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  • · Fachbeitrag · Personalmanagement

    Erworbener Urlaubsanspruch bleibt bei Wechsel in Teilzeit erhalten

    von Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Dr. Arnim Powietzka, RB Reiserer Biesinger Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Heidelberg

    | Bei einer Verringerung der Arbeitszeit darf der Urlaubsanspruch nicht gemindert werden. Das hatte der EuGH im Juni 2013 klargestellt. Inzwischen hat das LAG Niedersachsen den zugrunde liegenden Rechtstreit auf nationaler Ebene zugunsten der klagenden Arbeitnehmerin entschieden. Anhand des Urteils zeigt „ASR“ Ihnen die urlaubsrechtlichen Auswirkungen einer verringerten Arbeitszeit nach den Vorgaben des EuGH. |

    Bisherige Regelung beim Urlaubsanspruch

    Bisher wurde in Deutschland das bestehende Urlaubsguthaben bei einer Reduzierung der Arbeitszeit anteilig gekürzt, wenn damit eine Verringerung der wöchentlichen Arbeitstage verbunden war. Diese Praxis hatte das BAG gebilligt (BAG, Urteil vom 28.4.1998, Az. 9 AZR 314/97, Abruf-Nr. 142932).

     

    • Beispiel

    Ein Mitarbeiter mit einem jährlichen Urlaubsanspruch von 30 Tagen wechselte am 1. Juli 2014 von einer Fünf-Tage-Woche in eine Zwei-Tage-Woche. Bis dahin hatte er noch keinen Jahresurlaub in Anspruch genommen Sein jährlicher Urlaubsanspruch ist wie folgt zu kürzen: 30 Tage : 5 x 2 = 12 Tage. Auf diese Tage war auch das bestehende Urlaubsguthaben umzurechnen.

     

    Wichtig | Mit dieser Vorgehensweise hatte der Arbeitnehmer während der Teilzeitbeschäftigung denselben Urlaubsanspruch wie zuvor: Aufgrund der Zwei-Tage-Woche konnte er mit zwölf Urlaubstagen ebenso sechs Wochen Urlaub nehmen wie zuvor bei einer Fünf-Tage-Woche mit 30 Urlaubstagen.

    Neue Vorgaben durch den EuGH

    Diese Vorgehensweise war seit einem EuGH-Urteil aus dem Jahr 2010 europarechtlich zweifelhaft (EuGH, Urteil vom 22.4.2010, Rs. C-486/08, Abruf-Nr. 104180). Dennoch wurde in Deutschland an ihr festgehalten. Nach der EuGH-Entscheidung in Sachen „Brandes“ ist die bisherige deutsche Praxis jedoch nicht mehr aufrechtzuhalten (EuGH, Beschluss vom 13.6.2013, Rs. C-415/12, Abruf-Nr. 132707).

     

    Beachten Sie | Der Urlaubsanspruch für den Zeitraum nach der Verringerung der Arbeitszeit ist zwar weiterhin anteilig zu kürzen und somit der Teilzeittätigkeit anzupassen. Das bestehende Urlaubsguthaben darf jedoch - in Urlaubstagen ausgedrückt - nicht reduziert werden.

     

    • Beispiel

    Ein Mitarbeiter mit einer Fünf-Tage-Woche hatte Ende 2013 ein Urlaubsguthaben von 20 Tagen, das er im Jahr 2013 nicht nehmen konnte. Ab 1. Januar 2014 hat er seine Arbeitszeit auf eine Zwei-Tage-Woche reduziert. Damit hat er zwar ab 2014 nur noch einen Urlaubsanspruch von zwölf Tagen jährlich. Das bestehende Urlaubsguthaben von 20 Tagen bleibt aber erhalten. Allein mit dem übertragenen Urlaub aus dem Jahr 2013 kann der Mitarbeiter demnach 10 Wochen Urlaub beanspruchen. Hinzu kommt der neue Urlaub des Jahres 2014 von sechs Wochen. Dies entspricht einem Urlaubsanspruch von fast vier Monaten.

     

    Wichtig | Die geänderten Grundsätze gelten rückwirkend auch für Verringerungen der Arbeitszeit in der Vergangenheit. Einen Vertrauensschutz hinsichtlich der früheren Rechtslage hat das LAG Niedersachen nicht gewährt (LAG Niedersachsen, Urteil vom 11.6.2014, Az. 2 Sa 125/14, Abruf-Nr. 142602). „ASR“ beobachtet daher die gegen diese Entscheidung anhängige Revision beim BAG (Az. 9 AZR 546/14), über die am 11. August 2015 verhandelt werden soll. In einem Parallelverfahren hat das BAG schon angedeutet, dass es seine alte Rechtsprechung aufgeben und sich der des EuGH anschließen wird (BAG, Urteil vom 10.2.2015, Az. 9 AZR 53/14 (F), Abruf-Nr. 143817).

     

    PRAXISHINWEIS | Der EuGH betont, dass sich die neuen Rechtsfolgen aus europarechtlichen Vorgaben nur für den Anteil des Urlaubs ergeben, den der Arbeitnehmer vor der Arbeitszeitverringerung nicht nehmen konnte. Einiges spricht jedoch dafür, dass unabhängig davon das gesamte Urlaubsguthaben geschützt ist.

     

    Folgen des EuGH-Urteils für das Urlaubsentgelt

    Die Rechtsprechung des EuGH hat auch Auswirkungen auf die Berechnung des Urlaubsentgelts. Nach Ansicht des EuGH ist es nicht zulässig, dass der während einer Vollzeittätigkeit erworbene Urlaubsanspruch nach einer Arbeitszeitreduzierung nur noch mit dem geringeren (Teilzeit-)Urlaubsentgelt verbraucht werden kann.

     

    Wichtig | Dies erfordert eine Abweichung von dem in § 11 Bundesurlaubsgesetz geregelten Grundsatz, dass das Urlaubsentgelt anhand des Arbeitsverdienstes in den letzten 13 Wochen vor Urlaubsbeginn zu ermitteln ist.

     

    • Beispiel

    Ein Mitarbeiter hat in einer Vollzeittätigkeit im Schnitt pro Arbeitstag 120 Euro brutto verdient. Nach einer Arbeitszeitreduzierung auf vier Stunden täglich erhält er noch 60 Euro pro Tag. Nimmt er vier Monate nach der Reduzierung Urlaubstage in Anspruch, die noch aus der Vollzeitphase stammen, dürfen diese nicht mit dem Tagessatz von 60 Euro, sondern müssen mit den 120 Euro aus der Zeit der Vollzeitbeschäftigung vergütet werden. Dieses vom EuGH geforderte Ergebnis lässt sich wohl am besten erreichen, indem auf die Vergütung der letzten 13 Wochen vor der Verringerung der Arbeitszeit abgestellt wird.

     
    Quelle: Ausgabe 05 / 2015 | Seite 19 | ID 43206809