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· Arbeitslohn

Behördliche Zwangsschließung: Arbeitgeber trägt das Betriebsrisiko auch in der Pandemie

Bild: microgen

| Ein Arbeitgeber trägt auch während der Coronapandemie das Betriebsrisiko. Er muss die Arbeitnehmer auch entlohnen, wenn er sie wegen einer behördlich angeordneten Betriebsschließung nicht einsetzen kann. So lautet die Essenz aus einem aktuellen Urteil des Landesarbeitsgericht Düsseldorf (LAG Düsseldorf, Urteil vom 30.03.3021, Az. 8 Sa 674/20). Vielleicht ist aber des letzte Wort noch nicht gesprochen ‒ wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtsfrage hat das LAG Revision zugelassen. |

 

Der Fall: Arbeitnehmerin forderte „Annahmerverzugslohn“ gegen Spielhallenbetreiber für April 2020

Geklagt hatte eine Spielstättenmitarbeiterin gegen ihren Arbeitgeber auf Zahlung des vollen Stundenlohns (9,35 Euro brutto) für die laut Dienstplan vereinbarte Arbeitszeit von 62 Arbeitsstunden im April 2020, obwohl der Spielhallenbetreiber pandemiebedingt gar nicht öffnen durfte. Zunächst war er aufgrund behördlicher Allgemeinverfügung gezwungen, den Betrieb ab dem 16.03.2020 zu schließen. Kurze Zeit später untersagte § 3 Abs. 1 Nr. 6 der Coronaschutzverordnung NRW (CoronaSchVO) vom 22.03.2020 den Betrieb von Spielhallen. Da das Arbeitsverhältnis der Arbeitnehmerin aufgrund ihres Eintritts in den Ruhestand am 01.05.2020 endete, bezog sie kein Kurzarbeitergeld. Der beklagte Spielstättenbetreiber hatte für den Zeitraum März und April 2020 staatliche Ausgleichszahlungen in Höhe von insgesamt 15.000 Euro erhalten.

 

 

Die Arbeitnehmerin forderte mit ihrer Klage u. a. Annahmeverzugslohn für die 62 ausgefallenen Arbeitsstunden im April 2020. Nach ihrer Auffassung trägt der Arbeitgeber auch in der Pandemie das Betriebsrisiko. Das sah der Spielstättenbetreiber anders: Der Lohnausfall gehöre zum allgemeinen Lebensrisiko der Arbeitnehmerin. Aufgrund der behördlich angeordneten bzw. veranlassten Betriebsschließung sei es nicht möglich gewesen, die Arbeitskraft der Angestellten anzunehmen ‒ daher stehe ihr auch kein Lohn zu.

 

Das Urteil: Arbeitgeber muss die Vergütung für die ausgefallenen Arbeitsstunden zahlen

Wie bereits die Vorinstanz hat das Landesarbeitsgericht (LArbG) Düsseldorf der klagenden Arbeitnehmerin die Vergütung für die ausgefallenen 62 Arbeitsstunden in Höhe von insgesamt 666,19 Euro brutto ‒ bestehend aus Grundvergütung, Nacht- und Sonntagszuschlägen für die geplanten Schichten ‒ zugesprochen. Dies folge aus § 615 Satz 1 BGB i.V.m. § 615 Satz 3 BGB, weil sich der Spielstättenbetreiber im Verzug mit der Annahme der Arbeitsleistung befand.

 

  • § 615 BGB: Vergütung bei Annahmeverzug und bei Betriebsrisiko

„Kommt der Dienstberechtigte mit der Annahme der Dienste in Verzug, so kann der Verpflichtete für die infolge des Verzugs nicht geleisteten Dienste die vereinbarte Vergütung verlangen, ohne zur Nachleistung verpflichtet zu sein. Er muss sich jedoch den Wert desjenigen anrechnen lassen, was er infolge des Unterbleibens der Dienstleistung erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Dienste erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt. Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend in den Fällen, in denen der Arbeitgeber das Risiko des Arbeitsausfalls trägt.“

 

Nach der gesetzlichen Wertung des § 615 Satz 3 BGB trage der Arbeitgeber das Betriebsrisiko. Dies seien Ursachen, die von außen auf den Betrieb einwirken und die Fortführung des Betriebs verhindern. Nach der bisherigen Rechtsprechung erfasse dies auch Fälle höherer Gewalt, wie z. B. Naturkatastrophen, Erdbeben, Überschwemmungen oder extreme Witterungsverhältnisse. Um ein solches Ereignis handelt es sich bei der aktuellen Pandemie. Dass die durch die CoronaSchVO bedingte staatliche Schließung dieses Risiko zulasten der Spielhalle verwirklichte, ändere daran nichts.

 

 

Quellen

  • Nachricht aus AA Arbeitsrecht aktiv (iww.de/aa)
Quelle: ID 47329276