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· Fachbeitrag · Patientenaufklärung

Vermeidung von Karies: Meine 5 Grundregeln

von Sebastian Knop, Zahnarzt mit Hypnosezertifikat (DGH), Dortmund

| Karies ist eine vermeidbare Krankheit - das ist vielen Patienten nicht klar. Die Ansicht, dass Karies Schicksal ist oder gar vererbt wird („Mein Vater hatte auch immer schlechte Zähne!“), ist ebenso verbreitet wie der Irrglaube, die Ernährung spiele für die Kariesentstehung keine Rolle, sofern man sich nur gut die Zähne putze. Erschreckend ist, wie viele Kinder heutzutage noch Karies haben, obwohl die Krankenkassen die Individual-Prophylaxe bezahlen. Zahnarztpraxen sollten daher Eltern und Schwangere darüber aufklären, wie Karies vermieden werden kann. |

Ein komplexes Thema sinnvoll reduzieren

Im Praxisalltag fehlt oft die Zeit, die Entstehung von Karies detailliert zu erklären. Ich beschränke mich daher darauf, 5 Grundregeln zur Kariesvermeidung zu erläutern. Diese sind alltagstauglich und basieren auf wissenschaftlichen Erkenntnissen. Bei jeder Grundregel kann ich entscheiden, ob ich das Thema nur kurz anschneide (vor allem, wenn ich das Gefühl habe, bei diesem Patienten läuft hier schon alles richtig), ob ich nur auf bestimmte Aspekte dieser Regel eingehe oder ob ich diese Regel ausführlich erläutere.

Grundregel 1: Wasser als Hauptgetränk verwenden

Kinder sollten von Beginn an daran gewöhnt werden, ihren Durst nur mit Wasser zu löschen. Dabei ist es gleich, ob das Wasser Kohlensäure enthält oder nicht. Diese Regel ist insofern die wichtigste der 5 Regeln, da die Rolle der Getränke oft unterschätzt wird.

 

Brauchen Patienten mehr Informationen, kann ich auch darüber aufklären, dass Säfte und Saftschorlen, insbesondere aber Eistee, isotonische Durstlöscher und Cola Säure enthalten und daher den Zahnschmelz angreifen. Es ist also wichtig, dass Kinder nur Wasser (und zum Frühstück Milch) trinken - vor allem, wenn sie noch klein sind und der alleinigen Kontrolle der Eltern unterliegen. Auf den Geschmack der zahnschädlichen Getränke kommen Kinder von allein, wenn der Einfluss von Gleichaltrigen größer wird.

 

Schlimm finde ich, wenn ein Kind in den Kindergarten kommt und die Eltern sagen: „Mein Kind trinkt nur Apfelschorle“. Wasser ist der natürlichste Durstlöscher, an den sich Kinder gut gewöhnen können, wenn man ihnen nicht schon im Kleinkindalter Alternativen anbietet. Süße Getränke - auch dies kann man den Eltern vermitteln - sind Genussmittel, die man in bestimmten Situationen erlauben darf. Diese Ausnahmen sollten die Eltern festlegen.

 

PRAXISHINWEIS | Kohlensäure ist sehr unbeständig und zerfällt sofort in Kohlendioxid und Wasser, wodurch der gewünschte Sprudeleffekt entsteht. Daher kann Kohlensäure als unschädlich für den Zahnschmelz angesehen werden.

 

Grundregel 2: Pausen zwischen den Mahlzeiten einlegen

Für Zähne ist Essen dann gefährlich, wenn es häufig verzehrt wird. Das Essen sollte sich daher auf drei Hauptmahlzeiten am Tag beschränken - ggf. um zwei Zwischenmahlzeiten ergänzt, sodass es fünf Mahlzeiten am Tag gibt.

 

Wollen Eltern mehr wissen, kann man die Turku-Studie erläutern: Sie wies nach, dass viele kleine Zuckerimpulse am Tag eher zu Karies führen als wenn einmal am Tag einen große Menge zuckerhaltiger Lebensmittel gegessen wird. Für (natur-)wissenschaftlich orientierte Eltern hilft der Verweis auf die bekannte Kaugummiwerbung, wonach nach dem Essen der pH-Wert im Mund abfällt und die Zähne somit Säureangriffen ausgesetzt sind.

 

Kinder brauchen oft das Essen zum Beziehungsaufbau. Manchmal spielen sie in ihrem Zimmer und tauchen plötzlich mit den Worten auf: „Ich habe Hunger!“ Doch haben sie wirklich Hunger oder wissen sie vielmehr, dass sich Mama oder Papa um sie kümmert, wenn sie ein Hungergefühl anmelden? Im Sinne der Kariesvermeidung sollten Eltern jetzt stark sein und dem Kind erklären, wann es die nächste Mahlzeit gibt. Sind sie dabei konsequent, lernen die Kinder auf diese Weise auch, sich bei den Hauptmahlzeiten satt zu essen.

 

PRAXISHINWEIS | Auf Spielplätzen halten Eltern häufig Tupperdosen mit Bananen- oder Apfelstücken für die Kinder bereit. Diese können nach Belieben ihr Spiel unterbrechen und sich bedienen. Besser ist es, die Kinder gehen gesättigt zum Spielplatz und essen dort nichts mehr. Falls dagegen eine Picknickpause auf dem Spielplatz gewünscht ist, sollte währenddessen das gesamte mitgebrachte Essen auf einmal verzehrt werden.

 

Grundregel 3: Zähne putzen

Das Thema „Zähneputzen“ ist sehr umfangreich und sollte daher nur kurz angeschnitten werden. Eltern sind hierüber meist gut informiert, was sicherlich auch mit dem genannten Irrglauben zusammenhängt, Ernährungsdefizite könnten problemlos durch gutes Zähneputzen ausgleichen werden.

 

Wichtig ist vor allem der Hinweis, dass Eltern bei ihren Kindern die Zähne solange nachputzen müssen, bis diese flüssig schreiben können - also in der Regel bis zum dritten Schuljahr, da Kinder erst dann ihre Feinmotorik entsprechend entwickelt haben.

 

Aufklärungsbedarf besteht oft beim Thema Zahnpasta. Kinder unter sechs Jahren brauchen Zahnpasta mit 500 ppm Fluorid. Ältere Kinder können zwischen Junior- und Erwachsenenzahnpasta wählen; beide haben etwa 1.400 ppm Fluorid, wobei die Juniorzahnpasta kindgerechter schmeckt. Bei ganz kleinen Kindern sollten die Zähne bereits ab dem Durchbruch des ersten Zahnes geputzt werden. Zahnpasta ist jedoch erst ab dem Alter von einem Jahr einmal täglich in Form einer erbsengroßen Menge fluoridhaltiger Kinderzahnpasta zu verwenden. Ab zwei Jahren sollte zweimal täglich mit jeweils einer erbsengroßen Menge fluoridhaltiger Zahnpasta geputzt werden.

Grundregel 4: Fluoridgebrauch

Kinder unter sechs Jahren nehmen Fluorid durch fluoridhaltige Kinderzahnpasta und durch fluoridiertes Salz auf - nicht jedoch durch Fluoridtabletten, die kariesprophylaktisch nahezu wirkungslos sind. Kinder ab sechs Jahren, Jugendliche und Erwachsene nehmen Fluorid mit der Zahnpasta, mit fluoridiertem Salz, der einmaligen wöchentlichen Verwendung eines Fluoridgels und bei der Fluoridierung im Rahmen der zahnärztlichen Prophylaxe auf.

 

PRAXISHINWEIS | Wollen Sie fruchtlose Diskussionen mit Fluoridgegnern und Fluoridskeptikern vermeiden, können Sie diesen erläutern, dass man selbstverständlich auf Fluorid verzichten könne. Allerdings muss man dann viel konsequenter auf die Ernährung achten, wenn Karies vermieden werden soll.

 

Grundregel 5: Regelmäßiger Zahnarztbesuch

Bei der Beratung zum Zahnarztbesuch muss der Schwerpunkt vom Alter des Patienten abhängig gemacht werden: Bei Kindern unter zwei Jahren ist die Aufklärung der Eltern das Wichtigste, bei den Zwei- bis Fünfjährigen stehen die Gewöhnung an den Zahnarztbesuch und die Früherkennung im Vordergrund. Bei Kindern ab sechs Jahren, Jugendlichen und Erwachsenen steht über der Früherkennung noch die Vorbeugung, bei den Minderjährigen in Form der Individualprophylaxe, bei den Erwachsenen durch die PZR.

... und was ist mit Zucker?

Mancher vermisst vielleicht eine Regel zur Zuckervermeidung. Einen solchen Hinweis fände ich zu moralisierend. Dass Zucker den Zähnen schadet, ist nicht nur bekannt, es will auch keiner hören, weil das Thema mit einem schlechtem Gewissen verbunden ist. Daher verstecke ich das Thema in den Regeln „Wasser als Hauptgetränk“ und „Pausen zwischen den Mahlzeiten“. Und ich gebe lieber Tipps zum Umgang mit Zucker als ihn zu „verbieten“.

 

Man kann z. B. erläutern, dass für zuckerhaltige Lebensmittel die Regel „Pausen zwischen den Mahlzeiten“ besonders wichtig ist. Wie die Turku-Studie gezeigt hat, ist der Verzehr einer ganzen Tafel Schokolade weniger zahnschädlich als das häufige Naschen einzelner Stücke. Gleiches gilt auch für salzige Knabbereien wie Kartoffelchips, da sie aufgrund der durch den Verarbeitungsprozess degenerierten Stärke ebenfalls zahnschädlich sind.

 

FAZIT | Mit diesen „5 Grundregeln“ kann man Patienten alle wichtigen Aspekte der Kariesvermeidung näherbringen. Dabei kann zu jeder Regel ein einzelner Punkt herausgegriffen werden, der einem wichtig erscheint - wissbegierige Eltern und Patienten können aber durchaus ausführlicher beraten werden. In meiner Praxis habe ich die „5 Grundregeln“ mit kurzen Erläuterungen und mit Bildern auf DIN-A-5-Karten gedruckt - nach der Beratung gebe ich diese den Eltern mit. Meine Überzeugung: Mit dieser übersichtlichen Gedächtnisstütze erreicht man mehr als mit einer ausführlichen Broschüre, die sowieso keiner liest.

 
Quelle: Ausgabe 06 / 2016 | Seite 16 | ID 44085257