17.12.2015 · IWW-Abrufnummer 146051
Oberlandesgericht Düsseldorf: Beschluss vom 27.08.2015 – III-4 Ws 160/15
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Oberlandesgericht Düsseldorf
III-4 Ws 160/15
Tenor:
Auf die weitere Beschwerde der Landeskasse Nordrhein-Westfalen, diese vertreten durch den Bezirksrevisor bei dem Landgericht Kleve, wird der Beschluss der Auswärtigen Strafkammer des Landgerichts Kleve in Moers (224 Qs 25/15) vom 21. Juli 2015 abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Auf die Beschwerde der Landeskasse Nordrhein-Westfalen wird der Beschluss des Amtsgerichts Moers (601 AR 4/14) abgeändert und die Erinnerung des Verteidigers Rechtsanwalt Dr. C. S., U. Straße 14, 4., gegen den im Ermittlungsverfahren 504 Js 339/14, StA Kleve erfolgten Kostenansatz einer Aktenversendungspauschale i.H.v. 12 EUR zurückgewiesen.
Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei.
Kosten werden nicht erstattet.
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G r ü n d e
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I.
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Im Jahr 2014 hat sich Rechtsanwalt C. S. aus Moers in einem gegen den Beschuldigten A. eingeleiteten Ermittlungsverfahren bestellt und zum Zwecke der Stellungnahme zu den Vorwürfen Akteneinsicht beantragt. Diese wurde ihm durch die Staatsanwaltschaft Kleve - Zweigstelle Moers – dergestalt gewährt, dass die Akte mittels privatem Kurierdienst zum Amtsgericht Moers transportiert und dort in das Gerichtsfach des Verteidigers eingelegt wurde, weshalb die beschwerdeführende Landeskasse mit Rechnung der Gerichtskasse ihm zu einem nicht genau bekannten Zeitpunkt, jedenfalls vor dem 21. Juli 2014 für die Aktenversendung eine Pauschale von 12,00 EUR berechnet hat. Bei der Rückgabe der Akte regte Rechtsanwalt S. die Überprüfung der Berechtigung der Inrechnungstellung der Auslagenpauschale von 12,00 EUR an und verwies auf einen Beschluss des Oberlandesgerichts Koblenz. Nach Stellungnahme durch den Bezirksrevisor hat Rechtsanwalt S. mit Schriftsatz vom 11. August 2014 ausdrücklich Erinnerung gegen den Ansatz der Auslagepauschale von 12,00 EUR erhoben. Durch undatierten Beschluss, der an die Staatsanwaltschaft Kleve vom 6. April 2015 zur Zustellung versandt wurde, hat das Amtsgericht Moers der Erinnerung des Verteidigers stattgegeben und die Auffassung vertreten, dass durch die Aktenversendung ein konkreter grundsätzlich bezifferbarer Geldbetrag verursacht werden m üsse, um erstattungsfähig zu sein. Unter Auslagen seien die auf den konkreten Versendungsvorgang im Einzelfall bezogenen und neben anfallenden Gebühren gesondert bezifferbaren Geldleistungen für Transport und Verpackung zu verstehen.
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Die dagegen am 15. April 2015 eingelegte Beschwerde der Landeskasse hat das Landgericht Kleve durch seine Auswärtige Strafkammer in Moers durch Beschluss vom 21. Juni 2015 verworfen, aber die weitere Beschwerde zugelassen.
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Gegen diese Entscheidung richtet sich die weitere Beschwerde der Landeskasse vom 27. Juli 2015.
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II.
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Die weitere Beschwerde der Landeskasse, über die der Senat in der Besetzung mit drei Richtern zu entscheiden hat (§ 66 Abs. 6 Abs. 1 GKG, § 122 Abs. 1 GVG), ist infolge der Zulassung durch das Landgericht (§ 66 Abs. 4 Satz 1 GVG) zulässig und hat in der Sache Erfolg. Die Landeskasse war berechtigt von dem Verteidiger des Beschuldigten auf dessen Akteneinsichtsgesuchen hin die Aktenversendungspauschale nach Nr. 9003 des KV zum GKG zu erheben, weil durch den Aktentransport mittels privatem Kurierdienst erstattungsfähige Kosten angefallen sind. Die vorausgehenden Beschlüsse des Landgerichts Kleve (Auswärtige Strafkammer in Moers) und des Amtsgerichts Moers sind daher im tenorierten Umfang abzuändern.
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Auch nach der Regulierung des Gerichtskostenrechtes durch das 2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetz vom 23. Juli 2013 fällt für die Versendung von Akten auf Antrag eine Pauschale von 12,00 EUR gemäß Nr. 9003 des KV zum GKG an, die von der Gerichtskasse geltend zu machen ist. Allerdings entsteht die Pauschale nur noch, wenn der Justiz Auslagen für Transport- und Verpackungskosten entstehen. Im vorliegenden Fall sind erstattungsfähige Auslagen für Transportkosten entstanden, weshalb die Erhebung von 12,00 EUR als Pauschale gerechtfertigt sind.
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1.
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Von Verfassungs wegen ist es nicht zu beanstanden, dass ein Strafverteidiger, der eine Aktenversendung beantragt, als Veranlasser zu diesen Kosten herangezogen wird und ihm eine Pauschale zur Vermeidung der Ermittlung der im Einzelfall durch die Aktenversendung entstehenden Kosten auferlegt wird (vgl. BVerfG Beschl. v. 6. März 1996 - 2 BVR 386/96 -, juris).
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2.
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Die im GKG in Nr. 9003 des KV vorgesehene Auslagenpauschale darf jedenfalls dann erhoben werden, wenn – hier vorliegend alleine interessierend − ein beantragter Transport vorliegt und der Justiz diesbezüglich Auslagen entstehen.
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a)
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Der (kostenpflichtige) Transport einer Akte liegt auch dann vor, wenn diese nicht an die Postadresse des Strafverteidigers unmittelbar übermittelt wird, sondern nach vorangegangenem Transport von einem Justizgebäude zu dem von diesem Rechtsanwalt unterhaltenen Gerichtsfach, das sich örtlich getrennt von der Versendungsstelle befindet, erfolgt. Die Annahme eines kostenpflichtigen Transportes scheidet also vorliegend nicht schon deshalb aus, weil der Abschluss der Übermittlung der sich ursprünglich in der Zweigstelle der Staatsanwaltschaft Kleve in Moers befindlichen Akte an Rechtsanwalt S. durch das Einlegen in sein Gerichtsfach beim Amtsgericht Moers erfolgt ist (vgl. dazu auch schon nach altem Recht OLG Düsseldorf, Beschl. v. 4. November 2009, III-1 Ws 447/09 – juris).
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b)
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Im konkreten Fall sind auch erstattungsfähige Auslagen für Transportkosten im Rahmen der Versendung der Strafakten an Rechtsanwalt S. unter Nutzung seines Gerichtsfaches entstanden. Diese Kosten ergeben sich daraus, dass der Transport der Akte durch einen privaten Dienstleister vom Gebäude der Staatsanwaltschaft Kleve in Moers zum Amtsgericht in Moers erfolgt ist.
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Bei der Feststellung im Wege der Auslegung, welche Auslagen von Nr. 9003 des KV zum GKG erfasst werden sollen, muss die Gesetzesgeschichte berücksichtigt werden. Im Entwurf eines zweiten Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts (2. KostRMoG), der von der Bundesregierung im Jahr 2012 vorgelegt wurde, war zunächst bezogen auf den Auslagentatbestand der Nr. 9003 des KV zum GKG nur vorgesehen, dass die unter dieser Ordnungsnummer dort ebenfalls aufgeführte eigene Pauschale für die elektronische Übermittlung einer elektronisch geführten Akte entfallen, also Nr. 9003 nur noch die Pauschale für „die Versendung von Akten auf Antrag je Sendung“ enthalten sollte (vgl. BT Drucksache 17/11471 (neu), Bl. 101, 249). In seiner daraufhin erfolgten Stellungnahme zum Gesetzesentwurf vom 12. Oktober 2012 hat der Bundesrat (vgl. Drucksache 17/11471 (neu), S. 314) vorgeschlagen, die verbleibende Pauschale von 12,00 EUR für die Versendung der Akten auf Antrag auf 15,00 EUR anzuheben. Zur Begründung hat der Bundesrat damals ausgeführt, dass mit dieser Pauschale neben den reinen Versandkosten auch die Personal- und Sachkosten der Gerichte für die Prüfung des Einsichtsrechts, das Heraussuchen der Akten, die Versendung und die Rücklaufkontrolle sowie der Kosteneinzug mit abgegolten werden sollten. Seit der letzten Erhöhung im Jahr 2004 seien die dafür anzusetzenden Kosten nämlich deutlich gestiegen. Diesem klaren fiskalischen Interesse der Länder ist der Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages entschieden entgegengetreten. Er hat stattdessen vorgeschlagen, dass der Auslagentatbestand unter Beibehaltung einer Pauschale von 12,00 EUR wie folgt gefasst werden sollte:
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„Pauschale für die bei der Versendung von Akten auf Antrag anfallenden Auslagen an Transport- und Verpackungskosten je Sendung“.
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Zur Begründung hat er (BT-Drucksache 17/13537, S. 268) angegeben, durch die Änderung der Formulierung solle klarer zum Ausdruck kommen, dass mit der Pauschale Ersatz barer Auslagen gemeint sei. Dieser Vorschlag ist Gesetz geworden.
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Entgegen der Intention der Begründung des Rechtsausschusses, etwas „klarer“ zum Ausdruck zu bringen, was mit den Auslagen für Transport und Verpackung gemeint ist, hat er durch die von ihm gewählte Formulierung „bare Auslagen“ in der Begründung eher zur Verwirrung beigetragen. Tatsächlich geht es nicht darum, nur und ausschließlich diejenigen Kosten für Versendung und Verpackung zu erstatten, die von einem Justizbediensteten mit „Bargeld“ anlässlich der konkreten Versendung verauslagt wurden, denn auch der Justizbetrieb hat sich der Entwicklung auf dem Bankensektor angepasst und bedient sich überwiegend des viel sicheren bargeldlosen Zahlungsverkehrs. Weil es sich bei dem Gesetzesentwurf um einen solchen zur Modernisierung des Kostenrechts handelt, ist deshalb auszuschließen, dass die Justizbehörden vom Gesetzgeber dazu gezwungen werden sollten, ihren Anspruch auf Erstattung durch Festhalten an eher antiquierten Zahlungsmethoden zu sichern. Die Neuformulierung des Auslagetatbestandes, der keinen Hinweis auf „Bares“ enthält, durch den Rechtsausschuss lässt folglich nur die Auslegung zu, dass die Absicht, durch die Pauschale – wie es in der vorausgegangenen Stellungnahme des Bundesrates heißt – andere Kosten als die reinen Versand- und Verpackungskosten, die in Form von eigenen Personal- und Sachkosten den Justizbehörden entstehen, abzudecken, verhindert werden sollte. Transportleistungen, die durch eigene Justizkräfte mit eigenen Sachmitteln erfolgen, werden deshalb von Nr. 9003 nicht erfasst; Voraussetzung für eine Erstattung ist vielmehr eine zusätzliche – bare oder unbare − Geldleistung, die mit dem Aktentransport in Zusammenhang steht und deshalb „verauslagt“ ist.
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Erfolgt aber die beantragte Versendung der Akte durch einen privaten Kurierdienst – wie im vorliegenden Fall – handelt es sich nicht um Personal- und Sachkosten der internen Justizverwaltung, die durch die Neuformulierung der Nr. 9003 des KV zum GKG ausgeschlossen werden sollten. Vielmehr entstehen hierfür in Geld zu bemessende gesonderte Auslagen der Justiz und wäre es möglich − wenn auch mit viel Verwaltungsaufwand − den auf eine konkrete Akte entfallenden Anteil mathematisch genau zu berechnen. Wenn die Bezahlung des von der Staatsanwaltschaft beauftragten Kurierdienstes von und zu bestimmten Gerichts- und sonstigen Justizgebäuden durch Pauschalen erfolgt, so sind diese Pauschalen nach dem üblicherweise entstehenden Aufkommen der zu transportierenden Akten bemessen. Das der Kalkulation der Pauschale zugrundeliegende mengenmäßige Aufkommen berücksichtigt mithin nicht nur diejenigen Akten, die auf Veranlassung der Justizbehörden selbst verschickt bzw. transportiert werden, sondern das gesamte Transportaufkommen, das täglich zu bewältigen ist. Folglich erfassen die der Kalkulation zugrundeliegenden Aktenmengen von vorneherein auch die auf Antrag der Verteidiger zu versendenden Akten. Daraus entsteht ein Unterschied zwischen der Versendung durch private Kurierdienste und derjenigen durch justizinternes Personal. Äußerlich mögen sich zwar die Transporte für den flüchtigen Beobachter kaum unterscheiden. Fiskalisch sind diese beiden Transportarten jedoch völlig anders zu bewerten, weil im Falle der privaten Kurierdienste ein zuzuordnender Geldbetrag für den Transport entsteht, während der Transport durch Justizbedienstete unter Verwendung von Dienstfahrzeugen allgemein durch die Personal- und Sachkosten der Gerichte gedeckt ist.
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c)
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Eine Erstattungspflicht nach Nr. 9003 des KV zum GKG scheidet auch nicht deshalb aus, weil bei dem Transport mittels privatem Kurierdienst kein auf die konkrete Aktenversendung entfallener Betrag errechnet wird. Diese Handhabung ist dem Umstand geschuldet, dass die Höhe der Pauschale gesetzlich einheitlich auf 12,00 EUR festgelegt ist. Es ist also gerade nicht vorgesehen, dem Kostenschuldner den tatsächlich entstehenden Auslagenbetrag in Rechnung zu stellen. Der Sinn dieser Kostenpauschale würde konterkariert, wenn − obwohl anschließend eine Kostenpauschale erhoben werden muss − jeweils die konkret auf die Aktenversendung entfallende Geldsumme ermittelt und in der Akte festgehalten werden müsste. Sinn und Zweck einer Pauschale ist es gerade, unabhängig von dem im Einzelfall tatsächlichen Aufkommen auf der Basis einer das übliche Aufkommen abschätzenden Kalkulation einen Betrag festzulegen, der ohne weiteren Nachweis der oft kleinteiligen Arbeitsschritte und Materialien vom Auftraggeber zu erstatten ist. Die Grenze für diese pauschale Abrechnung ist lediglich das verfassungsrechtliche Übermaßverbot, das vorliegend aber mit der Pauschale in Höhe von 12,00 EUR nicht verletzt wird.
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Eine andere Entscheidung ist auch nicht mit Blick auf die Entscheidungen des Oberlandesgerichts Koblenz (vgl. AnwBl. 2014, 657) und OLG Köln (Beschl. v. 16. Oktober 2014, - III-2 Ws 601/14 -, juris) geboten. In beiden Fällen ging es nicht um die Versendung mit abschließender Einlage in ein Gerichtsfach durch einen privaten Kurierdienst. In den Fällen, die den zitierten Entscheidungen zugrunde lagen, wurde der Aktentransport jeweils durch gerichtseigenes Personal und Material vorgenommen.
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III.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 66 Abs. 8 GKG.