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· Gesetzentwurf

Kreislauf- statt Wegwerf-Wirtschaft: Das kommt auf Handel und Handwerk zu

Mülltrennung und verbessertes Recycling sollen per Gesetz verbessert werden. Auch eine höhere Reparaturquote ist ein Ziel. Ob das wirklich realisierbar ist?
Bild: © Image'in - stock.adobe.com

| Die Bundesregierung hat den Gesetzentwurf des Bundesumweltministeriums (BMU) zur Umsetzung der Abfallrahmenrichtlinie der EU verabschiedet. Die Anpassungen, die überwiegend im Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG) vorgenommen werden sollen, zielen darauf ab, Müll zu vermeiden. Dazu sollen zurückgesandte Waren aus dem Onlinehandel nicht mehr ohne Weiteres vernichtet werden, das Recycling soll angekurbelt und die Nutzung von Waren durch eine Förderung von Reparaturen verlängert werden. Das hat weitreichende Auswirkungen insbesondere auf den Handel, aber auch auf das Handwerk. |

Eckpunkte des Gesetzentwurfs

Der verabschiedete Gesetzentwurf behandelt auf 87 Seiten diverse Aspekte zur Müllvermeidung. Damit sagt die Bundesregierung der „Wegwerfmentalität“ den Kampf an und nimmt Einwegprodukte wie To-Go-Becher oder Zigaretten, die Vernichtung zum Teil neuwertiger, funktionstüchtiger Waren sowie die Stärkung des Recyclings ins Visier.

 

  • Geplante Neuregelungen im KrKWG
  • Retouren-Vernichtung verhindern: Vorgesehen ist eine Obhutspflicht, nach der Händler beim Vertrieb sowie bei Artikel-Rückgaben dafür zu sorgen haben, dass die Erzeugnisse weiterhin genutzt werden können und nicht im Müll landen. Das Gesetz erweitert den Umfang der Produktverantwortung, die Produzenten und Händler für die von ihnen hergestellten und vertriebenen Erzeugnisse tragen. Eine Verordnung soll diese Grundpflicht konkretisieren.
  • Vorrang für Recycling-Produkte im öffentlichen Sektor: Bundesinstitutionen werden verpflichtet, ökologisch vorteilhafte Erzeugnisse im Rahmen der öffentlichen Beschaffung zu bevorzugen. Bisher bestand lediglich eine Prüfpflicht.
  • Beteiligung an Reinigungskosten: Kosten für die Müll-Beseitigung (z. B. durch To-Go-Becher oder Zigaretten) sollen künftig auch diejenigen tragen, die Einwegprodukte herstellen oder vertreiben.
  • Strengere Vorgaben für Recycling: Für Abfälle, insbesondere Papier, Metall, Kunststoff und Glas, aber auch von Hausmüll, sollen die Vorgaben für deren Wiederverwertung verschärft werden. Für das Jahr 2020 ist eine Recyclingquote von mindestens 50 Prozent vorgesehen. Ab 2025 steigt die Quotenvorgabe schrittweise an.
  • Mülltrennung intensivieren: Die Pflicht, Abfälle getrennt zu sammeln, wird verstärkt. Laut Gesetz sind öffentlich-rechtliche Entsorger verpflichtet, Bioabfälle, Kunststoffe, Metall, Papier, Glas, Textilien, Sperrmüll sowie Sonderabfall aus privaten Haushalten getrennt zu sammeln. Die Verpflichtung zur gesonderten Sammlung von Textilabfällen gilt ab dem Jahr 2025.
 

 

 

Neue Obhutspflicht für den Handel

Ein neues Element in der Produktverantwortung ist die sogenannte „Obhutspflicht“. Diese umfasst insbesondere die Pflicht, beim Vertrieb der Erzeugnisse dafür zu sorgen, dass die Gebrauchstauglichkeit erhalten bleibt. Die Erzeugnisse sollen „nicht zu Abfall werden“.

 

Diese Obhutspflicht gilt ausdrücklich auch im Zusammenhang mit der Rücknahme oder Rückgabe der Erzeugnisse und zielt somit auf die Vernichtung neuwertiger Warenretouren. Die Bundesregierung nimmt Hersteller und Händler stärker in die Verantwortung und geht mit dieser neuen Obhutspflicht zudem deutlich über das hinaus, was EU-weit vereinbart wurde. Wie die Obhutspflicht konkret ausgestaltet wird, ist noch unklar, da sie erst noch m Rahmen einer Transparenzverordnung konkretisiert werden soll. Hersteller und Händler sollen den Plänen des Bundesumweltministeriums zufolge nachvollzierbar dokumentieren, wie sie mit nicht verkauften Waren umgehen. Eine Möglichkeit ist, diese Produkte günstiger zu verkaufen oder zu spenden.

 

Handelsverband HDE setzt auf KI statt Obhutspflicht

Der Handel nimmt genau diese Pläne zur neuen Obhutspflicht in den Fokus der Kritik zum Gesetzentwurf. Die Obhutspflicht des Handels ist nach Einschätzung des Handelsverbands Deutschland (HDE) überflüssig. Der Handel setze bereits jetzt alles daran, die Zahl der Rücksendungen von Waren durch die Kunden so gering wie möglich zu halten. Nur in Ausnahmefällen wird zurückgegebene Ware, die stark verschmutzt oder beschädigt ist, vernichtet.

 

Als sinnvoller sieht es der HDE an, bei der Reduzierung der Zahl der Rücksendungen auf den vermehrten Einsatz von Systemen künstlicher Intelligenz (KI) zu setzen. Die Lieferungen könnten so immer passgenauer auf die Kundenbedürfnisse zugeschnitten werden. Die Branche rechnet damit, dass die Retouren künftig so noch weniger werden.

 

E-Commerce-Verband plädiert für „Spenden statt Entsorgen“

Positiver klingt die Reaktion des Bundesverbands E-Commerce und Versandhandel Deutschland e. V. (bevh) zum Gesetzentwurf. Aufgrund der aktuellen Debatten über Abfallvermeidung begrüße man die Weiterentwicklung des Kreislaufwirtschaftsrechts. Allerdings sollten der Wirtschaft nicht unnötige Pflichten aufgebürdet werden. Nachhaltiger als die geplante Berichtspflicht wäre, die Umsatzsteuer auf Sachspenden abzuschaffen und damit das „Spenden statt Entsorgen“ zu erleichtern.

Handwerk begrüßt den Reparatur-Vorstoß

Ein weiterer Aspekt, der im Zusammenhang mit der erweiterten Produktverantwortung in den Gesetzentwurf eingeflossen ist, ist die „Stärkung der Wiederverwendung von Erzeugnissen, insbesondere die Unterstützung von Systemen zur Wiederverwendung und Reparatur.

 

Nicht zuletzt aufgrund der Bedeutung des Reparaturgeschäfts für das Handwerk begrüßt auch der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) den Vorstoß, die Reparaturfähigkeit von Produkten zu fördern.

 

Mit dem Thema Reparatur beschäftigen immer mehr Menschen, die nicht akzeptieren, dass funktionsfähige Geräte und Möbel im Container landen. Allerdings ist eine große Hürde bislang, dass Reparaturen häufig teuer und umständlich sind. Die Studie „Handwerk und Reparatur ‒ ökonomische Bedeutung und Kooperationsmöglichkeiten mit Reparaturinitiativen“ im Auftrag des Umweltbundesamts hat im Jahr 2019 die ökonomische Relevanz von Reparaturdienstleistungen für das deutsche Handwerk untersucht und Maßnahmen zur Steigerung der Nachfrage nach Reparaturen diskutiert.

 

  • Kernfakten der „Reparatur-Studie“
  • Reparaturen sorgen für 31 Mrd. Euro (ca. 6 %) des Umsatzes im Handwerk (2014)
  • Ca. 46.000 Handwerksbetriebe befassen sich nur mit Reparaturdienstleistungen
  • Diese Handwerksbetriebe beschäftigen dafür rund 213.000 Angestellte
  • Zentrale Bereiche sind dabei die Reparatur von
    • Kraftfahrzeugen,
    • Maschinen (v. a. im industriellen Bereich)
    • Metallerzeugnissen (v. a. im SHK-Bereich)
    • sonstigen Gebrauchsgütern (z. B. Fahrräder und Kleidung)
    • Haushalts- und Gartengeräten
    • Unterhaltungselektronik
    • elektrischen Ausrüstungen (z. B. Gebäudeelektrik)
 

(BK mit PM des BMU)

Quelle: ID 46377611