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· Fachbeitrag · Patientenkommunikation

Professionelles Beschwerdemanagement in der Zahnarztpraxis trägt zur Patientenbindung bei

von Christine Rieder, Praxis Erfolgstraining®, Starnberg

| Die gute Nachricht zuerst: Die Patientenbeschwerde ist noch nicht der Supergau ... auch wenn man sie als unangenehm empfindet! Solange der Patient mit seinem Anliegen noch auf Sie zukommt und mit Ihnen über seine Wünsche spricht - sei es auch in einer emotional aufgebrachten Art und Weise wie bei einer Beschwerde -, besteht für Sie und Ihr Praxisteam die Möglichkeit, dass Sie mit dem Patienten eine gemeinsam tragbare Lösung besprechen bzw. entwickeln. Die Voraussetzung ist allerdings, dass Sie die kommunikativen und psychologischen Gesetzmäßigkeiten dieser Sondersituation kennen und sie optimieren wollen. |

Die Praxis verliert mehr als nur einen Patienten ...

Der Supergau für Ihre Praxis ist folgender: Ihr Patient hat eine Beschwerde und wechselt die Praxis! Dieser Patient vergisst keineswegs seine Probleme - im Gegenteil: Er spricht darüber in seiner Familie, seiner Verwandtschaft und in seinem Freundeskreis mit der Aufmerksamkeit bindenden Einleitung: „Stell’ Dir vor, was mir bei Doktor ... passiert ist!“ Und so verliert die Praxis nicht nur diesen Patienten, sondern unter Umständen dessen Familie, Verwandtschaft und Freunde. Im schlimmsten Fall breitet er seine negativen Erfahrungen zusätzlich noch im Internet aus. Daher lohnt es sich, diese Situation ernst zu nehmen und sich systematisch darauf vorzubereiten, damit man im Ernstfall professionell reagieren kann.

 

© Light Impression (Fotolia.com)

Möglichkeiten zur Vermeidung von Patientenbeschwerden

Im Zusammenhang mit dem erfolgreichen Beschwerdemanagement einer Praxis lauten die beiden zentralen Fragen: Wie kann eine Beschwerde im Vorfeld vermieden werden? Wie verhält man sich in einem Beschwerdefall professionell? (siehe hierzu auch „Check-up zur inneren Einstellung“ im Download-Bereich von ppz.iww.de unter der Rubrik „Checklisten“). Eine erfolgreiche Kommunikation mit dem Patienten als Kunden kann nur aus der inneren Haltung gelingen, wenn sich der Zahnarzt und sein Team menschlich mit ihm auf Augenhöhe empfinden. Dabei läuft die Kommunikation immer sowohl auf einer fachlichen als auch auf einer emotionalen Ebene ab, wobei die emotionale Ebene weitaus wichtiger ist. Zur systematischen Vermeidung von Beschwerden im Vorfeld ist daher die optimale emotionale Gestaltung - begleitet von einer guten fachlichen Ebene - entscheidend.

 

Der Aufbau einer positiven emotionalen Gesprächsebene

Folgende Aspekte aus Sicht von Patient und Praxisteam sollten Sie beachten:

 

  • Patient

Hat der Patient eine bequeme Sitzposition und fühlt er sich wohl?

Sieht er auf die Erklärungshilfen oder auf den Bildschirm?

Schnelleres Verstehen der Sachlage durch Einsatz von visuellen Hilfsmitteln

Hat er innerhalb des Behandlungszimmers seinen eigenen „Intimbereich“ für die Ablage seiner persönlichen Sachen wie Tasche, Handy, Brille, Jacke etc.?

 

  • Praxisteam

Gespräche ohne Mundschutz führen

Eine zugewandte, offene und positive Sitz- und Körperhaltung, Gestik, Mimik, Freundlichkeit und Geduld ausstrahlen

Den Patienten als Menschen mit seinem Anliegen ernst nehmen

Sich auf positive Aspekte konzentrieren und so Sympathie aufbauen

Sprechen Sie deutlich, ruhig und langsam (auch unter Zeitdruck)

 

Hinweis | Führen Sie keine Aufklärungsgespräche zur Behandlung bzw. zu Behandlungsunterlagen, wenn der Patient auf dem Behandlungsstuhl sitzt, denn hier ist er automatisch angespannt und in einem eher negativen Gefühlszustand. Führen Sie daher wichtige Gespräche immer an einem separaten Tisch mit bequemen Stühlen, guten Erklärungshilfen sowie mit einem Bildschirm zur Erläuterung von Röntgenbildern. Führen Sie ihn möglichst zu einer Entscheidung und geben ihm Unterlagen zum Selbststudium mit.

 

Der Aufbau einer positiven fachlichen Gesprächsebene

Für eine positive fachliche Gesprächsebene sind folgende Aspekte wichtig:

 

  • Voraussetzungen für ein positives fachliches Gespräch

Fachbegriffe vermeiden und die Inhalte in patientenorientierter Sprache vermitteln (sprechen Sie zum Beispiel von „Nerv“ und nicht von „Pulpa“)

Vorab genau auf Patientenwünsche eingehen - was ist ihm zum Beispiel beim Implantat wichtig? Funktion? Ästhetik? Kosten? Gesundheitliche Aspekte? Zeit?

Das Behandlungskonzept auf die Patientenwünsche abstimmen (Produkt, Vorgehen, Verlauf etc.)

Optisch ansprechende Erklärungshilfen verwenden wie kurze Filme zeigen, Schaumodelle, Broschüren, Bildmaterial einsetzen

Aufklärungsgespräche in zwei Stufen durchführen: zunächst Unterlagen erklären und zum Selbststudium für Zuhause mitgeben. Bei einem zweiten Termin alle Fragen besprechen sowie Risiken erklären

Das Behandlungsziel und den Patientennutzen herausstellen

Aktive Hilfe und Unterstützung bei Kostenabwicklung anbieten

Die Behandlung erst beginnen, wenn für den Patienten der genaue Eigenanteil klar ist und die Zahlungsabwicklung geklärt ist

Kosten außerhalb des Kostenplans nach Möglichkeit vermeiden oder zumindest im Vorfeld als Option erwähnen

 

Die Patientenbefragung zur Vermeidung von Beschwerden

Ein zusätzliches unterstützendes Vermeidungsinstrument für Beschwerden ist die regelmäßige Patientenbefragung. Diese sollte mit detaillierten Fragen den genauen Patientenblickwinkel ermitteln. Dabei sind Fragen zu folgenden Praxisbereichen empfehlenswert:

 

  • Praxisteam (Organisation, Freundlichkeit, Umgang am Telefon etc.)
  • Behandlung (Anamnese, Durchführung, Aufklärung, Ergebnis, Erklärungen und Einsatz von Informationsmitteln etc.)
  • Behandler (Aufklärung, Behandlung, Ergebnisse, Freundlichkeits- und Verständnisfaktor etc.)
  • Praxisgestaltung (Wohlfühlfaktor, Farben, Ambiente etc.)
  • Service (Anfahrt, Parkplätze, Informationen vorher und nachher, Bewirtung etc.)
  • Anregungen aus Patientensicht anbieten
  • Gesamtbewertung und Bereitschaft zur Weiterempfehlung abfragen
  • Besuch der Homepage

 

Die Patientenbefragung sollte mit der Rechnung am Ende der Behandlung an den Patienten mit einem neutralen Umschlag zum Rückversand zugestellt werden. Eine Patientenbefragung ermittelt dabei den Grad der Patientenbindung und liefert frühzeitig gezielte Ansatzpunkte für das Verhindern aufkommender Unzufriedenheiten von Patienten, die sich bis zu einer Beschwerde entwickeln können. Führen Sie solche Befragungen möglichst regelmäßig durch.

Professionelles Vorgehen, wenn sich der Patient beschwert

Die Kommunikation läuft auf zwei Ebenen ab: auf der fachlichen und auf der emotionalen Ebene, wobei in der Beschwerdesituation die Beachtung der emotionalen Ebene weitaus wichtiger ist. Es gilt dabei, die Emotionen des Patienten wahrzunehmen, aber nicht selbst anzunehmen! Der Zahnarzt oder die betroffene Mitarbeiterin sollte sich positiv mental und emotional von der auf sie zukommenden negativen Emotion abgrenzen und sich mit freundlicher Bestimmtheit gezielt nachfragend auf die inhaltliche Klärung der Unzufriedenheit konzentrieren.

 

Ein professionelles Verhalten beinhaltet Verständnis und Lösungswillen, was im konkreten Fall, wenn ein aufgebrachter Patient vor einem steht, eine große Herausforderung darstellt. Dem Zahnarzt gegenüber ist der Patient häufig entgegenkommender und ruhiger als bei der Mitarbeiterin. Ein professionelles Verhalten im Beschwerdefall zeichnet sich durch die folgenden Vorgehensweisen aus:

 

  • Emotional neutrale Analyse der Beschwerdesituation vor allem mithilfe von W-Fragen
  • Bewusste emotionale Zuwendung statt „Flucht und Vermeidung“
  • Sich auf das Positive konzentrieren
  • Zeigen von Lösungsorientierung mit aktiver Einbindung der Lösungsvorstellung des Patienten und dem Ziel eines „Win-Win-Ergebnisses“
  • Zeitnahe Lösung des Problems
  • Gezielte Steuerung der eigenen Gefühle - Emotionsmanagement

 

Wer diese Grundsätze beherzigt, wird den Erwartungen des Patienten gerecht, die darin liegen, dass auf die Beschwerde tatsächlich eingegangen und das Problem gemeinsam gelöst wird. Der Patient sollte das Ergebnis des Gesprächs als positiv empfinden.

Die zehn Verhaltenskiller bei Beschwerden

Berufliche Wirkungs- und Verhaltensziele, die auf die Praxisziele und Praxiskultur abgestimmt sind, bilden die professionelle Verhaltensbasis für den Zahnarzt und sein Praxisteam. Wer die folgenden zehn schlimmsten Verhaltenskiller vermeidet, hat gute Chancen, professionell auf eine Beschwerde zu reagieren. Sie lauten:

 

  • Verhaltenskiller bei Beschwerden

1.

Den Patienten mit den Sätzen beschwichtigen „Jetzt regen Sie sich doch nicht so auf!“ oder „Jetzt beruhigen Sie sich doch!“ Aussagen dieser Art machen ihn noch wütender, denn er empfindet seine Aufregung als berechtigt

2.

Den eigenen Tonfall dem Tonfall des sich Beschwerenden anpassen - also aggressiv, laut oder wütend reagieren

3.

Dem Patienten ins Wort fallen

4.

Die Suche nach dem Schuldigen, verbunden mit einer langen Rechtfertigungsarie

5.

Den anderen von „oben herab“ zurechtweisen

6.

Die Beschwerde nicht ernst nehmen

7.

Eine Beschwerde, die an den Zahnarzt gerichtet war, von einer Mitarbeiterin beantworten lassen

8.

Einen überfreundlichen Tonfall anschlagen und dem Gegenüber das Gefühl geben, dass man sich über ihn lustig macht

9.

Die Verantwortung für den Fehler auf Dritte schieben (zum Beispiel auf das Labor)

10.

Getroffene Vereinbarungen nicht ganz genau einhalten und dem Patienten kein Feedback geben

Quelle: Ausgabe 02 / 2013 | Seite 2 | ID 37650770