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· Koalitionsvertrag zur „Sachgrundlosen Befristung“

IAB: GroKo-Plan könnte 400.000 befristete Jobs verhindern

Düstere Wolken ziehen auf: Kettenbefristungen sind Geschichte. Flexibilisierung geht verloren.
Bild: © Calado - stock.adobe.com

| Um 400.000 könnte die Zahl sachgrundlos befristeter Arbeitsverträge sinken, berichtet das Forum des Nürnberger Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). Wenn die Große Koalition (GroKo) umsetzt, was sie erwägt, birgt das Zündstoff. Der Koalitionsvertrag sieht vor: Nur noch 2,5 Prozent einer Belegschaft darf sachgrundlos befristet werden (soweit das Unternehmen mehr als 75 Beschäftigte hat). |

 

Wenn das kommt, erlebt Deutschland einen der „stärksten Eingriffe in das Befristungsrecht seit dem Beschäftigungsförderungsgesetz von 1985“, so das IAB. Darin war erstmals die Befristung ohne Sachgrund ermöglicht worden.

 

Die Berechnung des IAB ist zurückhaltend, weil sie auf Arbeitsmarktdaten von 2013 beruht. „Dies dürfte angesichts des Beschäftigungsbooms seit 2013 eher die Untergrenze darstellen“, schreibt IAB-Autor Christian Hohendanner zu seiner nachfolgenden Statistik ‒ hier ein Auszug:

 

  • Sachgrundlose Befristungen 2013

Betriebsgröße

in Tsd.

Anteil in Prozent

1 bis 74 Beschäftigte

484

2,7

75 und mehr Beschäftigte

828

5,1

Gesamt

1.312

3,8

Die Anteile der befristeten Beschäftigungsverhältnisse beziehen sich auf die im IAB-Betriebspanel erfasste Gesamtbeschäftigung ohne Auszubildende.

Quelle: IAB-Betriebspanel 2013 Den ganzen Beitrag des IAB lesen Sie hier.

 

 

Doch zunächst ein Blick auf die relevanten Fakten des Koalitionsvertrags. Im Angesicht der Tabelle oben ist das Zündstoff:

 

Wir wollen den Missbrauch bei den Befristungen abschaffen. Deshalb dürfen Arbeitgeber mit mehr als 75 Beschäftigten nur noch maximal 2,5 Prozent der Belegschaft sachgrundlos befristen. Bei Überschreiten dieser Quote gilt jedes weitere sachgrundlos befristete Arbeitsverhältnis als unbefristet zustande gekommen. Die Quote ist jeweils auf den Zeitpunkt der letzten Einstellung ohne Sachgrund zu beziehen.

 

Die Befristung eines Arbeitsvertrages ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes ist nur noch für die Dauer von 18 statt bislang von 24 Monaten zulässig, bis zu dieser Gesamtdauer ist auch nur noch eine einmalige statt einer dreimaligen Verlängerung möglich.

 

Wir wollen nicht länger unendlich lange Ketten von befristeten Arbeitsverhältnissen hinnehmen. Eine Befristung eines Arbeitsverhältnisses ist dann nicht zulässig, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein unbefristetes oder ein oder mehrere befristete Arbeitsverhältnisse mit einer Gesamtdauer von fünf oder mehr Jahren bestanden haben. Wir sind uns darüber einig, dass eine Ausnahmeregelung für den Sachgrund nach § 14 Abs. 1 Nr. 4 Teilzeit- und Befristungsgesetz wegen der Eigenart des Arbeitsverhältnisses (Künstler, Fußballer) zu treffen ist.

 

Auf die Höchstdauer von fünf Jahren wird bzw. werden auch eine oder mehrere vorherige Entleihung(en) des nunmehr befristet eingestellten Arbeitnehmers durch ein oder mehrere Verleihunternehmen angerechnet. Ein erneutes befristetes Arbeitsverhältnis mit demselben Arbeitgeber ist erst nach Ablauf einer Karenzzeit von drei Jahren möglich.

 

Zusammenfassung

  • Befristete Arbeitsverträge ohne Sachgrund: nur 18 Monate (bisher 24 Monate).
  • Nur eine einmalige Verlängerung (bisher dreimalige).
  • Betriebe > 75 Angestellte = max. 2,5 Prozent sachgrundlos befristet Beschäftigte. Vorsicht: Überschreiten löst unbefristete Beschäftigung aus.
  • Befristungen mit Sachgrund nur noch 5 Jahre (derzeit keine Höchstgrenze). Auf die 5 Jahre werden Entleihungen angerechnet.
  • Befristung unzulässig, wenn mit Arbeitgeber bereits unbefristetes oder mehrere befristete Arbeitsverhältnisse mit 5 (oder mehr) Jahren bestanden hat.
  • Für erneute Befristung gilt drei Jahre Karenzzeit.

 

Was da auf die Arbeitgeber zukommt, haben die Arbeitsmarktexperten des Nürnberger Instituts vorsichtig geschätzt: Danach hätten 2,9 Millionen Arbeitnehmer nach einer repräsentativen Arbeitgeberbefragung 2016 einen befristeten Arbeitsvertrag. Dies seien etwa acht Prozent aller Beschäftigten (ohne Auszubildende). Im ersten Halbjahr 2016 seien 43 Prozent aller Einstellungen befristet erfolgt.

 

Während das linke Parteienspektrum den derzeitigen Zustand als unhaltbar bezeichnet, ist der für konservative Politiker und Arbeitgeber ein notwendiges Instrument der Personalsteuerung. Das IAB bringt die Sache neutral auf den Punkt: „Befristungen erleichtern Einstellungen, wenn der Bedarf zeitlich begrenzt oder unsicher ist.“ Die Nachteile für Arbeitnehmer sieht das Institut dabei aber auch:

 

  • drohende Arbeitslosigkeit
  • fehlende Planungssicherheit
  • gesundheitliche Folgeprobleme

 

Die Gewerkschaften frohlocken indes in Anbetracht der sozialdemokratischen Koalitions-Attitüde. Doch ob die Arbeitgeber so mitziehen, wie die Politik sich das wünscht, steht auf einem anderen Blatt.

So könnten Arbeitgeber auf das Vorhaben reagieren

Statt unbefristet einzustellen, werden viele Arbeitgeber

  • mehr Befristungen mit Sachgrund vereinbaren,
  • auf Überstunden, Rotation, Leiharbeit, Freelancer, oder Werkverträge setzen,
  • die sachgrundlose Befristung aufheben und anschließend Befristungen mit Sachgrund vereinbaren,
  • sachgrundlose Befristungen einfach auslaufen lassen, ohne Verträge zu verlängern.

 

PRAXISTIPP | Vorsicht ist im Umgang mit der Höchstdauer von fünf Jahren für Befristungen geboten. Zwar sollen nach Wunsch der Koalitionäre damit aus befristeten später unbefristete Jobs erwachsen. Wenn Sie aber mehrere Einzelbetriebe unter einem Unternehmensdach versammeln, wird das schnell unübersichtlich. Sie müssen in jedem Einzelfall prüfen, ob und wann eine einzustellende Person innerhalb der Unternehmung die Fünf-Jahres-Grenze überschreitet. Das IAB befürchtet, dass sich „solche Unsicherheiten negativ auf das Einstellungsverhalten“ größerer Arbeitgeber ‒ einschließlich dem öffentlichen Dienst ‒ auswirken.

 

Und hier eine kleine Checkliste, die den aktuell noch gültigen Status Quo würdigt:

 

Checkliste / Status quo zur Befristung

Arten der Befristung

1. Zeitbezogen (Angabe einer konkreten Dauer): Nur wirksam, wenn zuvor bei demselben Arbeitgeber kein Arbeitsverhältnis bestand.

2. Zweckbezogen (Projektarbeit, Vertretung): Ist das Projekt erledigt oder die Vertretungszeit abgelaufen hat der Arbeitnehmer noch Anspruch auf eine Zwei-Wochen-Auslauffrist des Vertrags. Die Frist beginnt, sobald Sie den Job als erledigt betrachten ‒ und dies auch verkünden.

Kündigung eines befristeten Arbeitsverhältnisses

Die vereinbarte Laufzeit des befristeten Arbeitsvertrags ist bindend. Eine außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund nach § 626 Abs. 1 BGB ist immer möglich. Eine ordentliche dagegen nur, wenn das im Arbeits-/Tarif-Vertrag so geregelt ist.

„Befristete Vereinbarungen“ im unbefristeten Arbeitsverhältnis

Sie können die Arbeitszeit oder bestimmte Zulagen befristet verändern. Für solche Teilbefristungen brauchen Sie aber immer einen Sachgrund ‒ das müssen Sie im Arbeitsvertrag anpassen.

Vorsicht, wenn die Befristung unwirksam ist

Dann ist der befristete Arbeitsvertrag immer als unbefristet zu werten.

Vorsicht, wenn Arbeitnehmer die Befristung als unrechtmäßig ansieht

Der Arbeitnehmer muss dann eine Klage beim Arbeitsgericht erheben. Dafür hat er drei Wochen Zeit ‒ nach dem vereinbarten Ende des (letzten!) befristeten Arbeitsvertrages.

 

Beachten Sie | Kettenarbeitsverträge können gerichtlich einer Missbrauchskontrolle unterzogen werden, ob allein durch das Instrument der zahlreichen aufeinander folgenden Befristungen der Tatbestand des Rechtsmissbrauchs vorliegt.

Sagen Sie rechtzeitig, dass Sie den Arbeitnehmer nicht weiterbeschäftigen

Drei Monate vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses muss sich der Arbeitnehmer beim Arbeitsamt (Agentur für Arbeit) als arbeitssuchend melden, soweit er keinen Anschlussjob hat.

Befristeter Arbeitsvertrag: Immer schriftlich vereinbaren

Ein befristeter Arbeitsvertrag bedarf stets der sogenannten strengen Schriftform im Sinne des § 126 BGB. Bei der Zeitbefristung muss dabei die Dauer oder das Datum und bei der Zweckbefristung der genaue Zweck angegeben werden. Eine mündlich geschlossene Befristungsabrede ist unwirksam, sodass der Arbeitsvertrag als unbefristet abgeschlossen fingiert wird.

Keine Zeitgrenze bei Befristung mit Sachgrund

Sie müssen im Streitfall den sachlichen Grund immer nachweisen können. Diese Sachgründe rechtfertigen eine Befristung:

  • Ersatzbeschäftigung für länger ausfallende Mitarbeiter ‒ z.B. wegen Krankheit, Mutterschutz, Elternzeit, Wehrpflicht, soziales Jahr etc.
  • Projektarbeit, Saisonarbeit
  • Berufseinsteiger nach Ausbildung oder Studium soll erleichtert werden
  • Redaktionsarbeit oder Rundfunk

 

Beachten Sie | Nicht anerkannt sind „Springer“, die ständig dort eingesetzt werden, wo jemand ausfällt.

Ungültige Befristungs-Begründungen

  • Wirtschaftliche Entwicklung ist unvorhersehbar
  • Verlängerung der Probezeit ‒ über sechs Monate
  • Der Zuschusses des Arbeitsamts läuft aus; Sie wollen das unbefristete Arbeitsverhältnis aufschieben
 

(JT)

 

Weiterführende Hinweise

  • Flüchtling einstellen: DIHK-Leitfaden zur Integration ‒ Abruf-Nr. 44867600
Quelle: ID 45135509