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· Unternehmensstrafrecht

In der Grauzone wird es unbequem: Gesetzentwurf erhöht juristischen Druck auf Unternehmer

Bild: © DragonImages - stock.adobe.com

| Mit dem Gesetz zur Bekämpfung der Unternehmenskriminalität (Verbandssanktionengesetz ‒ VerSanG) sollen Unternehmen ‒ und nicht nur Einzelpersonen ‒ in Haftung genommen werden können. Im schlimmsten Fall droht die Zerschlagung mit Staatsgewalt. Der Entwurf passt in die Zeit, in der große Unternehmensskandale vom Abgasbetrug bis zu den Cum-Ex-Geschäften die Medien beherrschen. Doch das Regelwerk macht klar: Auch kleine Unternehmen können getroffen werden. Der Mittelstandverbund beklagt einen Generalverdacht. |

Große Fische sollen ins Netz gehen / Freiberufler außen vor

Nach dem Referentenentwurf des Verbandssanktionengesetz (VerSanG) von Bundesjustitzministerin Christine Lambrecht (SPD) sollen Unternehmen ‒ und nicht mehr nur Einzelpersonen ‒ bestraft werden können.

 

  • Beispiel

Wenn eine Führungskraft Schmiergeld zahlt, tut sie dass ggf. um einen Vorteil für die Firma zu erzielen. Deshalb soll auch das Unternehmen ‒ als Profiteur ‒ entsprechend zur Verantwortung gezogen werden können.

 

Das heißt: Wenn Personen, z. B. der Geschäftsführer einer GmbH oder GbR, Straftaten des Unternehmens entweder selbst begehen oder durch mangelnde Aufsicht nicht verhindern oder wesentlich erschweren, muss auch das Unternehmen dafür haften.

 

Beachten Sie | Die bisher übliche strafrechtliche Verfolgung des jeweiligen Einzeltäters erfolgt nach dem Gesetzentwurf dann parallel.

Wofür steht der Begriff „Verband“?

Das Gesetz zur Sanktionierung verbandsbezogener Straftaten sorgt bereits mit seinem Namen für Verwirrung.

 

MERKE | Der Begriff „Verband“ hat keine Legaldefinition. Obwohl er in Gesetzen wie hier verwendet wird, spricht die Rechtsprechung vom Verband, wenn er besondere, qualifizierende Merkmale (hohe Mitgliederzahl, Zusammenschlüsse) aufweist. Das können Organisationen aller Art sein. Fokussiert sind im Gesetz aber vor allem Unternehmen (§ 22 BGB ‒ im Gegensatz zu § 21 BGB).

 

Mit Verbänden im Sinne des Gesetzentwurfs kann nach § 2 VerSanG

  • eine juristische Person,
  • ein nicht rechtsfähiger Verein oder auch
  • eine rechtsfähige Personengesellschaft gemeint sein.

 

Insbesondere mit den juristschen Personen (z. B. Kapitalgesellschaften, also GmbH, AG, etc.) sowie den rechtsfähigen Personengesellschaften (z. B. GbR, OHG, KG etc.) sind sämtliche Rechtsformen, in denen Unternehmen i. d. R. agieren, abgedeckt.

 

Beahten Sie | Die rund 1,4 Mio. Freiberufler in Deutschland unterliegen dem VerSanG nicht!

Geldstrafen von bis zu zehn Prozent des Umsatzes

In den 69 Paragrafen des Gesetzentwurfs ist kodifiziert, wie Unternehmen künftig belangt werden sollen.

 

  • Das sind die drohenden Strafen

Geldsanktionen können bis zu zehn Prozent des Umsatzes für Unternehmen mit mehr als 100 Mio. Euro Jahresumsatz erreichen.

 

Weitere Sanktionen sind

  • die Verwarnung mit Sanktionsvorbehalt oder
  • die zwangsweise Unternehmensauflösung.
 

Der Staatsanwalt muss ermitteln (neues Rechtsprinzip)

Wenn es einen Anfangsverdacht gibt, ist der Staatsanwalt immer verpflichtet, ein Ermittlungsverfahren gegen das Unternehmen einzuleiten (Legalitätsprinzip).

 

Beachten Sie | Bislang gilt nur das Opportunitätsprinzip, nach der die Ordnungsbehörde Ermessensentscheidungen treffen kann.

 

Kritiker des Opportunitätsprinzips bemängeln, dass viele Staatsanwaltschaften derart überlastet und unterfinanziert sind, dass je nach Schwere der Straftat gar keine Ermittlungen mehr stattfinden oder aber sich der Aufwand nur darauf beschränkt, Gründe für eine Einstellung des Verfahrens zu finden.

 

Nach dem Ordnungswidrigkeitsgesetz (OWiG) beträgt die Höchstgrenze für eine Verbandsgeldbuße derzeit höchstens 10 Mio. Euro. Für große Unternehmen stellt das in der Regel kaum eine Belastung dar, für kleine schon!

 

Mit der Einführung eines Unternehmensstrafrecht (Legalitätsprinzip) passt sich Deutschland internationalen Standards an. Neben den USA hätten 21 von 28 EU-Mitgliedsstaaten sowie mehr als die Hälfte der OECD-Staaten ein derartiges Unternehmensstrafrecht, was laut der Anwaltskanzlei Gleiss Lutz von den Befürwortern als eines der Argumente für die Einführung genannt wird.

Steuerhinterziehung, Korruption, Betrug etc. im Fokus

Mit dem Gesetz sollen diese Straftaten geahndet werden

  • Betrug (z. B. von Kunden oder Geschäftspartnern),
  • Korruption,
  • Steuerhinterziehung,
  • Wettbewerbsvergehen,
  • Marktmanipulation,
  • Geldwäsche, etc.

 

Auch Auslandstaten werden erfasst, sofern die Tat nach deutschem Recht strafbar ist und das Unternehmen seinen Sitz im Inland hat. Alle genannten Tatbestände können nach geltendem Recht gegenüber Unternehmen i. d. R. nicht verfolgt werden, sondern nur gegen Einzelpersonen.

Compliance-Management gewünscht

Mit dem Gesetzentwurf sollen auch Anreize und Anforderungen für die Unternehmen in Bezug auf Compliance-Maßnahmen empfohlen oder auch erzwungen werden.

 

  • Compliance ‒ Definition

„Der Begriff Compliance steht für die Einhaltung von gesetzlichen Bestimmungen, regulatorischer Standards und Erfüllung weiterer, wesentlicher und in der Regel vom Unternehmen selbst gesetzter ethischer Standards und Anforderungen.“

 

Quelle | RA Eberhard Krügler, Compliance - ein Thema mit vielen Facetten, in: VDI UmweltMagazin, Juli/August 2011

 

Die Idee des Gesetzgebers: Wer intern die Regeltreue überwachen lässt, der vermeidet Regelverstöße.

 

Ziele von Compliance

  • 1. Risikominimierung durch Transparenz der Prozesse. Damit sollen Verletzungen von Regeln oder auch Straftaten schnell erkannt werden.
  • 2. Effizienzsteigerung durch Kontrollmechanismen ‒ einschließlich der Überwachung von Datenschutzerfordernissen.
  • 3. Effektivitätssteigerung durch Automatisierung von Kontrollmechanismen und der erreichten Transparenz.

 

Deswegen will das Gesetz auch

  • Investitionen in Corporate Compliance Programme anreizen;
  • Sanktionen mildern, wenn interne Ermittlung und Kooperation mit den Ermittlungsbehörden stattfinden;
  • den Beschlagnahmeschutz ggf. beschränken.

 

Je besser das Unternehmen kooperiert, desto eher kann

  • allein eine Verwarnung mit Sanktionsvorbehalt genügen oder lediglich
  • die Einbindung eines Compliance-Monitors angewiesen werden.

 

Kritik an Compliance-Management

Kritiker sehen in der durch Compliance-Beauftragte angestrebten Transparenz im Unternehmen aber auch das Risiko, das manche unpopuläre unternehmerische Entscheidung vorschnell als „verboten“ angeprangert wird. Compliance-Beauftragte haben daher bei Arbeitgebern oft einen ähnlich „guten“ Ruf ‒ wie Betriebsräte ...

Kritik von Arbeitgeberseite: OWiG reicht aus

Der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) hat sich bereits in der Vergangenheit scharf gegen das Erfordernis der Einführung eines Unternehmensstrafrechts ausgesprochen. Die angemessene Sanktionierung von Unternehmen sei bereits nach dem OWiG möglich. Durch ein Unternehmenssanktionsrecht solle nicht der Eindruck allgemein verbreiteter Unternehmenskriminalität erweckt werden.

 

Für den Mittelstandverbund ist das geplante Gesetz ein Schnellschuss. Es sei nicht gelungen, ein überschaubares System zu schaffen. Begrüßt wird allein die Erkenntnis, dass Compliance ein Weg zur besseren Unternehmensführung ist. Diese Erkenntnis bedürfe nun einer weiteren Ausarbeitung.

 

Der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) will sich auf Anfrage erst nach der Vorlage eines von den betroffenen Ministerien abgestimmten Gesetzentwurfs zum Thema äußern.

 

FAZIT | Mit dem VersanG werden die bislang geltenden Prinzipien der Bestrafung von Unternehmen auf ein neues Fundament gestellt. Statt des Opportunitätsprinzip soll das Legalitätsprinzip gelten.

 

Die Diskussion um diesen Gesetzentwurf erweckt den Eindruck, dass strafrechtlich relevante Vorgänge in Unternehmen an der Tagesordnung stünden. Dem ist nicht so. Die emotionale Debatte bedarf einer breiten gesellschaftlichen Debatte, die noch nicht am Ende ist.

 

Und so mancher Referentenentwurf wurde auf dem Weg zum Gesetz noch einmal gründlich entschlackt. CE Chef easy hält Sie auf dem Laufenden.

 

(BK/JT)

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Quelle: ID 46131700