14.11.2024 · IWW-Abrufnummer 244797
Oberlandesgericht Naumburg: Urteil vom 13.05.2024 – 12 U 164/23
Beim Ankauf eines gebrauchten Kraftfahrzeuges durch einen gewerblichen Autohändler von einem privaten Verkäufer trifft den Händler jedenfalls dann eine Pflicht zur näheren eigenen Untersuchung, wenn er die nach Mitteilung des Verkäufers behobene Vorschädigung des Fahrzeuges kennt, das er weiter zu veräußern beabsichtigt.
Oberlandesgericht Naumburg
Urteil vom 13.05.2024
In dem Rechtsstreit
...
hat der 12. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg auf die mündliche Verhandlung vom 22. April 2024 durch den Vizepräsidenten des Oberlandesgerichts Grimm, den Richter am Oberlandesgericht Dr. Fichtner und die Richterin am Oberlandesgericht Bode für Recht erkannt:
Tenor:
- Die Berufung der Klägerin gegen das am 20. November 2023 verkündete Urteil des Landgerichts Dessau-Roßlau wird zurückgewiesen.
- Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
- Dieses Urteil sowie das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch den Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
I.
Die Klägerin, eine gewerbliche Kfz-Händlerin mit angeschlossener Fachwerkstatt, begehrt die Rückabwicklung eines Kaufvertrages über ein gebrauchtes, aus ihrer Sicht mangelbehaftetes Kraftfahrzeug, einen K. .
Der Beklagte, ein Privatverkäufer, kaufte das Fahrzeug mit Kaufvertrag vom 29. März 2022 von einer gewerblichen Verkäuferin unter Hinweis auf Unfallschäden vorne links, im Heckbereich, Trittbrett, Scheinwerfer links und Motorhaube (Anlage B1, Anlagenband). Der Beklage ließ an dem Fahrzeug Reparaturen im Gesamtumfang von 4.952,48 EUR vornehmen (Anlage B2, Anlagenband). Im Anschluss fuhr der Beklagte mit dem Fahrzeug ca. 8.000 km.
Im August 2022 traten die Parteien in Verkaufsverhandlungen. Die Klägerin ließ sich im Rahmen der Verkaufsverhandlungen Fotos des Fahrzeuges übersenden; der Beklagte holte zum Zustand des Fahrzeuges eine Einschätzung der GTÜ-Prüfstelle E. ein, die erkennbare Nachlackierungen, im Übrigen aber einen verkehrssicheren Zustand bestätigte (Anlage B 3, Anlagenband). Im Rahmen dieser Verhandlungen wies die Beklagte darauf hin, dass es sich um ein Unfallfahrzeug handele. Die Parteien schlossen am 17. August 2022 einen Kaufvertrag über das Kraftfahrzeug zu einem Kaufpreis von 28.000,00 EUR (Anlage K1). Im Kaufvertrag findet sich der Hinweis: "Fahrzeug wird als Unfallwagen verkauft (siehe Prüfbericht) repariert".
Am 16. Dezember 2022 forderte die Klägerin den Beklagten unter Fristsetzung bis zum 30. Dezember 2022 auf, den Unfallschaden zu reparieren. Der Beklagte lehnte eine Reparatur mit Schreiben vom 4. Januar 2023 ab. Am 13. Januar 2023 inserierte die Klägerin das Fahrzeug ohne Hinweis auf die Unfalleigenschaft. Die Klägerin erklärte mit Schreiben vom 27. Januar 2023 den Rücktritt vom Vertrag und forderte die Rückabwicklung des Kaufvertrages. Der Beklagte lehnte eine Rückabwicklung ab. Bis Juni 2023 legte das Fahrzeug eine Strecke von 500 km zurück.
Die Klägerin hat im ersten Rechtszug behauptet, der Beklagte habe im Rahmen der Vertragsverhandlungen bestätigt, dass der Unfallschaden vollständig und fachgerecht repariert worden sei. Hierin liege eine Beschaffenheitsvereinbarung. Anlässlich der Vorbereitung des Fahrzeuges für den Weiterverkauf habe sie jedoch festgestellt, dass der Unfallschaden nicht repariert worden sei; insbesondere sei der hintere linke Schweller eingerissen und korrodiert, im Heckbereich sei die Lackierung in großen Teilen mangelhaft und die Unterbodenverkleidung sei gebrochen. Die Unterbodenverkleidung müsse ausgetauscht werden. Die vom Kläger vorgenommene Reparatur habe die Unfallschäden lediglich kaschiert. Ihrer Ansicht nach habe sie einen Anspruch auf Rückabwicklung des Kaufvertrages sowohl nach Gewährleitungsrecht gemäß § 434 Abs. 3 Nr. 2 BGB als auch aufgrund der Beschaffenheitsvereinbarung (fachgerecht reparierter Unfallschaden). Da der Unfallschaden entgegen der Zusicherung des Beklagten nicht repariert worden sei, habe der Beklagte sie arglistig getäuscht. Offenbar handele es sich bei dem GTÜ-Prüfzeugnis um eine Gefälligkeitsbescheinigung.
Tatsächlich würde eine fachgerechte Reparatur des Unfallschadens, der die Verkehrssicherheit des Fahrzeuges beeinträchtigte, ca. 15.000,00 EUR kosten, wofür sie sich auf ein Gutachten des Sachverständigen N. vom 8. Juni 2023 bezieht, welcher Reparaturkosten von ca. 10.000,00 EUR schätzt (vgl. Anlagenband).
Der Beklagte hat behauptet, die Klägerin habe ca. 2 Wochen nach Übergabe bestätigt, dass mit dem Fahrzeug alles in Ordnung sei. Dass daher bei Übergabe die behaupteten Mängel vorlagen, bestreite er. Jedenfalls seien diese nicht erheblich i.S.d. § 323 Abs. 5 S. 2 BGB. Die im Gutachten vom 8. Juni 2023, Bilder 7 bis 33, dokumentierten Lackmängel stammten nicht aus der von ihm veranlassten Reparaturmaßnahme bzw. hätten nicht bei Gefahrübergang vorgelegen. Gleiches gelte für den Unterfahrschutz und den Seitenschweller.
Wegen des weiteren Tatsachenvortrages der Parteien einschließlich der genauen Fassung der erstinstanzlich gestellten Sachanträge nimmt der Senat Bezug auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung (Bl. 72 bis 78 d.A.).
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Klägerin sei mit Gewährleistungsansprüchen gemäß § 442 Abs. 1 S. 1 BGB ausgeschlossen, weil ihr die behaupteten Mängel aufgrund grober Fahrlässigkeit unbekannt geblieben seien. Der Klägerin sei die Unfalleigenschaft des Fahrzeuges bei Kauf bekannt gewesen, insbesondere die Reparaturrechnung. Da der Beklagte sowohl den Umstand des Unfalles als auch die Reparaturrechnung vorgelegt habe, habe für die Klägerin Anlass bestanden, das Fahrzeug näher zu untersuchen. Bei einer näheren Untersuchung wären der Klägerin die nun beanstandeten Mängel aufgefallen. Im Übrigen sei der Vortrag der Klägerin zum Vorliegen eines Mangels widersprüchlich. Einerseits habe sie Mängel vier Monate nach Kaufvertragsabschluss festgestellt, zugleich aber erst ein Jahr später ein privates Sachverständigengutachten eingeholt und zugleich das Fahrzeug für einen Preis von 30.990 EUR und damit mehr als 3.000,00 EUR über dem eigenen Einkaufspreis auf dem Markt angeboten. Darüber hinaus habe die Klägerin den Nachweis des arglistigen Verschweigens des Mangels nicht erbracht. Eine Garantie habe der Beklagte nicht übernommen. Insbesondere sei in der Formulierung "Unfallwagen repariert" eine Beschaffenheitsgarantie nicht zu sehen.
Mit der hiergegen gerichteten Berufung rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts. Sie vertritt die Ansicht, ihr Anspruch sei nicht wegen grob fahrlässiger Unkenntnis des Mangels gemäß § 442 Abs. 1 S. 2 BGB ausgeschlossen. Eine Pflicht zur Untersuchung habe nicht bestanden. Eine solche bestehe nur dann, wenn konkrete und objektive Anhaltspunkte hierfür vorlägen. Die Mängel seien ihr nicht bekannt gewesen. Der Beklagte habe vielmehr die ordnungsgemäße Reparatur zugesichert und hierfür das Prüfzertifikat der GTÜ übersandt. Hierin liege eine Beschaffenheitsgarantie. Aufgrund des Online-Kaufs habe auch keine Möglichkeit zu einer Untersuchung bestanden, worauf sie bei entsprechendem Hinweis durch das Landgericht vertiefend Stellung genommen hätte. Das Landgericht verkenne, dass sie nicht widersprüchlich vorgetragen habe. Vielmehr habe ihr Sachverständiger zunächst den offenbar kaschierten Unfallschaden im Heckbereich übersehen, was dafür spreche, dass sie diesen auch bei einer Sichtprüfung nicht hätte sehen können.
Dass das Landgericht zum Umfang des Schadens kein Sachverständigengutachten eingeholt habe, sei verfahrensfehlerhaft.
Die Klägerin beantragt,
1.
unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Dessau-Roßlau vom 20. November 2023 zur Geschäftsnummer 4 O 88/23 wird der Beklagte verurteilt, an die Klägerin 28.000 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 01. Februar 2023 Zug um Zug gegen Rückgabe und Rückübereignung des PKW K. mit der FIN: ... sowie weitere 640,75 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
2.
festzustellen, dass sich der Beklagte in Annahmeverzug befindet.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrages die angegriffene Entscheidung.
Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die zwischen den Parteien zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
II.
Die Berufung der Klägerin ist gemäß den § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO statthaft und auch im Übrigen nach den §§ 517, 519, 520 ZPO zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Das Rechtsmittel ist im Ergebnis nicht begründet.
1.
Der mit der Klage geltend gemachte Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs gemäß § 346 Abs. 1 i.V.m. § 437 Nr. 2, §§ 440, 323 BGB steht der Klägerin nicht zu. Daher kommt auch die Feststellung des Annahmeverzuges des Beklagten nicht in Betracht.
Das Landgericht hat zu Recht erkannt, dass die Klägerin gemäß § 442 Abs. 1 S. 2 BGB wegen grob fahrlässiger Unkenntnis von den behaupteten Mängeln mit der Geltendmachung von Mängelgewährleistungsrechten jedenfalls deshalb ausgeschlossen ist, weil sie das Fahrzeug ohne eigene eingehende Untersuchung auf wegen des Unfalls noch evtl. vorhandene Mängel ankaufte. Dabei kann dahinstehen, inwieweit überhaupt - unter Berücksichtigung der Angaben des Beklagten bei dem Verkauf des Fahrzeugs - Sachmängel bei Übergabe vorlagen oder diese nach Übergabe erst entstanden sind, weil das Fahrzeug seitdem jedenfalls 500 km gefahren wurde.
Gemäß § 442 Abs. 1 BGB sind die Rechte des Käufers wegen Mängeln ausgeschlossen, wenn er bei Vertragsschluss den Mangel kennt; ist ihm ein Mangel wegen grob fahrlässiger Unkenntnis unbekannt geblieben, kann er Rechte wegen dieses Mangels nur geltend machen, wenn der Verkäufer den Mangel arglistig verschwiegen oder eine Garantie für die Beschaffenheit übernommen hat.
a)
Grobe Fahrlässigkeit setzt einen objektiv schwerwiegenden und subjektiv nicht entschuldbaren Verstoß gegen die Anforderungen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt voraus.
Grob fahrlässige Unkenntnis liegt nur vor, wenn dem Gläubiger die Kenntnis deshalb fehlt, weil er ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt und nicht beachtet hat, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen. Ihm muss persönlich ein schwerer Obliegenheitsverstoß in seiner eigenen Angelegenheit der Anspruchsverfolgung ("Verschulden gegen sich selbst") vorgeworfen werden können, weil sich ihm die den Anspruch begründenden Umstände förmlich aufgedrängt haben, er davor aber letztlich die Augen verschlossen hat (BGH, Urteil vom 22. September 2011, III ZR 186/10, Rn. 8, juris). Dem Käufer kann es im Allgemeinen nicht als Sorgfaltsverstoß angelastet werden, wenn er sich auf die Angaben des Verkäufers zum Kaufgegenstand verlässt und deshalb keine eigenen Nachforschungen anstellt (BGH, Urteil vom 20. Februar 2013, VIII ZR 40/12, Rn. 15, juris). Eine allgemeine Obliegenheit des Käufers, den Kaufgegenstand vor dem Abschluss des Kaufvertrags auf etwaige Mängel zu untersuchen, um sich seine Gewährleistungsrechte zu erhalten, wird durch § 442 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht begründet (BeckOGK/ Stöber, 1.2.2024, BGB, § 442, Rn. 35; Staudinger/Matusche-Beckmann (2023) BGB § 442, Rn. 28). Etwas anderes gilt jedoch ausnahmsweise, wenn besondere Anhaltspunkte Anlass zu Zweifeln an der Vertragsmäßigkeit des Kaufgegenstands bzw. an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der diesbezüglichen Angaben des Verkäufers geben müssen, dass es als nicht verständlich erscheinen würde, diesen nicht nachzugehen (BeckOGK/Stöber, 1.2.2024, BGB, § 442, Rn. 35; Staudinger/Matusche-Beckmann (2023) BGB § 442, Rn. 32; OLG Hamm Urteil vom 30. April 2019, 34 U 91/18, Rn. 27; OLG Düsseldorf Urteil vom 17. März 2016, 3 U 12/15, Rn. 12, beide juris).
b)
Die Voraussetzungen für die Annahme der groben Fahrlässigkeit der Klägerin im Sinne eines Verschuldens gegen sich selbst liegen hier vor.
aa) Zwar kann von einem gewerblichen Autohändler wie der Klägerin nicht in jedem Fall erwartet werden, beim Ankauf eines gebrauchten Kraftfahrzeugs dieses zunächst auf mögliche Unfallschäden zu untersuchen. Hierzu ist er auch bei einem anschließenden Weiterverkauf des Fahrzeugs, vor dem er grundsätzlich nur eine fachmännische äußere Besichtigung ("Sichtprüfung") vorzunehmen hat, damit er seiner Aufklärungspflicht gegenüber einem nachfolgenden Käufer hinsichtlich etwaiger Unfallschäden nachkommen kann, nicht von vornherein verpflichtet (BGH, Urteil vom 19. Juni 2013, VIII ZR 183/12, Rn. 24 mwN, juris). Der Händler kann sich daher regelmäßig darauf beschränken, das Fahrzeug einer - im Kfz-Handel bei der Hereinnahme eines Fahrzeugs zudem allgemein üblichen - Sichtprüfung zu unterziehen, die sich an den Angaben des Verkäufers zum Zustand des Fahrzeugs zu orientieren hat (BGH, a.a.O., Reinking/Eggert, Der Autokauf, 15. Aufl., Kap. 29, Rn. 245, Kap. 230, Rn. 24). Eine weitergehende Untersuchungsobliegenheit trifft den Händler dagegen nur ausnahmsweise, wenn die Sichtprüfung einen Unfallvorschaden nahelegt und/oder der Händler aufgrund sonstiger Erkenntnisse konkrete Anhaltspunkte dafür besitzt, dass die Angaben des Verkäufers falsch oder zumindest fragwürdig sind (Staudinger/Matusche-Beckmann (2023) BGB § 442, Rn. 34; BGH, Urteil vom 19. Juni 2013, VIII ZR 183/12, Rn. 25; Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken, Urteil vom 6. Juli 2016, 2 U 54/15, Rn. 25; OLG Düsseldorf, Urteil vom 17. März 2016, 3 U 12/15, Rn. 13, alle juris; Reinking/Eggert, a.a.O., Kap. 29, Rn. 257). Einen Gebrauchtwagenhändler, der - wie hier - die Vorschädigung eines zu veräußernden Fahrzeugs kennt, trifft jedoch eine Untersuchungspflicht (vgl. etwa BGH, Urteil vom 11. Juni 1979 - VIII ZR 224/78, Rn. 15; BGH, Urteil vom 14. April 2010 - VIII ZR 145/09 -, Rn. 29; KG Berlin, Urteil vom 1. September 2011 - 8 U 42/10 -, Rn. 14, juris; offen gelassen von BGH 21.4.1982 - VIII ZR 26/81, Rn. 14, der in diesem Fall stillschweigenden Gewährleistungsausschluss annimmt).
bb) Hier lieferte schon der äußere Anschein des Fahrzeugs deutliche Hinweise auf einen nicht fachgerecht beseitigten Unfallschaden.
Die Klägerin wusste bei Ankauf, dass es sich bei dem Fahrzeug um ein Unfallfahrzeug handelte. Hierauf hatte der Beklagte bei Kaufvertragsabschluss ausdrücklich hingewiesen und ein Foto übersandt, aus dem sich Schäden auf der Fahrerseite ergaben (Anlage B5). Darüber hinaus ergab sich aus der überreichten GTÜ-Prüfbescheinigung, dass das Fahrzeug - wie sich aus den unterschiedlichen Schichtdicken der Lackierung im Front- und Heckbereich entnehmen ließ - in diesen Bereichen nachlackiert worden war, was darauf schließen ließ, dass sich der Unfallschaden auf diese Bereiche bezogen hatte. Außerdem wies der Bericht der GTÜ-Prüfstelle ausdrücklich darauf hin, dass lediglich eine Sichtprüfung ohne Demontage und Zerlegung stattgefunden hat und jedenfalls im elektronischen System versteckte Mängel nicht ausgeschlossen werden könnten.
c)
Angesichts dieser Gesamtumstände (Hinweis auf Unfall, Hinweis auf Reparatur, Hinweis der Prüfstelle, dass lediglich Sichtprüfung, Hinweis auf Ausmaß der Unfallschäden durch unterschiedliche Schichtdicken der Lackierung, kein Ausschluss von Schäden im elektronischen System, Kauf von Privatperson) traf die Klägerin eine weitergehende Untersuchungsobliegenheit. Denn diese Umstände legten für die Klägerin, eine gewerbliche Händlerin mit angeschlossener Werkstatt, den Schluss nahe, dass der Unfallschaden womöglich nicht in der Art und Weise beseitigt gewesen sein könnte, wie es ihrem Standard oder den Ansprüchen an eine fachgerechte Reparatur entsprochen hätte. So ist es ohnehin im Kfz-Handel heute allgemein üblich, einen Gebrauchtwagen vor der Hereinnahme jedenfalls einer Sicht- und Funktionsprüfung zu unterziehen. Dabei hat sich die Sicht- und Funktionsprüfung an den Angaben des Verkäufers zum Zustand des Fahrzeugs zu orientieren, will sich der Aufkäufer nicht dem Vorwurf grober Fahrlässigkeit ausgesetzt sehen. Erfährt die aufkaufende Fachwerkstatt von einem Unfallschaden und davon, dass der Schaden repariert worden sein soll, muss ihre Sicht- und Funktionsprüfung gerade auch dies mit einbeziehen. Sie darf das Fahrzeug nicht nur oberflächlich - oder wie hier gar nicht - untersuchen (Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken, Urteil vom 6. Juli 2016, 2 U 54/15, Rn. 25; LG Bielefeld, Urteil vom 3. Februar 2010, 3 O 222/09, Rn. 25; LG Dortmund, Beschluss vom 30. November 2007, 3 O 220/07, Rn. 22, juris; Pammler in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 10. Aufl., § 442 BGB (Stand: 01.02.2023), Rn. 46; BeckOK StVR/Andreae, 22. Ed. 15.1.2024, BGB § 442 Rn. 6; Reinking/Eggert, a.a.O., Kap. 30, Rn. 24).
Gerade aufgrund ihrer Fachkenntnis war die Klägerin in Anbetracht des Unfallschadens verpflichtet, das gekaufte Fahrzeug genauer zu untersuchen als ein Fahrzeug ohne Unfallschaden. Es handelt sich nach den Behauptungen der Klägerin um einen offensichtlichen Schaden, der so schwerwiegend ist, dass er auch dem Beklagten als Laien nicht verborgen geblieben sein konnte. Angesichts der nach dem Vortrag der Klägerin leichten Erkennbarkeit des schweren Unfallschadens, stellt sich ihr Verhalten als gewerbliche Händlerin mit angeschlossener Werkstatt jedenfalls mindestens als grobe Fahrlässigkeit im Sinne von § 442 BGB dar (vgl. dazu Reinking/Eggert, a.a.O., Kap. 30, Rn. 26; Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Urteil vom 4. November 2005, 4 U 46/05, Rn. 6, juris). Anders ist es nicht zu erklären, dass eine gewerbliche Händlerin einen als Unfallfahrzeug gekauften Wagen trotz offensichtlicher Unfallspuren und behaupteter leichter Erkennbarkeit schwerer Schäden nicht selbst einer erweiterten Sicht- und Funktionsprüfung unter Einbeziehung einer Prüfung auf der Hebebühne unterzieht (zur Frage der Arglist bei konkreten Anhaltspunkten für einen Unfallschaden: OLG Karlsruhe, Beschluss vom 20. Mai 2020, 9 W 10/20, Rn. 18, juris). Aufgrund ihrer Fachkenntnis ist sie gerade in Anbetracht der vom Beklagten offenbarten Unfallschäden verpflichtet, dieses genauer zu untersuchen als ein Fahrzeug ohne Unfallschaden. Ein Händler, der auf diese selbstverständliche Vorsichtsmaßnahme verzichtet und damit seine Sachkunde und seine gegenüber einem Laien überlegene technische Ausrüstung bewusst ungenutzt lässt, kauft das Fahrzeug so wie es ist (vgl. Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Urteil vom 4. November 2005, 4 U 46/05, Rn. 6, juris). Dabei entlastet es die Klägerin nicht, dass es sich um einen online angebahnten Kaufvertrag handelt, bei dem sie das Fahrzeug zuvor nicht besichtigt hat. Angesichts dessen, dass die Klägerin ihren Geschäftssitz in Dessau hat und der Beklagte seinen Wohnsitz in Berlin, ist es aufgrund der geringen Entfernung nicht erklärlich, dass die Klägerin sich das Fahrzeug angesichts der gegebenen Umstände nicht vor Vertragsschluss angeschaut hat.
2.
Dem Vorwurf der groben Fahrlässigkeit seitens der Klägerin steht auch nicht - wie das Landgericht zutreffend ausführt - der Arglisteinwand gegenüber dem Beklagten entgegen (§ 442 Abs. 1 Satz 2 BGB). Die Klägerin hat nicht bewiesen, dass der Beklagte sie bei Übergabe seines Fahrzeugs arglistig getäuscht hat.
a)
Zwar hat der Verkäufer den Käufer richtig und vollständig über Mängel aufzuklären, die ihm bekannt sind, die Offenbarungspflicht geht umso weiter, je unkundiger der Käufer ist (BGH, Urteil vom 21. Januar 1981, VIII ZR 10/80, Rn. 28, juris). Der Beklagte hat die Klägerin hier jedoch über alle Tatsachen informiert, deren Mitteilung von ihm nach der Verkehrsauffassung zu erwarten war. Er hat die Klägerin unstreitig auf den Unfallschaden hingewiesen, die Klägerin hat den ursprünglich auf 29.000,00 EUR vereinbarten Kaufpreis wegen der Unfalleigenschaft noch auf 28.000,00 EUR gesenkt. Außerdem hat er die GTÜ-Bescheinigung und nach den Feststellungen des Landgerichts auch die Reparaturrechnung vorgelegt.
Einer weitergehenden Aufklärung bedurfte es seitens des Beklagten zunächst nicht, denn der Umfang der Aufklärungspflicht ist stets auch von den Erkenntnismöglichkeiten und -fähigkeiten des Kfz-Händlers abhängig. Der Beklagte konnte, da es sich bei der Klägerin um eine Fachhändlerin und Fachwerkstatt handelte, davon ausgehen, dass sie durch gezielte Nachfrage die genaue Art und Weise der Reparatur abklären oder aber das Fahrzeug vor Ankauf selbst eingehend untersuchen würde. Denn die Mitteilung des Beklagten, den Schaden repariert haben zu lassen, ließ in jedem Fall für die Klägerin die Frage offen, ob diese Reparatur sowohl in Umfang als auch Qualität dem Standard einer Fachfirma entsprach, den sie nunmehr - unter Bezugnahme auf das Gutachten des Sachverständigen N. vom 8. Juni 2023 - ihrer Klagforderung zu Grunde legt. Im Gegenteil warf nach der Einschätzung der Klägerin die Mitteilung des Beklagten im Zusammenhang mit dem GTÜ-Bericht und der Reparaturrechnung auch für sie gerade erhebliche Zweifel auf, ob der Unfallschaden tatsächlich fachgerecht repariert worden war. Daher hat sich die Klägerin auch vor Vertragsschluss das Foto, Anlage B 5 übersenden lassen. Wenn sie aber bereits Zweifel am Zustand des Fahrzeuges hatte, lag es nahe, dieses auch einer intensiven Prüfung zu unterziehen. Darauf, dass hier eine fachgerechte Reparatur vorgenommen worden war, konnte sie sich nach Kenntnis der geschilderten Umstände nicht mehr verlassen.
Eine Arglist kann schließlich auch nicht damit begründet werden, der Beklagte habe mit der Bestätigung der Reparatur eine vollständige, den Anforderungen der Klägerin als Fachwerkstatt genügende Reparatur des Fahrzeugs mit der Folge völliger Mangelfreiheit ohne hinreichende Tatsachengrundlage "ins Blaue hinein" behauptet (dazu allgemein BGH, Urteil vom 7. Juni 2006, VIII ZR 209/05, Rn. 13, juris; Grüneberg-Ellenberger, BGB, 83. Aufl., § 123, Rn. 11 mwN). Dem steht entgegen, dass sich seine diesbezügliche vertragliche Erklärung nach dem objektiven Empfängerhorizont nur auf die von ihm durchgeführte Reparatur bezog. Anhaltspunkte dafür, dass er davon ausgehen musste, dass diese Reparatur nicht zur vollständigen Beseitigung des Unfallschadens geführt haben könnte, bestehen nicht. Denn der Beklagte ist mit dem Fahrzeug noch im Sommer 2022 mit seiner Familie in den Urlaub gefahren.
Daraus, dass diese Reparatur den Kriterien der Klägerin als Fachhändlerin möglicherweise nicht gerecht wird, lässt nicht auf eine Arglist des Beklagten schließen. Dass der private Verkäufer das volle Ausmaß des Unfallschadens und die zur Instandsetzung erforderlichen Arbeiten selbst bewerten müsste, hält der Senat für zu weitgehend. Die Reparatur eines Unfallschadens hat wirtschaftliche und technische Komponenten, deren gesamte Reichweite von einem Laien kaum einzuschätzen ist. In Anbetracht der Fachkenntnis auf Klägerseite hieße es die Aufklärungspflicht des Beklagten als privatem Verkäufer überzustrapazieren, wenn der Beklagte von sich aus von vornherein hätte darlegen müssen, wie er im Einzelnen - und mit welchen ggf. verbliebenen Restschäden - den Unfallschaden von einer Werkstatt hat beseitigen lassen. Hier veräußerte der Beklagte das Fahrzeug nicht an einen Privatkäufer, sondern an einen Käufer, der als Händler und Fachwerkstatt über außerordentliche Fachkenntnis und alle technischen Möglichkeiten zur Überprüfung verfügte und bei dem deshalb auch im Hinblick auf die Mitteilungen des Beklagten von einem entsprechenden Problembewusstsein auszugehen war. Eine eigene Untersuchung seitens der Klägerin wäre deshalb auch zu erwarten gewesen, ebenso wie weitere diesbezügliche Fragen (ebenso OLG Frankfurt, Urteil vom 3. November 2010, 15 U 116/10, Rn. 7, juris).
Soweit die Klägerin mit der Berufungsbegründung für ihre Behauptung, der Beklagte habe versichert, den Unfallschaden ordnungsgemäß und fachgerecht repariert zu haben, nunmehr das Zeugnis des M. H. anbiete, ist dieses Beweisangebot nicht gemäß § 531 Abs. 2 ZPO zuzulassen, weil die Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen. Die Klägerin hatte sich in erster Instanz für diese Behauptung lediglich auf den Inhalt des Kaufvertrages, nicht aber auf einen Zeugen berufen.
b)
Die Klägerin hat auch nicht die weitere - subjektive - Voraussetzung der Arglisthaftung, der Beklagte habe gewusst oder damit gerechnet, dass die Klägerin den Mangel nicht kenne, hinreichend dargelegt. Die Tatsache, dass der Beklagte der Klägerin den Umstand des Unfalles und auf die Reparatur unter Vorlage der GTÜ-Bescheinigung hinwies, lässt nicht den Schluss zu, dass er damit rechnete, Art und Umfang der Reparatur sowie etwa verbliebene Restmängel würden der Klägerin, einer Fachwerkstatt, verborgen bleiben, zumal auch nicht festgestellt werden kann, dass der Beklagte von den klägerseits behaupteten Restmängeln wusste.
3.
Dem Landgericht ist auch darin zuzustimmen, dass der Beklagte keine Beschaffenheitsgarantie nach § 443 Abs. 1 BGB übernommen hat, da es an Hinweisen darauf fehlt, der Beklagte habe in jedem Fall für alle Folgen des Fehlens der Beschaffenheit, der Unfall sei fachgerecht repariert, einstehen wollen. Die im Kaufvertrag erfolgte Bezeichnung des PKW als "repariert" stellt nur eine Beschaffenheitsvereinbarung nach § 434 Abs. 1 S. 1 BGB dar, deren Fehlen allein zur Mangelhaftigkeit führt.
Die Übernahme einer Garantie setzt voraus, dass der Verkäufer in vertragsmäßig bindender Weise die Gewähr für das Vorhandensein der vereinbarten Beschaffenheit der Kaufsache übernimmt und damit seine Bereitschaft zu erkennen gibt, für alle Folgen des Fehlens dieser Beschaffenheit einzustehen (BGH, Urteil vom 29. November 2006, VIII ZR 92/06, Rn. 25, juris). Ob eine bestimmte Angabe des Käufers eine Beschaffenheitsgarantie (§ 444 Alt. 2 BGB) darstellt, ist unter Berücksichtigung der beim Abschluss eines Kaufvertrags typischerweise gegebenen Interessenlage zu beantworten. Dabei ist grundsätzlich danach zu unterscheiden, ob der Verkäufer ein Gebrauchtwagenhändler oder eine Privatperson ist. Handelt es sich bei dem Verkäufer um einen Gebrauchtwagenhändler, so ist die Interessenlage typischerweise dadurch gekennzeichnet, dass der Käufer sich auf die besondere, ihm in aller Regel fehlende Erfahrung und Sachkunde des Händlers verlässt. Er darf daher darauf vertrauen, dass der Händler für Erklärungen zur Beschaffenheit des Fahrzeugs, die er in Kenntnis dieses Umstands abgibt, die Richtigkeitsgewähr übernimmt. Diese Erwägung trifft auf den privaten Verkauf in der Regel nicht zu. Hier steht vielmehr dem Interesse des Käufers gleichgewichtig das Interesse des Verkäufers gegenüber, für nicht mehr als dasjenige einstehen zu müssen, was er nach seiner laienhaften Kenntnis zu beurteilen vermag (BGH, aaO, zur Angabe der Laufleistung eines Gebrauchtfahrzeugs).
4.
Mangels Pflichtverletzung des Beklagten ist auch der weiterhin geltend gemachte Anspruch auf Erstattung der vorgerichtlichen Gutachter- und Anwaltskosten nicht begründet. Ebenso wenig kommt die Feststellung in Betracht, dass sich der Beklagte mit der Rücknahme des Fahrzeugs in Annahmeverzug befindet.
II.
Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 91, 708 Nr. 10, 543 Abs. 2 ZPO. Die Revision war nicht gemäß § 543 Abs. 2 ZPO zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordert.
Die Streitwertentscheidung beruht auf § 3 ZPO und §§ 47, 48 Abs. 1 GKG.