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· Fachbeitrag · Patientendaten

Anamnesebogen: Sind alle Fragen beantwortet und auf dem aktuellen Stand?

von Caroline-Kristina Havers, Fachwirtin für zahnärztliches Praxismanagement, Marketing im Sozial- und Gesundheitswesen, Praxiscoach, Dortmund

| Eine ausführliche Befragung über den Gesundheitszustand des Patienten ist für die Zahnarztpraxen wichtig, um Rückschlüsse von bestehenden Erkrankungen auf den Zustand von Zähnen und Zahnfleisch zu ziehen. Außerdem muss die Therapieplanung auf die gesamte gesundheitliche Situation des Patienten abgestimmt werden. Dabei ist es von entscheidender Bedeutung, dem Patienten die richtigen aktuellen Fragen zu stellen - und von diesem auch Antworten zu bekommen. Dieser Beitrag zeigt, wie Sie beides erreichen können. |

Wie häufig sollte ein Anamnesebogen erneuert werden?

Im Praxisalltag wird die Aktualisierung des Bogens häufig vernachlässigt. Manche Praxen lassen grundsätzlich keine Anamnesebögen ausfüllen oder befragen die Patienten aus Zeitgründen lieber kurz mündlich oder nur vor umfangreichen Behandlungen. Ein Anamnesebogen sollte immer von jedem Neupatienten vor Behandlungsbeginn ausgefüllt werden. Danach muss er regelmäßig aktualisiert werden. Einen vorgeschriebenen Zeitraum dafür gibt es nicht, jedoch empfehlen Uniklinken und Notärzte, die Aktualisierung mindestens einmal jährlich durchzuführen.

 

PRAXISHINWEIS |  Insbesondere vor jedem chirurgischen Eingriff sollte der Patient danach befragt werden, ob sich an seiner Anamnese, seinen Allergien bzw. Unverträglichkeiten und seiner Medikamenteneinnahme etwas verändert hat. Bitten Sie den Patienten um eine aktuelle Medikamentenliste. Bei Unklarheiten halten Sie - mit Erlaubnis des Patienten - Rücksprache mit seinem behandelnden Arzt.

 

Gekaufter oder selbst erstellter Anamnesebogen?

Jede Praxis sollte einen Fragebogen haben, der auf ihre Besonderheiten abgestimmt ist. So benötigt eine Zahnarztpraxis, die ausschließlich Kinder behandelt, einen anderen Anamnesebogen als eine Praxis, die auf die Bedürfnisse von Senioren spezialisiert ist. Selbst für eine „Hauszahnarztpraxis“ reicht ein gekaufter standardisierter Anamnesebogen häufig nicht aus. Ist ein entsprechend passender Fragebogen nicht im Handel erhältlich, sollte das Praxisteam die Erstellung selbst in die Hand nehmen.

Wichtige Fragen auf dem Anamnesebogen

Gemäß § 28 Abs. 7 Bundesdatenschutzgesetz dürfen Ärzte/Zahnärzte nur Angaben über die Gesundheit des Patienten erheben, wie dies zum Zweck der Gesundheitsvorsorge, der medizinischen Diagnostik, der Gesundheitsversorgung, der Behandlung oder der Verwaltung von Gesundheitsdiensten erforderlich ist. Welche Angaben des Patienten für den Behandler notwendig sind, unterliegt einem Beurteilungsspielraum.

 

PRAXISHINWEIS |  Streichen Sie für den Zahnarzt unwichtige Fragen, wie man sie häufig auf veralteten Bögen finden kann, etwa die Frage nach dem Familienstand und der Mitgliedsnummer (ist auf der Versichertenkarte gespeichert) und erweitern Sie den Bogen, um zum Beispiel nach einem Notfallkontakt und nach dem Geburtsort (siehe aktuelle Röntgenverordnung) zu fragen.

 

Aktuelle Fragen zum Gesundheitszustand könnten zum Beispiel die folgenden sein.

 

Tragen Sie einen Herzschrittmacher?

Grund für diese Frage ist, dass es zu Störbeeinflussungen des Schrittmachers durch zahnärztliche Geräte wie Ultraschall-Zahnsteinentferner, Elektrochirurgiegeräte, elektrische Vitalitätsprüfer, Kurzwellengeräte und elektromotorisch betriebene Geräte kommen kann.

 

Nehmen Sie Bisphosphonate ein?

Hintergrund: Bisphosphonate werden seit Jahren bei Knochenmetastasen und anderen Erkrankungen - wie zum Beispiel Osteoporose - eingesetzt. Sie vermindern den Knochenabbau durch Hemmung der Osteoklasten. Bisphosphonate können nach chirurgischen Eingriffen zu Knochennekrosen führen.

 

Haben Sie eine Herzerkrankung? Besitzen Sie einen Herzpass?

Hintergrund: Bei bestimmten Herzerkrankungen (neue Leitlinien) muss vor einem zahnärztlichen Eingriff eine Endokarditisprophylaxe durchgeführt werden, siehe www.iww.de/sl344

 

Auch Fragen nach Blutverdünnern, Allergien (wie zum Beispiel Latex, Penicillin), Krebserkrankungen, HIV/Aids sollten nicht vernachlässigt werden. Außerdem sollten Patientinnen danach befragt werden, ob sie schwanger sind. Informieren Sie die Patienten auf dem Bogen auch kurz, dass alle Angaben nach § 203 Strafgesetzbuch der ärztlichen Schweigepflicht unterliegen und vertraulich behandelt werden und lassen Sie die Patienten den Bogen unterschreiben.

 

MERKE |  Die Zahnärztekammern raten mittlerweile davon ab, ein Abtretungsverbot auf dem Anamneseformular zu vereinbaren. Ein Abtretungsverbot soll auf einem separaten Formular vereinbart werden und kann zum Beispiel lauten: „Sämtliche Ansprüche, die aus dem zwischen dem Zahnarzt und dem Patienten jeweils getroffenen Behandlungsvertrag resultieren, werden von dem Patienten/Zahlungspflichtigen an Dritte weder abgetreten noch verpfändet“.

 

Was tun, wenn ein Patient die Angaben verweigert?

Manchmal verweigern die Patienten das Ausfüllen des Bogens, weil sie der Meinung sind, dass den Zahnarzt Fragen zum allgemeinen Gesundheitszustand gar nichts angehen. Nicht immer äußern Patienten ihre Bedenken direkt, sondern schieben eine vergessene Brille oder schlechte Deutschkenntnisse vor, um das Ausfüllen des Bogens zu vermeiden. Helfen Sie Ihren Patienten dann beim Ausfüllen, stehen Sie bei Rückfragen Rede und Antwort und stellen Sie zur Not auch Leihbrillen zur Verfügung.

 

Verweigert ein Patient jedoch grundsätzlich das Ausfüllen des Bogens, ist es für das Team wichtig, den Grund dafür zu erfahren: Befürchtet der Patient die Weitergabe seiner Daten an Dritte oder versteht er die Fragen im Bogen nur einfach nicht? An dieser Stelle ist es entscheidend, den Patienten über die Notwendigkeit einer (aktuellen) Anamnese aufzuklären.

 

Rechte und Pflichten von Behandler und Patient

Der Zahnarzt ist zur Erhebung einer vollständigen Anamnese verpflichtet, um dem Patienten eine verantwortungsvolle, umfassende und ganzheitliche Behandlung zu ermöglichen. Eine Anamnese schützt den Patienten vor Gefahren und die Praxis vor Fehlern. Der Patient ist zum Ausfüllen des Anamnesebogens nicht verpflichtet und hat das Recht, Angaben zu verweigern. Macht der Patient von diesem Recht Gebrauch und teilt dies der Mitarbeiterin mit, so muss dem Behandler das Fehlen dieser Informationen umgehend mitgeteilt werden.

 

Hält der Zahnarzt diese Informationen für die Patientenbehandlung für unerlässlich, kann er die Behandlung verweigern. Dies kann zum Beispiel bereits die Frage nach einer vorhandenen Latexallergie sein. Das Zahnarzt-Patienten-Verhältnis baut auf Vertrauen auf. Hat der Behandler das Gefühl, der Patient verschweigt ihm wichtige Informationen, ist das Vertrauensverhältnis gestört.

 

Ablehnung der Behandlung wirklich erforderlich?

Bevor jedoch die Behandlung des Patienten abgelehnt wird, sollten der Arzt oder die zuständige Mitarbeiterin versuchen, dem Patienten in einem ruhigen Gespräch die Notwendigkeit der Anamnese zu erläutern und ihm Gelegenheit geben, seine Weigerung zu begründen. Wird der Patient trotz fehlender, unvollständiger oder veralteter Anamnese behandelt, besteht eine Gesundheitsgefährdung des Patienten, die es zu vermeiden gilt.

 

PRAXISHINWEIS |  Sehen Sie den Anamnesebogen als Absicherung zur Vermeidung von Behandlungsfehlern und zur Optimierung Ihrer Behandlungsqualität. Senden Sie dem Patienten den Anamnesebogen vor umfangreichen Behandlungen rechtzeitig mit der Post oder als E-Mail-Anhang zu, damit die Zeit für das Ausfüllen des Bogens nicht in der Praxis verlorengeht. Vermitteln Sie Ihrem Patienten das Gefühl, sich für Rückfragen gern an Sie wenden zu können, und bitten Sie ihn, alle Fragen zu seiner eigenen Sicherheit wahrheitsgemäß zu beantworten.

 

Weiterführender Hinweis

  • Ein Musterschreiben für die Anforderung des Anamnesebogens finden Sie auf ppz.iww.de unter „Downloads“ in der Rubrik „Patienteninformationen“.

 

Quelle: Ausgabe 11 / 2013 | Seite 12 | ID 42313241