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02.11.2010

Finanzgericht Hamburg: Urteil vom 13.01.2010 – 4 K 124/09

Zu den Voraussetzungen für die Tarifierung von Schuhen als Schuhe für Sportzwecke in die Codenummer 6403 9993 11 0.


Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen die Tarifierung von Schuhen.

Die Klägerin beantragte am 25.06.2008 die Erteilung von verbindlichen Zolltarifauskünften für drei verschiedene Schuhe der Marke „A”. Die Zolltechnische Prüfungs- und Lehranstalt Frankfurt am Main erteilte ihr daraufhin am 15.07.2008 die angefochtenen verbindlichen Zolltarifauskünfte. Die Schuhe wurden als Freizeitschuhe den Codenummern 6403 9113 98 0 bzw. 9403 9993 98 0 zugewiesen. Wegen der Einzelheiten der verbindlichen Zolltarifauskünfte wird auf diese Bezug genommen (vZTA-Akte Blätter 9, 17 und 25).

Am 13.08.2008 legte die Klägerin Einspruch gegen die verbindlichen Zolltarifauskünfte ein. Sie meint, die Schuhe entsprächen der Zolltarifnummer 6403 9113 10 0 bzw. 6403 9993 11 0. Die Tarifierung sei allein aufgrund objektiver Kriterien vorzunehmen. Es handele sich um trainingsähnliche Schuhe (Schuhe für Sportzwecke) die nach besonders aufwändigen und damit verhältnismäßig teuren speziellen Techniken hergestellt worden seien. Dass für Sportzwecke hergestellte Schuhe aus modischen Gründen auch bei freizeitähnlichen Aktivitäten getragen würden, ändere daran nichts.

Der Einspruch wurde mit Einspruchsentscheidung vom 03.04.2009, zugestellt am 07.04.2009, zurückgewiesen. Darin führte der Beklagte aus, die Schuhe seien unstreitig in die Position 6403 einzureihen. Unstreitig sei ferner, dass der cif-Preis jeweils über 7,50 € liege, und dass die Schuhe mit stoßdämpfenden Elementen ausgestattet seien. Dennoch handele es sich nicht um Schuhe für Sportzwecke. Darunter fielen nach den ErlKN zur Position 6403 i. V. m den ErlKN zur Position 6402 Randziffer 03.0 Tennisschuhe, Basketballschuhe, Turnschuhe, Trainingsschuhe und ähnliche Schuhe. Die Begriffe Trainingsschule und trainingsschuhähnliche Schuhe seien in den nationalen Erläuterungen und Hinweisen (NEH) zu Kapitel 64 Randziffern 24.0 und 26.0 näher definiert. Danach müsse ein Schuh dem äußeren Erscheinungsbild nach eher dem eines Sportschuhs und nicht dem eines gewöhnlichen Straßenschuhs entsprechen und dürfe lediglich geringfügige Verzierungen aufweisen. Die streitgegenständlichen Schuhe entsprächen dem äußeren Erscheinungsbild nach eher dem eines gewöhnlichen Straßenschuhs. Insbesondere aufgrund der verwendeten Materialien, der aufgesetzten Embleme oder des Lochmusters, wodurch die Schuhe nicht nur geringfügig verziert seien, zeichneten sie sich als Freizeitschuhe aus. Abgesehen von der speziellen Sole wiesen sie keine Merkmale eines Sportschuhs auf. Im Internet würden die Schuhe als „Sneaker” vertrieben.

Mit ihrer am 06.05.2009 bei Gericht eingegangenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Da die Schuhe mit in der Laufsole befindlichen stoßdämpfenden Elementen ausgestattet seien, handele es sich um trainingsschuhähnliche Schuhe. Auf nationale Erläuterungen und Hinweise könne aufgrund deren Unverbindlichkeit nicht abgestellt werden. Auf das Erscheinungsbild abzustellen, sei unzulässig, da dies der Mode unterliege.

Die Klägerin beantragt,

die verbindlichen Zolltarifauskünfte mit den Nummern DE F/.../...-1, DE F/.../...-2 und DE F/.../...-3 vom 15.07.2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 03.04.2009 aufzuheben und antragsgemäß verbindliche Zolltarifauskünfte zu erteilen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er bezieht sich zur Begründung auf die Einspruchsentscheidung und trägt ergänzend vor, es handele sich nicht um Schuhe für Sportzwecke. Die funktionellen Elemente in den Sohlen seien allein nicht einreihungsrelevant. Sofern auf das Erscheinungsbild abgestellt werde, gehe es nicht nach dem individuellen Modegespür der Zollbeamten, sondern nach feststellbaren objektiven Beschaffenheitsmerkmalen.

Zwei Bände Sachakten (vZTA-Akten und Einspruchsakte) sowie Warenproben der drei verschiedenen Schuhmodelle haben vorgelegen. In der mündlichen Verhandlung vom 13.01.2010 wurden die Warenproben sowie weitere von der Klägerin vorgelegte Schuhe in Augenschein genommen. Auf die Gerichtsakte einschließlich der Warenproben und des Verhandlungsprotokolls wird Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Verpflichtungsklage hat Erfolg.

I.

Die verbindlichen Zolltarifauskünfte vom 15.07.2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 03.04.2009 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten. Sie hat einen Anspruch auf antragsgemäße Tarifierung der streitgegenständlichen Schuhe.

Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften sowie des Bundesfinanzhofes (vgl. etwa EuGH, Urteil vom 20.06.1996, Rs. C-121/95, EuGHE 1996, I-3047 Rz. 13; BFH, Urteile vom 18.11.2001, VII R 78/00, vom 09.10.2001, VII R 69/00, vom 14.11.2000, VII R 83/99, vom 05.10. 1999, VII R 42/98 und vom 23.07.1998, VII R 36/97, juris) ist das entscheidende Kriterium für die zollrechtliche Tarifierung von Waren allgemein in deren objektiven Merkmalen und Eigenschaften zu suchen, wie sie im Wortlaut der Positionen und Unterpositionen und in den Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln des Gemeinsamen Zolltarifs festgelegt sind (vgl. die Allgemeinen Vorschriften 1 und 6 für die Auslegung der Kombinierten Nomenklatur). Soweit in den Positionen und Anmerkungen nichts anderes bestimmt ist, richtet sich die Einreihung nach den Allgemeinen Vorschriften 2 bis 5 für die Auslegung der Kombinierten Nomenklatur. Daneben gibt es nach dem Übereinkommen zum Harmonisierten System Erläuterungen und Einreihungsavise, die ebenso wie die Erläuterungen zur Kombinierten Nomenklatur, die von der Europäischen Kommission ausgearbeitet wurden, ein wichtiges, wenn auch nicht verbindliches Erkenntnismittel für die Auslegung der einzelnen Tarifpositionen darstellen (vgl. EuGH, Urteile vom 09.12. 1997, Rs. C-143/96, EuGHE 1997, I-7039 Rz. 14 und vom 19.05.1994, Rs. C-11/93, EuGHE 1994, I-1945 Rz. 11 und 12). Auf den Verwendungszweck einer Ware darf nur dann abgestellt werden, wenn im Wortlaut der Bestimmungen oder in den Erläuterungen dazu ausdrücklich auf dieses Kriterium Bezug genommen wird (vgl. BFH, Urteile vom 14.11.2000, VII R 83/9 und vom 05.10.1999 VII R 42/98, juris; Beschluss vom 24.10.2002, VII B 17/02, juris). Die objektiven Merkmale und Eigenschaften der Waren sprechen nach Überzeugung des Gerichts für die Einreihung in die von der Klägerin angenommenen Codenummern.

Übereinstimmend und zutreffend gehen die Beteiligten davon aus, dass alle Schuhmodelle in die Position 6403 einzureihen sind.

Die Halbschuhe (verbindliche Zolltarifauskünfte Nrn. DE F/.../...-1 und DE F/.../...-3) sind entgegen der Auffassung des Beklagten in die Codenummer 6403 9993 11 0 einzureihen. Unter diese Codenummer fallen Schuhe für Sportzwecke mit ein- oder mehrlagiger geformter Sohle, nicht gespritzt, aus synthetischen Stoffen, die insbesondere so beschaffen sind, dass sie durch vertikale oder laterale Bewegungen verursachte Stöße dämpfen, wobei die Schuhe besondere technische Merkmale wie gas- oder flüssigkeitsgefüllte hermetische Kissen, stoßabfedernde oder stoßdämpfende mechanische Komponenten oder Spezialwerkstoffe wie Polymere niedriger Dichtung aufweisen. Dabei muss es sich um nach Spezialtechniken hergestellte Schuhe mit einem cif-Preis je Paar von 7,50 € oder mehr handeln. Unstreitig erfüllen die Schuhe im Hinblick auf den Preis und die Beschaffenheit der Sohle die Voraussetzungen für eine Einreihung in diese Codenummer. Weiterer Ausführungen des Gerichts bedarf es dazu nicht. Zwischen den Beteiligten allein im Streit ist die Frage, ob es sich um Schuhe für Sportzwecke handelt. Diese Frage ist zu bejahen.

Aus dem Begriff „für Sportzwecke” lässt sich keine Einschränkung dahin entnehmen, dass der Schuh - wie etwa ein mit Stollen besetzter Fußballschuh - ausschließlich für Sportzwecke verwandt werden muss. Vielmehr reicht es, dass er speziell für Sportzwecke geeignet ist, was nicht ausschließt, dass er auch bei außersportlichen Freizeitaktivitäten getragen werden kann. Nach ErlKN zur Position 6402 Randziffer 03.0, die gemäß ErlKN zur Position 6403 Randziffer 01.5 sinngemäß anzuwenden ist, sind unter „Schuhe für Sportzwecke” Tennisschuhe, Basketballschuhe, Turnschuhe, Trainingsschuhe und ähnliche Schuhe mit Ausnahme von Schuhen, die ausschließlich oder im Wesentlichen beispielsweise beim Wildwasserfahren, Gehen, Trecking, Wandern oder Bergsteigen getragen werden, zu verstehen. Die streitgegenständlichen Schuhe stellen jedenfalls Turnschuhen oder Trainingsschuhen ähnliche Schuhe dar. Aus ihrer Funktionalität ergibt sich die Eignung zum Einsatz bei sportlichen Aktivitäten. Das gilt zunächst im Hinblick auf die Sohle, die rutschfest ist und die stoßdämpfende Eigenschaften aufweist und damit zur Schonung der Gelenke beiträgt. In ihrer Funktionalität ist die Sohle beider Schuhe typisch für Turnschuhe oder Trainingsschuhe. Zudem weisen beide Schuhe einen Verschluss mittels Schnürbändern bis hoch ans Fußgelenk auf, so dass sichergestellt ist, dass die Schuhe fest sitzen und sicheren Halt bieten. Auch dies macht sie für den Einsatz bei sportlichen Betätigungen geeignet, so dass sie als „Schuhe für Sportzwecke” bezeichnet werden können. Dass die Schuhe lebenswahrscheinlich tatsächlich vielfach, wenn nicht gar überwiegend, als Freizeitschuhe getragen werden, kann nicht entscheidend sein. Für die Tarifierung muss auf die objektiven Merkmale und Eigenschaften und nicht auf den Verwendungszweck abgestellt werden. Die objektiven Merkmale und Eigenschaften sprechen - wie dargelegt - für den Einsatz im Rahmen sportlicher Aktivitäten. Dass die Schuhe aus modischen Gründen tatsächlich auch bei nicht sportlich ambitionierten Freizeitgestaltungen zum Einsatz kommen, hat auf die objektiven Merkmale und Eigenschaften keinen Einfluss.

Zu einer anderen Betrachtung gelangt man auch nicht, wenn man mit dem Beklagten auf die Nationalen Entscheidungen und Hinweise (NHE) zu Kapitel 64 abstellt. Nach deren Randziffer 24.0 ist ein Schuh als Trainingsschuh bzw. trainingsschuhähnlicher Schuh anzusehen, wenn das äußere Erscheinungsbild dem eines Trainingsschuhs näher steht als dem eines gewöhnlichen Straßenschuhs. Die Randziffern 26.0 ff. nennen als kennzeichnend für einen Trainingsschuh bzw. trainingsschuhähnlichen Schuh, dass er aufgrund seiner Form, seines Schnittes und seiner Ausstattung erkennen lässt, dass er zur Ausübung einer Sportart geeignet ist, dass er mit einer rutschfesten Laufsohle versehen ist, dass er über einen Verschlussvorrichtung verfügt, die die Stabilität für den Fuß im Schuh gewährleistet und dass er lediglich geringfügig verziert ist. Dem entsprechen die Schuhe im Streitfall. Form und Schnitt der Schuhe lassen eine Eignung für sportliche Zwecke durchaus erkennen. Insbesondere die Ausstattung ist, wie dargelegt, sportschuhtypisch. Eine rutschfeste Laufsohle sowie eine hinreichende Verschlussvorrichtung liegen, wie dargelegt, ebenfalls vor. Schließlich ist auch die Verzierung nur als geringfügig zu bezeichnen, sie beschränkt sich auf wenige, offenbar markentypische Elemente, die optisch deutlich zurückhaltender sind, als dies bei vielen Markensportschuhen der Fall ist. Die Richtigkeit dieser Auffassung bestätigt sich auch durch die Beispiele, die in den NEH aufgeführt sind. Insoweit kann insbesondere auf die Randziffern 33.0 bis 39.0 verwiesen werden. Die dort abgebildeten Schuhe, bei denen es sich um Trainingsschuhe bzw. trainingsschuhähnliche Schuhe handeln soll, unterscheiden sich optisch nicht erheblich von den streitgegenständlichen Schuhen. Der Hinweis des Beklagten in der mündlichen Verhandlung vom 13.01.2010, bei den abgebildeten Schuhen handele es sich um traditionelle Sportschuhe, sie könnten daher nicht mit den streitgegenständlichen Schuhen verglichen werden, verfängt nicht. Die NEH enthalten keinen Hinweis darauf, dass die abgebildeten Schuhe nur deshalb als Trainingsschuhe bzw. trainingsschuhähnliche Schuhe angesehen werden können, weil es sich um traditionelle Modelle handelt. Vielmehr werden sie ohne nähere Erläuterung als Beispiele für Trainingsschuhe bzw. trainingsschuhähnliche Schuhe angesehen, so dass ein Vergleich mit den streitgegenständlichen Schuhmodellen zulässig ist und ein Vergleich des äußerlichen Erscheinungsbildes dieser Schuhe mit dem der streitgegenständlichen Schuhe die Tarifierung der streitgegenständlichen Schuhe als Trainingsschuhe bzw. trainingsschuhähnliche Schuhe nahe legt. Auch die von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 13.01.2010 vorgelegten Schuhe, die als Schuhe für Sportzwecke tarifiert worden sind, sind in ihrem Erscheinungsbild abgesehen von der farblichen Gestaltung den streitgegenständlichen Schuhen hinsichtlich der hier interessierenden Kriterien derart ähnlich, dass kaum nachvollziehbar ist, dass die streitgegenständlichen Schuhe nicht in gleicher Weise tarifiert werden.

Das Gericht setzt sich mit dieser Entscheidung auch nicht in Widerspruch zum Urteil vom 28.10.2009 (4 K 1/09). Die in jener Entscheidung streitgegenständlichen Schuhe, die seitens des Gerichts als Freizeitschuhe, als solche nicht für Sportzwecke angesehen wurden, unterscheiden sich erheblich von den Schuhen, über die im Streitfall zu entscheiden war. Die Schuhe im Verfahren 4 K 1/09 hatten keine speziellen Verschlussvorrichtungen (Schuhband, Klettverschluss o. ä.), sondern einen elastischen Einstieg (Slipper), wodurch sie dem Fuß deutlich weniger Halt geben, als Schuhe, die mit einem Klettverschluss oder mit Schnürbändern fest verschließbar sind. Die Sohle war im Gegensatz zu den rutschfesten Sohlen der streitgegenständlichen Schuhe eher hart, glatt und ohne Griff, wodurch sie weniger Standfestigkeit vermitteln können. Damit waren sie, wie das Gericht seinerzeit erkannt hat, wegen des elastischen Verschlusses und der rutschigen Sohle schon aufgrund ihrer Funktionalität nicht als Schuhe für Sportzwecke anzusehen.

Der Schuh, der den Knöchel bedeckt (verbindliche Zolltarifauskunft Nr. DE F/.../...-2), ist entgegen der Auffassung des Beklagten in die Codenummer 6403 9113 98 0 einzureihen. Die von den Halbschuhen abweichende Tarifierung erklärt sich dadurch, dass der Knöchel bedeckt wird, so dass die Unterposition 6403 9113 angesprochen wird. Im Übrigen sind die Voraussetzungen identisch. Abgesehen von der Schafthöhe weist dieser Schuh dieselben Eigenschaften auf wie die Halbschuhe. Auch hier gilt, dass der Schuh selbst bei Anwendung der NHE als Trainingsschuh bzw. trainingsschuhähnlicher Schuh angesehen werden kann. Insbesondere stellen die großflächig aufzufindenden, zahlreichen, stecknadelkopf großen Löcher keine Verzierung dar. Verzierungen sind aufgesetzte Ornamente, aufgesetzte Strasssteine und aufgesetzte Pailletten. Die Löcher sind - anders als Ornamente, Strasssteine oder Pailletten - nicht aufgesetzt, sondern Teil der Struktur des Materials. Sie bestimmen die Optik ähnlich wie Streifen oder die farbliche Gestaltung.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO nicht gegeben sind.

VorschriftenErlKN Pos. 6403