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25.04.2018 · IWW-Abrufnummer 200874

Landessozialgericht Berlin-Brandenburg: Urteil vom 10.08.2017 – L 21 U 85/16

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Landessozialgericht Berlin-Brandenburg

verkündet am: 10. August 2017

Az.: L 21 U 85/16
Az.: S 18 U 164/13 Sozialgericht Frankfurt (Oder)
      
Im Namen des Volkes

Urteil

In dem Rechtsstreit
 
xxx

hat der 21. Senat des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg auf die mündliche Verhandlung vom 10. August 2017 durch den Vorsitzenden Richter am Landessozialgericht Dr. xxx, die Richterin am Landessozialgericht xxx und den Richter am Sozialgericht xxx sowie die ehrenamtliche Richterin xxx und die ehrenamtliche Richterin xxx für Recht erkannt:

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat auch die außergerichtlichen Kosten der Klägerin im Berufungsverfahren zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Beklagte wendet sich gegen ihre Verurteilung zur Anerkennung eines Ereignisses vom 30. August 2012 als von ihr zu entschädigendem Arbeitsunfall. Insbesondere ist streitig, ob die Klägerin zum Zeitpunkt des Unfalls eine dem Versicherungsschutz der gesetzlichen Unfallversicherung unterliegende Tätigkeit verrichtet hat.

Die Klägerin war zum Zeitpunkt des vorgenannten Ereignisses mit 35 Stunden pro Woche bei der Z Marktkauf M GmbH, Filiale in E (im Folgenden: Marktkauf) beschäftigt, wo sie im Schichtdienst arbeitete. Der Ehemann der Klägerin betreibt in W die Gaststätte „D“ inklusive Getränkemarkt. Die regulären Öffnungszeiten der Gaststätte waren wochentags von 14:00 bis 20:00 Uhr und Samstag/Sonntag von 17:00 bis 20:00 Uhr. Darüber hinaus fanden in der Gaststätte Sonderveranstaltungen mit abweichenden Öffnungszeiten statt.

Nach Angaben der Klägerin und ihres Ehemannes half die Klägerin, wenn  sie dieses einrichten konnte unter Berücksichtigung ihres Schichtdienstes (Frühschicht von 6:00 bis 13:30 Uhr, Spätschicht 13:00 bis 20:30 Uhr) in der Gaststätte mit, insbesondere bei Großveranstaltungen. An Wochenenden half sie eigenen Angaben zufolge regelmäßig in der Gaststätte aus. Außer der Klägerin halfen noch die Eltern des Ehemannes des Klägers gelegentlich in dessen Gaststätte mit. Eine bezahlte Anstellung von Hilfskräften sei bis zum Unfall der Klägerin aus wirtschaftlichen Gründen - mangelnder Umsatz - nicht erfolgt.

Wenn es bei Marktkauf Sonderangebote gab, ein bis zweimal im Monat, besorgte die Klägerin dort auf Bitte ihres Ehemannes im Anschluss an ihre Schicht Getränke für dessen Gaststätte und Getränkehandel, so auch am 30. August 2012. Die Klägerin fuhr dabei mit einem von ihr und ihrem Ehemann sowohl geschäftlich als auch privat genutzten Renault - Kleintransporter. Für größere Einkäufe fuhr der Ehemann der Klägerin selbst mit einem zu seinem Betrieb gehörenden größeren Transporter, den er ausschließlich für die Getränkelieferung nutzte.

Am 30. August 2012 absolvierte die Klägerin bei der Fa. Marktkauf von 13.20 Uhr bis 21.00 Uhr eine Spätschicht. Anschließend fuhr sie zur Gaststätte ihres Ehemannes und wartete dort das Ende einer Tanzveranstaltung (Tanzkurs) ab. Nachdem die Veranstaltung beendet war und die letzten Gäste gegangen waren, begannen die Klägerin und ihr Ehemann, die von der Klägerin für den Betrieb ihres Ehemannes eingekauften Getränkekisten (zwischen 10 und 20) aus dem Kleintransporter auszuladen, wobei die Kisten abwechselnd in die Gaststätte getragen wurden. Hierbei wurde die Klägerin gegen 22.40 Uhr von einem anderen Pkw erfasst und gegen den Renault-Transporter gequetscht. Die Klägerin wurde hierbei so schwer am linken Bein verletzt, dass es amputiert werden musste.

Der vorgenannte Unfall wurde zunächst der für die Fa. Marktkauf zuständigen Berufsgenossenschaft Handel und Warenverkehr gemeldet, welche die Anerkennung des Ereignisses als Arbeitsunfall im Sinne eines Wegeunfalls ablehnte, da sich die Klägerin zum Zeitpunkt des Unfalls nicht auf dem Heimweg befunden habe. Diesen habe sie aus eigenwirtschaftlichen Gründen zur Teilnahme an der Tanzveranstaltung und Entladung des Fahrzeugs unterbrochen.

Mit Schreiben vom 5. März 2013 wandte sich die Klägerin daraufhin an die Beklagte. Hierbei verwies sie darauf, dass sie ihren Ehemann seit Jahren bei der Führung der Gastwirtschaft unentgeltlich unterstützt habe und fragte nach, ob sie als Ehefrau nicht automatisch mitversichert sei. Auch die gegnerische Haftpflichtversicherung habe sie auf die Zuständigkeit der Berufsgenossenschaft ihres Mannes verwiesen.

Nach Einholung eines Fragebogens zum ,,Ehegattenarbeitsverhältnis” vom Ehemann der Klägerin, in welchem dieser angegeben hatte, dass mit seiner Ehefrau kein Arbeitsverhältnis bestanden habe, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 13. Mai 2013 die Erbringung von Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung auf Grund des Ereignisses vom 30. August 2012 ab. Die Klägerin habe in keinem nach § 2 SGB Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) Versicherungsschutz begründenden Arbeitsverhältnis gestanden. Sie sei auch nicht nach § 6 Abs.1 Nr.2 SGB VII als mitarbeitende Ehegattin freiwillig unfallversichert gewesen. Hierfür wäre eine schriftliche Anmeldung notwendig gewesen. Die Mitgliedschaft hätte dann ab Eingang der schriftlichen Anmeldung begonnen.

Die Klägerin sei auch keine „Wie - Beschäftigte” im Sinne des § 2 Abs.2 S.1 SGB VII. Sie sei nicht wie eine Arbeitnehmerin im Betrieb ihres Ehemannes tätig gewesen, da zwischen ihr und ihrem Ehemann ein Sonderverhältnis bestehe. Zwar könnten auch Verwandte grundsätzlich dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung unterliegen, wenn es sich nicht um Gefälligkeitshandlungen unter Verwandten handele. Hierbei sei nach der Art, Umfang, Zeitdauer der Verrichtung sowie der Stärke der verwandtschaftlichen Beziehungen abzugrenzen. Bei dem Be- und Entladen eines PKW handele es sich um eine Tätigkeit, die wegen und im Rahmen der Sonderbeziehung zum Unternehmer erfolgte und gleichzeitig eine Gefälligkeit darstelle.

Am 12. Juni 2013 legte Klägerin hiergegen Widerspruch ein, mit dem sie geltend machte, dass von einer so genannten „Wie - Beschäftigung” ausgegangen werden müsse. Sie habe regelmäßig im Geschäftsbetrieb ihres Ehemannes mitgearbeitet. Insbesondere habe sie wöchentlich Getränke für diesen eingekauft und aus Eisenhüttenstadt mit dem Firmenfahrzeug des Gewerbebetriebes ihres Ehemannes transportiert. Insbesondere mit Rücksicht auf die Regelmäßigkeit dieser Mithilfe handele es sich nicht um eine reine Gefälligkeit.

Mit Widerspruchsbescheid vom 19. September 2013 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück. Ergänzend führte die Beklagte aus, dass Verwandte dann nicht dem Versicherungsschutz nach § 2 Abs.2 S.1 SGB VII wie Beschäftigte unterlägen, wenn die zum Unfall führende Verrichtung nach Art, Umfang und Zeitdauer durch das verwandtschaftliche Verhältnis beziehungsweise durch die gegenseitige Hilfsbereitschaft bei Ehegatten geprägt und somit üblich sei. Im Ehegattenverhältnis bestünden besondere Pflichten, die eine erhöhte Erwartung an die Hilfsbereitschaft rechtfertigen, denn Ehegatten seien einander Beistand und Rücksicht schuldig. Je weniger eine Tätigkeit einen Aufwand erfordere und je enger das Ehegattenverhältnis sei, desto weniger bestehe Versicherungsschutz und umgekehrt. Die Mithilfe beim Ausladen von Getränkekisten aus dem Fahrzeug und die Verbringung in die Gaststätte erforderten einen geringen Zeitaufwand und würden vom Ehegatten im Rahmen eines intakten Familienverbandes, der von wechselseitiger Unterstützung geprägt sei, erwartet. Beim Herausheben von Getränkekiste aus dem Fahrzeug handele es sich ferner um keine Tätigkeit mit besonderem Gefahrenmoment. Aus den Gesamtumständen folge, dass die Klägerin im Rahmen einer im Ehegattenverhältnis zu erwartenden Hilfeleistung und nicht wie ein Arbeitnehmer beziehungsweise Beschäftigter tätig gewesen sei.

Am 15. Oktober 2013 hat die Klägerin hiergegen Klage zum SG Frankfurt (Oder) erhoben und zur Begründung ausgeführt, sie sei im Interesse ihres Ehemannes tätig gewesen. Hätte sie diese Arbeit nicht verrichtet, hätte ihr Ehemann hierfür andere Personen beschäftigen müssen. Die Auffassung der Beklagten, dass es sich um eine Gefälligkeitsleistung im Rahmen familiärer Beziehungen handele, überzeuge nicht. Die Klägerin habe regelmäßig für den Betrieb ihres Ehemannes Getränke besorgt und beim Ausladen geholfen. Der Umstand, dass die Bereitschaft zur Erbringung von unentgeltlichen Freundschafts- und Gefälligkeitsleistungen unter Verwandten größer sei, führe bei der Verrichtung von Tätigkeiten, die ansonsten auf Grund eines Beschäftigungsverhältnisses verrichtet würden, nicht zum Ausschluss des Versicherungsschutzes.

Die Beklagte hat mit der Klageerwiderung darauf verwiesen, dass die Klägerin fast vollschichtig bei der Fa. Marktkauf tätig gewesen sei. Ihre Mithilfe in der Gaststätte ihres Ehemannes unter Berücksichtigung ihres Schichtplanes sei damit kein echtes Arbeitsverhältnis, sondern eine Tätigkeit als mithelfende Ehefrau. Hierfür bestehe Versicherungsschutz nur dann, wenn eine freiwillige Versicherung abgeschlossen werde. Dieses sei nicht der Fall gewesen.

Das SG hat den Ehemann der Klägerin, Herrn T G, als Zeugen vernommen. Wegen der weiteren Einzelheiten der Zeugenaussage wird auf die Anlage 1 zur Sitzungsniederschrift vom 11. Mai 2016 (Blatt 47 und 48 der Gerichtsakte - GA) verwiesen.

Das SG hat die Beklagte mit Urteil vom 11. Mai 2016 unter Aufhebung des Bescheides vom 13. Mai 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. September 2013 verurteilt, den Unfall vom 30. August 2012 als Arbeitsunfall festzustellen.

Zur Begründung hat das SG im Wesentlichen ausgeführt, das Abladen der Getränkekisten stelle als Teil der Hilfstätigkeiten der Klägerin für den Gaststättenbetrieb ihres Ehemannes eine dem Versicherungsschutz der gesetzlichen Unfallversicherung nach § 2 SGB VII unterfallende versicherte Tätigkeit dar. Die Klägerin habe als so genannte „Wie - Beschäftigte” im Sinne des § 2 Abs.2 S.1 SGB VII dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung unterlegen.

Die Klägerin habe trotz ihrer fast vollschichtigen Tätigkeit bei der Fa. Marktkauf in nicht unerheblichem Umfang im Betrieb ihres Ehemannes als Hilfskraft bei größeren Veranstaltungen sowie an Wochenenden ohne Bestehen eines Arbeitsvertrages mitgearbeitet. Ferner habe sie den Betrieb ihres Ehemannes durch regelmäßige Getränkeeinkäufe und -transporte unterstützt, so dass ihr Ehemann in erheblichem Umfang Zeit und Geld habe sparen können. Die von ihr verrichtete Tätigkeit, insbesondere auch das Besorgen der Getränke für die Gaststätte und den Getränkehandel des Ehemanns sei bei dem regelmäßigen Umfang von 10 bis 20 Getränkekisten von erheblichem Wert gewesen, da der Einkauf, das Ein- und Ausladen sowie der Transport zeitlich für die Klägerin einen deutlichen Mehraufwand bedeuteten und für den Betrieb des Ehemannes nicht wenig an Zeit- und Geldersparnis brächten. Diese Tätigkeit hätte andernfalls auch von einem angestellten Arbeitnehmer verrichtet werden können. Die Klägerin habe die Tätigkeit auch ähnlich einem Arbeitnehmer und nicht in einer anderen Funktion oder Eigenschaft verrichtet.

Die Klägerin habe nicht wie eine „Wie-Unternehmerin” gehandelt. Das Gewerbe der Gaststätte sei nur auf den Ehemann der Klägerin zugelassen gewesen. Dieser habe alle wesentlichen Entscheidungen getroffen, insbesondere die Auswahl der zu besorgenden Getränke. Die Klägerin sei nur wie eine angestellte Hilfskraft tätig geworden.

Die arbeitnehmerähnliche Hilfstätigkeit der Klägerin sei über das hinausgegangen, was im Rahmen der ehelichen Gemeinschaft von Ehepartnern untereinander an Unterstützung gefordert wird, so dass das Näheverhältnis zu ihrem Ehemann sicherlich Beweggrund für die unentgeltliche Mitarbeit in dessen Unternehmen gewesen sei, diesem jedoch nicht das Gepräge gegeben habe. Hierbei sei zum einen zu berücksichtigen, dass die Klägerin selbst eine 35-Stunden-Tätigkeit in Schichtarbeit verrichtet und damit bereits erheblich zum Unterhalt der Familie beigetragen habe.

In dieser Konstellation sei es heutzutage nicht mehr selbstverständlich, dass die Klägerin ihren Ehemann bei dessen selbständiger Erwerbstätigkeit in erheblichem Umfang unterstütze. Dies hätte der Ehemann auch nicht im Rahmen der ehelichen Gemeinschaft nach § 1353 BGB einfordern können.

Auch die konkrete Mitarbeit der Klägerin beim Beschaffen der Getränke für den Geschäftsbetrieb des Ehemannes sei über das hinausgegangen, was üblicherweise unter Eheleuten verlangt werden könne. Denn der Umfang der Tätigkeiten der Klägerin sei nicht gering gewesen. So habe diese nach Feierabend eine nicht unerhebliche Anzahl von Kisten mit nicht unerheblichem Gewicht (10 bis 20 Stück mit sicherlich mindestens 10 Kilogramm Gewicht je Kiste) suchen, aufladen, transportieren und abladen müssen. Hierdurch sei nicht nur eine körperliche Belastung sondern auch ein erheblicher zusätzlicher Zeitaufwand entstanden. Der Umfang der Tätigkeit gehe damit über das hinaus, was sich Eheleute normalerweise „auf dem Weg” mitbringen. In dem hier zu entscheidenden Fall, habe das auch dazu geführt, dass die Klägerin bis kurz vor Mitternacht für den Kläger gearbeitet habe, was viele Eheleute auch in einer funktionierenden Ehe mit Rücksicht auf die zuvor gearbeitete Arbeitsschicht mit guten Gründen ausgeschlagen hätten. Zu berücksichtigen sei auch, dass die Hilfeleistung regelmäßig geschehen sei. Dieses deute wiederum auf eine wirtschaftlich erhebliche Mitarbeit der Klägerin im Betrieb ihres Ehemannes hin, die auch unter Eheleuten nicht selbstverständlich sei und damit der Mitarbeit der Klägerin im Betrieb ihres Ehemannes ein arbeitnehmerähnliches und nicht ein rein familiäres Gepräge gegeben habe.
 
Schließlich führe auch die Existenz der Möglichkeit der freiwilligen Versicherung des mitarbeitenden Ehepartners in der gesetzlichen Versicherung nach § 6 Abs.1 S.1 Nr.1 SGB VII nicht dazu, dass die Annahme einer Stellung des mitarbeitenden Ehepartners als arbeitnehmerähnlichem Beschäftigten nach § 2 Abs. 2 S. 1 SGB VII ausgeschlossen sei.

Die Beklagte hat gegen das ihr am 6. Juni 2016 zugestellte Urteil am 13. Juni 2016 Berufung eingelegt, zu deren Begründung sie im Wesentlichen vorträgt, die Feststellungen des Sozialgerichts entsprächen nicht dem Ergebnis der Beweisaufnahme bzw. den Angaben der in der mündlichen Verhandlung informatorisch befragten Klägerin. Die Klägerin sei zum Unfallzeitpunkt vollschichtig bei der Fa. Marktkauf in E angestellt gewesen und habe dort in der Zeit von 13:20 Uhr bis 21:00 Uhr gearbeitet und diesen Schichtdienst auch an Wochenenden verrichtet. Die Gaststätte des Ehemannes sei wochentags in der Zeit von 14  bis 20 Uhr und Samstag/Sonntag von 17 bis 20 Uhr geöffnet gewesen. Die Arbeitszeiten der Klägerin hätten sich weitestgehend mit den Arbeitszeiten ihres Ehemannes überschnitten, sie selbst habe angegeben, „grundsätzlich als Aushilfe“ dabei gewesen zu sein. Da sie zeitlich nur wenig zum Betrieb der Gaststätte habe beitragen können, hätten die Eltern des Ehemannes bei größeren Veranstaltungen ausgeholfen. Die Feststellungen des Sozialgerichts, die Klägerin habe in nicht unerheblichem Umfang im Betrieb ihres Ehemannes gearbeitet, lasse sich weder anhand der tatsächlichen Umstände bzw. Arbeitszeiten noch anhand der Erklärungen der Klägerin nachvollziehen. Auch die Feststellung, die Hilfe der Klägerin beim Beschaffen der Getränke sei über das hinausgegangen, was üblicherweise unter Eheleuten verlangt werden könne, finde keine nachvollziehbare Grundlage. Die Klägerin habe mitgeteilt, dass sie den Getränkeeinkauf nur übernommen habe, da sie beim Getränkehandel bzw. der Fa. Marktkauf gearbeitet habe und der Getränketransport für sie „sowieso auf dem Weg“ gelegen habe. Der Ehemann habe erklärt, dass die Klägerin Getränke nur dann angeschafft habe, wenn es diese bei der Fa. Marktkauf gerade im Angebot gegeben habe. Die Klägerin habe Getränke einmal in zwei Wochen, d.h. zweimal im Monat beschafft, darüber hinaus habe sie keine Einkäufe durchgeführt. Mit der gelegentlichen Beschaffung der Getränke durch die Klägerin hätten Doppelfahrten vermieden werden sollen.

Da der Ehemann die Getränke grundsätzlich selbst beschafft habe und durch die vereinzelte Beschaffung durch die Klägerin nur Doppelfahrten haben vermieden werden sollen, wäre für diese Verrichtung niemals eine Arbeits- bzw. Aushilfskraft eingestellt worden. Eine umfangreiche bzw. zeitlich ausgedehnte Bereitschaft der Klägerin, für ihren Ehemann Arbeiten auszuführen, habe nicht vorgelegen, sie habe nur in ihrer Freizeit Tätigkeiten übernehmen können. Diese Arbeit sei nur „nach Bedarf“ abgerufen worden, dies spreche als wesentliches Indiz gegen eine arbeitnehmerähnliche Tätigkeit. Für eine nur gelegentliche und unbedeutende Hilfeleistung entstehe kein Vergütungsanspruch und diese erfolge unentgeltlich (GA 86). Die ohnehin „auf dem Weg liegende“ Beschaffung von Getränken und Mithilfe beim Ausladen an zwei Tagen im Monat liege im Rahmen dessen, was in einer funktionierenden Ehe üblicherweise zu erwarten sei und gehen in Umfang und Zeitdauer nicht darüber hinaus.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 11. Mai 2016 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und macht ergänzend geltend, dass sie nicht nur regelmäßig, zweimal im Monat Getränke für den Betrieb des Ehemannes beschafft habe, sondern auch regelmäßig bei Veranstaltungen ausgeholfen habe. Sie habe auch nicht lediglich in Spätschicht gearbeitet, sondern abwechselnd Früh- und Spätschichten absolviert. Die Frühschichten hätten regelmäßig um 13:30 Uhr geendet. An zwei Samstagen im Monat habe sie ebenfalls arbeiten müssen. Auch unter Berücksichtigung der Vollzeittätigkeit habe somit hinreichende Gelegenheit für sie bestanden, ihrem Ehemann in dessen Geschäftsbetrieb behilflich zu sein. Der Betrieb ihres Ehemannes habe auch Öffnungszeiten nach Vereinbarung gehabt, darüber hinaus hätten regelmäßig dienstags, mittwochs und donnerstags bis 21:00 Uhr Tanzkurse stattgefunden.

In der Gaststätte seien Feierlichkeiten verschiedenster Art ausgerichtet worden, was ebenfalls dazu geführt habe, dass der Geschäftsbetrieb ihres Ehemannes zusätzlich geöffnet gewesen sei. Die Klägerin habe bei der Aushilfe und bei dem Getränkeeinkauf  auf Anweisung des Ehemannes gehandelt. Beim Getränkeeinkauf habe sie regelmäßig 10 bis 20 Getränkekisten pro Fahrt beschafft. Der mit dieser Getränkebeschaffung verbundene Aufwand sei über das hinausgegangen, was üblicherweise unter Eheleuten verlangt werden könne. Hierbei sei insbesondere zu berücksichtigen, dass es sich aufgrund der Schwere der Getränkekisten um eine für eine Frau körperlich anstrengende Tätigkeit gehandelt habe.

Auf Veranlassung des Senats hat die Klägerin eine Aufstellung der Daten und Zeiten der in  der Gaststätte ihres Ehemannes im  Jahr 2012 (Januar bis August) außerhalb der regelmäßigen Öffnungszeiten stattgefundenen Sonderveranstaltungen sowie einen Plan der von ihr in diesem Zeitraum absolvierten Arbeitsschichten bei der Fa. Marktkauf zur Akte gereicht. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 114 bis 118 der Gerichtsakte - GA - Bezug genommen.

Der Senat hat den  Ehemann der Klägerin, Herrn T G, als Zeugen vernommen. Wegen der Einzelheiten seiner Aussage wird auf die Anlage zum Sitzungsprotokoll vom 10. August 2017 (Bl. 124 bis 127 GA) Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Verwaltungsakte und auf den der Gerichtsakten verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

Die Berufung der Beklagten ist zulässig, insbesondere wurde sie form- und fristgerecht eingelegt (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG).

Sie ist jedoch unbegründet. Das Sozialgericht hat die Beklagte zu Recht verpflichtet, den Unfall der Klägerin vom 30. August 2012 als Arbeitsunfall festzustellen.

Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 SGG) zulässig und auch begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 13. Mai 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. September 2013 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Die Klägerin hat am 30. August 2012 einen Arbeitsunfall im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung (Sozialgesetzbuch Siebtes Buch - SGB VII) erlitten.

Das Ereignis vom 30. August 2012 war als Arbeitsunfall im Sinne des § 8 Abs.1 SGB VII anzuerkennen. Arbeitsunfälle im Sinne der vorgenannten Vorschrift sind nach § 8 Abs.1 SGB VII Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind hierbei zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Vorliegend ist Klägerin beim Abladen der für den Geschäftsbetrieb ihres Ehemannes bestimmten Getränkekisten von einem anderen Kraftfahrzeug erfasst und an ihren linken Bein schwer verletzt worden. Ohne diese Tätigkeit hätte sich die Klägerin dieser aus dem Straßenverkehr herrührenden konkreten Verletzungsgefahr, die sich in dem Unfall realisiert hat, in dieser konkreten Situation nicht ausgesetzt, so dass der hierbei erlittene Gesundheitsschaden der Klägerin auf die Tätigkeit des Getränkeabladens zurückzuführen ist.

Zutreffend hat das Sozialgericht bereits ausgeführt, dass die Klägerin nicht als Arbeitnehmerin ihres Ehemannes im Sinne des § 2 Abs.1 Nr.1 SGB VII versichert war. Der Senat nimmt insoweit auf die Ausführungen in dem angefochtenen Urteil Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG).

Die Klägerin übte zum Zeitpunkt des Unfalls dennoch eine versicherte Tätigkeit aus. Sie war nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens, insbesondere nach dem Ergebnis der Zeugenbefragung, zum Zeitpunkt des Unfallereignisses als so genannte „Wie-Beschäftigte“ gemäß § 2 Abs. 2 S. 1 SGB VII versichert.

Nach § 2 Abs. 2 S. 1 SGB VII sind Personen versichert, die wie nach Abs. 1 Nr. 1 Versicherte tätig werden, so genannte „Wie-Beschäftigte“.

Nach dieser Norm sind Personen gesetzlich unfallversichert, die wie nach § 2 Abs.1 Nr. 1 Versicherte tätig werden. Voraussetzung dafür ist, dass die von der versicherten Person verrichtete Tätigkeit einen wirtschaftlichen Wert hat und einem Unternehmen im Sinne des § 121 SGB VII dient, in dem der Handelnde nicht bereits als Beschäftigter nach § 2 Abs.1 Nr. 1 SGB VII versichert ist. Die Tätigkeit muss weiterhin dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Unternehmers entsprechen und nach ihrer Art nach von Arbeitnehmern verrichtet werden können. Schließlich muss die Tätigkeit konkret unter arbeitnehmerähnlichen Umständen vorgenommen werden. Zur Beurteilung dieser Voraussetzungen kommt es nicht auf die unmittelbar zum Unfall führende Tätigkeit, sondern auf das Gesamtbild der tatsächlichen oder beabsichtigten Tätigkeit an. Diese Voraussetzungen haben vorgelegen.

Wie die inhaltlich übereinstimmende Vorgängerbestimmung des § 539 Abs. 2 der Reichsversicherungsordnung (RVO) will § 2 Abs. 2 SGB VII aus sozialpolitischen und rechtssystematischen Gründen den Versicherungsschutz auf Tätigkeiten erstrecken, die zwar nicht sämtliche Merkmale eines Arbeits- oder Beschäftigungsverhältnisses aufweisen, in ihrer Grundstruktur aber einer abhängigen Beschäftigung ähneln, indem eine ernstliche, einem fremden Unternehmen dienende, dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Unternehmers entsprechende Tätigkeit von wirtschaftlichem Wert erbracht wird, die ihrer Art nach sonst von Personen verrichtet werden könnte, die in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis stehen (ständige Rechtsprechung, vgl. etwa Urteil des BSG vom 05.07.2005, Az. B 2 U 22/04 R, juris m.w.N.). Dabei braucht weder eine persönliche oder wirtschaftliche Abhängigkeit zu bestehen, noch sind die Beweggründe des Handelnden für das Tätigwerden maßgebend (Urteil des BSG vom 17.03.1992, Az. 2 RU 6/91, juris, Rn. 14 m.w.N.).

Der Senat folgt nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens in vollem Umfang den Einschätzungen des Sozialgerichts in dem angefochtenen Urteil zum Vorliegen der einzelnen von der Rechtsprechung aufgestellten Merkmale einer „Wie-Beschäftigung“ nach § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII  (hierzu Lilienfeld in Kassler Kommentar, 88. Ergänzungslieferung Dezember 2015, zu § 2 SGB VII Rn. 104 m.w.N.; Niedermeyer, Die „Wie-Beschäftigten“ nach § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII, NZS, 2010, S. 312 ff).

Hierbei hat der Senat berücksichtigt, dass es zur Beurteilung dieser Voraussetzungen nicht auf die unmittelbar zum Unfall führende Tätigkeit ankommt (hier das Abladen der Getränkekisten), sondern auf das Gesamtbild der tatsächlichen oder beabsichtigten Tätigkeit (vgl. BSG, Urteil vom 05. Juli 2005 – B 2 U 22/04 R – juris Rn. 13).

Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens und insbesondere dem Ergebnis der Beweisaufnahme stellte sich das Gesamtbild der Tätigkeit der Klägerin im Betrieb ihres Ehemannes als arbeitnehmerähnlich dar.

Nach den Angaben des Zeugen hat die Klägerin im gesamten Jahr 2012 bis zu dem eingetretenen Unfall regelmäßig bei den zahlreichen in der Gaststätte stattgefundenen Sonderveranstaltungen wie Trauer-, Jugendweihe–, Hochzeits- oder Geburtstagsfeiern, Fastnachtsveranstaltungen, Feiern des Schützenvereins, Preisskat-, Dart-, Kabarett- oder Tanzveranstaltungen (Disco und Bälle) ausgeholfen. Hierbei hat sie nach den Angaben des Zeugen im Vorfeld bei der Dekoration und Ausstattung der Räume mitgeholfen und gegebenenfalls angebotene Speisen vorbereitet sowie während der Veranstaltung im Servicebereich Getränke ausgeschenkt. Sie hat ferner regelmäßig ca. zweimal im Monat auf Anweisung ihres Ehemannes Getränke, die bei ihrem Arbeitgeber Marktkauf im Sonderangebot waren, für die Gaststätte und den Getränkehandel ihres Ehemannes eingekauft und zur Gaststätte transportiert. Hierbei hat es sich regelmäßig um 10 bis zu 20 Getränkekisten gehandelt.

Ein Abgleich der von der Klägerin eingereichten Daten ihres Schichtplanes bei der Fa. Marktkauf im Jahr 2012 mit den Daten der in der Gaststätte ihres Ehemannes stattgefundenen Sonderveranstaltungen hat ergeben, dass die Tätigkeit der Klägerin bei der Fa. Marktkauf mit Ausnahme von zwei Veranstaltungen, bei denen jedoch auch nur eine teilweise Überlappung der Zeiten vorlag, ihrer Mitarbeit in der Gaststätte ihres Ehemannes nicht entgegenstand. Die regelmäßigen Sonderveranstaltungen in der Gaststätte fanden entweder an Sonntagen oder an arbeitsfreien Tagen der Klägerin bzw. außerhalb ihres Schichtdienstes bei der Fa. Marktkauf statt. Der Senat hat auch nach Vernehmung des Zeugen keine Veranlassung, an dessen Aussage zu zweifeln, dass seine Ehefrau bei diesen größeren Veranstaltungen in der Gaststätte mitgearbeitet hat. Nach den Angaben des Ehemannes hat sie hierbei im Servicebereich gearbeitet, Getränke an der Theke fertig gemacht, und wenn es bei diesen Veranstaltungen angeboten wurde, zuvor Brötchen geschmiert oder Kuchen aufgeschnitten. Sie hat ferner die Tafel mit eingedeckt und dekoriert und gelegentlich in der Küche aufgeräumt. Diese Tätigkeit ist auch konkret unter arbeitnehmerähnlichen Umständen vorgenommen worden, wie der Senat aus eigener Anschauung der Tätigkeiten im Servicebereich von Gaststätten beurteilen kann. Insoweit hat der Zeuge auch glaubhaft ausgeführt, dass er seiner Frau bei Veranstaltungen „klare Ansagen“ gemacht habe, was sie zu tun habe. Soweit der Getränkeeinkauf betroffen ist, hat der Zeuge glaubhaft bekundet, dass er jeweils festgelegt hatte, was und wie viel zu kaufen war und die Klägerin diesen Anweisungen gefolgt war.

Dass es sich bei der Tätigkeit der Ehefrau um eine für ihren Ehemann wirtschaftlich wertvolle Tätigkeit handelte, die seinem Willen entsprach und ihrer Art nach von Arbeitnehmern verrichtet werden kann, erhellt insbesondere der Umstand, dass dieser Ende des Jahres 2012 eine Teilzeitkraft eingestellt hat, zu deren Aufgabengebiet auch die zuvor von der Klägerin verrichteten Tätigkeiten gehört.

Die Klägerin war auch nicht nur objektiv, sondern subjektiv arbeitnehmerähnlich tätig.

Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG kommt hierbei der mit dem - objektiv arbeitnehmerähnlichen - Verhalten verbundenen Handlungstendenz, die vom bloßen Motiv für das Tätigwerden zu unterscheiden ist (siehe dazu BSG Urteil vom 5. März 2002 - B 2 U 9/01 R - juris), ausschlaggebende Bedeutung zu.

Verfolgt eine Person mit einem Verhalten, das ansonsten einer Tätigkeit aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses ähnelt, in Wirklichkeit wesentlich allein eigene Angelegenheiten, ist sie nicht mit fremdwirtschaftlicher Zweckbestimmung und somit nicht wie im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses, sondern wie ein Unternehmer eigenwirtschaftlich tätig und steht daher auch nicht nach § 2 Abs. 2 SGB VII wie ein nach Abs. 1 Nr. 1 SGB VII Tätiger unter Versicherungsschutz (BSG a.a.O.; vgl. zu § 539 Abs. 2 RVO: BSG Urteil vom 25. November 1992 - 2 RU 48/91 - USK 92181 sowie zu § 2 Abs. 2 SGB VII: BSG Urteil vom 5. März 2002 - B 2 U 8/01 R).

Auch wenn der Klägerin die Betriebsergebnisse der Gaststätte ihres Ehemannes mittelbar zugute gekommen sind, stellt ihre Mitarbeit keine Verfolgung eigener Angelegenheiten dar. Der Senat folgt insoweit vollumfänglich den Ausführungen des Sozialgerichts mit dem angefochtenen Urteil, das eine eigenwirtschaftliche Betätigung der Klägerin verneint hat und sieht auch insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 153 Abs. 2 SGG).

Zutreffend hat das Sozialgericht auch entschieden, dass die Tätigkeit im vorliegenden Fall nicht auf einer Sonderbeziehung (hier der Ehe) beruhte.

Bei der Prüfung dieses  im vorliegenden Fall maßgeblich streitigen Kriteriums einer so genannten „Wie-Beschäftigung“ - war zu beachten, dass zwar verwandtschaftliche Beziehungen Versicherungsschutz nicht von vornherein ausschließen (BSG, Urteil v. 30.Mai 1988 – 2 RU 81/87, juris Rn 12 m.w.N.). Je enger die verwandtschaftlichen Beziehungen sind, um so mehr können aber familiär geprägte Gefälligkeitsdienste anzunehmen sein. Auch hier sind die gesamten Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen, insbesondere Art, Umfang und Zeitdauer der Tätigkeit (BSG a.a.O. Rn 13). Auch könne berücksichtigt werden, ob es sich um eine geradezu typische Arbeitnehmertätigkeit handelt (vgl. Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 18. Dezember 2008, L 31 U 479/08, juris Rn 33 f). Abzugrenzen ist in diesen Fällen im Rahmen einer Gesamtwürdigung, ob die familiäre Nähebeziehung für die erfolgte Hilfeleistung nur der Beweggrund war oder ob sie der Hilfeleistung das Gepräge gegeben hat (BSG, a.a.O. Rn 13; BSG, Urteil vom 26. Oktober 1978, 8 RU 14/78, juris Rn 20; Krasney, Die „Wie — Beschäftigten” nach § 2 Abs. 2 SGB VII, NZS 1999, S. 577 ff, 580 f.).  Letzteres ist der Fall, wenn natürlicherweise Familienmitglieder Verpflichtungen mehr oder weniger selbstverständlich und ohne feste Absprache gegenüber den anderen Familienangehörigen übernehmen, wie sie ihren jeweiligen Kenntnissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten entsprechen. Sofern die konkrete Verrichtung jedoch außerhalb dessen liegt, was für enge Verwandte, Freunde oder Bekannte getan wird, oder nicht wegen der Sonderbeziehung vorgenommen wird, kann sie den Tatbestand der "Wie-Beschäftigung" erfüllen (BSG, Urteil vom 27. März 2012 – B 2 U 5/11 R –, Rn. 57, juris).

So liegt der Fall hier. Art, Umfang und Zeitdauer der Tätigkeit der Klägerin in der Gaststätte ihres Ehemannes, bei der  es sich um eine geradezu typische Arbeitnehmertätigkeit handelte, gingen aus den vom Sozialgericht umfassend dargelegten Gründen, auf die insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird, weit über das hinaus, was im Rahmen einer funktionierenden Ehe von den Ehegatten erwartet werden kann. Die zwischen der Klägerin und dem Zeugen bestehende Ehe war ohne Zweifel das Motiv für die erfolgte Mitarbeit der Klägerin, gaben der Tätigkeit, die wie oben ausgeführt eindeutig arbeitnehmerähnlich ausgestaltet war, nicht das Gepräge.

Der Senat folgt ferner der Einschätzung des Sozialgerichts, dass die Existenz der Möglichkeit der freiwilligen Versicherung des mitarbeitenden Ehepartners in der gesetzlichen Versicherung gemäß § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB VII nicht dazu führt, dass die Annahme einer Stellung des mitarbeitenden Ehepartners als arbeitnehmerähnlicher Beschäftigung nach § 2 Abs. 2 S. 1 SGB VII („Wie-Beschäftigter“) ausgeschlossen ist. § 6 SGB VII betrifft den von der Versicherung kraft Gesetzes (§ 2 SGB VII) nicht erfassten Personenkreis und eröffnet diesem die Möglichkeit einer freiwilligen Versicherung. Diese Norm betrifft somit nach der Gesetzessystematik von vornherein nur den nicht von § 2 Abs. 2 SGB VII erfassten Personenkreis. Gemäß § 6 Absatz 1 S. 1 Nr. 1 SGB VII ist dies der Unternehmer und sein (nicht arbeitnehmerähnlich) im Unternehmen mitarbeitender Ehegatte oder Lebenspartner. Aus Praktikabilitätsgründen ist zwar im Rahmen des § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB VII eine freiwillige Versicherung des mitarbeitenden Ehegatten auch ohne Prüfung der Ausgestaltung der konkreten Tätigkeit als nicht-arbeitnehmerähnlich möglich. Dies beseitigt jedoch nicht die Kraft Gesetzes bestehende Versicherung sofern – wie im vorliegenden Fall – die Mitarbeiter des Ehegatten im Unternehmen arbeitnehmerähnlich ausgeübt wird.

Die Kostenentscheidung richtet sich nach dem Ergebnis in der Hauptsache, § 193 SGG.

Der Senat hat die Revision zugelassen, weil zu der Rechtsfrage, ob die Möglichkeit der freiwilligen Versicherung gemäß § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB VII die Annahme einer so genannten „Wie-Beschäftigung“ nach § 2 Abs. 2 S. 1 SGB VII für den im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten ausschließt, bisher keine höchstrichterliche Rechtsprechung vorliegt.

RechtsgebietSGB Vorschriften§ 2 Abs. 2 S. 1 SGB 7, § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB 7, § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB 7