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· Patientenkommunikation

Patientenansprache ‒ Modalverben sparsam verwenden!

Bild: ©Clkr-Free-Vektor-Images - pixabay.com

von Ute Thelen, Fachwirtin für Zahnärztliches Praxismanagement und Betriebswirtin im Gesundheitswesen, Sassenberg

| Kürzlich hatte ich einen Termin in einer Facharztpraxis. Während dieses Termins fielen Sätze wie: „Sie dürfen noch einen Moment im Wartezimmer Platz nehmen!“ Auf dem Nachhauseweg wurde mir bewusst, dass mich diese Formulierung ‒ und auch weitere ‒ gestört haben. Aber was war es? Ich bin der Sache auf den Grund gegangen und schließlich darauf gekommen: Es war die Art und Weise des Umgangs mit den sogenannten „Modalverben“. Wie man es besser machen kann und was es mit den Modalverben auf sich hat, möchte ich am Beispiel meines Facharzttermins aufzeigen. |

 

Die Kommunikation während meines Facharzttermins

Die Mitarbeiterin der Facharztpraxis hatte mich 15 Minuten vor dem eigentlichen Termin einbestellt, damit genügend Zeit zum Ausfüllen der Anamnese und der Formulare zum Datenschutz blieb. Das war bis hierhin alles sehr professionell und ich fühlte mich gut aufgehoben. Die Mitarbeiterin sagte dann ‒ wie eingangs erwähnt ‒ zu mir: „Sie dürfen noch einen Moment im Wartezimmer Platz nehmen!“

 

Etwas später kam die Auszubildende Michaela ins Wartezimmer und rief mich namentlich auf. Sie sagte im Behandlungsraum: „Sie dürfen schon mal dort auf dem blauen Stuhl Platz nehmen.“ Dann hörte ich eine andere Mitarbeiterin zur Auszubildenden sagen: „Wir müssten mal wieder das Labor aufräumen!“ Nach meiner Behandlung wartete ich an der Rezeption auf mein Rezept und hörte die Mitarbeiterin am Telefon sagen: „Da muss ich mal in ihrer Karteikarte nachschauen.“ Dann rief die gleiche Mitarbeiterin in die Praxis hinein: „Kann mir mal einer helfen?“

 

Als ich im Auto nach Hause fuhr, sind mir diese Sätze nicht aus dem Kopf gegangen und ich habe mich gefragt? Was empfinde ich oder die Mitarbeiterin als der Empfänger dieser Botschaft? Warum ist das so negativ belastet? Und nun kommen die Modalverben ins Spiel ...

Die sechs Modalverben

In Wikipedia heißt es zu den Modalverben: „Im Deutschen werden gewöhnlich die sechs Verben dürfen, können, mögen, müssen, sollen und wollen als Modalverben aufgeführt. (Müssen, sollen, wollen bezeichnen Notwendigkeiten verschiedener Art und dürfen, können, mögen Möglichkeiten verschiedener Art).“

 

Modalverben verändern den Inhalt eines Vollverbs. Sie modifizieren das Vollverb und ändern den Inhalt einer Aussage. So ist es z. B. ein Unterschied, ob jemand etwas tun muss oder darf.

 

Modalverben können in Einzelfällen auch als Vollverb benutzt werden bzw. dieses ersetzen. Voraussetzung ist eine eindeutige Identifizierung der Situation. Beispiel: „Ich muss jetzt nach Hause (gehen/fahren).“ Das Vollverb „gehen“ bzw. „fahren“ kann hier entfallen.

In diesen Situationen werden Modalverben genutzt

Das Modalverb „dürfen“ benutzt man in folgenden Situationen:

  • jemandem eine Erlaubnis erteilen
  • ein Verbot aussprechen / jemandem etwas verbieten (dürfen + Verneinung)
  • Vermutung (etwas vermuten / etwas glauben) dürfte

 

Das Modalverb „können“ benutzt man in folgenden Situationen:

  • jemandem eine Erlaubnis erteilen (auch mit dürfen)
  • eine Fähigkeit haben (etwas gelernt haben)
  • eine Möglichkeit haben
  • eine Schlussfolgerung aus etwas ziehen
  • Unfähigkeit + Verneinung
  • eine Unmöglichkeit ausdrücken + Verneinung
  • eine Vermutung ausdrücken/hypothetische Möglichkeit/etwas glauben/könnte

 

Das Modalverb „mögen“ benutzt man in folgenden Situationen:

  • eine Ablehnung äußern (mögen + Verneinung, oft ohne zweites Vollverb)
  • einen Gefallen bekunden (meist ohne zweites Vollverb)
  • eine Unlust haben / keine Lust haben zu etwas (mögen + Verneinung)
  • einen Wunsch äußern, eine höfliche Bitte formulieren /möchte

 

Das Modalverb „müssen“ benutzt man in folgenden Situationen:

  • einen Befehl äußern
  • etwas nicht müssen (= Negation + Infinitiv)
  • eine Notwendigkeit
  • Schlussfolgerung

 

Das Modalverb „sollen“ benutzt man in folgenden Situationen:

  • einen Auftrag weitergeben
  • einen Befehl äußern
  • ein Gerücht hören/verbreiten
  • ein Gebot/Gesetz einhalten
  • einen Zweck verfolgen

 

Das Modalverb „wollen“ benutzt man in folgenden Situationen:

  • sich weigern, etwas zu machen (wollen + Negation)
  • einen Willen/Wunsch äußern

In der Praxis sparsam mit Modalverben umgehen

Doch nun zurück zu dem Beispiel meines Facharzttermins und den dort gewählten Formulierungen:

 

  • Beispiele: Unglückliche Verwendung von „dürfen“
  • Die Mitarbeiterin sagte dann zu mir: „Sie dürfen noch einen Moment im Wartezimmer Platz nehmen!t“
  • Die Auszubildende kam ins Wartezimmer und rief mich namentlich auf. Sie sagte im Behandlungsraum: „Sie dürfen schon mal dort auf dem blauen Stuhl Platz nehmen.“
 

 

Das ist sehr freundlich von der Mitarbeiterin und von der Auszubildenden, dass ich noch Platz nehmen darf. Sie erteilt mir dazu ihre Erlaubnis. Das hört sich für den Empfänger etwas herablassend an. Besser wären die beiden Aussagen ohne das Modalverb. „Bitte nehmen Sie im Wartezimmer / auf dem blauen Stuhl Platz.“

 

PRAXISTIPP | Wenn Sie die Patienten ins Wartezimmer bitten, lassen Sie den Zeitfaktor wie „einen Moment“, „kurz“ oder ähnliche Wartezeitbeschreibungen weg. Wenn Sie im Vorfeld bereits wissen, dass der Patient mindestens 20 Minuten warten muss, dann sagen Sie es offen und ehrlich, denn dann hat der Patient die Chance, die Zeit sinnvoll zu nutzen.

 

 

  • Beispiel: Unglückliche Verwendung von „muss“
  • Nach meiner Behandlung wartete ich an der Rezeption auf mein Rezept und hörte die Mitarbeiterin am Telefon sagen: „Da muss ich mal in ihrer Karteikarte nachschauen.“
 

Durch das Modalverb „muss“ hört sich die Aussage der Mitarbeiterin so an, als würde der Anrufer die Mitarbeiterin stören. Hätte die Mitarbeiterin lediglich gesagt „Ich schaue mal in Ihrer Karteikarte nach“, kann dieser Eindruck nicht entstehen und die Kommunikation mit dem Patienten gewinnt.

 

  • Beispiele: Unglückliche Verwendung von „müssten“ und „kann“
  • Dann hörte ich eine andere Mitarbeiterin zur Auszubildenden sagen: „Wir müssten mal wieder das Labor aufräumen!“
  • Dann rief die gleiche Mitarbeiterin in die Praxis hinein: „Kann mir mal einer helfen?“
 

Auch hier ist die Kommunikation nicht gut gewählt. Zum einen fühlt sich niemand durch die Aussagen direkt angesprochen. Zum anderen führen die Modalverben zu einer negativen Stimmung. Besser wären z. B. folgende Formulierungen gewesen:

 

  • „Michaela, bitte räume nachher das Labor auf!“
  • „Michaela, kannst Du mich bitte unterstützen?“

 

FAZIT | Wir haben dieses Thema in einer Teambesprechung aufgegriffen und versuchen, es umzusetzen. Vor allem ist der Alltag durch direkt ausgesprochene Wünsche viel freundlicher geworden.

 
Quelle: Ausgabe 10 / 2020 | Seite 5 | ID 46379886