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· Kündigungsrecht

Wann sind eigenmächtige Pausen ein Kündigungsgrund?

Bild: Elnur Amikishiyev - https://stock.adobe.com

von Jörg Thole, Chefredakteur, IWW Institut

| Wenn ein Mitarbeiter eigenmächtig und entgegen Ihrer Weisung in die Pause geht, kann das eine „beharrliche Arbeitsverweigerung“ sein, die eine außerordentliche Kündigung rechtfertigt. Legt der Arbeitnehmer dagegen eigenmächtig eine Pause ein, weil er in der eigentlichen Pausenzeit durcharbeiten musste, ist das keine Arbeitsverweigerung. CE Chef easy erörtert die Sachlage eines Urteils, das für den Arbeitgeber zwar ohne Erfolg blieb ‒ klärt aber, wann eine Kündigung rechtens ist (LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 06.11.18, Az. 2 Sa 225/17). |

Der Fall: Es begann mit drei Abmahnungen

Die Mitarbeiterin ist Klinikkrankenschwester und hatte zwei Aufgabenbereiche: 50 Prozent im Funktionsbereich einer Klinik (EKG und andere diagnostische Verfahren) und 50 Prozent im Sozialdienst.

 

  • 1. Abmahnung (24.10.2016): Die Mitarbeiterin hatte ihre Aufgaben im Sozialdienst an einem Tag in der Zeit von 11:50 Uhr bis 14:00 Uhr nicht wahrgenommen. Stattdessen hat sie an einer Sitzung des Ethikrates der Klinik teilgenommen. Während der Abwesenheit hatte es eine dringende Anfrage von der Intensivtherapiestation gegeben ‒ und keiner wusste, wo die Mitarbeiterin war.
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  • 2. Abmahnung (03.11.2016): Die Mitarbeiterin hat an einem Freitag ihren Dienst bereits um 13:00 Uhr beendet, während die Klinik eine Arbeitspflicht bis 15:30 Uhr vorgesehen habe und legte eine Dienstanweisung als Beweis vor. Die Mitarbeiterin zog eine ältere nicht schriftlich abgefasste Arbeitszeitregelung heran, die jedoch mangelhafte Beweiskraft besaß.
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  • 3. Abmahnung (28.02.2017): Die Mitarbeiterin hat eine Anforderung zur nachstationären Versorgung eines Patienten ignoriert. Stattdessen hat sie ausrichten lassen, dass sie überlastet sei. Die Klinik wirft der Angestellten vor, dass sie die Überlastung nicht rechtzeitig ihrer Vorgesetzten mitgeteilt hat.
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  • 1. Kündigung (28.03.2017): Die Mitarbeiterin hat das Klinikgelände am 21.03.2017 von 11:30 Uhr bis 12:00 Uhr verlassen. Die Klinik sagt, sie hätte 11:30 Uhr den Dienst im Sozialdienst antreten müssen. Die Mitarbeiterin verteidigte sich sofort mit Kündigungsschutzklage, weil sie lediglich ihre gesetzliche Ruhepause in Anspruch genommen habe.
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  • 2. Kündigung (26.04.2017): Als der Schreibtisch der Mitarbeiterin nach der ersten Kündigung aufgeräumt wurde, wurde publik, dass sich die Mitarbeiterin eine Aufwandsentschädigung in Höhe von 27,50 Euro von der Deutschen Rentenversicherung auf ihr Privatkonto überweisen lies. Auch hier stellte sich später heraus, dass der Umgang mit solchen Aufwandsentschädigungen nicht einheitlich gehandhabt wurde (Grauzone im Klinikbetrieb). Selbst Ärzte hatten solche Entschädigungen privat kassiert. Erst später hatte die Klinik eine Anweisung erlassen, dass solche Gelder der Klinik zufließen müssen.

Urteil in erster Instanz

Schon vor dem Arbeitsgericht in Stralsund wurden beide Kündigungen für nichtig erklärt: „Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder außerordentlich fristlos, noch außerordentlich mit sozialer Auslauffrist beendet wird.“

Berufung in zweiter Instanz

Auch die Berufung der Klinik war nicht begründet: Keine der beiden Kündigungen konnte als wichtiger Grund im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB gewertet werden.

 

MERKE | Die Abmahnungen wurden nicht weiter bewertet, da es an einem ausreichenden Kündigungsanlass mangelt. Das heißt: Auch wenn die Abmahnungen schwerwiegend sind, so kommt es letztlich darauf an, welche Verfehlung die Kündigung ausgelöst hat.

 

Nach § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis fristlos gekündigt werden,

  • wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ende der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Dabei ist zu untersuchen,
  • ob der Sachverhalt „an sich“ als wichtiger Grund geeignet ist und
  • ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses
    • unter Berücksichtigung der Umstände und

 

Kein Arbeitszeitbetrug

Ein Arbeitszeitbetrug würde nur vorliegen, wenn der Arbeitnehmer seine Arbeitszeit dokumentieren muss und dabei Arbeitsleistungen vorgibt, die er tatsächlich nicht erbracht hat.

 

Im konkreten Fall hat die Krankenschwester nach festen Arbeitszeiten gearbeitet und war nicht verpflichtet, ihre Arbeitszeiten zu dokumentieren.

 

Kein Überziehen von Pausenzeiten

Das unentschuldigte Überziehen von Pausenzeiten ist eine Pflichtwidrigkeit, die eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen kann (Bewertung als Arbeitsverweigerung). Denn wer seine arbeitsvertraglichen Pflichten bewusst und nachhaltig nicht erfüllt, kann gekündigt werden ‒ auch außerordentlich und fristlos (BAG-Ureil vom 28.06.2018, Az. 2 AZR 436/17; BAG-Urteil vom 22.10.2015 Az. 2 AZR 569/14).

 

Im konkreten Fall lag keine Überziehung von Pausen vor. Selbst wenn man davon ausgeht, dass die Pause zur falschen Zeit genommen wurde, fehlt dem Fehlverhalten die erforderliche Beharrlichkeit.

 

Kein Betrug bei Aufwandsentschädigungen

Auch der Umgang mit den Aufwandsentschädigungen, die die Deutsche Rentenversicherung für die Berichte zahlt, war kein ausreichender Kündigungsgrund. Auch Ärzte hätten vergleichbare Erstattungen nachweislich in einer Grauzone kassiert ‒ das hatte die Klinik geduldet.

 

4 PRAXISTIPPS |

  • Das Nachweisen von Arbeitszeitbetrug erfordert eine eindeutige Dokumentation der Arbeitszeit.
  • Das Überziehen von Pausenzeiten muss bewusst und nachhaltig (also mehrmals) vom Arbeitgeber festgestellt werden. Auch die Folgen durch die Abwesenheit müssen hinreichend problematisch sein, um eine Kündigung rechtfertigen zu können.
  • Wenn die Pause zur falschen Zeit genommen wurde, müssen auch gravierende Folgen nachgewiesen werden, um eine Kündigung zu rechtfertigen.
  • Wenn der Zufluss von Entschädigungszahlungen für Dienstleistungen nicht eindeutig geregelt ist und der private Abfluss toleriert wird ‒ so liegt das Problem in der fehlenden Regel. Soweit eine Regel existiert, kann ein Verstoß auch abgemahnt werden.
 

Beweislast: Schlechte Karten für Arbeitgeber

Die Richter weisen darauf hin, dass der Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast trägt, dass die vom Kläger vorgebrachten Argumente eben keine Tatsachen sind und das Verhalten des Arbeitnehmers auch nicht gerechtfertigt oder entschuldigt werden kann (BAG-Urteil vom 21.5.92, Az. 2 AZR 10/92).

 

Will der Arbeitnehmer geltend machen, er sei aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen gehindert gewesen, seine Pflichten ordnungsgemäß zu erfüllen, muss er diese Gründe genau angeben. Trägt der Arbeitnehmer ausreichend konkret einen Sachverhalt vor, ist es am Arbeitgeber nun nachzuweisen, dass das Entlastungsvorbringen nicht zutrifft.

 

 
Quelle: ID 46064612