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· Immunitätsnachweis

Wenn die „Impfpflicht“ kommt: Das müssen Arbeitgeber jetzt vorausschauend tun!

Bild: © Ralf - stock.adobe.com

| Die Debatte über eine allgemeine „Impfpflicht“ ist angelaufen. Grund genug, einen Blick auf die bereits bestehende sogenannte „einrichtungsbezogene Impfpflicht“ im Gesundheitswesen zu werfen. Rechtsanwalt Dr. Uwe Schlegel von der ETL-Gruppe erläutert die Rechtslage ‒ und insbesondere, was das Infektionsschutzgesetz fordert. Doch ist das alles? Die arbeitsrechtliche Ausgestaltung ist weithin unklar ‒ und der Gesetzgeber liefert auch keine Vorgaben. Dieser Beitrag gibt Ihnen die erforderliche Handlungsanleitung. |

Keine Impfpflicht, nur Immunitätsnachweis gefordert

§ 20a Infektionsschutzgesetz (IfSG) wird irrtümlich in Politik und Medien mit dem Begriff der „Impflicht“ in Verbindung gebracht. Im Gesetz wird lediglich vom Immunitätsnachweis gesprochen. Zwar wird die Rechtsnorm dazu führen, dass sich vermehrt nicht geimpfte Menschen gegen das Coronavirus impfen lassen ‒ eine wirkliche Pflicht leitet sich daraus jedoch nicht ab. Momentan betrifft das nur Personen, die bereits in einer der im Gesetz genannten „Einrichtungen“ aus dem Gesundheitswesen tätig sind. Diese sind detailliert aufgelistet in § 20a Abs. 1 IfSG.

 

Beachten Sie | Bei den Beschäftigten ist zu unterscheiden zwischen Arbeitnehmern, die schon vor dem 15.03.2022 tätig sind („Alt-Arbeitnehmer“) und solchen, die nach dem 15.03.2022 als Neueinstellungen in den benannten Einrichtungen einer Beschäftigung nachgehen wollen („Neu-Arbeitnehmer“). Für Neu-Arbeitnehmer gilt: Ohne den gesetzlich geforderten Immunitätsnachweis ist die Arbeitsaufnahme nicht möglich!

 

  • Das sieht das Gesetz vor: § 20a IfSG

§ 20a IfSG sieht vor, dass „Personen“, also Arbeitnehmer wie auch Arbeitgeber(!), bis zum Ablauf des 15.03.2022 über einen gültigen Immunitätsnachweis verfügen müssen. Das kann mit dem Impfausweis, dem digitalen EU-Zertifikat (gespeichert in einer Impfapp) oder einem Genesungsnachweis erfolgen. Ausgenommen sind lediglich Personen mit Kontraindikation (das sind Unverträglichkeiten mit dem Impfstoff).

 

Wer als geimpft bzw. genesen anzuerkennen ist, ergibt sich aus den Ausführungen des Robert-Koch- bzw. des Paul-Ehrlich-Instituts.

 

 

Erfolgt der Nachweis nicht bis zum 15.03.2022, müssen Sie das der örtlich zuständigen Gesundheitsbehörde melden (Beachten Sie zu den Zuständigkeiten die Vorgaben der obersten Landesgesundheitsbehörde entsprechend § 20a Abs. 2). In der Mitteilung z. B. an das Gesundheitsamt sind die betreffenden Personen ohne Nachweis namentlich zu nennen. Das Gesetz verlangt ausdrücklich, dass personenbezogene Daten zu übermitteln sind. Die Behörde will so die Arbeitnehmer, die keinen oder einen nicht ausreichenden Nachweis erbracht haben, identifizieren können.

 

Die Behörde wird diese Personen dann voraussichtlich auffordern, den Nachweis an die Behörde zu erbringen. Geschieht das nicht innerhalb einer angemessenen Frist, kann (nicht muss!) die Behörde der Person untersagen, die jeweilige Einrichtung zu betreten oder gar dort tätig zu werden. Gerichtliche Schritte gegen diese behördliche Anordnung haben keine aufschiebende Wirkung. Das heißt: Der Zutritt wäre dem Arbeitnehmer fortan zunächst verwehrt.

 

EXKURS | Auch den Behörden ist bewusst, dass bei einer hohen Zahl an Betretungsverboten zur Arbeitsstätte die Stabilität der Gesundheitsversorgung ins Wanken geraten kann. So hat nach einem Bericht des Deutschen Ärzteblatts der Vize-Landrat Udo Witschas (CDU) des Landkreises Bautzen am Dienstag mitgeteilt, das Verbot nicht umsetzen zu wollen, weil die Versorgungssicherheit in Kliniken, Heimen und beim ambulanten Pflegedienst an erster Stelle stehe. Die kontroverse Diskussion dauert noch an.

 

Wichtig für Arbeitgeber: Keine Kündigungspflicht!

Grundsätzlich gilt: Eine Pflicht zur Kündigung nicht geimpfter Arbeitnehmer gibt es nicht! „§ 20a IfSG mag ein gutes Beispiel für ein schlecht gemachtes Gesetz sein“, sagt Dr. Schlegel. Allerdings: „An einer Stelle muss man den Gesetzgeber in Schutz nehmen. Es kann nicht die Aufgabe des IfSG sein, darüber zu befinden, unter welchen Voraussetzungen der Arbeitgeber aus dem fehlenden Immunitätsnachweis eines oder mehrerer Arbeitnehmer arbeitsrechtliche Konsequenzen zieht. Um es klar zu sagen: Das Gesetz schreibt keinem Arbeitgeber vor, ungeimpfte Arbeitnehmer zu kündigen, sondern verbietet lediglich die Einstellung eines (Neu-)Arbeitnehmers, der über keinen ausreichenden Immunitätsnachweis verfügt. Wie mit den Alt-Arbeitnehmern zu verfahren ist, lässt das Gesetz offen. Insbesondere gibt es keine Kündigung nach Infektionsschutzgesetz“, so der ETL-Rechtsexperte weiter.

Zur Weiterbeschäftigung äußert sich der Gesetzgeber nicht

Die wahrscheinlich alles entscheidende Frage ist die nach der gegebenenfalls auch nur vorübergehenden Weiterbeschäftigung von Alt-Arbeitnehmern nach dem 16.03.2022. Hier ist klar: Das Gesetz klärt diese Frage nicht!

 

§ 73 IfSG befasst sich lediglich mit Bußgeldvorschriften, die im Zusammenhang mit Verstößen gegen das IfSG stehen. Wer demnach den geforderten Nachweis nicht erbringt, kann mit einer Geldbuße bis zu 2.500 Euro belegt werden. Die Frage der Weiterbeschäftigung wird damit nicht beantwortet.

 

Rechtsanwalt Dr. Schlegel kommentiert: „Auch insoweit lassen sich dem Gesetz eindeutige Antworten zu der aufgeworfenen Frage nicht entlocken. Wer im Internet oder anderswo recherchiert, wird widersprüchliche Antworten finden, was ein ziemlich sicherer Hinweis darauf ist, dass jedenfalls der Gesetzeswortlaut (leider) nicht ergiebig ist. Damit muss die Frage rein rechtlich gesehen bis zu einer Klärung durch den Gesetzgeber oder auch angerufene Gerichte einstweilen unbeantwortet bleiben. Das gleiche gilt übrigens auch für die Frage, ob der Arbeitgeber den Arbeitnehmer über den 16.03.2022 hinaus ohne Arbeitsleistung vergüten muss, wenn sich der Arbeitgeber entscheiden sollte, den Arbeitnehmer, der keinen Immunitätsnachweis eingereicht hat, (einstweilen) nicht weiter beschäftigen zu wollen.“

 

Checkliste / Richtiger Umgang mit der Gesundheitsbehörde

1. Sichern Sie Ihr Handeln gegenüber der Gesundheitsbehörde vorfristig ab!

  • Informieren Sie das Amt bereits vor Fristende (15.03.2022), wie viele Arbeitnehmer (nur die Anzahl) aktuell nicht geimpft sind und wahrscheinlich auch über die Frist hinaus nicht geimpft bleiben werden.
  • Erfragen Sie,
    • wie Sie mit diesen Kollegen nach Fristablauf (ab 16.03.2022) verfahren sollen und
    • ob Sie diese über das Datum hinaus beschäftigen dürfen.

 

Rechnen Sie nicht mit einer Reaktion des Amtes. Das Schreiben dient als Absicherung für eventuelle spätere Inanspruchnahme durch die Behörden ‒ Sie haben damit alles getan, um rechtskonform zu agieren!

 

Beachten Sie | In diesem Schreiben sind auf keinem Fall personenbezogene Daten der Arbeitnehmer zu nennen ‒ das ist noch keine offizielle Bekanntgabe!

2. Offizielle Mitteilung am 16.03.2022 an die Gesundheitsbehörde

  • Heute informieren Sie offiziell nach § 20a IfSG über alle Personen, die bis zum 15.03.2022 keinen gültigen Immunitätsnachweis vorgelegt haben ‒ diesmal mit Namen und personenbezogenen Daten.
  • Nehmen Sie Bezug auf des erste Schreiben.
  • Soweit das Erstschreiben unbeantwortet geblieben ist, erneuern Sie Ihre Frage, ob Sie die Personen weiter beschäftigen dürfen.
  • Formulieren Sie höchste Eilbedürftigkeit
 

Richtiger Umgang mit Mitarbeitern

Der Umgang mit dem Mitarbeiter liegt grundsätzlich in Ihrer Hand als Arbeitgeber. Mit Blick auf möglicherweise geplante arbeitsrechtliche Maßnahmen wie etwa einer unbezahlten Freistellung von nicht geimpften Mitarbeitern ab dem 16.03.2022 oder gar einer Kündigung, empfiehlt die ETL-Gruppe die kurzfristige Abfassung eines weiteren Schreibens.

 

Arbeitshilfe / ETL-Musterschreiben an Arbeitnehmer

„Sehr geehrte(r) Frau/ Herr _________,

 

wie Sie wissen, benötige ich von Ihnen spätestens mit Ablauf des 15. März 2022 die Vorlage eines gültigen Immunitätsnachweises auf der Grundlage von § 20a IfSG. Sollten Sie mir einen solchen nicht bis zum 15. März geben, sehe ich mich angesichts der mit einer weiteren Zusammenarbeit verbundenen gesundheitlichen Risiken gezwungen, eine unbezahlte Freistellung Ihrer Person zu erwägen. Das würde bedeuten, dass ich Sie ab dem 16. März und bis auf weiteres von Ihren arbeitsvertraglichen Pflichten entbinden würde, ohne das Sie einen Anspruch auf Arbeitsentgelt hätten.

 

Ich muss mir zudem den Ausspruch einer Kündigung vorbehalten. Das Ganze gilt unabhängig von einem etwaig von der zuständigen Gesundheitsbehörde nach § 20a IfSG ausgesprochenen Betretungs- und Tätigkeitsverbot. Ich hoffe sehr, dass sich das vermeiden lässt, am sichersten dadurch, dass Sie mir zeitnah den gesetzlich geforderten Immunitätsnachweis zukommen lassen.

 

Mit freundlichen Grüßen“

 

Rechtsanwalt Dr. Schlägel rät: „Es empfiehlt sich zudem, das persönliche Gespräch mit den jeweiligen Mitarbeitern zu suchen, im Rahmen dessen Sie auch das Schreiben übergeben können.“ So kann der Zugang für die Personalakte quittiert werden.

 

Beachten Sie | Es besteht keinerlei Rechtssicherheit! Ob Sie als Arbeitgeber ein Recht zur unbezahlten Freistellung von nicht geimpften Mitarbeitern haben, wird aus der Gesetzeslage nicht ersichtlich ‒ und ist auch von Gerichten bislang nicht geklärt. Das Gleiche gilt für eine etwaig auszusprechende Kündigung von Arbeitsverhältnissen nicht geimpfter Mitarbeiter. Das vorgeschlagene Schreiben der ETL-Gruppe dient lediglich der Absicherung der Arbeitgeber für den Fall, dass derartige Maßnahmen notwendig bzw. gewünscht werden.

 

Quelle |

  • ots / News aktuell
  • Autor: Rechtsanwalt Dr. Uwe P. Schlegel, ETL-Gruppe
  • Bearbeitung: (JT, IWW Institut)
Quelle: ID 47959141