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  • 12.04.2013 · IWW-Abrufnummer 131240

    Landgericht Kleve: Urteil vom 27.08.2004 – 5 S 57/04

    Für konkret wertbildende Angaben zur Beschaffenheit des Kaufgegenstandes in der Verkaufsanzeige übernimmt der Verkäufer -wenn während der Vertragsverhandlungen keine abweichenden Beschaffenheitsvereibarungen getroffen wird - die Garantie i.s.d. § 444 BGB.


    Landgericht Kleve

    5 S 57/04

    Tenor:

    Auf die Berufung des Klägers wird das am 8. März 2004 verkündete Urteil des Amtsgerichts Rheinberg unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

    Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 400,00 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 26.09.2003 zu zahlen.

    Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

    Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger zu 80% und die Beklagte zu 20%.

    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

    Entscheidungsgründe

    I.

    Der Kläger verlangt Minderung und Schadensersatz, weil die Beklagte - bzw. ihr Vertreter - ihn beim Gebrauchtwagenverkauf arglistig getäuscht und Zusicherungen nicht eingehalten habe.

    Am 24.02.2003 kaufte der Kläger von der Beklagten für 4.390,00 EUR einen Gebrauchtwagen Renault Twingo Liberty, den er trotz der geltend gemachten Mängel behalten will. Der Kläger behauptet, entgegen den Zusicherungen habe der Wagen über mehrere Mängel verfügt. Er sei insoweit arglistig getäuscht worden. Die Beklagte behauptet, ihr Vertreter, der die Vertragsverhandlungen geführt hat, habe keine Zusicherungen gegeben.

    Das Amtsgericht hat die Klage nach Beweisaufnahme abgewiesen. Hinsichtlich der entgegen den Angaben in der Internetanzeige fehlenden Alarmanlage und des fehlenden Seitenairbags hat es zur Begründung ausgeführt: "Im schriftlichen Kaufvertrag findet sich hierüber kein Eintrag, so dass es an einer vereinbarten Beschaffenheit fehlt. Im Hinblick auf den wirksam vereinbarten Gewährleistungsausschluss scheitert auch eine Haftung aus § 434 Abs. 1 Satz 3 BGB, da das Vorhandensein von Alarmanlage und Seitenairbag nicht garantiert wurde."

    Hiergegen wendet sich der Kläger mit der Berufung. Er begehrt nach wie vor die Zahlung von 2.033,72 EUR nebst Zinsen.

    II.

    Das Rechtsmittel hat teilweise Erfolg.

    Der zuerkannte Minderungsbetrag steht dem Kläger auf Grund des zwischen den Parteien abgeschlossen Kaufvertrages gemäß §§ 433, 434, 437 Nr. 2, 441, 346 BGB zu, weil der Pkw mit Mängeln behaftet war.

    Der Wagen war bei Übergabe nicht frei von Mängeln, weil er hinsichtlich Alarmanlage und Seitenairbag nicht die (konkludent außerhalb der Kaufvertragsurkunde) vereinbarte Beschaffenheit hatte, § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB.

    Zwar erfolgte der Verkauf des Gebrauchtwagens "unter Ausschluss der Sachmängelhaftung". Da es sich bei der Beklagten nicht um eine Unternehmerin handelt, stehen auch die Sondervorschriften zum Verbrauchsgüterkauf (§ 474 ff BGB, insbesondere § 475 BGB) einem Gewährleistungsausschluss nicht entgegen. Nach § 444 BGB kann sich der Verkäufer aber nicht wirksam auf einen Gewährleistungsausschluss berufen, wenn er den Mangel arglistig verschwiegen oder eine Garantie für die Beschaffenheit der Sache übernommen hat. Als Garantie im Sinne des § 444 BGB ist regelmäßig die Zusicherung einer bestimmten Eigenschaft zu qualifizieren (LG Kleve, Urteil vom 25.06.2004 - 5 S 12/04; Palandt/Putzo, BGB, 63. Aufl. 2004, § 444 Rn. 12). Eine Kombination von Beschaffenheitsvereinbarung und verschuldensunabhängiger Haftung entspricht inhaltlich der alten Eigenschaftszusicherung, die der Gesetzgeber bei Schaffung des § 444 BGB vor Augen hatte. Falls - wie hier - kein Formzwang besteht, müssen (ggf. auch konkludent getroffene) Beschaffenheitsvereinbarungen nicht in die Vertragsurkunde selbst aufgenommen werden; es genügen etwa Angaben auf einem an dem zum Verkauf stehenden Pkw angebrachten Schild, wenn die Vertragspartner diesen Punkt nicht besonders aufgreifen (Bamberger/Roth/Faust, BGB, Aktualisierung April 2004, § 444 Rn. 19 und § 434 Rn. 40; vgl. OLG Koblenz NJW 2004, 1670: die Garantieübernahme nach neuem Recht ist an die Stelle der Zusicherung einer Eigenschaft getreten). Angaben von Gebrauchtwagenhändlern über technische Daten werden, u.a. wegen ihrer großen Bedeutung für den Wert des Autos, nach der Verkehrsanschauung als Übernahme einer Garantie für ihre Richtigkeit angesehen (Hampel, JuS 2003, 465, 467); wobei in solchen Fällen eine Anwendung dieser Grundsätze auch auf den Privatverkäufer geboten erscheint. Auch bei ihnen greift die Ratio der Vorschrift - das Verbot widersprüch- lichen Verhaltens - ein. Hier hat die Beklagte ausweislich ihres Angebotes angegeben, dass das Fahrzeug über eine Alarmanlage und Seitenairbags verfügt. Dies sind konkrete und für den Wert des Wagens erhebliche Eigenschaftszusicherungen. Dass insoweit in der Kaufvertragsurkunde oder bei den Vertragsverhandlungen eine Richtigstellung erfolgt ist, kann dem Parteivortrag nicht entnommen werden. Mithin ist von einer (nicht eingehaltenen) Beschaffenheitsgarantie auszugehen, die insoweit zur Unwirksamkeit des Gewährleistungsausschlusses führt.

    Eine Fristsetzung zur Nacherfüllung war hier nicht erforderlich, da die Beklagte jede Haftung abgelehnt hat. Ein Verschulden ist für den Minderungsanspruch nicht erforderlich. Der vom Kläger geltend gemachten Höhe des Minderungsbetrages ist die Beklagte nicht entgegengetreten.

    Die Zinsforderung besteht nicht bereits ab Rechtshängigkeit der Klage, da der Kläger die begründete Teilforderung erst später geltend gemacht hat.

    Ein weitergehender Anspruch steht dem Kläger nicht zu; auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes gemäß §§ 433, 434, 437 Nr. 3, 440, 280, 281 BGB.

    Soweit der Kläger behauptet, das Fahrzeug sei entgegen einer Zusicherung nicht scheckheftgepflegt gewesen, kann eine entsprechende Beschaffenheitsvereinbarung im Sinne des § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB und damit ein Mangel nicht festgestellt werden. Die bloße Angabe des Wortes "Checkheft" in der Anzeige ist unklar. Die Kaufvertragsurkunde, die u.a. ("angekreuzte" und handschriftliche) Garantieerklärungen enthält, schweigt sich insoweit aus. Der vom Kläger benannte Zeuge Swen Meier hat ausgeführt, bei den Verkaufsverhandlungen sei erklärt worden, die Inspektionen seien "gemäß Pflichtenheft" durchgeführt worden. Auch in der Kaufvertragsurkunde wird auf überreichte Unterlagen hingewiesen und zwar mit dem Zusatz "s. letzte Inspektion". Dem "Garantie- und Wartungsheft" ist zu entnehmen, dass die letzte Inspektion vor Übergabe des Fahrzeugs beim Kilometerstand von 35.890 vorgenommen wurde. Dass anschließend keine Inspektion mehr stattgefunden hatte, war dem Kläger mithin bei Kaufvertragsschluss bekannt; eine anderslautende Vereinbarung ist nicht bewiesen.

    Auch eine Beschaffenheitsvereinbarung bzw. Garantieerklärung dahingehend, dass die Bremsbelege "erst nach ca. 8.000 km erneuert werden müssten", ist nicht bewiesen. Die Anzeige und die Kaufvertragsurkunde enthalten insoweit keine Angaben. Der vom Kläger benannte Zeuge hat dazu ausgesagt: "Der Verkäufer ... hat damals mitgeteilt, ... (er) habe das Fahrzeug überprüfen lassen. Dabei habe man keine Mängel festgestellt bis auf den Umstand, dass die Bremsbeläge erneuerungsbedürftig seien. In dieser Werkstätte habe man ihm mitgeteilt, dass nach ca. 8.000 Kilometer die Bremsbeläge ausgetauscht werden müssten." Es ist mithin ausdrücklich auf die Erneuerungsbedürftigkeit der Bremsbeläge hingewiesen worden. Bei der Angabe hinsichtlich der Haltbarkeit handelt es sich nach Angaben des Zeugen erklärtermaßen um eine Schätzung eines Dritten. Dass die Beklagte als technischer Laie diesbezüglich eine Garantie übernommen hat, ist dem nicht zu entnehmen.

    Allgemeine Anpreisungen wie "einwandfrei", "in Ordnung", "mängelfrei" oder "ohne Mängel" stellen beim Kauf eines Gebrauchtwagens von einer Privatperson keine Beschaffenheitsvereinbarung bzw. Garantie dar (Palandt/Putzo, BGB, 63. Aufl. 2004, § 434 Rn. 78; vgl. auch OLG Hamm, NJW-RR 1997, 429; Reinking/Eggert, Der Autokauf, 8. Aufl. 2003, Rn. 1124 ff.).

    Die beide Instanzen betreffende Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf einer entsprechenden Anwendung des § 708 Nr. 10 ZPO (vgl. LG Landau NJW 2002, 973; Rimmelspacher in Münchener Kommentar zur ZPO, Aktualisierungsband 2002, § 540 Rn. 10 f.).

    Gründe, die Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO zuzulassen, bestehen nicht.

    Streitwert für das Berufungsverfahren: 2.033, 72EUR

    RechtsgebietBGBVorschriften§ 444 BGB