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02.10.2017 · IWW-Abrufnummer 196847

Landesarbeitsgericht Hamm: Urteil vom 20.04.2017 – 18 Sa 1194/16

Es bleibt offen, ob ein Indiz i.S.d. § 22 AGG für eine Benachteiligung "wegen" einer Behinderung vorliegt, wenn der Arbeitgeber eine arbeitsvertragliche Pflichtverletzung, die im Zusammenhang mit einer Behinderung steht, zum Anlass für eine Abmahnung nimmt. Voraussetzung dafür wäre jedenfalls, dass das gerügte Fehlverhalten auf die Behinderung zurückzuführen ist und dem Arbeitgeber dies auch bekannt ist (im Streitfall verneint).


Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Münster vom 21.04.2015 - 1 Ca 2067/14 - wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.



Tatbestand



Die Parteien streiten darüber, ob der Klägerin Entschädigungs- und Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte zustehen. Diese Ansprüche will die Klägerin auf eine Benachteiligung wegen ihrer Behinderung stützen.



Die Klägerin wurde am xx.xx.19xx geboren. Sie ist schwerbehindert mit einem GdB von zunächst 60 und mittlerweile 80. Ausweislich eines Bescheides des Versorgungsamtes M vom 03.08.1977, mit dem der Klägerin ein Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit von 60 v. H. zu erkannt wurde, ist bei ihr folgende Behinderung festgestellt worden: "Turner-Syndrom mit erheblichem Minderwuchs". Sie leidet zudem unter einer Hörminderung. Die Klägerin schloss 1981 ihre Schullaufbahn mit der Fachoberschulreife ab. Von 1981 bis 1984 absolvierte sie eine Ausbildung zur Groß- und Außenhandelskauffrau.



Seit dem 01.04.1986 arbeitet die Klägerin als Pförtnerin bei der Beklagten, die ein Seniorenheim betreibt. Die Parteien schlossen am 06.03.1986 einen Arbeitsvertrag, der unter anderem vorsieht, dass die "Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes (AVR) in ihrer jeweils geltenden Fassung" Anwendung finden. Unter § 7 des Arbeitsvertrages heißt es: "Zusätzlich zum Pfortendienst müssen Verwaltungsaufgaben übernommen werden". Die Klägerin erzielte zuletzt ein durchschnittliches Entgelt in Höhe von 3.000,-- € brutto monatlich.



Unter dem 07.11.2012 verfasste das LWL-Integrationsamt Westfalen hinsichtlich eines Antrages auf Job-Coaching betreffend die Person der Klägerin eine fachdienstliche Stellungnahme in Form eines Vermerks. Dort heißt es unter anderem:



Situationsbeschreibung aus Sicht des Arbeitgebers



Fr. T (Einrichtungsleitung) und auch Fr. S (Geschäftsführerin) waren in der Vergangenheit des Öfteren enttäuscht, dass kein Servicegedanke bei Fr. E. [Anm.: Klägerin] zu erkennen sei. Sie wünschen sich eine freundlichere Art am Telefon und im direkten Kontakt.



Sie hätten das Gefühl, Fr. E. habe keine Freude an ihrer Arbeit. Sie ginge überpünktlich (manchmal Minuten früher) aus dem Dienst und sei an diesem Punkt wenig kompromissbereit, wenn eine Aufgabe noch dringend erledigt werden müsse.



Fr. E. sei bisher wenig offen mit ihrer Behinderung umgegangen. Erst durch den IFD habe man erfahren, dass Fr. E. stark hörbehindert ist. Da sei man enttäuscht gewesen.



Fr. E. nähme kaum Kritik konstruktiv an. Fr. S habe das Gefühl, dass sie nicht ernst genommen werde. Sie erkläre sich das folgend: Sie ist vorher Bürokraft im gleichen Hause gewesen, habe sich fortgebildet und habe dann die höhere Stelle (Geschäftsführerin) bekommen. Seit dem habe sie das Gefühl, Fr. E. akzeptiere sie nicht als Vorgesetzte.



Situationsbeschreibung aus Sicht des sbM



Fr. E. wundert sich über die Kritik und kann diese kaum nachvollziehen. Sie erscheint der Unterzeichnerin während des Gespräches in einer inaktiven Haltung. Sie hat teilweise Erklärungen für die "Vorwürfe", aber keine Ideen, die zur Veränderung der Situation ("Aussage gegen Aussage") beitragen würden.



Auswirkung der Behinderung auf die Arbeitsfähigkeiten



Die Behinderung ist mit ursächlich für die Arbeitsproblematik.



Innerhalb des Turnersyndroms können Verhaltensveränderungen und Wahrnehmungsstörungen entstehen, die eine Selbsteinschätzung und -reflexion erschweren. Daher scheint sich die Klientin bisher über ihre Schwierigkeiten nicht bewusst.



Ihr Kleinwuchs ist an ihrem Ap keine Schwierigkeit. Die Regale sind mit einer kleinen Trittleiter gut zu erreichen.



Fr. E. hatte lange verheimlicht, dass sie hörgeschädigt ist. Nun hat sie ein Hörgerät. Vorher hatte sie beim Kontakt starke Einbußen, wodurch Informationen teilweise, unvollständig oder gar nicht zu ihr durchdrangen. Dadurch kam es zu Konflikten und Fehlern. Sie bekommt demnächst einen Hörverstärker für das Telefon.



Fr. E. hatte aufgrund eines Gehirntumors an der Hypophyse eine OP. Diese verlief gut. Jedoch hat Fr. E. Schlafstörungen, Konzentrationsstörungen und Aufmerksamkeitsprobleme. Diese könnten aus einer Anpassungsstörung heraus wirken, welche bisher nicht diagnostiziert oder im Bescheid aufgelistet wäre.



Mit Schreiben vom 07.08.2013 stellte die Beklagte bei dem LWL Integrationsamt Westfalen einen Antrag auf Leistungen an Arbeitgeber bei außergewöhnlichen Belastungen. In dem Antrag heißt es unter anderem:



Sehr geehrte Damen und Herren,



hiermit stellen wir den beigefügten Antrag auf Leistungen an Arbeitgeber bei außergewöhnlichen Belastungen gem. § 27 SchwbAV im Fall der oben genannten schwerbehinderten Mitarbeiterin, Frau F.



Sowohl der Integrationsfachdienst (Frau T2) als auch die Fachstelle des Kreises Warendorf für behinderte Menschen im Beruf (Herr M) nahmen an Vorgesprächen teil und sind über den Sachverhalt informiert.



Durch die Hörminderung von Frau I ist eine dauerhafte Präsenz der Einrichtungsleiterin Frau T unbedingt notwendig, da die Hörminderung immer wieder dazu führt, dass Frau I ankommende und weggehende Bewohner/Lieferanten/Angehörige nicht wahrnimmt bzw. deren Wünsche und Anliegen nicht oder nur teilweise hört. Dies führte wiederholt zu erheblichem Fehlverhalten von Frau I, weil die der jeweiligen Situation angepassten Informationsweitergaben bzw. Reaktionen und einzuleitenden Maßnahmen nicht oder nur teilweise passierten. Neben einem erheblichen Imageschaden für unsere Einrichtung (Bewohner-, Angehörigen- und Lieferantenbeschwerden und Verärgerung) drohen bei Nichteingreifen unseren ebenfalls oftmals extrem sinneseingeschränkten und besonders fürsorgebedürften Bewohnern erhebliche Versorgungslücken und schlimmstenfalls körperlicher Schaden.



Zusätzlich zur Hörminderung ist leider auch eine Minderleistung im Bereich der ebenfalls von Frau I mitzuerledigenden leichten Verwaltungstätigkeiten zu verzeichnen. Einige Verwaltungstätigkeiten wurden wegen Minderleistung bereits von anderen Mitarbeitern des Verwaltungsbereiches übernommen. Die ihr belassenen Aufgabenbereiche müssen engmaschig kontrolliert und ggf. korrigiert werden.



Unter dem 13.11.2013 verfasste der Integrationsfachdienst Kreis Warendorf eine fachdienstliche Stellungnahme zur Frage der Gewährung eines außergewöhnlichen Betreuungsaufwandes. Dort ist unter anderem Folgendes ausgeführt:



Angaben zur Krankheitsgeschichte/Behinderung:



Frau I leidet von Geburt an unter dem Turner-Syndrom. Die Schwerhörigkeit ist ein Symptom dieser Chromosomenbesonderheit. Im Fall von Frau I handelt es sich um eine mittelgradige Schwerhörigkeit. Frau I trägt erst seit wenigen Jahren Hörgeräte. Ihre Schwerhörigkeit hat sie am Arbeitsplatz verschwiegen, erst seit der Einschaltung des IFD weiß der Arbeitgeber, das Frau I Hörgeräteträgerin ist.



Darstellung der Problematik aus der Sicht des Arbeitgebers:



Der Arbeitgeber erläutert, dass Frau I durch die Hörbehinderung in ihrer Tätigkeit als Pförtnerin erheblich eingeschränkt sei. Die Einrichtungsleiterin Frau T sei gezwungen, die Arbeitsleistungen der schwerbehinderten Mitarbeiterin engmaschig zu überwachen. Konkret würde Frau T ihre Bürotür nicht schließen, um jederzeit bei den sehr häufig vorkommenden akustischen Missverständnissen (falsch verstandene Wünsche und Anliegen der Bewohner, der Gäste, der Lieferanten etc.) einzugreifen zu können. Insbesondere sei Frau I nicht in der Lage, mögliche Notfallsituation akustisch ausreichend zu erfassen.



Darstellung der Problematik aus der Sicht des schwerbehinderten Menschen:



Frau I betonte in zahlreichen Gesprächen mit dem Integrationsfachdienst, dass sie lediglich geringfügige Probleme beim Verstehen im Pfortenbereich habe. Die engmaschige Kontrolle durch ihre Vorgesetzte sieht sie als nicht notwendig, sondern vielmehr als Schikane an. Sie ist der festen Überzeugung, dass man sie "loswerden" wolle und ihre Hörbehinderung nur als Vorwand diene.



Mit Bescheid vom 15.12.2014 des Kreises Warendorf wurde der Bescheid vom 03.08.1977 aufgehoben und ab 11.08.2014 festgestellt, dass der Grad der Behinderung der Klägerin 80 beträgt. Der Bescheid lautet auszugsweise:



Bei Ihnen liegen folgende Beeinträchtigungen vor:



1 Turner-Syndrom erheblichem Minderwuchs, Anpassungsstörungen



2 Sehbehinderung



3 Schwellneigung der Beine



4 Hörstörungen



5 Schilddrüsenerkrankung



Unter dem 09.09.2013 erstellte die Beklagte für den Arbeitsplatz der Klägerin eine "Stellenbeschreibung" für die Pfortenkraft mit integrativer Sozialdiensttätigkeit" nebst Anlage, die detaillierte Vorgaben zu den von der Klägerin zu erledigenden Arbeitsaufgaben enthält. Unter dem 21.01.2014 wurden die Anweisungen in der Stellenbeschreibung vom 09.09.2013 an geänderte Dienstzeiten der Klägerin angepasst.



Im Jahr 2014 sprach die Beklagte gegenüber der Klägerin mehrere Abmahnungen aus. Mit der Abmahnung vom 31.03.2014 rügte die Beklagte, die Klägerin habe am 20.03.2014 das Formular "Medikamentenbestellung" für dringend benötigte Medikamente zweier Heimbewohner nicht, wie aufgetragen, an die zuständige Arztpraxis faxt, sondern an eine Apotheke; die Klägerin habe ihren Fehler, als sie von der Wohnbereichsleiterin darauf angesprochen wurde, geleugnet. Mit der Abmahnung vom 04.04.2014 beanstandete die Beklagte, die Klägerin habe am 30.03.2014 ihren Pfortendienst (laut Plan bis 15.00 Uhr vorgesehen) um 15.02 Uhr verlassen, ohne auf das Eintreffen der ablösenden Kraft Frau y zu warten; der Klägerin sei bekannt gewesen, dass Frau y sich aufgrund der Zeitumstellung in der vorangegangenen Nacht um eine Stunde vertan habe, Frau y habe der Klägerin um 15.00 Uhr mitgeteilt, sie werde sofort zum Dienst kommen. Mit der Abmahnung vom 08.05.2014 warf die Beklagte der Klägerin vor, sie habe am 02.05.2014 die Anweisung nicht befolgt, eine "Beköstigungsliste" zu erstellen.



Diese Abmahnungen waren Gegenstand eines Rechtsstreits, der zwischen den Parteien vor dem Arbeitsgericht Münster geführt wurde. Das Arbeitsgericht Münster gab der Klage, die die Klägerin im September 2014 erhoben hatte, statt, und verurteilte die Beklagte antragsgemäß zur Entfernung der drei Abmahnungen aus der Personalakte der Klägerin. Zur Begründung führte das Arbeitsgericht im Wesentlichen aus, die Abmahnung vom 31.03.2014 sei unverhältnismäßig, da es sich um einen ganz geringfügigen Pflichtenverstoß gehandelt habe. Die anderen Abmahnungen seien aus der Personalakte zu entfernen, da sie die Überschrift "weitere Abmahnungen" tragen.



In diesem Rechtsstreit hatte die Beklagte mit dem Schriftsatz vom 19.11.2014 unter anderem Folgendes ausgeführt:



Das Dienstverhältnis befindet sich in einer schwerwiegenden Schieflage. Zahlreiche zwischen den Rechtsvertretern ausgetauschte Schriftsätze füllen mittlerweile die Akte. Es sind in den letzten Monaten die in Streit stehenden drei Abmahnungen erteilt worden, eine weitere vierte Abmahnung ist aus formalen Gründen aktuell zurückgenommen worden.



Im zunehmenden Maße hat sich das Arbeitsverhältnis in den letzten Jahren negativ entwickelt. Fasst man die Ursachen hierfür zusammen, so wie sie sich aus Sicht des Dienstgebers darstellen, wären an dieser Stelle drei Punkte zu erwähnen.



1. Zum einen ist die erbrachte Arbeitsleistung der Klägerin immer wieder fehlerhaft, was in der Vergangenheit durch andere Mitarbeiter häufig kompensiert wurde. Dazu sind aber die Mitarbeiter nicht mehr bereit und zeitlich auch nicht in der Lage.



2. Hinzu kommt, dass die Klägerin von ihrer Persönlichkeit her nicht kooperativ oder teamfähig ist. Unzählige Hinweise, Hilfestellungen seitens der Geschäftsführerin oder der Einrichtungsleiterin zur Tätigkeit und zur Art und Weise des Auftretens gegenüber Bewohnern, Angehörigen, Kollegen werden bis heute kaum/bis gar nicht reflektiert und umgesetzt.



3. Als dritter Punkt kommt erschwerend eine Hörminderung hinzu. Um auszuschließen, dass Fehler in der täglichen Arbeit entstehen, die auf diese gesundheitliche Problematik zurückzuführen sind, hatte der Dienstgeber den Integrationsfachdienst eingeschaltet. Eine speziell geschulte Mitarbeiterin des Integrationsfachdienstes begleitete die Klägerin zum Hörgeräteakustiker, um eine adäquate Hörgeräteversorgung sicherzustellen, die mit der hauseigenen Telefonanlage kompatibel ist. Ab ca. Mai/Juni 2014 verweigerte Frau I die Mitarbeit, so dass trotz Hilfsangebot eine optimale Hörgeräteversorgung nicht sichergestellt werden konnte und kann. Mangels Mitarbeit seitens der Klägerin greifen somit sämtliche anderen Hilfsangebote wie z. B. Hörgeschädigtenreha, die geplant waren, nicht. Das Integrationsamt sah mangels Mitarbeit von Frau I keine weitere Möglichkeit, mit Hilfsangeboten zu unterstützen, um den Arbeitsplatz langfristig zu erhalten und brach daher die Zusammenarbeit erfolglos ab.



Der Weg der Abmahnungen wurde gewählt, um der Klägerin deutlich zu machen, was nicht in Ordnung ist. Auf mögliche akustische Verständnisfehler wird nicht mehr nachsichtig reagiert.



Mit Schreiben vom 17.10.2014 erteilte die Beklagte der Klägerin eine Abmahnung mit der Begründung, die Klägerin habe am 06.10.2014 den Aushang für eine Rosenkranzandacht am Folgetag nicht erstellt. Diese Abmahnung nahm die Beklagte zurück, nachdem die Klägerin die Schlichtungsstelle beim G für die Diözese M e.V. angerufen hatte. Nach dem Vorbringen der Klägerin hatte die Beklagte in der Abmahnung Wochentag und Kalendertag verwechselt.



Mit Schreiben vom 22.12.2014 sprach die Beklagte gegenüber der Klägerin eine weitere Abmahnung aus; der Klägerin wurde vorgeworfen, sie habe am 26.11.2014 unerlaubter Weise vom hauseigenen Mineralwasser getrunken. Gegen diese Abmahnung setzte sich die Klägerin gerichtlich zur Wehr. Der Rechtsstreit wurde im April 2015 durch den Abschluss eines gerichtlichen Vergleichs beendet.



Mit anwaltlichem Schreiben vom 03.11.2014 ließ die Klägerin gegenüber der Beklagten unter Fristsetzung bis zum 20.11.2014 eine Entschädigung im Sinne des § 15 Abs. 2 AGG in Höhe von 15.000,-- € geltend machen. In diesem Schreiben heißt es unter anderem:



Seit geraumer Zeit ist festzustellen, dass Sie fortlaufend versuchen, Frau I wegen Nichtigkeiten abzumahnen. Grundlage hierfür scheinen die von Ihnen mit ausschließlichem Bezug auf Frau I vorgelegten Dienstanweisungen zu sein.



Ihnen ist weiter bekannt, dass Frau I schwerbehindert ist. Grundlage für die Anerkennung ihrer Schwerbehinderung ist eine Erbkrankheit, welche vermutlich im Einzelfall Anlass dafür sein könnten, dass Frau I die von Ihnen minutiös vorgegebenen Anweisungen nicht in der von Ihnen grundlos erwarteten Präzision befolgen kann. Zu den nach § 2 AGG zählenden Arbeitsbedingungen gehören auch Weisungen und sonstige Anordnungen durch den Arbeitgeber.



Mit ihrer Klage, die am 10.12.2014 bei dem Arbeitsgericht eingegangen ist, hat sie den Entschädigungsanspruch weiter verfolgt; sie hat die Klage später um den Antrag erweitert, die Verpflichtung der Beklagten zum Ersatz von Anwaltskosten festzustellen.



Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, sie sei wegen ihrer Behinderung benachteiligt worden. Die Benachteiligung bestehe darin, dass die Klägerin mit Abmahnungen überzogen worden sei, obgleich sie keine abmahnwürdigen Pflichtverletzungen begangen habe. Sie habe eine weniger günstige Behandlung als andere Mitarbeiter erfahren. Die Beklagte habe ihr mit der Abmahnung vom 04.04.2014 vorgeworfen, am 30.03.2014 am Dienstende nicht auf die ablösende Kraft, Frau y, gewartet zu haben, die aufgrund der Zeitumstellung in der vorangegangenen Nacht nicht pünktlich zum Dienst erschienen sei. Frau y hingegen erhielt (dies ist zwischen den Parteien unstreitig) keine Abmahnung. Die Beklagte habe, nachdem ihr die auf Entschädigungszahlung gerichtete Klage am 12.12.2014 zugestellt worden sei, aus nichtigem Anlass und unter Zugrundelegung eines falschen Sachverhaltes die Abmahnung vom 22.12.2014 ausgesprochen. Die Klägerin habe nur Leitungswasser und kein für die Heimbewohner bestimmtes Mineralwasser getrunken. Eine Benachteiligung hat die Klägerin auch in der Stellenbeschreibung vom 09.09.2013 erblickt. Die in der Stellenbeschreibung an die Klägerin gerichteten Anweisungen seien widersprüchlich. Einerseits solle die Klägerin die Pforte durchgängig besetzt halten, andererseits habe sie zahlreiche Einzeltätigkeiten zu erledigen, die ein Verlassen der Pforte erforderten. Die Stellenbeschreibung sei für eine Pfortenkraft mit "integrativer Sozialdiensttätigkeit" erfolgt, während sie arbeitsvertraglich nur zu einer Pförtnertätigkeit verpflichtet sei. Die Dienstanweisung sei auch insofern inhaltlich unklar, als die Beklagte in der Stellenbeschreibung ausführe, diese sei nicht Bestandteil des Arbeitsvertrages. Die Beklagte wolle die Klägerin überfordern und ihr zusätzliche Verwaltungstätigkeiten übertragen. Die Benachteiligung sei aufgrund ihrer Behinderung erfolgt. Die Klägerin hat hierzu behauptet, sie sei gesundheitsbedingt nicht in der Lage, nonverbale Anweisungen umzusetzen. Die Klägerin leide an einer genetischen Erkrankung, die als Ullrich-Turner-Syndrom bezeichnet werde. Die betroffenen Frauen seien in der Regel zwar normal intelligent. Einige täten sich allerdings etwas schwerer mit der sozialen Wahrnehmung. Meist seien diese Schwierigkeiten aber nur beim Lösen ganz besonderer Aufgaben zu merken und nicht wirklich im Alltag beeinträchtigend. Die an dieser Krankheit leidenden Frauen könnten psychische Probleme haben, weil sie ein geringeres Selbstwertgefühl hätten. Die aus der Krankheit resultierenden Einschränkungen lägen bei der Klägerin vor, nämlich gelegentlich verringertes Hörvermögen, Probleme im mathematischen Bereich oder der sozialen Wahrnehmung, verbunden mit psychischen Problemen, auch begründet im Selbstwertgefühl. Die Klägerin hat vorgetragen, aus dem Schriftsatz, den die Beklagte im Rechtsstreit über die Abmahnungen unter dem 19.11.2014 verfasst habe, ergebe sich, dass die Beklagte benachteiligende Maßnahmen wegen der Behinderung der Klägerin vorgenommen habe, denn die Beklagte trage dort ausdrücklich vor, dass die Klägerin von ihrer Persönlichkeit her nicht kooperativ oder teamfähig sei. Abgestellt werde auf charakterliche Merkmale. Die Abmahnungen stünden nicht im Zusammenhang mit der Hörminderung, die die Beklagte in jenem Schriftsatz ebenfalls beanstande. Die Klägerin leide wegen der Konflikte an ihrem Arbeitsplatz an einer depressiven Anpassungsstörung. Die Klägerin hat insoweit eine ärztliche Bescheinigung vorgelegt, aus der sich ergibt, dass sie sich seit Juli 2013 in Behandlung aufgrund einer depressiven Anpassungsstörung befinde. Die Klägerin hat ferner den Entwurf einer anwaltlichen Kostennote vom 13.02.2015 vorgelegt, die mit einem Gesamtbetrag in Höhe von 3.052,35 € abschließt.



Die Klägerin hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an sie 15.000,-- € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.11.2014 zu zahlen; 2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin Kosten in Höhe von 3.052,35 € zu ersetzen.



Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.



Die Beklagte hat vorgetragen, die Klägerin nicht wegen ihrer Behinderung benachteiligt zu haben. Die Abmahnungen seien wegen begangener Pflichtverletzungen und nicht wegen der Behinderung der Klägerin erfolgt. Die Entscheidung, gegenüber der Klägerin die Abmahnung vom 22.12.2014 auszusprechen, sei schon vor Zustellung der Entschädigungsklage getroffen worden, wie sich aus einer E-Mail der Geschäftsführerin vom 10.12.2014 ergebe. Gegenüber Frau y sei keine Abmahnung ausgesprochen worden, da Frau y das Arbeitsverhältnis selbst zum 14.04.2014 gekündigt habe. Ihre Kündigung vom 18.02.2014 habe am 30.03.2014, als sie zu spät zum Dienst erschienen sei, bereits vorgelegen. Die Klägerin habe, anders als andere Mitarbeiter, eine Stellenbeschreibung mit detaillierter Aufgabenzuweisung erhalten, weil die Beklagte Transparenz hinsichtlich der Pflichten der Klägerin auf schriftlichem Weg habe herbeiführen wollen. Dabei habe es sich lediglich um eine Darstellung und Wiederholung "des gelebten Dienstverhältnisses" und bereits erfolgter mündlicher Hinweise gehandelt. Die der Klägerin erteilten Arbeitsanweisungen seien nicht widersprüchlich. Soweit die Klägerin die Pforte für Einzeltätigkeiten kurzzeitig verlassen müsse, sei sie gehalten, eine Ablösekraft zu suchen. Andere Mitarbeiter, insbesondere aus dem Verwaltungsbereich, seien bereit, in den kurzen Abwesenheitszeiten für die Klägerin einzuspringen. Dass es in der Stellenbeschreibung heiße, sie sei nicht Bestandteil des Arbeitsvertrages, erkläre sich daraus, dass die Beklagte die Handlungsanweisungen im Wege des Direktionsrechts erteilt habe. Der Beklagten sei zwar bekannt gewesen, dass die Klägerin an einer Hörminderung leide. Die Beklagte habe jedoch nicht gewusst, dass die Klägerin an den von ihr behaupteten Auswirkungen des Ullrich-Turner-Syndroms leide.



Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht im Wesentlichen ausgeführt, die Beklagte habe die Klägerin nicht wegen einer Behinderung benachteiligt und schulde deshalb weder eine Entschädigung noch Schadensersatz. Die Klägerin habe nicht ausreichend dazu vorgetragen, inwieweit konkrete Beeinträchtigungen infolge des Ullrich-Turner-Syndroms bei ihr gegeben seien. Es sei auch nicht ersichtlich, dass der Beklagten die behaupteten, aus dem Ullrich-Turner-Syndrom folgenden Einschränkungen der Klägerin im Einzelnen bekannt gewesen seien.



Das erstinstanzliche Urteil ist der Klägerin am 11.05.2015 zugestellt worden. Die Klägerin hat mit einem Schriftsatz, der am 29.05.2015 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangen ist, Berufung eingelegt. Sie hat die Berufung mit einem am 11.09.2015 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet, nachdem die Berufungsbegründungsfrist durch gerichtlichen Beschluss bis zum 11.09.2015 verlängert worden war.



Die Klägerin meint, das Arbeitsgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Beklagte keine Kenntnis von den Beeinträchtigungen der Klägerin aufgrund des Ullrich-Turner-Syndroms gehabt habe. Die Klägerin behauptet, die Beklagte habe schon durch den Bescheid vom 03.08.1977 Kenntnis von den Einschränkungen der Klägerin erlangt. Die Klägerin habe ihn vollständig zur Personalakte gegeben. Auch der Bescheid vom 15.12.2014, der sich ebenfalls über die Einschränkungen der Klägerin verhalte, liege der Beklagten vor. Die Klägerin habe beide Bescheide vollständig zur Personalakte gegeben. Der Beklagten sei der Inhalt der fachdienstlichen Stellungnahme vom 07.11.2012 bekannt, die sich über Verhaltensänderungen und Wahrnehmungsstörungen infolge des Ullrich-Turner-Syndroms verhalte. Aus der fachdienstlichen Stellungnahme vom 07.11.2012 ergebe sich, dass die Persönlichkeit der Klägerin durch das Ullrich-Turner-Syndrom beeinflusst sei. Auch aus dem Antrag, den die Beklagte unter dem 07.08.2013 an das Integrationsamt gestellt habe, ergebe sich, dass die Beeinträchtigung der Klägerin bekannt sei. Zwar nehme die Beklagte in diesem Antrag vorrangig auf die Hörminderung der Klägerin Bezug, jedoch seien Vorgespräche wegen der Behinderung der Klägerin geführt worden. Schließlich ergebe sich auch aus dem Inhalt der fachdienstlichen Stellungnahme vom 13.11.2013, dass bei der Klägerin das Ullrich-Turner-Syndrom mit Minderwuchs vorliege. Der Beklagten habe all dies gewusst, da die Geschäftsführerin in dem Beratungsprozess eingebunden gewesen sei. Die Beklagte habe aber zur Begründung benachteiligender Maßnahme gerade auf die Persönlichkeit der Klägerin abgestellt. Der Beklagten sei das Krankheitsbild der Berufungsklägerin voll umfänglich bekannt gewesen. Eine mögliche Minderleistung der Klägerin sei behinderungsbedingt. Die Beeinträchtigungen der Berufungsklägerin korrelierten mit dem Verhalten der Beklagten. Die Klägerin habe ihre Ansprüche innerhalb der Frist des § 15 Abs. 4 AGG geltend gemacht. Dass die Beklagte sie gerade wegen ihrer Behinderung benachteilige, sei der Klägerin erst nach Ausspruch der Abmahnung vom 17.10.2014 und nach Kenntnisnahme von dem Schriftsatz klar geworden, den die Beklagte im Abmahnungsprozess unter dem 19.11.2014 verfasst habe.



Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Münster vom 21.04.2015, 1 Ca 2067/14, abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, 1. an die Klägerin 15.000,-- € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 21.11.2014, sowie 2. weitere 3.250,35 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 06.03.2015 zu zahlen.



Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.



Die Beklagte behauptet, der Bescheid vom 03.08.1977 liege ihr nicht vor. Sie kenne auch nur die erste Seite des Bescheides vom 15.12.2014. Die fachdienstliche Stellungnahme vom 07.11.2012 in Vermerkform sei ihr nicht bekannt; die dortigen Ausführungen gäben nur die persönliche Einschätzung des Verfassers wieder. Die Beklagte habe den Kontakt zum Integrationsamt lediglich wegen der Hörminderung der Klägerin gesucht. Die Beklagte besitze auch nicht die fachdienstliche Stellungnahme vom 13.11.2013; allerdings werde in dem Vermerk zutreffend der Abbruch der Hörgeräteanpassung durch die Klägerin geschildert. Anlass für den Ausspruch der Abmahnung vom 17.10.2014 sei nicht ein Hördefizit, sondern die Nachlässigkeit der Klägerin gewesen. Die Klägerin habe nicht verdeutlicht, welche Beeinträchtigungen aufgrund des Ullrich-Turner-Syndroms bei ihr gegeben seien.



Zur näheren Darstellung des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakten Bezug genommen.



Entscheidungsgründe



I



Die Berufung der Klägerin ist zulässig.



Die Klägerin hat die Berufung insbesondere form- und fristgerecht gemäß § 66 Abs. 1 ArbGG eingelegt und begründet.



II



Die Berufung hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.



Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Klägerin stehen die geltend gemachten Ansprüche nicht zu.



1. Die Klägerin kann von der Beklagten nicht die Zahlung einer Entschädigung gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG verlangen.



Wie sich aus § 15 Abs. 1 Satz 1 AGG ergibt, setzt der Entschädigungsanspruch des Arbeitnehmers voraus, dass der Arbeitgeber gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG verstößt. Nach § 7 Abs. 1 AGG dürfen Beschäftigte nicht wegen eines in § 1 genannten Grundes benachteiligt werden. Zugunsten der Klägerin kann unterstellt werden, dass bei ihr eine Behinderung im Sinne des § 1 AGG vorliegt, da sie aufgrund des Ullrich-Turner-Syndroms beeinträchtigt ist und dies ein Hindernis für ihre Teilhabe am Berufsleben bildet (vgl. zum Begriff der Behinderung BAG, Urteil vom 19.12.2013 - 6 AZR 190/12). Die Beklagte hat jedenfalls die Klägerin nicht wegen der Behinderung benachteiligt.



a) Die Klägerin ist nicht durch eine Maßnahme der Beklagten unmittelbar oder mittelbar benachteiligt worden.



aa) Die Erteilung der detaillierten Stellenbeschreibung und Dienstanweisungen vom 09.09.2013 und vom 21.01.2014 stellt keine Benachteiligung der Klägerin dar.



(1) Es liegt keine unmittelbare Benachteiligung gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG vor.



Nach dieser Vorschrift setzt eine unmittelbare Benachteiligung voraus, dass eine Person - wegen eines in § 1 genannten Grundes - eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfahren hat oder erfahren würde. An diesen Voraussetzungen fehlt es.



(a) Eine Benachteiligung der Klägerin liegt nicht darin, dass die Beklagte ihr gegenüber schriftliche Anweisungen hinsichtlich zu erledigenden Arbeitsaufgaben erteilte.



Zwar sind, wie die Beklagte einräumt, gegenüber anderen Arbeitnehmern jedenfalls nicht derart detaillierte Anweisungen getroffen worden. Jedoch stehen die Vorgaben in der Stellenbeschreibung vom 09.09.2013 und deren Anlage 1 in einem objektiven Zusammenhang zur Tätigkeit der Klägerin als Pförtnerin. Unsachliche oder beleidigende Anweisungen liegen jedenfalls nicht vor.



Die Verschriftlichung der Arbeitsanweisungen stellt keinen Nachteil für die Klägerin dar. Insbesondere kann nicht angenommen werden, die Beklagte habe die Anweisungen bewusst in schriftlicher Form erteilt, um der Klägerin leichter einen Pflichtenverstoß zur Last legen zu können, weil die Klägerin behinderungsbedingt, wie sie vorträgt, nicht in der Lage ist, nonverbale Weisungen zu erfassen und befolgen. Denn die Beklagte hat unwidersprochen vorgetragen, dass durch die Stellenbeschreibung der Klägerin keine neuen Pflichten auferlegt wurden, sondern die Anweisungen in der Stellenbeschreibung lediglich die Darstellung des "gelebten Arbeitsverhältnisses" bildeten und zuvor erteilte mündliche Hinweise lediglich wiederholten. Die Klägerin ist dem nicht konkret entgegengetreten. Sie hat insbesondere nicht aufgezeigt, inwiefern vormals bestehende günstigere Arbeitsbedingungen durch die schriftliche Stellenbeschreibung abgeändert und verschlechtert wurden.



Im Übrigen dient die Verschriftlichung von Arbeitsanweisungen, wie die Beklagte zu Recht ausführt, der Transparenz. Insbesondere dann, wenn es - wie im Streitfall - zu Spannungen zwischen den Arbeitsvertragsparteien kommt, ist es auch für den Arbeitnehmer von Vorteil, schriftliche Arbeitsanweisungen zu erhalten, an denen er sich orientieren kann. Dass dieser Vorteil in der Person der Klägerin nicht eingetreten ist, weil sie schlechthin außerstande war, den Inhalt der Stellenbeschreibung nebst Anlage zu lesen und intellektuell zu erfassen, ist nicht anzunehmen. Die Klägerin selbst hat dies nicht behauptet. Angesichts ihrer Schul- und Berufsbildung ist nicht davon auszugehen, dass die Klägerin mit dem Lesen und Verstehen längerer Texte grundsätzliche Schwierigkeiten hat.



(b) Auch inhaltlich ist in der Stellenbeschreibung und den detaillierten Dienstanweisungen keine Benachteiligung der Klägerin zu sehen.



Nach dem Vorbringen der Parteien lässt sich nicht feststellen, dass andere Mitarbeiter, die ebenso wie die Klägerin in der Funktion eines Pförtners eingesetzt werden, zu günstigeren Arbeitsbedingungen beschäftigt werden. Die Klägerin selbst trägt nicht vor, dass solche Mitarbeiter die Aufgaben, die sich aus der Stellenbeschreibung ergeben, nicht versehen müssen.



Es ist nicht erkennbar, inwiefern die Klägerin durch die sachlich begründeten Dienstanweisungen überfordert wird. Die Klägerin hat hierzu nichts Näheres vorgebracht. Sie beruft sich darauf, der Inhalt der Dienstanweisungen sei widersprüchlich, weil einerseits von ihr verlangt werde, die Pforte ständig zu besetzen, ihr aber andererseits Einzeltätigkeiten übertragen werden, die ein Verlassen der Pforte erfordern. Die Klägerin muss sich aber entgegenhalten lassen, dass in diesen Fällen von ihr erwartet wird, für eine Ablösekraft Sorge zu tragen. Insofern liegen keine widersprüchlichen Anforderungen vor, die die Klägerin zu erfüllen nicht imstande wäre. Zwar hat die Klägerin bestritten, dass "jederzeit Verwaltungsmitarbeiter stets willig und einsatzbereit" für die Klägerin einzuspringen bereit seien. Zwischen den Parteien ist jedoch unstreitig, dass grundsätzlich Arbeitnehmer zur Verfügung stehen, die die Klägerin in der Pforte ablösen können. Dass diese Arbeitnehmer nicht nach dem Belieben der Klägerin eingesetzt werden können, sondern eine Absprache notwendig ist, liegt auf der Hand (da jene Arbeitnehmer auch andere Arbeitsaufgaben zu versehen haben, die im Einzelfall dringlich sein können) und ist nicht als Schlechterstellung der Klägerin anzusehen. Insbesondere fehlt es an Anhaltspunkten dafür, dass es gerade für die Klägerin, anders als für andere Mitarbeiter im Pfortenbereich, besonders schwierig ist, (Verwaltungs-)Mitarbeiter zum Einspringen zu bewegen.



Soweit die Klägerin rügt, die Stellenbeschreibung verhalte sich über die Tätigkeit einer Pfortenkraft "mit Sozialdiensttätigkeit" und widerspreche daher den arbeitsvertraglichen Vereinbarungen, ist dem entgegenzuhalten, dass die "integrative Sozialdiensttätigkeit" zwar in der Überschrift der Stellenbeschreibung und deren Anlage 1 erwähnt wird, dass jedoch aus den aufgelisteten einzelnen Arbeitsvorgängen und-anweisungen nicht hervorgeht, die Klägerin solle mit Tätigkeiten außerhalb des Berufsbildes einer Mitarbeiterin in der Pforte eines Altenheimes betraut werden. Die Klägerin selbst zeigt auch keine Tätigkeit auf, die außerhalb dieses Berufsbildes stünde. Soweit die Klägerin rügt, mit der Stellenbeschreibung übertrage die Beklagte ihr zusätzliche Verwaltungstätigkeiten, muss sie sich den Inhalt des zwischen den Parteien abgeschlossenen Arbeitsvertrages vom 06.03.1986 entgegenhalten lassen. Der Arbeitsvertrag sieht ausdrücklich vor, dass die Klägerin Verwaltungsaufgaben übernimmt. Angesichts ihrer kaufmännischen Ausbildung ist insoweit eine Überforderung nicht erkennbar.



Schließlich ist es auch nicht zu beanstanden, dass die Stellenbeschreibung nicht Bestandteil des Arbeitsvertrages werden soll. Ihre Bestimmungen beruhen nicht auf vertraglichen Absprachen, sondern auf der Ausübung des Weisungsrechts, das der Beklagten als Arbeitgeberin zusteht (§ 106 GewO).



Die "Anpassung der Dienstanweisung" vom 21.01.2014 begegnet inhaltlich ebenfalls keinen rechtlichen Bedenken. Sie erfolgte vor dem Hintergrund geänderter Dienstzeiten der Klägerin. Dass die Klägerin aufgrund der Anpassung gegenüber anderen Mitarbeitern schlechter gestellt wurde, trägt sie selbst nicht vor. Anhaltspunkte dafür sind auch sonst nicht ersichtlich. Hinsichtlich der Lage und Dauer der Arbeitszeiten der Klägerin gab es offenbar zwischen den Parteien bislang keinen Konflikt.



(2) Die Stellenbeschreibung nebst Anlage stellt auch keine mittelbare Benachteiligung der Klägerin dar.



Eine mittelbare Benachteiligung liegt gemäß § 3 Abs. 2 AGG vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen eines in § 1 genannten Grundes gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können. Es ist nicht ersichtlich, dass der Inhalt der Stellenbeschreibung sich in besonderer Weise gegenüber behinderten Menschen benachteiligend auswirkt. Die Anforderungen und Anweisungen, die sich aus der Stellenbeschreibung ergeben, zielen nicht mittelbar darauf ab, die Beschäftigung von schwerbehinderten Menschen zu erschweren. Insbesondere ist nicht erkennbar, dass Anforderungen aufgestellt werden, die typischerweise von schwerbehinderten Menschen nicht erfüllt werden können. Dies gilt auch für schwerbehinderte Menschen, die - wie die Klägerin - an dem Ullrich-Turner-Syndrom leiden. Immerhin war die Klägerin seit 1986 auf ihrem Arbeitsplatz an der Pforte langjährig tätig, ohne dass Zweifel an ihrer Eignung aufkamen. Dass vor dem Verfassen der Stellenbeschreibung andere (leichtere) Arbeitsbedingungen herrschten, ist, wie bereits erwähnt, nicht ersichtlich.



bb) Die Klägerin wurde durch die ausgesprochenen Abmahnungen nicht benachteiligt.



(1) Eine unmittelbare Benachteiligung liegt nicht vor.



(a) Der Ausspruch einer Abmahnung ist an sich nicht bereits als Benachteiligung anzusehen.



Mit der Abmahnung bediente sich der Arbeitgeber eines zulässigen Gestaltungsmittels zur Durchführung des Arbeitsverhältnisses (so BAG, Urteil vom 28.04.2011 - 8 AZR 515/10 hinsichtlich des Ausspruchs einer Kündigung).



Zwar mag es für den betroffenen Arbeitnehmer ungünstig und nachteilig sein, wenn der Arbeitgeber sein vertragliches Rügerecht ausübt und eine Abmahnung ausspricht. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG ist jedoch maßgeblich, ob gegenüber anderen, nicht behinderten Arbeitnehmern bei vergleichbarem Sachverhalt keine Abmahnung ausgesprochen wurde (so BAG, Urteil vom 28.04.2011 - 8 AZR 515/10 im Hinblick auf den Ausspruch einer Kündigung).



(b) Indem die Beklagte die Klägerin abmahnte, erfuhr die Klägerin keine weniger günstige Behandlung, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation sie erfuhr.



(aa) Dass die Beklagte in vergleichbaren Fällen bei anderen Arbeitnehmern vom Ausspruch einer Abmahnung absah, lässt sich nicht feststellen.



Die Beklagte rügte in den Abmahnungen konkrete Pflichtverletzungen der Klägerin. Inwiefern andere Arbeitnehmer vergleichbare Pflichtverletzungen begingen und nicht abgemahnt wurden, ist nicht ersichtlich. Die Klägerin hat hierzu nichts Näheres vorgetragen, sondern sich lediglich darauf berufen, die Beklagte habe im Zusammenhang mit der Dienstübergabe am 30.03.2014 gegenüber Frau y, die verspätet zum Dienst erschien, keine Abmahnung ausgesprochen. Das Fehlverhalten von Frau y ist jedoch mit dem Fehlverhalten der Klägerin nicht vergleichbar. Frau y erschien verspätet zum Dienst und hatte dafür eine plausible Erklärung (Zeitumstellung am Vortag). Die Klägerin war nicht bereit, kurzzeitig länger am Arbeitsplatz zu verweilen, um auf das Eintreffen von Frau y zu warten. Einen plausiblen Grund hierfür hatte die Klägerin nicht (jedenfalls nicht vorgebracht). Im Übrigen waren Frau y und die Klägerin in der Situation am 30.03.2014 nicht vergleichbar. Denn Frau y hatte das Arbeitsverhältnis zur Beklagten mit ihrer Kündigungserklärung vom 18.02.2014 zum 14.04.2014 selbst beendet. Dass die Beklagte angesichts der kurz bevorstehenden Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber Frau y vom Ausspruch einer Abmahnung absah, ist nachvollziehbar und sachlich gerechtfertigt.



(bb) Eine unmittelbare Benachteiligung der Klägerin im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG lässt sich nicht damit begründen, dass eine hypothetische Vergleichsperson im Hinblick auf die Erteilung der Abmahnungen besser behandelt worden wäre als die Klägerin.



Fehlt es an vergleichbaren Arbeitnehmern, so kann sich eine Schlechterstellung auch daraus ergeben, dass eine fiktive Vergleichsperson anders behandelt worden wäre. Ist ein vergleichbarer Arbeitnehmer nicht vorhanden, muss auf einen hypothetischen Arbeitnehmer im Betrieb Bezug genommen werden (Schlachter, in: Erurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 16. Aufl. 2016, § 3 AGG Rdnr. 5). Dies ergibt sich aus dem Wortlaut des § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG ("erfahren würde").



Es ist nicht davon auszugehen, dass gegenüber einer solchen hypothetischen Vergleichsperson keine Abmahnung ausgesprochen worden wäre. Die Beklagte nahm aus ihrer Sicht objektiv vorliegende Pflichtverletzungen der Klägerin zum Anlass, die Abmahnungen im Jahr 2014 auszusprechen. Auch ein verständiger, objektiv denkender Arbeitgeber hätte bei Vorliegen der gerügten Pflichtverletzungen den Ausspruch von Abmahnungen gegenüber in Erwägung gezogen. Etwas anderes könnte nur dann angenommen werden, wenn die Beklagte bewusst und gewollt in den Abmahnungsschreiben einen unwahren, gar nicht vorliegenden Sachverhalt geschildert und zum Gegenstand der Abmahnung gemacht hätte. In diesem Zusammenhang ist zwar zwischen den Parteien (auch in den vorhergehenden Rechtsstreitigkeiten hinsichtlich der Entfernung der Abmahnungen aus der Personalakte der Klägerin) teilweise streitig, ob das Geschehen in den Abmahnungsschreiben zutreffend von der Beklagten dargestellt wurde. Die Klägerin selbst behauptet aber nicht, dass die Beklagte den Sachverhalt vorsätzlich falsch darstellte.



Nichts anderes folgt daraus, dass die Beklagte mit dem Urteil des Arbeitsgerichts vom 24.02.2015 verpflichtet wurde, die Abmahnungen vom 31.03.2014, vom 04.04.2014 und vom 08.05.2014 aus der Personalakte der Klägerin zu entfernen. Das Arbeitsgericht hat keine Feststellungen dazu getroffen, dass die Beklagte den Abmahnungen einen unrichtigen Sachverhalt zugrunde legte. Das Gericht hielt die Abmahnung vom 31.03.2014 für unverhältnismäßig und hat die Auffassung vertreten, die Abmahnungen vom 04.04.2014 und vom 08.05.2014 seien aus formalen Gründen aus der Personalakte der Klägerin zu entfernen, weil sie als "weitere" Abmahnungen bezeichnet worden sind. Vor diesem Hintergrund ist festzustellen, dass die Beklagte sich mit dem Ausspruch der Abmahnungen jedenfalls nicht grob rechtswidrig verhielt. Allein aus der Tatsache, dass die Beklagte gegenüber der Klägerin Abmahnungen aussprach, die einer gerichtlichen Kontrolle nicht standhielten, lässt sich nicht ableiten, dass die Beklagte solche Abmahnungen gegenüber einer hypothetischen Vergleichsperson nicht ausgesprochen hätte. Nicht jede unberechtigte Kritik, überzogene Abmahnung oder andere unwirksame Maßnahme des Arbeitgebers trägt von vornherein diskriminierenden Charakter; der Arbeitgeber muss Personalmaßnahmen grundsätzlich auch versuchen dürfen (BAG, Urteil vom 13.03.2008 - 2 AZR 88/07 zur Frage der Persönlichkeitsrechtsverletzung bei rechtswidrigen arbeitgeberseitigen Maßnahmen).



(2) Der Ausspruch der Abmahnungen gegenüber der Klägerin ist auch nicht als mittelbare Benachteiligung im Sinne des § 3 Abs. 2 AGG anzusehen.



Mit den Abmahnungen rügte die Beklagte kein Verhalten, das für behinderte Menschen typisch ist. Die Vertragspflichtverletzungen, die die Beklagte der Klägerin mit den Abmahnungen vorwarf, stellen typische Nachlässigkeiten dar, die auch nicht behinderten Arbeitnehmern unterlaufen.



b) Wollte man entgegen den vorstehenden Ausführungen annehmen, die Beklagte habe die Klägerin - unabhängig von der Frage der Schlechterstellung gegenüber anderen Mitarbeitern - durch den Ausspruch der Abmahnungen bereits deshalb benachteiligt, weil die Aufnahme der Abmahnungen in die Personalakte der Klägerin ihr berufliches Fortkommen zu beeinträchtigen geeignet war und weil die Beklagte die Abmahnungen im Ergebnis zurückgenommen hat bzw. aufgrund gerichtlicher Verurteilung zurücknehmen musste, so fehlt es jedenfalls an der erforderlichen Kausalität zwischen der Behinderung und der Beeinträchtigung der Klägerin.



Hinsichtlich der Kausalität zwischen Behinderung und Benachteiligung - das Benachteiligungsverbot erfasst gemäß § 6 AGG nur Benachteiligungen "wegen" eines Merkmals im Sinne des § 1 AGG - ist die klagende Partei darlegungs- und beweispflichtig. Nach § 22 AGG reicht es allerdings aus, wenn im Streitfall die klagende Partei Indizien vorträgt und gegebenenfalls beweist, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 genannten Grundes vermuten lassen. Solche Indizien liegen im Streitfall indes nicht vor.



aa) Die Behinderung der Klägerin stellt kein zureichendes Indiz dar.



Allein das Vorliegen eines Diskriminierungsmerkmals im Sinne des § 1 AGG in der Person des Benachteiligten genügt für die Annahme eines Kausalzusammenhangs nicht (BAG, Urteil vom 22.10.2009 - 8 AZR 642/08, Urteil vom 28.04.2011 - 8 AZR 515/10). Anderenfalls könnte bei jeder Kündigungserklärung, Abmahnung oder belastenden Weisung gegenüber einem Arbeitnehmer, der ein Merkmal im Sinne des § 1 AGG aufweist (was beim Merkmal des Geschlechts immer der Fall ist), ohne weiteres eine kausale Benachteiligung angenommen werden.



bb) Der Ausspruch von Abmahnungen ist im Streitfall nicht als Indiz gemäß § 22 AGG anzusehen.



Als Ausübung des arbeitgeberseitigen Rügerechts knüpft die Abmahnung als solche nicht an ein Diskriminierungsmerkmal an. Jedoch können die Motivationen des Arbeitgebers oder die dem Ausspruch der Abmahnung zugrundeliegenden Überlegungen, insbesondere die Begründung der Abmahnung, Anhaltspunkte für einen Zusammenhang zwischen der Abmahnung und einem Merkmal nach § 1 AGG sein (so BAG, Urteil vom 28.04.2011 - 8 AZR 515/10 im Hinblick auf den Ausspruch einer arbeitgeberseitigen Kündigung). An solchen Anhaltspunkten fehlt es hier jedoch. Aus der Erklärung der Abmahnungen geht hervor, dass die Beklagte nicht die Behinderung der Klägerin, sondern ein (aus Sicht der Beklagten vorliegendes) arbeitsvertragliches Fehlverhalten zum Anlass für die Abmahnungen nahm. Der Text der Abmahnungserklärungen nimmt nicht Bezug auf behinderungsbedingte Beeinträchtigungen der Klägerin. Nichts anderes ergibt sich aus dem Inhalt des Schriftsatzes, den die Beklagte im Rechtsstreit um die Abmahnungen verfasste. Die Beklagte stellt dort zur Rechtsfertigung der Abmahnungen nicht auf behinderungsbedingte Einschränkungen, sondern auf ein - von der Beklagten als solches wahrgenommenes - Fehlverhalten der Klägerin ab.



cc) Zugunsten der Klägerin nimmt das Berufungsgericht an, dass ein Indiz für eine Benachteiligung "wegen" der Behinderung im Sinne des § 7 Abs. 1 AGG vorliegt, wenn ein Arbeitnehmer infolge einer behinderungsbedingten Beeinträchtigung seine Vertragspflichten nicht ordnungsgemäß erfüllt und der Arbeitgeber ihn deshalb abmahnt.



Der erforderliche ursächliche Zusammenhang ist in diesem Fall aber nur dann gegeben, wenn die Behinderung ursächlich für die Verletzung von Vertragspflichten war und der Arbeitgeber dies auch wusste (ohne Kenntnis eines in § 1 genannten Merkmals fehlt es, wie sich im Umkehrschluss aus § 7 Abs. 1, 2. Halbs. AGG ergibt, an einem Indiz für das Vorliegen einer Benachteiligung "wegen" des Merkmals; vgl. auch BAG, Urteile vom 26.09.2013 - 8 AZR 650/12, vom 18.09.2014 - 8 AZR 759/13). Im Streitfall sind beide Voraussetzungen nicht gegeben.



(1) Es lässt sich nicht feststellen, dass das mit der Abmahnung gerügte (Fehl-) Verhalten der Klägerin auf ihre Behinderung zurückzuführen ist.



Zunächst ist nicht erkennbar, dass das in den Abmahnungen gerügte Verhalten der Klägerin auf ihre Hörminderung oder auf Minderwuchs zurückzuführen ist. Das gerügte Verhalten steht nicht im Zusammenhang mit ihrer Körpergröße. Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Klägerin das in den Abmahnungen angesprochene Verhalten an den Tag legte, weil sie infolge ihrer Hörminderung mündliche Anweisungen nicht wahrnahm oder missverstand. Die Klägerin selbst hat dies nicht behauptet, sondern schon in der Klageschrift vorgetragen, die Abmahnungen stünden nicht im Zusammenhang mit der Hörminderung.



Die Klägerin hat sich vielmehr darauf berufen, dass sie infolge des Ullrich-Turner-Syndroms an weiteren psychischen Beeinträchtigungen leide. Die Klägerin hat in diesem Zusammenhang Probleme mit der sozialen Wahrnehmung, mit dem Selbstwertgefühl und mit der Fähigkeit zur Umsetzung nonverbaler Anweisungen angesprochen. Sie hat jedoch nicht näher dargelegt, inwiefern ihr Verhalten, das die Beklagte zum Anlass nahm, die Abmahnungen im Jahr 2014 auszusprechen, gerade durch die nach ihrer Behauptung mit dem Ullrich-Turner-Syndrom zusammenhängenden psychischen Beeinträchtigungen verursacht war. Allein die Tatsache, dass die von der Klägerin angesprochenen psychischen Beeinträchtigungen bei einer Vielzahl von Personen, die am Ullrich-Turner-Syndrom leiden, vorliegen mögen, lässt keinen Rückschluss darauf zu, dass die Klägerin das abgemahnte Verhalten nicht ohne die krankheitsbedingten, von ihr behaupteten Beschränkungen gezeigt hätte. Die Klägerin selbst trägt ja vor, dass "diese Schwierigkeiten aber nur beim Lösen ganz besonderer Aufgaben zu merken und nicht wirklich im Alltag beeinträchtigend" seien. Das abgemahnte Verhalten der Klägerin betrifft normale Situationen des Arbeitslebens; es ist nicht ersichtlich, inwiefern der Klägerin zuvor die Lösung einer "ganz besonderen Aufgabe" angetragen wurde. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Klägerin ihrer Tätigkeit als Pförtnerin für die Beklagte schon seit 1986 nachging und es offenbar über einen langjährigen Zeitraum hinweg nicht zu einem beanstandeten Fehlverhalten kam, hätte die Klägerin, worauf bereits das Arbeitsgericht zu Recht hingewiesen hat, konkret aufzeigen müssen, inwiefern sie behinderungsbedingte Schlechtleistungen erbrachte und dafür eine Abmahnung erhielt. Dass die Arbeitsleistungen der Klägerin krankheitsbedingt ständig hinter einer objektiven Durchschnittsleistung zurückbleibt, die von einem nicht behinderten Arbeitnehmer als Mitarbeiter der Pforte erwartet werden kann, ist nicht ersichtlich. Die Klägerin versah ihre Arbeitsaufgaben über lange Jahre hinweg unbeanstandet. Die Abmahnungen betrafen Einzelsituationen.



(2) Es lässt sich auch nicht feststellen, dass die Beklagte Kenntnis davon hatte, dass die Klägerin infolge des Ullrich-Turner-Syndroms unter psychischen Beeinträchtigungen litt, die für das abgemahnte Verhalten ursächlich waren.



Aus den Bescheiden vom 03.08.1977 und vom 15.12.2014, die sich über den der Klägerin zuerkannten GdB verhalten, ergibt sich zwar, dass die Klägerin am Ullrich-Turner-Syndrom leidet. Besondere psychische Beeinträchtigungen, wie sie die Klägerin behauptet, werden in den Bescheiden jedoch nicht thematisiert.



Auch die fachdienstlichen Stellungnahme vom 13.11.2013 verhält sich nur darüber, dass die Klägerin am Ullrich-Turner-Syndrom mit Minderwuchs leidet. Konkrete psychische Beeinträchtigungen, die Leistungsmängel im Arbeitsverhältnis hervorzurufen geeignet wären, sind dort nicht beschrieben. Soweit die Klägerin vorträgt, die Geschäftsführerin der Beklagten sei nach dem beklagtenseitigen Antrag vom 07.08.2013 in den Beratungsprozess eingebunden gewesen, so ergibt sich daraus nicht, dass die jetzt von der Klägerin behaupteten psychischen Beeinträchtigungen im Beratungsprozess thematisiert wurden. Dass dies der Fall war, ist nicht ohne weiteres anzunehmen. Denn der Antrag der Beklagten vom 07.08.2013 stellte ab auf die mit der Hörminderung der Klägerin hervorgerufenen Beeinträchtigungen und nicht auf Fehlleistungen, die aus psychischen Beeinträchtigungen der Klägerin resultierten.



Allein in der fachdienstlichen Stellungnahme vom 07.11.2012 sind psychische Beeinträchtigungen der Klägerin angesprochen. Dort heißt es allerdings, dass innerhalb des Turner-Syndroms Verhaltensveränderungen und Wahrnehmungsstörungen "entstehen können". Ob die Klägerin "Aufträge wirklich vergisst und warum", wird offen gelassen. Soweit die fachdienstliche Stellungnahme "Schlafstörungen, Konzentrationsstörungen und Aufmerksamkeitsprobleme" anspricht, werden diese Phänomene im Zusammenhang mit einer Anpassungsstörung gebracht, "welche bisher nicht diagnostiziert oder im Bescheid aufgelistet wäre". Insgesamt deuten die Ausführungen der in Vermerkform gehaltenen fachdienstlichen Stellungnahme gerade nicht darauf hin, dass etwaige Leistungsmängel im Jahr 2014 auf psychische Beeinträchtigungen infolge des Turner-Syndroms entstanden. Es kommt hinzu, dass die Beklagte in Abrede gestellt hat, den Inhalt des Vermerks vom 07.11.2012 zu kennen. Aus dem Vermerk selbst ergibt sich nicht, dass er der Beklagten zugeleitet wurde. Die Klägerin hat Kenntnis der Beklagten behauptet und hierzu vorgetragen, der Mitarbeiter Herr L des LWL-Integrationsamts Westfalen habe das "im Training mit der Geschäftsführerin der Beklagten als betriebliche Ansprechpartnerin mehrfach erörtert"; aufgrund der Erörterungen sei der Geschäftsführerin der Beklagten "bestens bekannt, an welchen Erkrankungen und insbesondere mit welchen Auswirkungen die Klägerin leidet". Konkrete Umstände, aus denen sich eine Kenntnis der Beklagten ableiten ließe, legt die Klägerin nicht dar. Eine Vernehmung des Zeugen L, den die Klägerin benannt hat, scheidet aus. Die Vernehmung des Zeugen hätte einen unzulässigen Ausforschungsbeweis dargestellt. Die Klägerin hat die Tatsachen, über die die Vernehmung des Zeugen stattfinden soll und aus denen sich eine Kenntnis der Beklagten von den behaupteten psychischen Beeinträchtigungen ergibt, nicht hinreichend genau gemäß § 373 ZPO bezeichnet.



c) Ob die Klägerin ihren Entschädigungsanspruch rechtzeitig gemäß § 15 Abs. 4 AGG geltend gemacht hat, kann offen bleiben.



2. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, an die Klägerin Schadensersatz für die Kosten des Rechtsanwalts zu leisten.



Da die Beklagte die Klägerin nicht wegen ihrer Behinderung benachteiligt hat, scheidet ein Anspruch aus § 15 Abs. 1 AGG aus. Andere Anspruchsgrundlagen, die das Klagebegehren stützen könnten, sind nicht ersichtlich.



III



Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Klägerin hat die Kosten der erfolglos eingelegten Berufung zu tragen.



Es besteht keine Veranlassung, die Revision gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG zuzulassen. Insbesondere wirft der Rechtsstreit keine entscheidungserhebliche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung auf.

Vorschriften§ 27 SchwbAV, § 15 Abs. 2 AGG, § 2 AGG, § 15 Abs. 4 AGG, § 66 Abs. 1 ArbGG, § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG, § 15 Abs. 1 Satz 1 AGG, § 7 Abs. 1 AGG, § 1 AGG, § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG, § 106 GewO, § 3 Abs. 2 AGG, § 6 AGG, § 22 AGG, § 7 Abs. 1, 2. Halbs. AGG, § 373 ZPO, § 15 Abs. 1 AGG, § 97 Abs. 1 ZPO, § 72 Abs. 2 ArbGG