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· Praxishygiene

Hygiene in „COVID-19“-Zeiten: Ohne Angst den aktuellen Anforderungen gerecht werden

Bild: ©Gerd Altmann - pixabay.com

von Viola Milde, Hygieneberatung, VMH-Hamburg.de

| Was wohl niemand zu Beginn dieses Jahres erahnt hat, ist inzwischen Fakt: Eine Virusinfektion hat unser ganzes privates und berufliches Leben komplett auf den Kopf gestellt! Erschwerend kommen noch die immer neuen, teils widersprüchlichen Aussagen hinzu, die uns verunsichern. Mittlerweile ist aber „viel Wasser die Elbe heruntergeflossen“ ‒ auch was die hygienischen Aspekte in der Zahnarztpraxis angeht. Dieser Beitrag schaut darauf mit Vernunft sowie Fakten und erörtert, worauf es in Zahnarztpraxen in Sachen Hygiene rund um „Corona“ aktuell ankommt. |

Coronavirus ‒ eine „behüllter“ Virus

Das Coronavirus gehört zu der Gruppe der behüllten Viren. Eine Lipidschicht umgibt das Virus. Die Zerstörung dieser „Fettschicht“ hat die Inaktivierung des Virus zur Folge. Die „Lipidschicht“ ist mit relativ einfachen Mitteln zu zerstören ‒ thermisch oder chemisch. Konkret bedeutet dies, dass die Wischdesinfektion Ihrer Flächen weiterhin ‒ wie auch vor Corona ‒ mit „begrenzter Viruzidie“ stattfinden kann. Die begrenzte Viruzidie inaktiviert übrigens auch andere behüllte Viren wie z. B. HIV, HBV, Masern. Wenn Ihnen also zurzeit jemand Wischdesinfektion mit viruzider Wirkung („volle Viruzidie“) als notwendig verkaufen möchte, dann sollten Sie dies nicht glauben. Sie können weiterhin ihre Wischdesinfektionstücher mit begrenzter Viruzidie verwenden.

Terminvereinbarung und erster Kontakt

Die Patienten sollten bereits am Telefon bei der Terminvergabe nach bestehenden Grippesymptomen befragt werden. Selbiges passiert dann unbedingt noch einmal bei Erscheinen des Patienten in der Praxis: Hat er Symptome (Husten, Temperatur, Schnupfen o. Ä), sollte er möglichst nur im Notfall behandelt werden. Falls es sich also um eine verschiebbare Behandlung handelt, so bieten Sie ihm einen neuen Termin an, der mindestens 14 Tage später stattfindet (besser: erst in vier Wochen). Bitten Sie den Patienten, seine Beschwerden und das weitere Vorgehen über die bundesweit gültige ärztliche Telefon-Hotline 116117 abzuklären oder telefonisch den Hausarzt zu kontaktieren.

Anmeldung und Wartezimmer

Was ist vorne an der Anmeldung wichtig? Eine Trennscheibe, die Sie vor Tröpfchen und Nähe schützt, ist auf dem Anmeldetresen anzubringen. Hinweisschilder und bereitstehende Händedesinfektion sind ebenfalls unumgänglich. Und der Patient kommt bitte ohne Begleitperson zu Ihnen. Ausnahme sind weiterhin natürlich kleine Kinder oder Personen, die auf Hilfe angewiesen sind.

 

Im Wartezimmer entfernen Sie bitte Spielzeug und Zeitschriften. Diese stellen leider ideale Überträger für Keime dar. Stellen Sie sicher, dass die Patienten mit ausreichend Abstand im Wartezimmer sitzen. Lassen Sie z. B. nur jeden dritten Stuhl stehen und entfernen Sie die anderen Stühle aus dem Raum.

Mund-/Nasenschutz und Schutzbrillen

Bei jedem Kontakt zum Patienten sollte das gesamte Praxispersonal einen Mund-/Nasenschutz und eine Schutzbrille tragen sowie die 1,5 bis 2,0 Meter Abstand einhalten. Erst nach dem Anlegen weiterer Schutzkleidung können Sie die 2,0 Meter zum Patienten unterschreiten, was während der Behandlung ja sowieso unvermeidbar ist.

 

Verfügen Sie über FFP2- oder FFP3-Masken, sind diese zu tragen. Laut der Deutschen Gesellschaft für Sterilgutversorgung (DGSV) ist sogar eine Wiederverwendung nach Dekontamination unter bestimmten Voraussetzungen zugelassen. Näheres dazu finden Sie im „Coronaticker“ der DGSV (iww.de/s3595.)

 

Wussten Sie, dass die FFP-Masken mit Ventil dem Träger zwar einen hohen Schutz bieten, Ihrem Gegenüber jedoch nicht? Die Filter geben die Ausatemluft an die Umgebung frei und filtern die Erreger, die ggf. enthalten sind, nicht heraus. Die FFP-Masken ohne Ventil schützen auf beiden Wegen, sind allerdings für den Träger noch unangenehmer im „Atemverhalten“.

 

Sollten Sie nicht über FFP-Masken verfügen, so ist in jedem Fall das Tragen eines Schutzschilds über dem Mund-/Nasenschutz zu empfehlen. Die Kombination aus beidem bietet Ihnen hohen Schutz und Sie können sich gefahrlos der Behandlung widmen. Bitte beachten Sie jedoch, dass die Entstehung von Aerosolen momentan weitestgehend vermieden werden sollte. Es ist noch nicht ausreichend erforscht, wie lange sich fein vernebelte Erreger in der Luft halten können. Bitte vermeiden Sie also den Umgang mit Ultraschallhandstücken, piezoelektrischen US-Geräten, Pulverstrahlgeräten und Turbinen ‒ sofern möglich.

Maßnahmen nach der Behandlung

Nach der Behandlung sollten Sie Ihre Schutzkleidung so lange weiter tragen, bis Sie sämtliche Flächen wischdesinfiziert haben, die Hygiene der Behandlungseinheit durchgeführt und das Fenster des Behandlungszimmers geöffnet wurde. Sollten sich Aerosole gebildet haben, erweitern Sie die Wischdesinfektion auf einen Umkreis von 3,0 Meter um den Patientenkopf, da eben noch nicht bekannt ist, ob und wie lange sich Erreger im Aerosol halten und verbreiten. Deshalb ist auch das Zimmer vor dem nächsten Patienten zu lüften.

 

Wenn vor der Behandlung abzusehen ist, dass eine Aerosolbildung unvermeidbar ist, so haben Behandler und Assistenz zusätzlich Einmalkittel zu tragen. Bei starker Aerosolbildung ist dies durch Haarschutz und Schuhüberzug zu ergänzen.

Händedesinfektion

Unabhängig, ob wir uns in „COVID-19“-Zeiten befinden oder nicht: Die Händedesinfektion nach dem Ausziehen der Einmalhandschuhe ist wirklich essenziell wichtig. Die meisten Erreger werden in Praxen nach wie vor wegen mangelnder Händehygiene „verteilt“ ‒ was leicht vermeidbar wäre. Einmalhandschuhe lassen erstens durchaus auch Keime auf ihre Haut passieren und zweitens kommt es in der Hektik des Praxisalltags häufig vor, dass beim Ausziehen der Handschuhe aktiv Keime vom z. B. rechten Handschuh auf die Haut des linken Handgelenks aufgebracht werden!

Aufbereitung von Medizinprodukten (MP)

Viele Fragen erreichen mich gerade übrigens auch in Bezug auf die Aufbereitung der Medizinprodukte zu „Coronazeiten“. Darauf zu antworten ist gottlob sehr einfach: Die RKI-konforme Aufbereitung ist nach wie vor genau so sicher wie auch vor Coronazeiten. Denn unabhängig von unserer jetzigen Situation mussten die MP auch vorher schon validiert viruzid aufbereitet werden. Es gilt also nach wie vor: Nach dem validierten RDG-Prozess geben wir semikritische MP zur weiteren Verwendung frei und nur die MP der Kategorie „Kritisch“ werden zusätzlich noch verpackt sterilisiert. Das RDG arbeitet bei 91°‒93°C, was die SARS-CoV-2-Erreger absolut sicher eliminiert und eine abschließende pauschale Sterilisation nicht erforderlich macht.

Ein infizierter Patient war in der Praxis ‒ was gilt?

Hier gibt es verschiedene Kategorien von Infektionsrisiken, für die das Robert Koch-Institut (RKI) Empfehlungen ausspricht.

 

  • Drei Kategorien des RKI für Infektionsrisiken
Kategorie
RKI-Empfehlung

Kategorie I, höheres Infektionsrisiko

Hatte Personal ohne Schutzausrüstung engen Kontakt zum Patienten, also gleich oder weniger als 2,0 Meter Abstand, wird eine 14-tägige Quarantäne empfohlen.

Kategorie II, geringeres Infektionsrisiko

Sie gilt, wenn Personal ohne adäquate Schutzbekleidung im selben Raum mit einem infizierten Patienten war, sich ihm aber nicht näher als 2,0 Meter genähert hat. Hier muss Personal nicht in Quarantäne und nicht regelmäßig untersucht werden. Ausnahme: Ist das Expositionsrisiko erhöht (Aerosolexposition), wird eine 14-tägige Quarantäne empfohlen.

Kategorie III, kein Infektionsrisiko

Hatte das Personal gleich oder weniger als 2,0 Meter Abstand zum infizierten Patienten, aber trug es die empfohlene Schutzkleidung, werden keine Quarantäne und regelmäßigen Untersuchungen empfohlen, wenn das Personal keine Symptome zeigt.

 

Zeigt das Personal Symptome, dann sollte das weitere Vorgehen mit der Hotline Tel. 116117 und Praxisleitung abgeklärt werden. Und es gilt: Zu Hause bleiben, bis Klarheit besteht, dass keine Infektion vorliegt!

 

FAZIT | Vielfach besteht die Sorge, dass „Arbeiten in der Praxis“ gleichbedeutend mit „hohe Infektionsgefahr“ ist. Aber ist das wirklich so? Die klare Antwort darauf: NEIN! Wenn Sie die Hygiene-Maßnahmen beachten, besteht kein höheres Risiko als vor COVID-19-Zeiten! Beim Einkaufen im Supermarkt oder in öffentlichen Verkehrsmitteln können Sie sich wahrscheinlich leichter infizieren als in der Praxis.

 
Quelle: Ausgabe 05 / 2020 | Seite 2 | ID 46521002