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· Unionsrecht

Mitarbeiter erkrankt dauerhaft: Was wird aus 14 Tagen Resturlaub? EuGH muss jetzt prüfen ...

Die Gebäude des Gerichtshofs der Europäischen Union
Bild: EuGH CJUE / G. Fessy

| Was wird aus dem Urlaub, wenn ein Arbeitnehmer längere Zeit erkrankt und seinen Resturlaub nicht nehmen kann? Bleibt der Anspruch bestehen, verfällt er oder muss er bezahlt werden? Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub erhalten bleibt, an den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) delegiert. Eigentlich gilt eine 15-Monatsfrist bis zum Verfall des Urlaubsanspruchs. Aber muss der Arbeitgeber mitwirken, also darauf drängen, dass der Urlaub abgebaut wird? |

Der Fall: 14 Urlaubstage wurden nicht abgebaut

Die Klägerin ist Arbeitnehmerin und erkrankte im Verlauf des Jahres 2017 durchgehend bis zum Jahresablauf.

  • 14 Urlaubstage hat sie aus 2017 nicht in Anspruch genommen.
  • Eine Aufforderung, den Resturlaub abzubauen, hat der Arbeitgeber nicht ausgesprochen.
  • Eine Mitteilung, dass nicht beantragter Urlaub mit Ablauf des Kalenderjahres oder Übertragungszeitraums verfallen kann, hat der Arbeitgeber unterlassen.

 

Das Argument des Arbeitgebers: Der Urlaubsanspruch aus dem Jahr 2017 sei spätestens mit Ablauf des 31.03.2019 erloschen.

Die Klage

Die Arbeitnehmerin fordert nun, dass ihr die restlichen 14 Urlaubstage aus dem Kalenderjahr 2017 noch zustehen.

 

Ihr Argument: Der Urlaub sei nicht verfallen, weil der Arbeitgeber sie nicht rechtzeitig auf den drohenden Verfall hingewiesen hat.

Verfahrensverlauf

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Für die Entscheidung, ob der Urlaub der Klägerin aus dem Jahr 2017 am 31.03.2019 oder ggf. zu einem späteren Zeitpunkt verfallen ist, kommt es für das BAG auf die Auslegung von Unionsrecht an, die dem EuGH vorbehalten ist.

Rechtsgrundsätze

Nach § 7 Abs. 3 BUrlG muss Urlaub im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden. Eine Übertragung des Urlaubs auf die ersten drei Monate des folgenden Kalenderjahres ist nur statthaft, wenn dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe dies rechtfertigen. Diese Bestimmung hat der Neunte Senat des Bundesarbeitsgerichts verschiedentlich unionsrechtskonform ausgelegt.

 

MERKE | Seit November 2018 sind Sie als Arbeitgeber dafür verantwortlich, wenn Kollegen ihren Urlaub nicht abbauen (EuGH, Urteil vom 06.11.2018, Az. C-619/16, Abruf-Nr. 205301, EuGH, Urteil vom 06.11.2018, Az. C-684/16, Abruf-Nr. 205302).

 

Der EuGH schreibt vor: „Der Arbeitgeber hat konkret und in völliger Transparenz dafür zu sorgen, dass der Arbeitnehmer tatsächlich in der Lage ist, seinen bezahlten Jahresurlaub zu nehmen, indem er ihn ‒ erforderlichenfalls förmlich ‒ auffordert, dies zu tun.“

 

 

 

Für den Fall, dass der Arbeitnehmer im Urlaubsjahr aus gesundheitlichen Gründen an seiner Arbeitsleistung gehindert war, deutet das BAG den § 7 Abs. 3 BUrlG nach Maßgabe des EuGH so, dass gesetzliche Urlaubsansprüche bei fortdauernder Arbeitsunfähigkeit 15 Monate nach dem Ende des Urlaubsjahres erlöschen (EuGH-Entscheidung vom 22.11.2011 Az. C-214/10 [KHS]).

Das soll der EuGH jetzt klären ...

Für die Entscheidung des Rechtstreits bedarf es nun einer Klärung, ob das Unionsrecht den Verfall des Urlaubs nach 15 Monaten oder ggf. einer längeren Frist gestattet, wenn der Arbeitgeber seine Mitwirkungsobliegenheiten (also nicht zum Abbau aufgefordert) versäumt hat, obwohl der Arbeitnehmer den Urlaub bis zum Eintritt der Arbeitsunfähigkeit zumindest teilweise hätte nehmen können.

 

Quelle: PM zum BAG-Beschluss vom 7.07.2020, Az. 9 AZR 401/19 (A) Abruf-Nr. 216685 / Vorinstanz: LAG Hamm, Urteil vom 24.07.2019, Az. 5 Sa 676/19

 

Hinweis | In dem weiteren Verfahren klagte ein als schwerbehindert anerkannter Arbeitnehmer, der seit Dezember 2014 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung bezog, darauf, dass ihm aus dem Jahr 2014 noch 34 Urlaubstage zustünden (BAG-Beschluss vom 07.07.2020, Az. 9 AZR 245/19, Abruf-Nr. 216686; Vorinstanz: Hessisches LAG, Urteil vom 07.03.2019, Az. 9 Sa 145/17, Abruf-Nr. 214086). Die Fragestellung ist hier die gleiche.

(JT)

Quelle: ID 46735150