatz vom 07. Mai 2002 mitgeteilt, dass das Schreiben vom 25. März 2001, in dem die Genehmigungsfreiheit festgestellt werde, grundsätzlich „volle Gültigkeit” habe. Sofern jedoch abweichend von den vorgelegten Bauunterlagen eine Heizung fest installiert worden sei, gelte der Wintergarten als genehmigungspflichtig, da es sich um eine Erweiterung des Wohnraums handle. Mit Bescheid vom 23. Mai 2002 hat die untere Bauaufsichtsbehörde sodann unter Bezugnahme auf den Bauantrag vom 18. Januar 2001 eine Baugenehmigung für die Errichtung des Wintergartens erteilt und in der Begründung ausgeführt, dass das Bauvorhaben nach § 66 BbgBO genehmigungspflichtig sei.
Die Klägerin führt zur Begründung ihrer Klage weiter aus, dass die untere Bauaufsichtsbehörde mit Erteilung der Baugenehmigung am 23. Mai 2002 ihre Fehlentscheidung vom 15. März 2001 zwar korrigiert habe. Sie, die Klägerin, habe jedoch darauf vertrauen können, dass verbindliche Auskünfte und Bescheinigungen der zuständigen Behörden für sie bindend seien.
Die Klägerin beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 30. November 2001 sowie der Einspruchsentscheidung vom 05. März 2002 zu verpflichten, die Eigenheimzulage ab dem Jahr 2001 in Höhe von DM 2.863,–(= EUR 1.464,–) festzusetzen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hält an seiner Rechtsauffassung fest, dass das Bauvorhaben nach § 67 Abs. 2 Nr. 9 BbgBO nicht genehmigungsfrei gewesen sei. Soweit Wintergärten den dauernden Aufenthalt von Menschen ermöglichten, unterliege ihre Errichtung der Baugenehmigungspflicht. Da die erforderliche Baugenehmigung erst im Jahre 2002 erteilt worden sei, könne auch erst ab diesem Jahr die Eigenheimzulage festgesetzt werden. Aus dem ursprünglichen Bauantrag habe sich nicht ergeben, dass eine Heizung eingebaut werden sollte. Nur aus diesem Grund habe die untere Bauaufsichtsbehörde das Bauvorhaben zunächst als genehmigungsfrei angesehen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Akten, insbesondere auf die von der Klägerin eingereichten Bauunterlagen (Bl. 48 bis 149 der Streitakte) Bezug genommen.
Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 90 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung –FGO –verzichtet.
Gründe
Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Ablehnung des Beklagten ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 101 FGO).
Nach § 2 Eigenheimzulagengesetz –EigZulG –ist unter anderem die Herstellung einer Wohnung in einem eigenen Haus begünstigt. Ausbauten und Erweiterungen an einer Wohnung im eigenen Haus stehen der Herstellung einer Wohnung gleich. Sie werden nach § 9 Abs. 2 Satz 2 EigZulG in der im Streitjahr gültigen Fassung mit einer Eigenheimzulage in Höhe von 2,5 Prozent der Bemessungsgrundlage gefördert (höchstens 2.500,–DM). Der von den Klägern errichtete Wintergarten stellt, wie unter den Beteiligten unstreitig ist, eine förderbare Erweiterung ihres Wohnhauses im Sinne von § 2 Abs. 2 EigZulG dar (vgl. BFH, Urteil vom 30. September 2003 III R 52/00, BStBl. II 2004, 262; s. auch Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen –BMF –vom 10. Februar 1998, BStBl. I 1998, 190 Rz. 16). Denn infolge des Einbaus einer Heizung ist der Wintergarten zum dauernden Aufenthalt von Menschen geeignet.
Nach der Rechtsprechung des BFH zur Wohneigentumsförderung nach § 10e des Einkommensteuergesetzes –EStG –ist die Herstellung einer Wohnung dann nicht begünstigt, wenn die Wohnung entgegen den baurechtlichen Vorschriften ohne Baugenehmigung errichtet worden ist. Der Nachweis für die (materielle) Baurechtmäßigkeit des Bauvorhabens kann danach nur durch eine Baugenehmigung oder eine Bescheinigung der zuständigen Behörde, dass eine Baugenehmigung nicht erforderlich ist –so genannte Baufreistellungsbescheinigung –erbracht werden (vgl. BFH, Urteil vom 02. Juni 1999 X R 84/97, BStBl. II 1999, 598, mit weiteren Nachweisen). Grundsätzlich ist diese Rechtsprechung auch auf das EigZulG als Nachfolgeregelung des § 10e EStG anwendbar, da das EigZulG mit der Förderung vergleichbare Zwecke verfolgt, nämlich den Erwerb von Wohneigentum für Familien mit Kindern zu erleichtern und die Vermögensbildung als Bestandteil der Altersvorsorge zu fördern (vgl. BFH, Urteil vom 22. Januar 2004 III R 39/02, BFH/NV 2004, 687).
Die Errichtung des Wintergartens stellt eine genehmigungspflichtige Baumaßnahme dar, so dass eine Genehmigung durch die Bauaufsichtsbehörde erforderlich war (§ 66 BbgBO; vgl. auch BFH in BStBl. II 2004, 262, zur Rechtslage nach der Niedersächsischen Bauordnung). Der Anbau eines Wintergartens, der zum dauernden Aufenthalt von Menschen geeignet ist, ist kein genehmigungsfreies Vorhaben im Sinne von § 67 Abs. 2 Nr. 9 BbgBO. Nach dieser Vorschrift sind Wintergärten nur dann genehmigungsfreie Vorhaben, wenn sie als untergeordnete Vorhaben in den nach § 6 Abs. 6 Nr. 2 BbgBO zulässigen Abmessungen und mit nicht mehr als 50 m³ umbauten Raum errichtet werden und von der Nachbargrenze mindestens 2 m entfernt bleiben. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht vollständig erfüllt, da ein Wintergarten, der wegen des Einbaus einer Heizung zum dauernden Aufenthalt geeignet ist, kein untergeordnetes Vorhaben im Sinne von § 6 Abs. 6 Nr. 2 BbgBO darstellt und deshalb nicht privilegiert ist (so auch Schlotterbeck/Schroeder-Printzen/Koppitz, Brandenburgische Bauordnung, § 6 Rz. 49; Dirnberger in Jäde/Dirnberger/Reimus, Bauordnungsrecht Brandenburg, § 6 Rz. 136; vgl. auch Protokoll der Dienstberatung am 07. und 08. Juli 1999 beim MSWV Brandenburg Tz. 1.3.5.3.). Auch bauplanungsrechtlich stellt der –beheizbare –Wintergarten keine Nebenanlage im Sinne von § 14 Baunutzungsverordnung dar und darf daher –im Gegensatz zum unbeheizten Wintergarten (dem so genannten echten Wintergarten) –grundsätzlich nicht außerhalb von Baulinien oder Baugrenzen zugelassen werden (vgl. OVG für das Land Schleswig-Holstein, Urteil vom 07. Dezember 1994 1 L 144/93, n.v.; Upmeier in Hoppenberg, Handbuch des öffentlichen Baurechts, A Tz. 404). Der zum dauernden Aufenthalt geeignete oder bestimmte Wintergarten ist vielmehr Teil des Wohngebäudes, an das er angebaut werden soll (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 23. August 1993 5 S 1338/93, VGHBW-Ls 1993, Beilage 11, B 2-3) und unterliegt aus diesem Grund der auch für die Errichtung des Wohngebäudes geltenden Genehmigungspflicht.
Die im Streitjahr erteilte Baufreistellungsbescheinigung der unteren Bauaufsichtsbehörde indiziert nicht die Genehmigungsfreiheit, da sie zum einen auf Grund unvollständiger Angaben bezüglich des Einbaus einer Heizung erteilt wurde und damit nicht geeignet ist, der Klägerin zu einer günstigen Rechtsposition zu verhelfen. Zum anderen wird die sich aus der Baufreistellungsbescheinigung ergebende Indizwirkung durch die später erteilte Baugenehmigung aufgehoben, die –wie auch die Baufreistellungsbescheinigung –auf dem Bauantrag der Klägerin vom 18. Januar 2001 beruht. Soweit die Klägerin geltend macht, dass sie auf die Baufreistellungsbescheinigung habe vertrauen dürfen, vermag der Senat dem nicht zu folgen; denn die Klägerin hatte selbst einen –wenngleich unvollständigen –Bauantrag gestellt und musste daher von einer Genehmigungspflicht ausgehen. Die somit erforderliche Baugenehmigung lag erst im Jahr 2002 vor, so dass eine Festsetzung der Eigenheimzulage im Streitjahr nicht möglich ist.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.