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· Fachbeitrag · Endodontie

Wann sind Wurzelbehandlungen als Kassenleistungen berechenbar?

| FRAGE: Immer wieder führen die Wurzelbehandlungen zu Diskussionen, ob die Leistungen über die Krankenkasse abgerechnet werden dürfen oder ob die Leistungen privat zu vereinbaren sind. Haben Sie Tipps für uns, was zu beachten ist?“ PPZ-Autorin Ute Thelen aus Sassenberg beantwortet diese Frage. |

 

Antwort: Zunächst sollten Sie unbedingt einen Blick in die „Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche vertragszahnärztliche Versorgung“ ‒ kurz „Behandlungsrichtlinie“ ‒ werfen. Darin werden alle Behandlungen, die über die gesetzlichen Krankenkassen abzurechnen sind, beschrieben.

 

Abschnitt B III Nr. 9 befasst sich mit den Wurzelbehandlungen und trifft auch Aussagen dazu, welche Kriterien erfüllt sein müssen, damit das Wirtschaftlichkeitsgebot eingehalten wird und eine Abrechnung zulasten der GKV zulässig ist. Insbesondere ist gemäß Nr. 9.1 zu beachten:

 

  • Der Wurzelkanal muss bis bzw. bis nahe an die Wurzelspitze aufbereitbar und abfüllbar sein.
  • Medikamentöse Einlagen sind auf drei Sitzungen eingeschränkt.
  • Das Wurzelfüllmaterial soll biologisch verträglich, erprobt, dauerhaft, randständig und röntgensichtbar sein.
  • Die Wurzelfüllung das Kanallumen vollständig ausfüllen.
  • Röntgenaufnahmen im Rahmen der medizinischen Notwendigkeit sind als Begleitleistung abrechenbar.

 

Wurzelkanalbehandlungen an Molaren sind in der Abrechenbarkeit über die gesetzliche Krankenkasse eingeschränkt. Zu den oben genannten kommen als weitere Kriterien (Abschnitt B III Nr. 9 S. 2) hinzu, dass eine solche Behandlung „in der Regel“ angezeigt ist, wenn

  • damit eine geschlossene Zahnreihe erhalten werden kann,
  • eine einseitige Freiendsituation vermieden wird,
  • funktionstüchtiger Zahnersatz erhalten wird.

 

Bei diesen Bestimmungen bestehen wegen der Formulierung „in der Regel“ große Interpretationsmöglichkeiten. So sieht auch die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV) die „Regelbeispiele“ als nicht abschließend. Zitat:

 

  • KZBV-Auffassung

„Im Einzelfall können auch andere Gründe für eine Erhaltungswürdigkeit sprechen. Darüber hinaus gilt für jede Wurzelbehandlung, dass die Krankenkassen Therapieversuche mit unklaren Erfolgsaussichten nicht bezahlen. Auch für die Anwendung spezieller Behandlungstechniken kommen sie in der Regel nicht auf. Übernimmt die Krankenkasse die Kosten für eine Wurzelbehandlung nicht, besteht die Möglichkeit, die Behandlung als private Leistung durchführen zu lassen.“

 

Zudem äußern sich die KZBV sowie der GKV-Spitzenverband zum Interpretationsspielraum zur Erhaltungswürdigkeit von Zähnen in einer Gemeinsamen Erklärung wie folgt:

 

  • Gemeinsame Erklärung von KZBV und GKV-Spitzenverband (Auszug)

„... Somit ist auch bei Molaren zu prüfen, ob neben den Regelbeispielen andere Gründe für die Erhaltungswürdigkeit dieser Zähne und damit für die Durchführung von endodontischen Maßnahmen sprechen. Liegen diese Gründe nicht vor und ist der Zahn nicht erhaltungswürdig, so ist die Entfernung des Zahnes angezeigt. Eine andere Behandlung von nicht erhaltungswürdigen Zähnen ist kein Bestandteil der vertragszahnärztlichen Versorgung.

 

Bei der Wurzelkanalbehandlung von Molaren werden zudem diese Kriterien konkretisiert, bei denen in der Regel eine Erhaltungswürdigkeit anzunehmen ist. Es handelt sich dabei um Regelbeispiele, die nicht abschließend sind. Weitere Voraussetzungen werden unter 9.1 genannt. Diese Einschränkungen werden durch die Regelbeispiele unter 9. in Satz 2 lediglich beispielhaft illustriert.“

 

Letztendlich liegt die Entscheidung, ob ein Zahn erhaltungswürdig ist oder nicht, beim Zahnarzt, der den Befund, die Situation im Gegenkiefer, im gesamten Kiefer, das Alter und die bestehende und geplante prothetische Situation miteinbeziehen muss. Deshalb ist eine gute Dokumentation ‒ auch Röntgendokumentation ‒ notwendig, um bei einer eventuellen Prüfung durch die KZV gut vorbereitet zu sein.

 

Beispiele zur Einordnung von Wurzelbehandlungen als Kassenleistungen

Es folgen einige Beispiele zur Einordnung von Wurzelbehandlungen als Kassen- oder Privatleistung.

 

  • Beispiel 1 ‒ der Befund

B

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B

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B

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k

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b

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k

k

k

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B

 

Bei diesem Befund wären Wurzelbehandlungen (WB) an folgenden Zähnen Kassenleistungen:

 

  • an 16, 17, 26 oder 27 ‒ zum Erhalt einer geschlossenen Zahnreihe,
  • an 44, 47, 35, 36 oder 37 ‒ zum Erhalt des funktionstüchtigen Zahnersatzes
  • oder an Zahn 47 ‒ auch zur Vermeidung einer einseitigen Freiendsituation.

 

  • Beispiel 2 ‒ der Befund

B

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f

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B

18

17

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B

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B

 

Bei diesem Befund wäre eine Wurzelbehandlung an dem Zahn 16 keine Vertragsleistung, da bereits mesial von 16 ein Zahn (14) fehlt ‒ daher ist keine geschlossene Zahnreihe mehr vorhanden. Auch eine Wurzelbehandlung an Zahn 47 wäre keine Vertragsleistung, da kontralateral (Zähne 37 und 38 fehlen) bereits eine Freiendsituation besteht.

 

Eine Behandlung an Zahn 17 wäre dagegen eine Kassenleistung. Es ist zwar keine geschlossene Zahnreihe vorhanden, es könnte aber die einseitige Freiendsituation vermieden werden.

 

  • Beispiel 3 ‒ der Befund

B

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B

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f

B

 

Bei diesem Befund wäre eine Wurzelbehandlung

  • an Zahn 47 eine Vertragsleistung, um eine einseitige Freiendsituation zu vermeiden, obwohl hier keine geschlossene Zahnreihe vorliegt,
  • an Zahn 37 keine Vertragsleistung, da der Zahn keinen Antagonisten hat.

 

Privatvereinbarungen für Wurzelkanalbehandlungen

Alle Wurzelkanalbehandlungen, die nicht zulasten der Krankenkasse abgerechnet werden dürfen, da die geforderten Kriterien nicht erfüllt werden können, können mit dem Patienten komplett privat vereinbart werden. Das gilt natürlich nur, wenn der Zahnarzt eine Möglichkeit sieht, den Zahn durch eine Wurzelbehandlung zu erhalten.

 

Bei einer röntgenologisch erkennbaren insuffizienten Wurzelfüllung darf eine Revision bei den genannten Voraussetzungen zulasten der gesetzlichen Krankenkassen abgerechnet werden. In den Fällen, in denen ein Zahn einen apikalen Prozess aufweist oder die geforderten Kriterien nicht erfüllt werden können, sind Revisionen keine Kassenleistungen. Auch hier kann bei einer guten Prognose für den Zahn die Wurzelbehandlung komplett privat vereinbart werden.

 

PRAXISTIPP | Aber Vorsicht! Patienten gehen erfahrungsgemäß mit dem Heil- und Kostenplan über eine Wurzelbehandlung zu ihrer Krankenkasse und fragen, warum sie die Leistungen privat bezahlen sollen. Oft sagt der Mitarbeiter der Krankenkasse, dass diese Behandlung selbstverständlich von der Kasse übernommen wird. Geben Sie dem Patienten das Formular „Verbindliche Erklärung der Krankenkasse“ mit und lassen Sie sich diese Aussage schriftlich durch den Krankenkassenmitarbeiter bestätigen.

 

Wichtig ist, dass die Privatvereinbarung entsprechend § 8 Abs. 7 BMV-Z korrekt mit dem GKV-Patienten getroffen wird. Dazu gehört auch, dem Patienten die Leistungen des dazugehörigen Heil- und Kostenplanes zu erklären und dass ihm klar wird, dass er damit für diese Behandlung zum Privatpatienten wird.

 

Weiterführender Hinweis

  • Das Formular für die „Verbindliche Erklärung der Krankenkasse“ finden Sie auf iww.de/ppz unter „Downloads ‒> Musterschreiben und -verträge“.
Quelle: Ausgabe 11 / 2019 | Seite 15 | ID 46200878