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· Digitale Kompetenzmessung | Future Skills | Recruiting

Auslaufmodell „Bewerbungsgespräch“ ‒ Jetzt kommen Planspiele, Bots und Matchingboxes

Bild: © kentoh - stock.adobe.com

von Jörg Thole, Chefredakteur, IWW Institut

| Das persönliche Bewerbungsgespräch als zentrales Element der Personalbeschaffung hat ausgedient, ist ein Auslaufmodell. McKinsey und der Stifterverband haben herausgefunden: Bis 2023 wird die Zahl der Jobs, die über digitale Auswahltests und Planspiele vermittelt werden, um 82 Prozent steigen. Die Trends sind Job-Challenges, Job-Bots und Matching-Plattformen. |

 

280.000 Akademiker werden hierzulande in 5 Jahren mit Hilfe von Online-Werkzeugen eingestellt, so die Prognose. Damit ändert sich auch die Arbeit von Personalabteilungen massiv. Denn: „Der Bedarf an Mitarbeitern mit spezifischer Expertise nimmt immer mehr zu“, sagt McKinsey-Seniorpartner Jürgen Schröder.

Automatisierte Auswahlprozesse

Mit Hilfe automatisierter Auswahlprozesse sollen vor allem die technologischen Fähigkeiten abgeprüft werden, geht aus einem Diskussionspapier hervor, für das McKinsey und Stifterverband über 600 Unternehmen ‒ vom Kleinbetrieb bis zum Großkonzern ‒ befragt haben.

 

TIPP | Das Diskussionspapier „Wie Future Skills die Personalarbeit verändern“ (10 Seiten) können Sie unter Abruf-Nr. 45616288 abrufen.

 

 

Bild: Quelle: Stiftungsverband/McKinsey | Grafik: IWW Institut

 

Jedes 2. Unternehmen wird in Zukunft Vorstellungsgespräche digital führen. Aber auch klassische Verfahren wie Assessment-Center (+33 Prozent) nehmen zu. Nachfolgend ein Einblick in die neuen digitalen Trends:

 

So werden IT-Experten und Webentwickler getestet

So genannte Code Challenges und Live Coding Tests sind mittlerweile Standardelemente von Personal- und Fachabteilungen bei der Suche nach IT-Spezialisten ‒ zum Beispiel in den Fachgebieten Big-Data, User-Experience, (UX)-Design oder Robotik.

 

Automatisierter Vergleich sichert geeignete Kandidaten

Mit Hilfe von Job-Matching-Plattformen (z.B. Alphajump, Machingbox) werden die Daten von Bewerbern mit veröffentlichten Stellenausschreibungen verglichen. So können Kandidaten zielgerichtet mit dem passenden Unternehmen zusammengebracht werden. Gamification-Elemente werden zudem eingeführt, „um überfachliche Qualifikationen, wie unternehmerisches Handeln oder agiles Arbeiten, besser einschätzen zu können“, so Schröder.

 

Mit Gamification die Soft Skills abchecken

„Ein prominentes Beispiel für den Gamification-Ansatz im Bereich klassischer überfachlicher Skills ist das Spiel „Wasabi Waiter“ des Silicon Valley Start-ups Knack.“, heißt es im Diskussionspapier. Spielerische Aufgaben zeigen dabei den Recruitern, wie die Bewerber in konkreten Situationen agieren würden. Ein Algorithmus erstellt dabei im Hintergrund ein Qualifikationsprofil für Problemlösungsfähigkeit, Kreativität, sozialer Intelligenz und Selbstkontrolle, heißt es.

 

Nachfolgend sehen Sie ein Beispiel-Tutorial, das das Spiel erklärt ‒ kaum zu glauben, welche raffinierten Schlüsse daraus gezogen werden.

 

 

Nutzerprofile und Arbeitsproben entscheiden

Bewerber (z.B. Studenten) nutzen in den USA zum Beispiel Plattformen wie Portfolium oder Github. Dort laden die Studenten Arbeitsproben hoch. „Die Einträge werden anschließend automatisch analysiert und mit Informationen über eingetragene Berufserfahrungen und erworbenen Fähigkeiten verknüpft. Durch ein systematisches Matching dieser Millionen von Nutzerprofilen mit veröffentlichten Stellenausschreibungen ergeben sich umfangreiche technische Qualifikationsprofile, auf deren Basis einzelne Kandidaten mit geeigneten Unternehmen in Kontakt gebracht werden können“, heißt es in dem Diskussionspapier.

 

Damit ist die digitale Analyse bereits heute der klassischen Bewerbung mit Anschreiben, Lebenslauf und Zeugnissen überlegen. Denn es geht hier vor allem um sichtbare Referenzprojekte ‒ ein Transparenzgewinn durch digitale Qualifikationsprofile.

 

 

Chatbots übernehmen das Vorstellungsgespräch

Geht es nach den US-Trends, werden sich auch Job-Bots um die Bewerber kümmern. Vorteil des elektronischen Dialogführers: „Bots treffen ihre Einstellungsentscheidung anhand neutraler Daten. Dadurch wählen sie viel diskriminierungsfreier aus als ein Mensch“, zitiert die Zeitung „Die Zeit“ Tim Weitzel von der Uni Bamberg. Ein Bot besitze die Fähigkeit, aus Bewerbungen A-B-C-Stapel vorzusortieren oder kann offene Stellen aufgrund von Profilen den Bewerbern vorschlagen.

 

BEACHTEN SIE | Die Digitalisierung ermöglicht es, genauere und bessere Informationen im Kontext zum Jobprofil zu sammeln, abzuprüfen und auszuwerten. Der Haken an der Sache: Job-Bots ‒ wie z.B. Jobo ‒ funktionieren oft über den Facebook-Messenger. Die Verquickung von Social-Media-Aktivitäten und Jobsuche ist von den Anbietern erwünscht ‒ hat aber für deutsche Gewohnheiten der Datensicherheit einen schalen Beigeschmack. Dennoch scheint der Trend unumkehrbar. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis diese Technologien auch den deutschsprachigen Raum voll erfassen werden.

 

Die Zeitung „Die Welt“ berichtete bereits 2011, dass in den USA 64 Prozent der Unternehmen Mitarbeiter über soziale Netzwerke gefunden haben (Social Recruiting Report von Jobvite). „Die Einstellungsrate bei Bewerbern, die via Empfehlung kamen, liegt zehnmal höher als bei herkömmlichen Bewerbungen“, heißt es.

Digitale Trends auch in der Fortbildung

Neben der Personalgewinnung wird sich nach Ansicht von Stifterverband und McKinsey auch der Bereich Personalentwicklung (also die Fort- und Weiterbildung) rapide verändern.

 

Der Mangel an Kompetenzen liege vor allem in unzureichenden IT- und Programmierkenntnissen ‒ beispielsweise beim

  • analysieren großer Datenmengen (Big-Data) und beim
  • agilen und kollaborativem Arbeiten.

 

Diese Fähigkeiten ‒ so genannte Future Skills ‒ werden für die künftige Arbeitswelt immer wichtiger. Bereits heute werden 60 Prozent des Weiterbildungsbudgets für Future-Skills-Maßnahmen eingesetzt. Der Markt bewegt sich weiter: Stellen Unternehmen heute ihren Mitarbeitern im Durchschnitt 3,7 Tage pro Jahr für Weiterbildung bereit, werden es in 5 Jahren schon 5 Tage / Jahr sein.

 

„Der künftige Weiterbildungsbedarf ist enorm“, sagt Volker Meyer-Guckel, stellvertretender Generalsekretär des Stifterverbandes. „Digitale Instrumente sind eine gute Möglichkeit, den Bedarf zu decken und die bestehende Belegschaft gezielt weiterzubilden. Eine wesentliche Voraussetzung dabei ist der ständige Abgleich zwischen Personalabteilung und Mitarbeiter, um zu definieren, welche Fähigkeiten vorhanden sind und welche für die Zukunft gebraucht werden. Weiterbildung wird ein wesentlicher Bestandteil von Arbeitsverträgen sein und das Arbeitsleben ständig begleiten.“

 

Wenn Sie in diese neue Welt eintauchen wollen, so gibt es schon eine Reihe von Anbietern, die Weiterbildungsangebote für das Recruitment vorhalten (beispielsweise: www.digital-recruiter.com).

 

Weiterführende Hinweise

  • Diskussionspapier „Wie Future Skills die Personalarbeit verändern“ (10 Seiten) ‒ Abruf-Nr: 45616288
  • Beispiel eines Gamification Spiels des Start-ups Knack
  • Beispiel eines Job-Bots ‒ Jobo

 

Tipp | Englischsprachige Studie zum Thema „Lebenslanges Lernen“Futureworkskills“‒ Ergebnisse zusammengefasst in einer Infografik:

 

Quelle: ID 45609358