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  • 07.09.2020 · IWW-Abrufnummer 217709

    Oberlandesgericht Koblenz: Urteil vom 05.06.2020 – 8 U 1803/19

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Aktenzeichen: 8 U 1803/19
    4 O 289/18 LG Mainz       

    Oberlandesgericht Koblenz
    IM NAMEN DES VOLKES

    Urteil

    In dem Rechtsstreit


    - Klägerin und Berufungsklägerin -

    Prozessbevollmächtigte:   Rechtsanwälte …

    gegen

    1.   …
    - Beklagte und Berufungsbeklagte -

    Prozessbevollmächtigte:   Rechtsanwälte …

    2.   …
    - Beklagte und Berufungsbeklagte -

    Prozessbevollmächtigte:   Rechtsanwälte …

    hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz … auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 15.05.2020 für Recht erkannt:

    I.   Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Einzelrichters der 4. Zivilkammer des Landgerichts Mainz vom 06.09.2019, Az. 4 O 289/18, teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
    1. Die Beklagte zu 1. wird verurteilt, an die Klägerin 48.785,85 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 15.01.2019 Zug um Zug gegen Übereignung des Fahrzeugs Audi SQ5 3.0 TDI, FIN: WAU…19 zu zahlen.
    2. Die Beklagte zu 1. wird verurteilt, an die Klägerin weitere 2.056,56 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 15.01.2019 zu zahlen.
    3. Die Beklagte zu 1. wird verurteilt, die Klägerin von außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 1.822,96 € freizustellen.
    4. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte zu 1. mit der Rücknahme des Pkws der Klägerin, Audi SQ5 3.0 TDI, FIN: WAU…19 in Annahmeverzug befindet.
    5. Es wird festgestellt, dass die Beklagte zu 1. verpflichtet ist, an die Klägerin Schadensersatz zu zahlen für Schäden, die aus der Ausstattung des Fahrzeugs Audi SQ5 3.0 TDI, FIN: WAU…19 mit einer unzulässigen Abschaltvorrichtung resultieren.
    6. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

    II.   Die weitergehende Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

    III.   Die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz tragen die Klägerin zu 60 % und die Beklagte zu 1. zu 40 % mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2., die die Klägerin trägt.

    IV.   Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien können die Vollstreckung der Gegenseite durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils jeweils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die jeweilige Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

    V.   Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.

    Gründe

    I.

    Der Klägerin nimmt die Beklagten auf Schadensersatz im Zusammenhang mit dem sogenannten Diesel-Abgasskandal aufgrund des Kaufs eines Gebrauchtwagenfahrzeugs in Anspruch. Die Beklagte zu 1. ist die Herstellerin und die Beklagte zu 2. die Verkäuferin des streitgegenständlichen Fahrzeugs.

    Die Klägerin kaufte am 22.04.2016 von der Beklagten zu 2., die ein Autohaus betreibt, einen Geländewagen Audi SQ5 3.0 TDI plus, FIN: WAU…19 zum Preis von 66.000 € mit einem Kilometerstand bei Übergabe von 9.900 km. Das Fahrzeug ist mit einem Sechszylinderturbodieselmotor mit einer Leistung von 340 PS ausgestattet und verfügt über eine wirksame EG-Typgenehmigung für die Emissionsklasse EU6 plus. Das Fahrzeug wurde an die Klägerin am 11.07.2016 ausgeliefert.

    Die Klägerin finanzierte den Kaufpreis in Höhe von 52.000 € über ein Darlehen bei der ...[A] Bank GmbH vom 22.04.2016 (Vertrags-Nr. …15), das sie zwischenzeitlich zurückgezahlt hat.

    Am 02.02.2017 schloss die Klägerin eine Neuwagengarantie für den streitgegenständlichen Pkw in Höhe von 1.293 € ab. Versicherer ist die …[B] Versicherung Service GmbH.

    Mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 19.06.2018 forderte die Klägerin beide Be-klagten unter Fristsetzung bis zum 11.07.2018 auf, ihr den Kaufpreis abzüglich gezogener Nut-zungen Zug um Zug gegen Abtretung ihre Ansprüche aus dem mit der ...[A] Bank GmbH abgeschlossenen Sicherungsvertrag zurückzu-zahlen. Gegenüber der Beklagten zu 2. erklärte die Klägerin den Rücktritt vom Kaufvertrag und dessen An-fechtung.

    Mit Schreiben vom Juli 2019 (Bl. 263 f. LG-GA) teilte die Beklagte zu 1. der Klägerin mit, dass aufgrund eines angeordneten Rückrufs des Kraftfahrt-Bundesamts (KBA) ein Software-Update am Motorsteuergerät des streitgegenständlichen Fahrzeugs vorgenommen werden müsse, da Unregelmäßigkeiten in der Motor-steuerungssoftware im Hinblick auf die Funktionsweise des Emissionsminderungssystems festgestellt wor-den seien. Auf die Nutzbarkeit oder die Sicherheit des Fahrzeugs habe dies keinen Einfluss. Nach Vornahme des Software-Updates würden alle im Hinblick auf Schadstoffemissionen geltenden Grenzwerte sowie die Emissionsgrenzwerte nach der Euro-6-Abgasnorm eingehalten werden. Bei Nichtteilnahme an der Rückruf-aktion könne eine Betriebsuntersagung gemäß § 5 FZV drohen.

    Das KBA gab das Software-Update der Beklagten zu 1. für die Fahrzeuge des streitgegenständliichen Typs mit Bestätigung vom 26.11.2018 frei und bestätigte, dass die technische Maßnahme keinen Einfluss auf den Kraftstoffverbrauch, die Co2-Emissionswerte, die Motorleistung, das maximale Drehmoment, Ge-räuscheemissionen sowie die Dauerhaltbarkeit der emissionsmindernden Einrichtungen hat.

    Mit Schreiben vom 22.04.2020 (Anlage BB 6) informierte das KBA die Klägerin, dass ihr Fahrzeug von einer Rückrufaktion betroffen sei, da in der Motorsteuergerät-Software eine unzulässige Abschalteinrichtung installiert sei, die zur Wiederherstellung der Vorschriftsmäßigkeit des Fahr-zeugs entfernt werden müsse. Das KBA wies auf die Möglichkeit der Untersagung des weiteren Betriebs des Fahrzeugs auf öffentlichen Straßen gemäß § 5 Abs. 1 FZV hin.

    Die Klage wurde der Beklagten zu 1. am 14.01.2019 zugestellt (Bl. 48 LG-GA).

    Die Klägerin hat behauptet, das streitgegenständliche Fahrzeug sei mit einer unzulässigen Motorsteuerungs-software gem Art. 5 Abs. 2 lit. a der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 ausgestattet. Die schadstoffmindernde, sogenannte „schnelle Motoraufwärmfunktion“ springe nur im Prüfzyklus an, wodurch im realen Betrieb eine Stickstoffoxide(NOx)-Schadstoffminderung unterbleibe. Bei

    Kenntnis der Verwendung dieser unzulässigen Abschalteinrichtung hätte sie den streitgegenständlichen Kaufvertrag nicht abgeschlossen. Die Beklagte zu 1. habe als Produzentin des Motors vollen Einblick in ihre eigene Entwicklung gehabt und von Beginn an von der illegalen Abschalt-einrichtung gewusst und die Klä-gerin durch die Vorspiegelung zulässiger Emissionswerte ge-täuscht. Eine Nachbesserung sei der Klägerin wegen des manipulativen Verhaltens der Beklagten zu 1. sowie aufgrund der erheblichen Risiken, die mit einem Software-Update einhergingen, unzumutbar. Die Rechtsprechung zum EA 189-Motor ‒ der unstreitig im streitgegenständlichen Fahrzeug nicht verbaut ist ‒ sei auf den vorliegenden Fall anwendbar.
    Auch die Beklagte zu 2. habe die Klägerin über die unzulässigen Abschalteinrichtung getäuscht. Zwar sei sie nicht Herstellerin des Motors und der Manipulationssoftware, allerdings bestehe für den Verkäufer eine abs-trakte Aufklärungspflicht, weil er dem Käufer die Sache frei von Sach- und Rechtsmängeln zu verschaffen habe, sowie aufgrund der allgemeinen Rücksichtnahmepflicht aus § 241 Abs. 2 BGB und aus Treu und Glauben. Außerdem beruft sich die Klägerin gegenüber der Beklagten zu 2. auf die Sachmängelgewährleis-tung.

    Die Klägerin macht gegen die Beklagte zu 1. deliktische Schadensersatzansprüche (Kaufpreis abzüglich Nutzungsentschädigung) geltend (Klageantrag zu 1.). Von der Beklagten zu 2. begehrt sie die Rückzahlung des Kaufpreises abzüglich Nutzungsentschädigung nach Rücktritt vom Kaufvertrag bzw. dessen Anfech-tung (Klageantrag zu 2.). Weiter verlangt sie Ersatz der im Rahmen der Finanzierung des Kaufpreises gezahl-ten Zinsen (Klageantrag zu 3.), die Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten (Klageantrag zu 4.) sowie die Feststellung des Annahmeverzugs (Klageantrag zu 5.). Wegen derzeit noch nicht bekannter, aber möglicher Schäden, die infolge der Abschaltvorrichtung und/oder des Entfernens derselben mittels Software oder Umrüstung des streitgegenständlichen Fahrzeugs mittels Hardware infolge entstehen könn-ten, beantragt die Klägerin die Feststellung weiterer Schadensersatzansprüche (Klageantrag zu 6.). Mit dem Klageantrag zu 7. fordert die Klägerin nach § 849 BGB die Verzinsung der durch den Abschluss des Kauf-vertrages entzogenen anteiligen Kaufpreissumme in Höhe von 14.000 €. Schließlich begehrt die Klägerin Ersatz des für eine Neuwagengarantie nutzlos aufgewendeten Geldbetrages (Klageantrag zu 8.).

    Der Klägerin hat erstinstanzlich zuletzt beantragt:

    1. Die Beklagte zu 1. wird verurteilt, an die Klägerin 56.347,63 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunk-ten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit Zug um Zug gegen Übereignung und Herausga-be des Fahrzeugs Audi SQ5 3.0 TDI, FIN WAU…19 zu zahlen.

    2. Die Beklagte zu 2. wird verurteilt, an die Klägerin 56.347,63 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunk-ten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit Zug um Zug gegen Übereignung und Herausga-be des Fahrzeugs Audi SQ5 3.0 TDI, FIN WAU…19 zu zahlen.

    3. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin weitere 2.056,56 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basis-zinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

    4. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, die Klägerin von außergerichtlichen Rechtsverfol-gungskosten in Höhe von 2.399,99 € freizustellen.

    5. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagten mit der Rücknahme des Pkws der Klägerin Audi SQ5 3.0 TDI, FIN WAU…19 in Annahmeverzug befinden.

    6. Es wird festgestellt, dass die Beklagten verpflichtet sind, an die Klägerin Schadensersatz zu zahlen für Schäden, die aus der Ausstattung des Fahrzeugs Audi SQ5 3.0 TDI, FIN: WAU…19 mit einer unzulässigen Abschaltvorrichtung resultieren.

    7. Die Beklagte zu 1. wird verurteilt, an die Klägerin Zinsen in Höhe von 4 % aus 14.000 € vom 11.07.2016 bis Rechtshängigkeit zu zahlen.

    8. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 1.293 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

    Die Beklagte haben beantragt,

    die Klage abzuweisen.
    Die Beklagten haben eine Täuschung und ein sittenwidriges Handeln in Abrede gestellt, da die Software keine verbotene Abschalteinrichtung enthalte. Die vom KBA monierte Konditionierung des Warmlaufmodus im Straßenbetrieb werde durch eine Anpassung der entsprechenden Steuerungssoftware geändert, wodurch nur der Anwendungsbereich einer bereits im Fahrzeug vorhandenen Funktion ausgeweitet werde. Dabei handele sich nicht ‒ wie im Falle des Motors EA 189 ‒ um einen Mechanismus in der Motorsteuerung, der den Prüfstand erkenne und die Stickoxide-Ausstoßwerte im Prüfstand gegenüber dem Straßenverkehr dadurch vermindere, dass er zwischen zwei dauerhaft verschiedenen Betriebsmodi der Abgasrückführung für den Prüfstand und für den Straßenbetrieb umschalte. Das KBA habe das Software-Update für das streitgegenständliche Fahrzeug mit Bestätigung vom 26.11.2018 freigegeben. Das streitgegenständliche Fahrzeug unterfalle der EU6 plus-Abgasnorm und erfülle diese auch. Der Klägerin sei kein Schaden entstan-den, da das Fahrzeug weder in seiner Nutzbarkeit eingeschränkt noch im Wert gemindert sei. Es sei tech-nisch sicher und fahrbereit und verfüge über alle erforderlichen Genehmigungen. Die Klägerin sei keinem Irrtum unterlegen, da sie sich bei ihrer Verkaufsentscheidung mit dem Abgasverhalten und dem Stickoxid-ausstoß des Fahrzeugs nicht auseinandergesetzt habe.

    Die Beklagte zu 2. erhebt die Einrede der Verjährung, da das Fahrzeug an die Klägerin bereits am 11.07.2016 ausgeliefert worden und die Klage erst am 27.11.2018 eingegangen sei. Weder habe sie die Klä-gerin getäuscht noch sei das streitgegenständliche Fahrzeug mangelhaft. Sie könne als unabhängige Händle-rin nicht mit der Herstellerin gleichgesetzt werden.
    Mit Urteil vom 06.09.2019 (Bl. 273 ff. LG-GA), auf das zur näheren Darstellung des Sach- und Streitstands Bezug genommen wird, hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt, dass die Klägerin eine schuldhafte Pflichtverletzung der Beklagten zu 1. nicht hin-reichend dargetan, sondern nur pauschal das Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung behauptet habe. Eine Beweiserhebung würde unter diesen Umständen einen nicht zulässigen Ausforschungsbeweis darstellen. Auch im Falle des Vorlie-gens einer zu beanstandenden Abschalteinrichtung würde es an einer sittenwidrigen Schädigung im Sinne von § 826 BGB fehlen, da zum maßgeblichen Zeitpunkt des Erwerbs des Fahrzeugs keine besondere Ver-werflichkeit des Handelns der Beklagten zu 1. vorgelegen habe. Die Motoren des ...[A]-Konzerns, zu dem auch die Beklagte zu 1. gehöre, stünden seit der Einräumung von Unregelmäßigkeiten im Herbst 2015 durch die ...[A] AG in der Kritik. Ab diesem Zeitpunkt habe für die Kunden der Beklagten zu 1. die Möglichkeit bestanden, den Zusammenhang zu diesem Skandal zu erkennen und konkrete Nachfragen zu stellen. In Be-zug auf Gebrauchtwagenkäufe ab Herbst 2015 liege daher kein besonders verwerfliches Verhalten des ...[A]-Konzerns vor. Im Gegensatz zu den Motoren des Typs EA 189 sehe die im vorliegenden Fall verwendete Programmierung keine unterschiedlichen Betriebsmodi für den Fahrbetrieb und für den Prüfstand vor, son-dern nur eine Motorwärmefunktion, die zu einer NOx-Schadstoffminderung führe. Entscheidend sei, dass eine bereits vorhandene, nicht ordnungsgemäß funktionierende Funktion ausgeweitet, aber keine neue Funk-tion geschaffen werde. Für einen Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB fehle es an der Bereicherungsabsicht, insbesondere an der Stoffgleichheit des erlangten Vorteils mit dem Schaden. Der klägerische Schaden sei lediglich eine mittelbare Folge des von der Beklagten zu 1. erstrebten Vermö-gensvorteils, da die Beklagte zu 2. als Händlerin dazwischen getreten sei. Auch eine Drittbereicherungsab-sicht liegen nicht vor, da es der Beklagten zu 1. nicht auf eine Bereicherung der Beklagten zu 2. angekom-men sei.

    Gegen die Beklagte zu 2. schieden Gewährleistungsansprüche aus, weil der ursprünglich bestehende Mangel durch das Aufspielen eines Software-Updates beseitigt werden könne und danach dem klägerischen Kraft-fahrzeug keine Betriebsuntersagung mehr drohe. Ansprüche aus kauf-rechtlicher Gewährleistung seien ver-jährt.
     
    Dieses Urteil greift die Klägerin im Wege der Berufung an, mit der sie ihre erstinstanzlich gestellten Anträge vollumfänglich weiter verfolgt (Bl. 19 f. eAkte OLG). Zur Begründung wiederholt

    und vertieft sie ihren Sachvortrag erster Instanz. Wegen der Einzelheiten ihres zweitinstanzlichen Vorbrin-gens wird auf die Berufungsbegründung vom 06.12.2019 (Bl. 19 ff. eAkte OLG) und den Schriftsatz vom 08.05.2020 (Bl. 125 f. eAkte OLG) Bezug genommen.

    Die Beklagten beantragen, die Berufung der Klägerin zurückzuweisen (Bl. 74, 87 eAkte OLG). Auf die Be-rufungserwiderung der Beklagten zu 1. vom 21.02.2020 (Bl. 86 ff. eAkte OLG) und der Beklagten zu 2. vom 24.02.2020 (Bl. 74 ff. eAkte OLG) wird Bezug genommen.

    Für den Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat haben die Parteien einen Kilometerstand des streitgegenständlichen Fahrzeugs von 85.564 km unstreitig gestellt.

    II.

    Die zulässige Berufung der Klägerin ist in Bezug auf die Beklagte zu 1. überwiegend begründet und in Be-zug auf die Beklagte zu 2. unbegründet.

    1.
    Gegen die Beklagte zu 1. steht der Klägerin wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung dem Grunde nach ein Schadensersatzanspruch aus § 826 i.V.m. § 31 BGB analog zu (Klageantrag zu 1.). Nach Anrech-nung der von der Klägerin gezogenen Nutzungen ergibt sich der tenorierte Zahlungsanspruch Zug um Zug gegen die Übereignung des streitgegenständlichen Fahrzeugs.

    Die Beklagte zu 1. hat die Klägerin in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise jedenfalls bedingt vorsätzlich geschädigt, weil sie ein Fahrzeug hergestellt und in Verkehr gebracht hat, dessen Motor mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestattet ist.

    (a)
    Bei der im Fahrzeug der Klägerin installierten, von der Beklagten zu 1. so genannten „schnellen Motorauf-wärmfunktion“ handelt es sich um eine unzulässige Abschalteinrichtung nach Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Ver-ordnung (EG) Nr. 715/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.06.2007 über die Typge-nehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutz-fahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformationen für Fahr-zeuge (ABl. L 171 vom 29. Juni 2007; nachfolgend: VO 715/2007/EG).

    Nach Art. 5 Abs. 1 VO 715/2007/EG hat der Hersteller von ihm gefertigte Fahrzeuge dergestalt auszurüsten, dass die Bauteile, die das Emissionsverhalten voraussichtlich beeinflussen, so konstruiert, gefertigt und mon-tiert sind, dass das Fahrzeug unter normalen Betriebsbedingungen den Vorgaben der Verordnung und ihren Durchführungsmaßnahmen entspricht. Damit soll sicherge-stellt werden, dass sich die vorgegebenen Emissi-onsgrenzwerte auf das tatsächliche Verhalten der Fahrzeuge bei ihrer Verwendung beziehen (vgl. Erwä-gungsgrund 12 der VO 715/2007/EG) und dass die zur Verbesserung der Luftqualität und zur Einhaltung der Luftverschmutzungsgrenzwerte erforderliche erhebliche Minderung der Stickoxidemissionen bei Diesel-fahrzeugen erreicht wird (vgl. Erwägungsgrund 6 der VO 715/2007/EG). Folgerichtig sieht die Verordnung die Verwendung von Abschalteinrichtungen, die die Wirkung von Emissionskontrollen verringern, strikt als unzulässig an, sofern nicht die ausdrücklich normierten Ausnahmetatbestände (Art. 5 Abs. 2 Satz 2 VO 715/2007/EG) greifen. Eine „Abschalteinrichtung“ ist nach Art. 3 Nr. 10 VO 715/2007/EG jedes Konstruk-tionsteil, das die Temperatur, die Fahrzeuggeschwindigkeit, die Mo-tordrehzahl, den eingelegten Getriebe-gang, den Unterdruck im Einlasskrümmer oder sonstige Parameter ermittelt, um die Funktion eines beliebi-gen Teils des Emissionskontrollsystems zu aktivieren, zu ändern, zu verzögern oder zu deaktivieren, wodurch die Wirksamkeit des Emissions-kontrollsystems unter Bedingungen, die bei normalem Fahrzeugbetrieb ver-nünftigerweise zu er-warten sind, verringert wird.

    Ausweislich des Rückrufs durch das KBA vom 23.01.2018 (Anlage K 4), der auch das streitgegenständliche Fahrzeug Audi 3.0 I Euro 6, Modell SQ5 betrifft, ist das Auto der Klägerin ‒ auch wenn sich die techni-schen Strategien von Fahrzeugtyp zu Fahrzeugtyp leicht unterscheiden ‒ im Ergebnis mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestattet, weil die schadstoffmindernde „schnelle Motoraufwärmfunktion“ bei die-sem Fahrzeug nahezu nur im Prüfzyklus anspringt, während diese NOx-Schadstoffminderung im realen Ver-kehr unterbleibt. Auch in dem Schreiben des KBA an die Klägerin vom 22.04.2020 (Anlage BB 6) wird als Grund für die Rückrufaktion angegeben, dass in der Motorsteuergerät-Software des streitgegenständlichen Fahrzeugs eine unzulässige Abschalteinrichtung installiert sei, die zur Wiederherstellung der Vorschriftsmä-ßigkeit des Fahrzeugs entfernt werden müsse. Gleichzeitig wird auf die Möglichkeit der Untersagung des weiteren Betriebs des Fahrzeugs auf öffentlichen Straßen gemäß § 5 Abs. 1 FZV hingewiesen.

    Vor diesem Hintergrund ist Behauptung der Beklagten zu 1., es handele sich nicht um eine unzulässige Ab-schalteinrichtung widerlegt. Insoweit sieht der Senat es als unerheblich an, ob der Anwendungsbereich einer bereits im Fahrzeug vorhandenen Funktion ausgeweitet oder eine neue Funktion geschaffen wird, da diese Differenzierung nach den vorzitierten Vorschriften der VO 715/2007/EG nicht relevant ist, sondern es nur auf das Ergebnis einer Funktion (Verringerung der Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems bei normalem Fahrzeugbetrieb) ankommt.

    Wenn ein Pkw mit einer Software ausgerüstet ist, die einen speziellen Modus für den Prüfstandlauf sowie einen hiervon abweichenden Modus für den Realbetrieb vorsieht und hierdurch im Prüfzyklus verbesserte Stickoxidwerte generiert, und sich hierdurch das Fahrzeug als nicht vorschriftsmäßig nach der Fahrzeug-Zulassungsverordnung erweist, kann die zuständige Zulassungsbehörde dem Eigentümer oder Halter nach § 5 Abs. 1 FZV eine angemessene Frist zur Beseitigung der Mängel setzen oder den Betrieb des Fahrzeugs auf öffentlichen Straßen beschränken oder untersagen. Nach der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung sind Fahrzeuge, die mit einer nach Art. 5 Abs. 2 VO 715/2007/EG unzulässigen Abschalteinrichtung versehen sind, auch dann "nicht vorschriftsmäßig" im Sinne von § 5 Abs. 1 FZV, wenn der Halter einer Aufforderung zur Entfernung der Abschalteinrichtung mittels eines von der zuständigen Typgenehmigungsbehörde zuge-lassenen Software-Updates nicht Folge leistet, da ein solches Fahrzeug entgegen den in § 3 Abs. 1 Satz 2 FZV normierten Zulassungsvoraussetzungen keinem genehmigten Typ (mehr) entspricht (vgl. BGH, Be-schluss vom 08.01.2019 - VIII ZR 225/17 - juris). Diese Gefahr besteht für die Klägerin auch ganz konkret, wie der Bescheid des KBA vom 23.01.2018 und das Schreiben des KBA an die Klägerin vom 22.04.2020 belegen.

    Soweit Art. 5 Abs. 2 Satz 2 VO 715/2007/EG in bestimmten Fällen die Verwendung von Abschalteinrich-tungen gestattet, liegen die hierfür erforderlichen (engen) Voraussetzungen nicht vor. Die vorgesehenen Ausnahmen kommen − nicht zuletzt aufgrund des in Art. 5 Abs. 1 VO 715/2007/EG ausdrücklich benannten Regelungszwecks dieser Vorschrift − von vornherein nicht in Betracht, wenn die betreffende Abschaltein-richtung wie hier gerade dazu dient, bei erkanntem Prüfbetrieb ein vom Echtbetrieb abweichendes Emissi-onsverhalten des Fahrzeugs herbeizuführen, um auf diese Weise die Einhaltung der (anderenfalls nicht er-reichten) Emissionsgrenzwerte sicherzustellen. Aufgrund der beschriebenen Wirkungsweise der Software handelt es sich weder um eine Abschalteinrichtung, die notwendig ist, um den Motor vor einer Beschädi-gung oder einem Unfall zu schützen und den sicheren Betrieb des Fahrzeugs zu gewährleisten (Art. 5 Abs. 2 Satz 2 a VO 715/2007/EG), noch um eine Abschalteinrichtung, die nicht länger arbeitet, als dies zum Anlas-sen des Motors erforderlich ist (Art. 5 Abs. 2 Satz 2 b VO 715/2007/EG).

    Das Inverkehrbringen eines Motors mit der streitgegenständlichen „schnellen Motoraufwärm-funktion“ unter bewusstem Verschweigen der (gesetzwidrigen) Softwareprogrammierung stellt, ebenso wie das Inverkehr-bringen des hiermit ausgestatteten Fahrzeugs, eine konkludente Täuschung dar, da der Hersteller mit dem Inverkehrbringen durch schlüssiges Verhalten erklärt, der Einsatz des Fahrzeugs sei im Straßenverkehr un-eingeschränkt zulässig. Dies war vorliegend jedoch nicht der Fall, weil die „schnelle Motoraufwärmfunkti-on“ als verbotene Abschalteinrichtung zu qualifizieren ist mit der Folge, dass der Widerruf der Typgenehmi-gung droht.

    Ein Hersteller, der ein Kraftfahrzeug in Verkehr bringt, bringt jedenfalls konkludent zum Ausdruck, dass das Fahrzeug entsprechend seinem objektiven Verwendungszweck nicht nur im Straßenverkehr eingesetzt wer-den kann, sondern auch eingesetzt werden darf, das heißt über eine uneingeschränkte Betriebserlaubnis ver-fügt, deren Fortbestand nicht aufgrund bereits bei der Aus-lieferung des Fahrzeugs dem Hersteller bekannter konstruktiver Eigenschaften gefährdet ist. Das setzt voraus, dass nicht nur die erforderlichen Zulassungs- und Genehmigungsverfahren formal erfolgreich durchlaufen wurden, sondern auch, dass die für den Fahr-zeugtyp erforderliche EG-Typgenehmigung nicht durch eine Täuschung des zuständigen Kraftfahrtbundes-amts erschlichen worden ist und das Fahrzeug den für deren Erhalt und Fortdauer einzuhaltenden Vor-schriften tatsächlich entspricht.

    (b)
    Das täuschende Vorgehen der Beklagten zu 1. zielte in verschiedene Richtungen:

    Zum einen richtete sich die Täuschung gegen die Genehmigungsbehörde. Dieser wurde vorgespiegelt, das mit dem von ihr hergestellten Motor ausgestattete Fahrzeug werde auf dem Prüfstand unter den Motorbe-dingungen betrieben, die auch im normalen Fahrbetrieb zum Einsatz kommen. Deren Interessen vermag die Klägerin aber nicht wahrzunehmen.

    Zum anderen resultiert aus den Täuschungen ein Eingriff in den freien Wettbewerb. Die Beklagte zu 1. ver-schaffte sich eine Stellung am Markt, die sie ohne das planmäßige Vorgehen nicht oder nur mit einem erheb-lichen Aufwand und nur zu anderen Preisen hätte erreichen können. Auch wenn die Klägerin kein Wettbe-werber ist, so ist aber doch zu sehen, dass die Beklagte zu 1. damit nicht nur auf die Position von Wettbe-werbern am Markt Einfluss genommen hat, sondern durch Einflussnahme auf den Wettbewerb, nämlich das Angebot eines Fahrzeugs, das sonst nicht oder nur zu einem erheblich höheren Preis zur Verfügung gestan-den hätte, auch auf die Kaufentscheidung des Endverbrauchers.

    Letztlich wurden also zwangsläufig auch die Endkunden getäuscht, die keinerlei Möglichkeit hatten, die Täuschung zu erkennen. Nach Auffassung des Senats ist es nicht erforderlich, dass sich der Kunde bewusst mit der Frage auseinandersetzt hat, welche genauen Kriterien für die Erteilung der Typgenehmigung erfüllt sein müssen. Wer ein Fahrzeug erwirbt, um dieses im Straßenverkehr zu verwenden, vertraut darauf, dass die gesetzlichen Vorgaben eingehalten werden, wovon die er-teilte Typgenehmigung zeugt. Der Fahrzeugkäufer weiß, dass der Konstrukteur bzw. Hersteller eines Fahrzeugs bzw. des darin verbauten Motors kraft seiner Fachkenntnis ihm gegenüber zwangsläufig über einen Wissensvorsprung verfügt. Da der Endkunde einen Einblick in die technischen Vorgänge nicht haben kann, bringt er denjenigen, die für die Entwicklung und Zulassung der Fahrzeuge verantwortlich sind, ein besonderes Vertrauen entgegen, das sich auch in der Mar-kenauswahl beim Erwerb eines Fahrzeugs niederschlägt. Dies hat die Beklagte zu 1. zu ihrem wirtschaftli-chen Vorteil ausgenutzt.

    (c)
    Die Entscheidung der Beklagten zu 1., den streitgegenständlichen Pkw unter Verwendung der oben genann-ten unzulässigen Abschalteinrichtung mit der für die betreffenden Fahrzeuge erschlichenen Typgenehmigung in den Verkehr zu bringen, stellt eine sittenwidrige Handlung im Sinne des § 826 BGB dar.

    Objektiv sittenwidrig ist ein Verhalten, das nach Inhalt oder Gesamtcharakter, der durch zusammenfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt, das heißt mit den grundlegenden Wertungen der Rechts- und Sittenordnung nicht vereinbar ist. Dafür genügt es im Allgemeinen nicht, dass der Handelnde vertragliche Pflichten oder das Gesetz verletzt oder bei einem anderen einen Vermögensschaden hervorruft. Vielmehr muss eine beson-dere Verwerflichkeit seines Verhaltens hinzutreten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mit-teln, der zu Tage getretenen Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben kann. Dabei kann es auf Kennt-nisse, Absichten und Beweggründe des Handelnden ankommen, die die Bewertung seines Ver-haltens als verwerflich rechtfertigen. Die Verwerflichkeit kann sich auch aus einer bewussten Täuschung ergeben (BGH, Urteil vom 28.06.2016 - VI ZR 536/15 -, juris Rn. 16 m.w.N.). Bezüglich des Anstandsge-fühls aller billig und gerecht Denkenden kommt es wesentlich auf die berechtigten Verhaltenserwartungen im Verkehr an (Staudinger/Oechsler, BGB, 2018, § 826 Rn. 31).

    Hieran gemessen erweist sich das Handeln der Beklagten zu 1. als objektiv sittenwidrig.

    Der Beweggrund für die Verwendung der Software ist (auch) in einer von der Beklagten zu 1. angestrebten Profitmaximierung zu sehen. Zwar ist ein Handeln aus Gewinnstreben allein nicht als verwerflich zu beurtei-len. Hinzu kommt jedoch die verwerfliche Art und Weise der Täuschung. Die Beklagte zu 1. hat in großem Umfang und mit erheblichem technischen Aufwand zentrale Zulassungsvorschriften umgangen und zugleich die Fahrzeugkäufer konkludent getäuscht. Sie hat dabei nicht nur einfach vorgeschriebene Abgaswerte außer Acht gelassen, sondern mit der vor-genommenen Manipulation an diesem Motortyp für alle davon betroffe-nen Fahrzeuge zugleich ein System der planmäßigen Verschleierung ihres Vorgehens gegenüber den Auf-sichtsbehörden sowie − nach dem Inverkehrbringen der Fahrzeuge − gegenüber den Verbrauchern geschaf-fen. Es lag also eine bewusste Täuschung sowohl der Aufsichtsbehörden als auch der Verbraucher vor, um die entsprechenden Typgenehmigungen für die mit den Motoren ausgestatteten Fahrzeuge und damit deren Inverkehrbringen zu sichern, um dadurch entsprechende Vertragsschlüsse der Händler mit den Kunden her-beiführen zu können.

    Die Verwerflichkeit des Handelns ergibt sich aber auch aus den resultierenden Folgen: Den Fahrzeugkäufern droht ein erheblicher Schaden in Form der Stilllegung des erworbenen Fahr-zeugs. Das von der Beklagten zu 1. angebotene Software-Update stellt allein ein Angebot der Schadenswiedergutmachung dar (vgl. OLG Koblenz, Urteil vom 16.09.2019 - 12 U 61/19 -, juris Rn. 59; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 05.03.2019 - 13 U 142/18 -, juris Rn. 35). Überdies hat die Beklagte zu 1. durch die Ausstattung der Motoren in einer sehr hohen Zahl von Fahrzeugen mit dieser Abschalteinrichtung eine erhebliche Beeinträchtigung der Umwelt über die zugelassenen Emissionen hinaus in Kauf genommen.

    Es liegt mithin ein rechtlich nicht erlaubtes, in großem Stil angelegtes Vorgehen der Beklagten zu 1. aus rei-nem Gewinnstreben vor. Die Verwerflichkeit wird durch das systematische Vorgehen und den großen Kreis der betroffenen Personen vertieft. Dass die Beklagte zu 1. bis heute den Schaden für die Umwelt und die hierauf bezogene Individualbetroffenheit bagatellisiert, verstärkt die Sittenwidrigkeit. Gleiches gilt für die erheblichen Auswirkungen in der Aufarbeitung der Manipulation für den einzelnen Endkunden.

    Im Rahmen einer zusammenfassenden Würdigung kommt der Senat deshalb zu dem Ergebnis, dass das In-verkehrbringen der manipulierten Motoren und das Verschweigen der Softwaremanipulation gegen das An-standsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstoßen. Als Teil der abstrakt betroffenen Gruppe der Verbraucher kann der Senat dies aufgrund eigener tatrichterlicher Würdigung feststellen (vgl. OLG Koblenz, Urteil vom 28.08.2019 - 5 U 1218/18 -, juris Rn. 68).

    Das objektiv sittenwidrige Verhalten der Beklagten zu 1. hatte noch Auswirkungen zum Zeitpunkt des Ab-schlusses des Kaufvertrages und des Eigentumserwerbs an dem streitgegenständlichen Fahrzeug durch die Klägerin im Jahr 2016 auch noch an, obwohl der Dieselskandal der VW-Gruppe, zu der auch die Beklagte zu 1. gehört, in der Öffentlichkeit schon seit Herbst 2015 diskutiert wurde und bekannt war. Zum einen ist der Senat ebenso wie das OLG Hamm (Urteil vom 10.09.2019 - 13 U 149/18 -, juris) und das OLG Oldenburg (Urteil vom 16.01.2020 - 14 U 166/19 -) der Auffassung, dass für die Frage der Sittenwidrigkeit auf den Zeitpunkt des Inverkehrbringens des streitgegenständlichen Fahrzeugs als Zeitpunkt der Tathandlung abzu-stellen ist. Zum anderen hat Beklagte zu 1. im vorliegenden Verfahren stets betont, dass die streitgegen-ständliche „schnelle Mototaufwärmfunktion“ nicht gleichzusetzen sei mit den unzulässigen Abschaltvorrich-tungen des Motors EA 189, der Gegenstand der Ad-hoc-Mitteilung vom September 2015 war. Vielmehr hat die Beklagte zu 1. betont nach wie vor, dass sie gar keine unerlaubte Abschalteinrichtung eingebaut habe und dass die der Zulassung zugrunde zu legenden Schadstoffwerte richtigerweise unter Laborbedingungen hätte ermittelt werden dürfen.

    (d)
    Die subjektiven Voraussetzungen für den Anspruch aus § 826 BGB gegen die Beklagte zu 1. sind zu beja-hen.

    (aa)
    Die Verwendung der Software erfolgte vorsätzlich. In subjektiver Hinsicht setzt der Schädigungsvorsatz gemäß § 826 BGB keine Schädigungsabsicht im Sinne eines Beweggrundes oder Zieles voraus. Es genügt bedingter Vorsatz hinsichtlich der für möglich gehaltenen Schadensfolgen, wobei jener nicht den konkreten Kausalverlauf und den genauen Umfang des Schadens, sondern nur Art und Richtung des Schadens umfas-sen muss (BGH, Urteil vom 13.09.2004 - II ZR 276/02 -, juris, Rn. 38 m.w.N.). Für den Vorsatz genügen das Bewusstsein, dass die Schädigung im Bereich des Möglichen liegt, sowie die billigende Inkaufnahme des Schädigungsrisikos. Nicht erforderlich ist, dass der Handelnde die Schädigung eines anderen anstrebt oder als sichere Folge des eigenen Handelns akzeptiert (MüKoBGB/Wagner, 7. Aufl. 2017, BGB, § 826 Rn. 27 m.w.N.).

    Die Software wurde bewusst benutzt, um die Abgasrückführung beeinflussen zu können und so die Typge-nehmigung zu erhalten. Einen anderen Zweck hatte ihre Verwendung nach Überzeugung des Senats (§ 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO) nicht. Dabei wurde bewusst in Kauf genommen, dass eine Entdeckung der verwendeten Software dazu führen würde, dass die Betriebserlaubnis der betroffenen Fahrzeuge würde erlöschen können. Die Beklagte zu 1. hat dabei das Risiko der darin liegenden Schädigung der Endkunden als möglich erkannt und dennoch billigend in Kauf genommen. Das ergibt sich auch aus dem Umstand, dass der feststellende Bescheid des KBA hingenommen wurde.

    Die Beklagte zu 1. hat auch die Folgen ihres Handelns jedenfalls billigend in Kauf genommen. Da die Be-hörden bei der Erteilung der Typgenehmigung getäuscht worden waren, konnte die Käuferin davon ausge-hen, ein Fahrzeug mit einem Motor zu erhalten, der den gesetzlichen Vorgaben entspricht. Dass im Fall der Entdeckung der Täuschung seitens des KBA Maßnahmen ergriffen werden mussten, musste der Beklagten zu 1. klar sein. Das KBA als zuständige Behörde konnte ein gegen die gesetzlichen Regelungen verstoßen-des Verhalten, das noch dazu einen Kernbereich seiner Aufgabe betrifft, nicht einfach hinnehmen. Die Be-klagte zu 1. musste davon ausgehen, dass das KBA in diesem Falle entweder die Typgenehmigung widerru-fen oder aber Maßnahmen an-ordnen würde, um einen gesetzmäßigen Zustand der Fahrzeuge zu erreichen. Damit musste sie zwangsläufig davon ausgehen, dass dem Fahrzeug eine Betriebsuntersagung drohte, wenn dem nicht nachgekommen werden würde, so dass auch diese Schädigungsfolgen vom Vorsatz der Beklagten zu 1. erfasst waren (vgl. OLG Koblenz, Urteil vom 28.08.2019 - 5 U 1218/18 -, juris).

    (bb)
    Die Beklagte zu 1. muss sich dabei das Handeln ihrer Mitarbeiter gemäß § 31 BGB analog zu-rechnen lassen.

    Die Repräsentantenhaftung erstreckt sich für die juristischen Personen über den Vorstand, die Vorstands-mitglieder und die verfassungsmäßig berufenen besonderen Vertreter hinaus auf alle sonstigen Personen, denen durch die allgemeine Betriebsregelung und Handhabung bedeutsame, wesensmäßige Funktionen der juristischen Person zur selbständigen, eigenverantwortlichen Er-füllung zugewiesen sind, so dass sie die juris-tische Person im Rechtsverkehr repräsentieren (BGH, Urteil vom 30.10.1967 - VII ZR 82/65 Rn. 11 m.w.N.; MüKoBGB/Leuschner, 8. Aufl. 2018, BGB § 31 Rn. 14 m.w.N.). Da es der juristischen Person nicht frei-steht, selbst darüber zu entscheiden, für wen sie ohne Entlastungsmöglichkeit haften will, kommt es nicht entscheidend auf die Frage an, ob die Stellung des „Vertreters“ in der Satzung der Körperschaft vorgesehen ist oder ob er über eine entsprechende rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht verfügt. Hierzu gehört auch der Personenkreis der leitenden Angestellten (BGH, Urteil vom 03.05.2007 - IX ZR 218/05 -, juris Rn. 16 m.w.N.).

    Der gemäß § 826 BGB erforderliche Vorsatz erfordert ein kognitives Element ‒ das Bewusstsein, dass der Eintritt des Schadens im Bereich des Möglichen liegt ‒ und ein voluntatives Element ‒ das Zueigenmachen des Schadenseintritts im Sinne billigenden Inkaufnehmens. Der Handelnde muss die Schädigung des An-spruchstellers gekannt bzw. vorausgesehen und in seinen Willen aufgenommen, jedenfalls aber für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen haben (dolus eventualis). Es genügt nicht, wenn die relevanten Tatumstände lediglich objektiv erkennbar waren und der Handelnde sie hätte kennen können oder kennen müssen oder sie sich ihm sogar hätten aufdrängen müssen (BGH, Urteil vom 28.06.2016 - VI ZR 536/15 -, juris Rn. 25 m.w.N.).

    Zur Überzeugung des Senats steht fest, dass der Leiter der Entwicklungsabteilung der Beklagten zu 1. von der Entwicklung und Verwendung der Software zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses Kenntnis hatte und dies gebilligt und, wenn nicht angeordnet, so zumindest nicht unterbunden hat. § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO verlangt zur Überzeugungsbildung des Gerichts ein Maß an persönlicher Gewissheit, das Zweifeln Schwei-gen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen (Zöller/Greger, ZPO, 33. Aufl. 2019, § 286 Rn. 19 m.w.N.).

    Die Programmierung der Software setzt denknotwendig eine aktive, im Hinblick auf dieses Ergebnis gewoll-te präzise Programmierung der Motorsteuerungssoftware voraus und schließt die Annahme einer fahrlässigen Herbeiführung dieses Zustands aus. Angesichts der Dimension der manipulierten Fahrzeuge in Zahl und Qualität hält es der Senat für ausgeschlossen, dass der Leiter der Entwicklungsabteilung keine Kenntnis von den Manipulationen hatte.

    In der Sache handelten es sich um eine Strategieentscheidung mit außergewöhnlichen Risiken für den ge-samten Konzern und auch massiven persönlichen arbeits- und strafrechtlichen Risiken für die entscheiden-den Personen, denen bei den untergeordneten Konstrukteuren kein annähernd adäquater wirtschaftlicher Vorteil gegenüber stand. Angesichts dessen erscheint es dem Senat mehr als fernliegend, dass die Entschei-dung für eine greifbar rechtswidrige Software ohne Einbindung des Vorstands erfolgt sein soll und lediglich einem Verhaltensexzess untergeordneter Konstrukteure zuzuschreiben sein könnte.

    Unabhängig von der Überzeugung des Senats ergibt sich aber auch kein anderes Ergebnis aus Darlegungs- und Beweislastgesichtspunkten. Grundsätzlich hat jede Partei die ihr günstigen Tat-sachen vorzutragen und im Bestreitensfall zu beweisen. Zugunsten des Käufers, also auch der Klägerin, greift jedoch eine Erleichte-rung der Darlegungslast. Steht nämlich ein (primär) darlegungspflichtiger Anspruchsteller außerhalb des für seinen Anspruch erheblichen Geschehensablaufs und kennt der Anspruchsgegner alle wesentlichen Tatsa-chen, so genügt nach den höchst-richterlichen Grundsätzen über die sekundäre Darlegungslast das einfache Bestreiten seitens des Anspruchsgegners nicht, sofern ihm nähere Angaben zuzumuten sind (BGH, Urteil vom 17.01.2008 - III ZR 239/06 -, juris Rn. 16 m.w.N.).

    Soll aber für diese höchstrichterliche Rechtsprechung überhaupt ein Anwendungsbereich eröffnet sein, müs-sen schon die Anforderungen an die primären Darlegungen seitens des Anspruchstellers auf die allgemeine Behauptung der nach dem maßgebenden Tatbestandsmerkmal erforderlichen Tatsache beschränkt werden, denn zur Frage des Umfangs einer sekundären Darlegungslast kann man stets nur dann gelangen, wenn der Anspruchsteller die Voraussetzungen der ihn treffenden primären Darlegungslast zu erfüllen vermag. Das aber kann mit Rücksicht auf den Umstand, dass der Anspruchsteller in den von der höchstrichterlichen Rechtsprechung erörterten Fällen jedenfalls außerhalb des Geschehensablaufs steht und ihm entsprechende Kenntnisse aus strukturellen Gründen fehlen, nur dann geschehen, wenn man allgemeine Behauptungen aus-reichen lässt und von weiterer Substantiierung absieht.

    Vor diesem Hintergrund reicht einerseits die Behauptung der Klägerin aus, dass dem Vorstand der Beklag-ten zu 1. sämtliche oben erörterten Umstände bekannt gewesen seien, während anderer-seits das Vorbringen der Beklagten zu 1. zu den internen Geschehnissen im Zusammenhang mit der Beauftragung, der Bezahlung, dem Empfang, der Kontrolle und der Verwendung der oben erwähnten Motorsteuerungssoftware nicht ein-mal ansatzweise ausreicht. Da die Beklagte zu 1. auch nicht konkret darlegt, dass und wie einzelne Mitarbei-ter unter Ausschluss des Vorstandes die mangelhafte Software pflichtwidrig beauftragen, bezahlen und verwenden ließen, kann sie sich auch hierauf nicht berufen. Damit muss es sowohl bei der Annahme umfas-sender Kenntnisse des Vorstandes der Beklagten zu 1. als auch bei der Anwendung des § 31 BGB im Sinne einer Zu-rechnung bleiben (vgl. OLG Koblenz, Urteil vom 16.09.2019 - 12 U 61/19 -, juris Rn. 66; OLG Köln, Beschluss vom 03.01.2019 - 18 U 70/18 -, juris Rn. 35).

    (e)
    Die Beklagte zu 1. hat der Klägerin vorsätzlich einen Schaden im Sinne von § 826 BGB zugefügt, der nicht durch die Entwicklung und die Möglichkeit des Aufspielens des Updates beseitigt worden ist.

    (aa)
    Der Klägerin hat ein Fahrzeug mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung in Form der „schnellen Motorauf-wärmfunktion“ erworben, die einen speziellen Modus für den Prüflaufstandlauf sowie einen hiervon abwei-chenden Modus für den Alltagsbetrieb vorsieht und hierdurch im Prüfzyklus verbesserte Stickoxidwerte generiert. Damit wies das Fahrzeug einen Sachmangel auf (vgl. BGH, Hinweisbeschluss vom 08.01.2019 - VIII ZR 225/17 -, juris Rn. 17 m.w.N.). Das Fahrzeug genügte zwar primär dem Erfordernis, am Straßen-verkehr teilzunehmen; aufgrund der rechtswidrig verbauten Abgaseinrichtung drohte aber die Stilllegung des Fahrzeugs. Da sich dieser Umstand zwangsläufig auf den Wert des Fahrzeugs auswirkt, liegt ein Schaden für die Klägerin vor. Ein für die Nutzung im Straßenverkehr bestimmtes Fahrzeug, das hinsichtlich der Frage der Typgenehmigung und der Betriebszulassung mit erheblichen rechtlichen Unsicherheiten belegt ist, ist offenkundig weniger wert als ein vergleichbares Fahrzeug, das sämtliche technischen und gesetzlichen An-forderungen erfüllt.

    (bb)
    Ein Schaden für die Klägerin liegt auch in dem auf der Täuschung durch die Beklagte zu 1. beruhenden Ab-schluss des Kaufvertrags.

    Der Senat geht davon aus, dass das Fahrzeug im Zeitpunkt des Kaufvertragsabschlusses hinter den Vorstel-lungen des Klägerin von der allgemein ordnungsgemäßen Ausrüstung des Kaufobjekts zurückblieb und dass die Klägerin bei Kenntnis der Manipulation den Kaufvertrag nicht abgeschlossen hätte. Der Umstand, dass die erforderlichen Genehmigungen und Zulassungen für das Fahrzeug durch Täuschung erlangt worden sind, gefährdet aus der Sicht eines vernünftigen Durchschnittskäufers die für die Nutzung im Straßenverkehr er-forderliche Zulassung und hat zudem unabsehbare Folgen für den Verkehrs- und Wiederverkaufswert des Fahrzeugs.

    (cc)
    Diese Schäden sind der Klägerin durch vorsätzliches Verhalten der Beklagten zu 1. entstanden.

    Der Beklagten zu 1. waren die Mangelhaftigkeit des Motors, des damit ausgerüsteten Fahrzeugs und auf-grund der gesetzlich unzulässigen Software die zu Unrecht erteilte Typgenehmigung bekannt. Zwar ist da-von auszugehen, dass die Schädigung der Käufer nicht der Beweggrund der Beklagten zu 1. für den Einsatz der Abschalteinrichtung gewesen ist; dies ist indes auch nicht erforderlich. Der Vorsatz im Sinne des § 826 BGB setzt keine Schädigungsabsicht im Sinne eines Beweggrundes oder Ziels voraus. Es genügt bedingter Vorsatz hinsichtlich der für möglich gehaltenen Schadensfolgen, wobei jener nicht den konkreten Kausalver-lauf und den genauen Um-fang des Schadens, sondern nur Art und Richtung des Schadens umfassen muss (BGH, Urteil vom 13.09.2004 - II ZR 276/02 -, juris Rn. 38 m.w.N.). Dabei ist zu berücksichtigen, dass ein Schaden im Sinne des § 826 BGB nicht nur in der Verletzung bestimmter Rechte oder Rechtsgüter liegt, sondern dass jede nachteilige Einwirkung auf die Vermögenslage sowie jede Beeinträchtigung des rechtlich anerkannten Interesses und jede Belastung mit einer ungewollten Verpflichtung genügt (BGH, Urteil vom 19.07.2004 - II ZR 402/02 -, juris Rn. 41 m.w.N.).

    Der Senat ist überzeugt, dass die Beklagte zu 1. vorsätzlich gehandelt hat. Sie hat es zumindest für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen, dass die Abschalteinrichtung im Falle des Entdecktwerdens Auswirkungen auf die Betriebserlaubnis der betreffenden Fahrzeuge haben würde und die Erwartungen des Fahrzeugkäufers enttäuscht werden. Etwas Anderes folgt auch nicht daraus, dass der Klägerin das Fahrzeug nicht von der Beklagten zu 1., sondern von der Beklagten zu 2. erworben hat. Die Ursache für den Schaden der Klägerin hat die Beklagte zu 1. gesetzt. Auch wenn ein Verkäufer seinem Kunden aus dem Kaufvertrag verschuldensunabhängig auf Gewährleistung haftet, kann dies eine Haftung der Beklagten zu 1. für ihr sys-temisch-sittenwidriges Verhalten gegenüber Letzterwerbern − darunter auch der Klägerin − nicht entfallen las sen (Schleswig-Holsteinisches OLG, Urteil vom 22.11.2019 - 17 U 44/19 -, juris Rn. 55).

    (dd)
    Das Verhalten der Beklagten zu 1. war kausal für die Entstehung des Schadens des Klägerin.

    Für die Annahme eines Zusammenhangs zwischen Täuschung und Abgabe einer Willenserklärung genügt es, dass der Getäuschte Umstände dargetan hat, die für seinen Entschluss von Bedeutung sein konnten, und dass die arglistige Täuschung nach der Lebenserfahrung bei der Art des zu beurteilenden Rechtsgeschäfts Einfluss auf die Entscheidung hat (BGH, Urteil vom 12.05.1995 - V ZR 34/94 -, juris Rn. 17 m.w.N.). Der getäuschte Käufer darf keine Kenntnis von den maßgeblichen Tatsachen und Umständen haben und seine Verfügung − der Abschluss des Kaufvertrags − muss auf dieser Unkenntnis beruhen.

    Diese Voraussetzungen liegen zur Überzeugung des Senats vor. Da es sich um innere Tatsachen handelt, kann der Nachweis nur auf der Grundlage von Indizien geführt werden, die hier hinreichend und nachvoll-ziehbar dargelegt sind.

    Nach der Lebenserfahrung und der Art des zu beurteilenden Geschäfts ist auszuschließen, dass ein Käufer ein Fahrzeug erwirbt, dem eine Betriebsuntersagung droht und bei dem im Zeitpunkt des Erwerbs in keiner Weise absehbar ist, ob dieses Problem überhaupt behoben werden kann. Diese Einwirkung auf die Entschlie-ßung des Fahrzeugkäufers genügt für den Kausalzusammenhang zwischen dem Irrtum und der Kaufent-scheidung (BGH, Urteil vom 12.05.1995 - V ZR 34/94 -, juris Rn. 18). Daneben sind die Aspekte der Um-weltverträglichkeit und mit einem erhöhten NOx-Ausstoß einhergehender Gesundheitsgefahren oder auch Nutzungseinschränkungen im Sinne einer uneingeschränkten Mobilität (Fahrverbote in Gegenwart und Zu-kunft) Argumente, die bei einem Kaufentschluss für ein Fahrzeug plausibel eine Rolle spielen und so Ein-fluss auf die Dispositionsfreiheit eines Kunden haben können.

    Der Senat ist auch davon überzeugt, dass die Klägerin zum Zeitpunkt des Erwerbs keine hinreichende Kenntnis davon hatte, dass das von ihr erworbene Fahrzeug schadhaft ist. Es fehlt daher weder an dem Ein-tritt eines infolge des sittenwidrigen Verhaltens kausal eingetretenen Schadens noch ist der Anspruch etwa wegen fehlender Rechtswidrigkeit (volenti non fit iniuria) oder anderen Gründen ausgeschlossen.

    Die Klägerin hatte auch bezüglich des von ihm erworbenen Fahrzeugs in concreto keine Kenntnis davon, dass dieses Fahrzeug von der Abschaltautomatik betroffen ist. Der entsprechenden Einlassung der Klägerin ist die Beklagte zu 1. jedenfalls nicht substantiiert entgegengetreten, indem sie etwa dargelegt hätte, dass der Verkäufer des Fahrzeugs die Klägerin vor Erwerb des Fahrzeugs über die Betroffenheit des Fahrzeugs und die entsprechenden Konsequenzen informiert hätte.

    Zudem kann die Beklagte zu 1. auch nicht darauf verweisen, dass mit der Ad-hoc-Mitteilung, die ohnehin nur die Fahrzeuge der Marke Volkswagen mit einem anderen Motor (EA 189) betraf, oder durch die Be-richterstattung in der Folgezeit den Käufern von Audi-Modellen bewusst gewesen sei, dass die Fahrzeuge in der oben dargelegten Art schadhaft sind. Insoweit wird auf die Ausführungen unter II. 1. c) am Ende Bezug genommen. Dies gilt auch dann, wenn sich die Klägerin um diese Frage überhaupt keine bewussten Gedan-ken gemacht hat. Ein Käufer unterstellt aufgrund der erteilten Typgenehmigung bestimmte Eigenschaften und setzt diese als selbstverständlich voraus. Hätte die Beklagte zu 1. das Fahrzeug weder in Verkehr ge-bracht noch die unzulässige Abgasschalteinrichtung verschwiegen, wäre es zu einer reflektierten Entschei-dung über diese Faktoren gekommen und − sachgerechtes Verhalten unterstellend − die Klägerin hätte das Fahrzeug nicht gekauft.

    Der Beweis der Ursächlichkeit ist somit zumindest dem Anschein nach erbracht. Die Beklagte zu 1. hat kei-ne Umstände aufgezeigt, die zu einer anderen Bewertung führen würden.

    Dass die Beklagte zu 1. „nur“ Herstellerin des Fahrzeugs einschließlich des Motors ist und die Klägerin das Fahrzeug nicht unmittelbar von der Beklagten zu 1., sondern von der Beklagten zu 2. erworben hat, stellt den Kausalzusammenhang zwischen konkludenter Täuschung und Fahrzeugerwerb nicht in Frage. Denn durch das Inverkehrbringen des Motors in dem Wissen und mit dem Ziel, dass dieser Motor vom Fahrzeug-hersteller (auch) in das von der Klägerin erworbene Fahrzeugmodell eingebaut werden würde, hat die Be-klagte zu 1. den Kausalverlauf bewusst in Gang gesetzt. Die hiermit verbundene konkludente Täuschung seitens der Beklagten zu 1. als Herstellerin des Fahrzeugs über das Vorliegen der materiellen Voraussetzun-gen für die EG-Typgenehmigung wirkt bei allen weiteren Verkäufen in der Käuferkette vor Aufdeckung der Abschalteinrichtung fort, weil die allgemeinen Herstellerangaben und die Typengenehmigung die Grundlage des Erwerbsgeschäftes bilden (OLG Koblenz, Urteil vom 12.06.2019 - 5 U 1318/18 -, juris Rn. 44; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 05.03.2019 - 13 U 142/18 -, juris Rn. 28; LG München, Urteil vom 29.03.2019 - 13 O 5153/18 -, juris Rn. 31).

    (ee)
    Der von der Klägerin geltend gemachte Schaden ist vom Schutzzweck des § 826 BGB erfasst.

    Durch den Einsatz der Umschaltsoftware hat die Beklagte zu 1. nicht nur Gemeinschaftsinteressen dienen-des EU-Typgenehmigungsrecht verletzt, sondern auch eine Gefahrenlage geschaffen, aufgrund derer die betroffenen Fahrzeuge − bei Entdeckung der Problematik − die Zulassung verlieren und insgesamt nicht mehr als werthaltig angesehen werden; die Fahrzeugkäufer sind somit auch individuell betroffen. Genau diese Gefahrenlage hat sich dann tatsächlich realisiert, und der Klägerin ist der oben dargestellte Schaden entstanden.

    (ff)
    Der Schaden der Klägerin würde nicht durch die Installation eines Software-Update entfallen.

    Die Frage, ob das Fahrzeug nach dem Update nicht mehr von einer Stilllegung bedroht ist, kann dahinste-hen. Denn der darüber hinausgehende Schaden des Klägerin, der sich daraus ergibt, dass sie sich an einem Vertrag festhalten lassen muss, den sie in Kenntnis des sittenwidrigen Verhaltens der Beklagten zu 1. so nicht abgeschlossen hätte, ist weiterhin vorhanden (Schleswig-Holsteinisches OLG a.a.O. Rn. 59 m.w.N.; OLG Hamm, Urteil vom 10.09.2019 - 13 U 149/18 -, juris Rn. 52; OLG Koblenz, Urteil vom 28.08.2019 - 5 U 1218/18 -, juris Rn. 108).

    Hinzu kommt, dass unklar ist, ob und welche Auswirkungen das Software-Update hat. Zu Recht führt das Schleswig-Holsteinische OLG (a.a.O. Rn. 60) dazu aus, dass die Langzeittauglichkeit des Updates bis heute jedenfalls nicht unstreitig feststehe und dem Erwerber eines derart nachgerüsteten Fahrzeugs auf diese Wei-se Risiken aufgebürdet würden, die er nach seiner berechtigten Erwerbserwartung nicht tragen müsse. Auch würde eine abweichende rechtliche Sicht der Dinge letztendlich zu einem Nachbesserungsrecht zugunsten des vorsätzlich sittenwidrig handelnden Schädigers führen, das dem deliktischen Schadensersatzrecht unbe-kannt sei. Dem schließt sich der erkennende Senat an.
     
    (f)
    Der Schadensersatzanspruch aus §§ 826, 249 ff. BGB richtet sich auf Ersatz des negativen Interesses (Pa-landt/Sprau, BGB, 79. Aufl. 2020, § 826 Rn. 15). Der Geschädigte ist so zu stellen, wie er ohne den Eintritt des schädigenden Ereignisses stünde.

    (aa)
    Ohne die vorsätzliche sittenwidrige Schädigung hätte die Klägerin − wie bereits dargelegt − den Vertrag nicht geschlossen. In diesem Fall hätte sie das Fahrzeug nicht erhalten und den Kaufpreis nicht gezahlt. Die Beklagte zu 1. hat der Klägerin daher den Kaufpreis Zug um Zug gegen Herausgabe und Übereignung des Fahrzeugs zurückzuerstatten.

    (bb)
    Es entspricht ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung, dass nach den Grundsätzen der Vorteilsausglei-chung dem Geschädigten neben einem Ersatzanspruch nicht die Vorteile verbleiben dürfen, die ihm durch das schädigende Ereignis zugeflossen sind. Gleichartige Gegenansprüche sind automatisch zu saldieren (BGH, Urteil vom 12.03.2009 - VII ZR 26/06 -, juris Rn. 16; Palandt/Grüneberg a.a.O., Vorb v § 249 Rn. 71 m.w.N.). Der Schadensersatzanspruch des Ge-schädigten ist nur mit dieser Einschränkung begründet. Da-rauf, ob der Schädiger die Herausgabe des Vorteils verlangt, kommt es nicht an. Insbesondere bedarf es − anders als in den Fällen der §§ 320, 322, 348 BGB − keines besonderen Antrags oder einer Einrede des Schädigers (BGH, Urteil vom 23.06.2015 - XI ZR 536/14 -, juris Rn. 23 f.).

    Dies führt auch nicht zu einer unbilligen Entlastung des Schädigers. Es ist nicht Aufgabe des Schadens-rechts, das Verhalten des Schädigers in einer über die faktische Rückabwicklung des Vertrags hinausgehen-den Weise zu sanktionieren. Das deutsche Zivilrecht sieht als Rechtsfolge einer unerlaubten Handlung nur den Schadensausgleich (§§ 249 ff. BGB) vor, nicht aber eine Bereicherung des Geschädigten. Die Bestra-fung und eine − im Rahmen des Schuldrechts an-gemessene − Abschreckung sind im deutschen Recht mög-liche Ziele des Straf- und Ordnungswidrigkeitenrechts mit den dafür eingeführten besonderen Verfahrensga-rantien, nicht hingegen des Zivilrechts (OLG Koblenz, Urteil vom 16.09.2019 - 12 U 61/19 -, juris Rn. 70 ff.; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 05.03.2019 - 13 U 142/18 -, juris Rn. 117 m.w.N.;). Es besteht auch kein Anlass, den Nutzungsersatz im Hinblick auf den der Sache anhaftenden Mangel herabzusetzen. Die Berück-sichtigung des mit dem Mangel verbundenen Minderwerts kommt nur in Betracht, wenn der Mangel die tatsächliche Nutzung erheblich einschränkt (vgl. Reinking/Eggert, Der Autokauf, 14. Aufl. 2020, Rn. 1173).

    Im vorliegenden Fall war die fortdauernde Nutzbarkeit des Fahrzeugs allein aus Rechtsgründen nicht sicher-gestellt, auf den tatsächlichen Gebrauch hatte dies aber keinerlei Auswirkungen. In-sofern kommt auch unter diesem Gesichtspunkt eine Herabsetzung des Nutzungsersatzes nicht in Betracht (OLG Koblenz, Urteil vom 16.09.2019 - 12 U 61/19 -, juris Rn. 77; OLG Karlsruhe, Be-schluss vom 05.03.2019 - 13 U 142/18 -, juris Rn. 125).

    (cc)
    Den Wert der durch den Gebrauch des Kraftfahrzeugs gezogene Nutzungen der Klägerin schätzt der Senat nach der anwendbaren Methode der zeitanteiligen linearen Wertminderung (BGH, Beschluss vom 09.12.2014 - VIII ZR 196/14 -, juris Rn. 3 m.w.N.; Urteile vom 09.04.2014 - VIII ZR 215/13 -, juris Rn. 11 ff. m.w.N.; vom 17.05.1995 - VIII ZR 70/94 -, juris Rn. 23 m.w.N.). Die zeitanteilige lineare Wertminde-rung ist im Vergleich zwischen tatsächlichem Gebrauch und voraussichtlicher Gesamtnutzungsdauer, ausge-hend vom Bruttokaufpreis, im Wege der Schätzung gemäß § 287 Abs. 1 Satz 1, 2 ZPO zu ermitteln. Dabei ist Anknüpfungspunkt der gezahlte Bruttokaufpreis, der den Nutzungswert des Fahrzeugs verkörpert. Die im Einzelfall unter gewöhnlichen Umständen zu erzielende Gesamtfahrleistung stellt den Gesamtgebrauchs-wert dar. Zu vergüten sind die Gebrauchsvorteile bis zur Rückgabe des Fahrzeugs (Reinking/Eggert a.a.O. Rn. 1186).

    Der Senat schätzt die bei dem streitgegenständlichen Pkw zu erwartende Gesamtlaufleistung auf 300.000 km (vgl. OLG Koblenz, Urteil vom 28.08.2019 - 5 U 1218/18 -, juris m.w.N.).

    Die im Rahmen der Vorteilsausgleichung zugunsten der Beklagten zu 1. zu berücksichtigende Nutzungsent-schädigung (Gebrauchsvorteil) errechnet sich nach der Formel:

    Bruttokaufpreis  x  gefahrene Kilometer
    erwartete Restlaufleistung im Erwerbszeitpunkt

    Der Bruttokaufpreis betrug 66.000 €. Die gefahrenen Kilometer ergeben sich aus der Differenz zwischen dem Kilometerstand im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat (85.564 km) und dem Kilo-meterstand im Erwerbszeitpunkt (9.900 km) und belaufen sich auf 75.664 km. Die erwartete Restlaufleis-tung im Erwerbszeitpunkt beträgt 290.100 km (300.000 km abzüglich 9.900 km). Dies ergibt eine zu berück-sichtigende Nutzungsentschädigung von 17.214,14 €.

    Der geltend gemachte Anspruch auf Zahlung von Prozesszinsen auf die zuerkannte Hauptforderung ist aus §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB für die Zeit ab Rechtshängigkeit der Klage (14.01.2019) begründet, wobei die Pflicht zur Zinszahlung in entsprechender Anwendung von § 187 Abs. 1 BGB ab dem auf die Rechts-hängigkeit folgenden Tag (hier: 15.01.2019) besteht (BGH, Urteil vom 10.10.2017 - XI ZR 555/16 -, juris).

    2.
    Die Klage gegen die Beklagte zu 2. ist unbegründet (Klageantrag zu 2.).

    (a)
    Kaufvertragliche Gewährleistungsansprüche der Klägerin gegen die Beklagte zu 2. als die Ver-käuferin des streitgegenständlichen Wagens gemäß §§ 346 Abs. 1, 349, 437 Nr. 2, 434, 323 BGB bestehen nicht.

    (aa)
    Zwar war das bei der Beklagten zu 2. erworbene Fahrzeug sowohl zum Zeitpunkt des Gefahr-übergangs als auch zum Zeitpunkt der Rücktrittserklärung mit einem Sachmangel behaftet, da der Motor des Fahrzeugs mit einer nach Art. 5 Abs. 2 Satz 1 VO (EG) 715/2007 unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestattet war, so dass es sich nicht zur gewöhnlichen Verwendung im Sinne des § 434 Abs. 1 Satz 2 BGB eignete (vgl. BGH, Beschluss vom 08.01.2019, juris Rn. 6 ff.; OLG Braunschweig, Urteil vom 13.06.2019 - 7 U 289/18 -, juris Rn. 80 f.; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 05.03.2019 - 13 U 142/18 -, juris Rn. 14; OLG Köln, Beschluss vom 03.01.2019 - 18 U 70/18, juris Rn. 24).

    (bb)
    Die Rücktrittserklärung ist aber nicht wirksam geworden, weil die Klägerin der Beklagten zu 2. zuvor entge-gen § 323 Abs. 1 BGB keine angemessene Frist zur Nacherfüllung gesetzt hat und


    eine solche Fristsetzung auch nicht entbehrlich war.

    Eine Nacherfüllungsfrist hat die Klägerin der Beklagten zu 2. unstreitig nicht gesetzt. Die Frist-setzung war entgegen der Ansicht der Klägerin auch nicht entbehrlich, weil keiner der hier in Be-tracht kommenden Aus-nahmetatbestände erfüllt war. Auf die Ausführungen des Landgerichts wird Bezug genommen.

    Die Nacherfüllung war möglich, da das KBA die technische Überarbeitung durch ein Soft-ware-Update der Beklagten zu 1. für die Fahrzeuge des streitgegenständlichen Typs mit Bestätigung vom 26.11.2018 freige-geben und bestätigt hat, dass die technische Maßnahme keinen Ein-fluss auf den Kraftstoffverbrauch, die Co2-Emissionswerte, die Motorleistung, das maximale Drehmoment, Geräuscheemissionen sowie die Dauer-haltbarkeit der emissionsmindernden Ein-richtungen hat. Folglich ist das Software-Update geeignet, die Vorschriftsmäßigkeit der genannten Fahrzeuge herzustellen und den Mangel gem. § 439 Abs. 1, 1. Alt. BGB zu beseitigen (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 21.06.2016 - 28 W 14/16 -, juris Rn. 37).

    Die bloße Möglichkeit oder Befürchtung, dass nach der (ersten) Nachbesserung Mängel verbleiben oder neue Mängel entstehen, begründet nicht die Entbehrlichkeit einer Fristsetzung zur Mangelbeseitigung. Diese Mög-lichkeit hat der Gesetzgeber vielmehr in § 440 S. 2 BGB ausdrücklich berücksichtigt. Danach gilt eine Nach-besserung jedenfalls grundsätzlich erst nach dem erfolglosen zweiten Versuch als fehlgeschlagen. Der Käu-fer hat das beschriebene Risiko also zunächst hinzunehmen. Die Rechte aus § 437 Nr. 2 BGB bleiben ihm für den Fall, dass die durchgeführte Nachbesserung fehlschlagen sollte, unbenommen.

    (cc)
    Daneben hat das Landgericht im Ergebnis zu Recht angenommen, dass sich die Beklagte zu 2. auf den Aus-schluss der Sachmängelgewährleistungsansprüche berufen kann.

    Der mit Schreiben vom 19.06.2018 erklärte Rücktritt ist gemäß §§ 438 Abs. 4 Satz 1, 218 BGB unwirksam, weil der klägerische Anspruch auf Nacherfüllung gemäß § 438 Abs. 1 Nr. 3 BGB bereits im Zeitpunkt der Rücktritterklärung verjährt war.

    Die Parteien haben in den Gebrauchtwagen-Verkaufsbedingungen unter VI. 1. (Bl. 79 LG-GA) vereinbart, dass Ansprüche des Käufers wegen Sachmängeln in einem Jahr ab Ablieferung des Kaufgegenstands an den Kunden verjähren.

    Nach § 476 Abs. 2 BGB kann die Verjährung der in § 437 BGB bezeichneten Ansprüche vor Mitteilung eines Mangels an den Unternehmer nicht durch Rechtsgeschäft erleichtert werden, wenn die Vereinbarung zu einer Verjährungsfrist ab dem gesetzlichen Verjährungsbeginn bei ge-brauchten Sachen von weniger als einem Jahr führt.

    Diese Vorschrift ist allerdings richtlinienwidrig, weil Art. 7 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Mai 1999 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgü-terkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter (im Folgenden: Verbrauchsgüterkaufrichtlinie) den Mit-gliedstaaten nur die Befugnis verleiht, im Falle gebrauchter Güter vorzusehen, dass die Parteien die Haf-tungsdauer des Verkäufers auf ein Jahr ab Lieferung begrenzen dürfen, ihnen dagegen nicht die Möglichkeit einräumt, zu bestimmen, dass die Parteien die Dauer der in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 der Verbrauchsgüterkauf-richtlinie genannten Verjährungsfrist begrenzen dürfen (EuGH, Urteil vom 13.07.2017 - C-133/16 -, juris; s. auch BGH, Urteil vom 09.10.2019 - VIII ZR 240/18 -, juris Rn. 22). Art. 5 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 1 Unter-abs. 2 der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie stehen einer Regelung eines Mitgliedsstaats entgegenstehen, die beim Verbrauchsgüterkauf eine Abkürzung der Verjährungsfrist auf weniger als zwei Jahre ab Lieferung zulässt. Die Richtlinie unterscheidet ‒ anders als das deutsche Recht ‒ zwischen der Haftungs-dauer (oder Haftungsfrist), innerhalb derer der Mangel in Erscheinung getreten sein muss, und der Verjährungsfrist für die Geltendmachung der Gewährleistungsansprüche des Verbrauchers. Art. 7 der Richtlinie erlaubt nur eine Abkürzung der Haftungsdauer (Haftungsfrist) auf bis zu einem Jahr ab Lieferung, nicht dagegen (auch) der Verjährungsfrist, die nach Art. 5 der Richtlinie auch für gebrauchte Sachen mindestens zwei Jahre betragen muss.

    Folglich kann sich der Unternehmer (Verkäufer) auf die beim Handel mit gebrauchten Sachen, insbesondere beim Gebrauchtwagenhandel, üblichen Vertragsklauseln oder Individualvereinbarungen, nach denen die Verjährungsfrist nur ein Jahr beträgt, gemäß § 476 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht mehr berufen (Ball in: Herber-ger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 9. Aufl. Stand: 01.02.2020, § 476 BGB Rn. 28).

    Diese Lösung führt allerdings zu einer Verschärfung der Mängelhaftung des Verkäufers, durch die die Risi-koverteilung und damit die vertragliche Äquivalenz empfindlich zum Nachteil des Ver-käufers verschoben wird. Denn mit der Verjährungsfrist verlängert sich zugleich die ‒ im deutschen Recht nicht gesondert gere-gelte ‒ Haftungsdauer (Haftungsfrist) des Verkäufers auf zwei Jahre. Dies widerspricht dem übereinstim-menden Willen der Kaufvertragsparteien, die Mängelhaftung des Verkäufers auf solche Mängel zu be-schränken, die sich vor Ablauf eines Jahres ab Lieferung zeigen. Diesem übereinstimmenden Parteiwillen kann im Wege ergänzender Vertragsauslegung zur Geltung verholfen werden (Ball in: Herber-ger/Martinek/Rüßmann/Weth/ Würdinger, ju-risPK-BGB a.a.O. Rn. 29): Wenn den Vertragsparteien beim Vertragsschluss bewusst gewesen wäre, dass die Verjährungsfrist für Gewährleistungsansprüche des Käufers nicht wirksam auf ein Jahr abgekürzt werden kann, hätten sie als redliche Vertragspartner ihren Regelungs-plan, die Haftung des Verkäufers auf Mängel zu beschränken, die innerhalb eines Jahres ab Lieferung in Er-scheinung treten, durch eine einvernehmliche Abkürzung der Haftungsdauer (Haftungsfrist) auf ein Jahr verwirklicht. Für bestehende Verträge führt dies zu dem interessengerechten und mit den Vorgaben der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie in Einklang stehenden Ergebnis, dass der Verkäufer ‒ nach wie vor ‒ nur für solche Mängel einstehen muss, die sich binnen eines Jahres ab Lieferung zeigen, und dass Gewährleistungs-ansprüche des Käufers wegen solcher Mängel mit Ablauf von zwei Jahren ab Lieferung verjähren.

    Der vorliegende Mangel hat sich jedenfalls erst im Jahre 2018 gezeigt, weil die Klägerin sich erst dann an die Beklagten gewandt hatte. Damit muss die Beklagte zu 2. als Verkäuferin nicht für diesen Mangel einstehen, da der Senat davon ausgeht, dass die Parteien ihren Regelungsplan, die Haftung des Verkäufers auf Mängel zu beschränken, die innerhalb eines Jahres ab Lieferung in Erscheinung treten, durch eine einvernehmliche Abkürzung der Haftungsdauer (Haftungsfrist) auf ein Jahr verwirklicht hätten.

    Da die einjährige Haftungsfrist gemäß § 438 Abs. 2 BGB mit der Übergabe des Fahrzeuges am 11.07.2016 begann, endete sie mit Ablauf des 11.06.2017 und somit sowohl vor dem mit Schreiben vom 19.06.2018 erklärten Rücktritt.

    Die Verkürzung der Haftungsfrist auf ein Jahr ab Ablieferung des Kaufgegenstandes verstößt nicht gegen die Klauselverbote des § 309 Nr. 7 BGB (BGH, Urteil vom 09.10.2019 - VIII ZR 240/18 -, juris Rn. 52). Denn die genannte Allgemeine Geschäftsbedingung nimmt die Fallgestaltungen des § 309 Nr. 7 Buchst. a und b BGB (unzulässige Haftungsausschlüsse bei Verletzung von Leben, Körper, Gesundheit und bei gro-bem Verschulden) ausdrücklich von der abgekürzten Verjährung aus. Insoweit liegt auch kein Verstoß gegen das Transparenzgebot (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB) vor (BGH a.a.O. Rn. 53), weil die Gebrauchtwagen-Verkaufsbedingungen die Schadensersatz- und Gewährleistungsansprüche sämtlich denselben Regeln unter-stellen, indem sie entweder für alle Ansprüche die Verjährungsfrist verkürzen oder - in den Fallgestaltungen des § 309 Nr. 7 BGB - der gesetzlichen Verjährung unterwerfen und damit keine Unklarheiten aufkommen lassen.

    (dd)
    Die Voraussetzungen des § 438 Abs. 3 Satz 1 BGB liegen mangels arglistigen Verschweigens des geltend gemachten Mangels durch die Beklagte zu 2. und ‒ weil der Hersteller der Kaufsache nicht Erfüllungsgehil-fe des Händlers ist (vgl. BGH, Urteil vom 02.04.2014 - VIII ZR 46/13 -, juris Rn. 31 m.w.N.) ‒ mangels Zurechnung eines arglistigen Verschweigens durch die Beklagte zu 1. nicht vor (vgl. die Ausführungen unter 2. (c)).

    (b)
    Die Klägerin hat gegen die Beklagte zu 2. auch keinen Rückzahlungsanspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. BGB i.V.m. § 134 BGB, da der Kaufvertrag nicht nichtig ist.

    Es kann dahin stehen, ob in dem Abschluss des Kaufvertrages ein Verstoß gegen das Verbot des § 27 Abs. 1 EG-FGV zu sehen ist, wonach neue Fahrzeuge im Inland zur Verwendung im Straßenverkehr nur dann an-geboten, veräußert oder in Verkehr gebracht werden dürfen, wenn die für sie nach der Richtlinie 2007/46 vorgeschriebene Übereinstimmungsbescheinigung vorhanden ist. Für die nach § 134 BGB gebotene Abwä-gung ist wesentlich, ob sich das betreffende Verbot an alle Beteiligten des Rechtsgeschäfts richtet, das ver-hindert werden soll, oder ob es nur eine Partei bindet. Richtet sich das Verbot allein gegen eine Partei, kann in der Regel angenommen werden, dass das verbotswidrige Geschäft Wirkungen entfalten soll. Etwas ande-res kommt nur in Betracht, wenn dem Verbot ein Zweck zugrunde liegt, der gleichwohl die Nichtigkeit des ganzen Rechts-geschäfts erfordert (BGH, Urteil vom 14.12.1999 - X ZR 34/98 -, juris Rn. 18).

    Die Vorschrift des § 27 Abs. 1 EG-FGV richtet sich in allen Varianten des Feilbietens, Veräußerns und In-verkehrbringens einseitig an den Verkäufer. Der Verstoß hiergegen erfordert nicht die Unwirksamkeit des Kaufvertrages über das betreffende Fahrzeug. Um den Zweck des § 27 EG-FGV zu erreichen, hat der Ver-ordnungsgeber den Verstoß bereits als Ordnungswidrigkeit sanktioniert (§ 37 Abs. 1 EG-FGV) und dem Kraftfahrtbundesamt in § 25 EG-FGV diverse Möglichkeiten zur Sicherstellung einer dem genehmigten Typ entsprechenden Produktion bereitgestellt. Deshalb bedarf es keiner zusätzlichen zivilrechtlichen Sanktions-wirkung in Form der Nichtigkeit des Kaufvertrags. Eine solche stünde auch einem effektiv ausgerichteten Käuferschutz entgegen, weil sie dem Fahrzeugkäufer die kaufvertraglichen Gewährleistungsrechte nehmen und ihn stattdessen auf die bereicherungsrechtlichen Vorschriften verweisen würde. Eine solche Schlechter-stellung des Fahrzeugkäufers ist nach dem Schutzzweck des § 27 EG-FGV nicht geboten (OLG Karlsruhe, Urteil vom 18.07.2019 - 17 U 160/18 -, juris; OLG Hamburg, Urteil vom 21.12.2018 - 11 U 55/18 -, juris Rn. 69 f. m.w.N.).

    (c)
    Die Klägerin hat gegen die Beklagte zu 2. keinen Rückzahlungsanspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. BGB nach erklärter Anfechtung des Kaufvertrags.

    Die Anfechtung der Klägerin wegen arglistiger Täuschung gemäß § 123 BGB, die sie mit Schreiben vom 19.06.2018 (Anlage K3) erklärt hat, ist unwirksam. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beklag-te zu 2. als Verkäuferin und Vertragshändlerin von der Täuschung der Beklagten zu 1. wusste oder hätte wissen müssen. Eine Zurechnung über § 278 BGB kommt nicht in Betracht, da der Hersteller nicht Erfül-lungsgehilfe des selbständigen Vertragshändlers (§ 278 BGB) ist (BGH, Urteil vom 24.10.2018 - VIII ZR 66/17 -, juris Rn. 97). Auch die Voraussetzungen für eine Zu-rechnung der Kenntnis des Herstellers nach § 166 BGB liegen nicht vor (OLG Köln, Urteil vom 06.06.2019 - 24 U 5/19 -, juris Rn. 31).

    3.
    Der Klägerin steht gegen die Beklagte zu 1. ein Anspruch zu auf Ersatz ihrer Finanzierungskosten in Form der ratenweise gezahlten Zinsen in Höhe von 2.056,56 € (Klageantrag zu 3.).

    Im Rahmen der geschuldeten Naturalrestitution ist die Klägerin auch bei den Finanzierungskosten so zu stel-len, als ob der Darlehensvertrag nicht abgeschlossen worden wäre. Ohne Abschluss des Kaufvertrages hätte die Klägerin keinen diesen finanzierenden Darlehensvertrag abgeschlossen und es wären keine Zinszahlun-gen angefallen.

    Die für die Finanzierung eines Fahrzeuges aufgewandten Beträge sind Teil der Kosten für die Beschaffung des Fahrzeuges, mithin der für den Vertrag getätigten Aufwendungen, und daher grundsätzlich auch von dem nach §§ 249 ff. BGB im Wege der Naturalrestitution zu leistenden Schadensersatz umfasst, der hier darauf zielt, die Klägerin so zu stellen, wie sie stünde, wenn sie das streitbefangene Fahrzeug nicht erworben hätte (ebenso: Brandenburgisches OLG, Urteil vom 24.03.2020 - 2 U 37/19 -, juris Rn. 43 ; OLG Hamm, Urteil vom 05.03.2020 - 13 U 326/18 -, juris Rn. 78; OLG Stuttgart, Urteil vom 26.11.2019 - 10 U 154/19 -, juris Rn. 83; OLG Karlsruhe, Urteil vom 06.11.2019 - 13 U 37/19 -, juris Rn. 106; KG Berlin, Urteil vom 26.09.2019 - 4 U 77/18 - juris Rn. 174 ff.; Palandt/Grüneberg, BGB, 79. Aufl. 2020, § 284 Rn. 5; Rein-king/Eggert a.a.O. Rn. 3841).

    Darauf, dass der Klägerin Finanzierungskosten möglicherweise auch anlässlich des Erwerbs eines anderen Fahrzeuges entstanden wären (“Sowieso-Kosten“) kann sich die Beklagte zu 1. nicht mit Erfolg berufen, zumal nicht unterstellt werden kann, dass derartige Kosten bei jedem Ersatzgeschäft in der nämlichen Höhe angefallen wären.

    4.
    Die Beklagte zu 1. schuldet die Freistellung der Klägerin von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten aus § 826 BGB (Klageantrag zu 4.). Auszugehen ist hierbei von einem Streitwert von 48.785,85 €, da die weiteren Klageforderungen (weitere Aufwendungen, Feststellungsanträge) nicht Gegen-stand der vorgerichtlichen Auseinandersetzung waren.

    Der Senat erachtet die Schwellengebühr zu Nr. 2300 VV-RVG als angemessen. Eine Gebühr von mehr als 1,3 kann nur gefordert werden, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig war. Diese Voraussetzungen sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Die Sache ist weder mit besonderen Schwierigkeiten versehen noch − trotz der umfangreichen Schriftsätze − besonders umfangreich. Die Problematik ist in Rechtspre-chung und Lehre intensiv thematisiert worden und der Sachverhalt ist überschaubar.

    In der Höhe belaufen sich die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten auf 1.822,96 € (1,3 Geschäftsgebühr: 1.511,90 € zzgl. Auslagen: 20,00 € und 19 % Umsatzsteuer: 291,06 €).

    5.
    Antragsgemäß ist auch der Annahmeverzug der Beklagten zu 1. festzustellen (Klageantrag zu 5.). Die Kläge-rin hat unter Vollstreckungsgesichtspunkten ein rechtlich schutzwürdiges Interesse

    an der Feststellung des Annahmeverzugs, weil es ihr hierdurch möglich wird, das Urteil hinsichtlich der von der Beklagten zu 1. zu leistenden Zahlung des Kaufpreises zu vollstrecken, ohne ihre eigene Leistung tat-sächlich anbieten zu müssen (§§ 256, 756 ZPO; BGH, Urteil vom 28.10.1987 - VIII ZR 206/86 -, juris).

    Hierzu ist ein Angebot notwendig, das Annahmeverzug nach §§ 293, 294 BGB zu begründen vermag. Vo-raussetzung dafür ist nach § 294 BGB, dass die Leistung so, wie sie zu bewirken ist, tatsächlich angeboten wird, der Gläubiger also nur noch zuzugreifen braucht (BGH, Urteil vom 29.11.1995 - VIII ZR 32/95, juris Rn. 9). Diese Voraussetzungen liegen hier vor.

    Nach § 295 BGB genügt ein wörtliches Angebot des Schuldners, wenn der Gläubiger ihm erklärt hat, er werde − wie vorliegend − die Leistung nicht annehmen oder wenn zur Bewirkung der Leistung eine Hand-lung des Gläubigers erforderlich ist, insbesondere er die geschuldete Sache abzuholen hat. Hat der Zug um Zug leistungspflichtige Gläubiger (§ 298 BGB) erklärt, er werde die Gegenleistung nicht erbringen, genügt ein wörtliches Angebot nach § 295 BGB. Voraussetzung hierfür ist, dass der Schuldner seine Leistung ord-nungsgemäß anbietet und die ihm gebührende Gegenleistung verlangt.

    Die Voraussetzungen des Annahmeverzugs liegen vor. Die Klägerin hat mit anwaltlichem Schreiben vom 19.06.2018 der Beklagten zu 1. unter Fristsetzung bis zum 11.07.2018 die Ver-schaffung des Eigentums des streitgegenständlichen Fahrzeuges in einer den Annahmeverzug (§§ 293, 295 BGB) begründenden Art und Weise angeboten. Die Beklagte zu 1. hat bereits vorgerichtlich zum Ausdruck gebracht, das Anliegen der Klägerin auf Rückgängigmachung des Kauf-vertrages im Wege des Schadensersatzes schon dem Grunde nach nicht entsprechen zu wollen.

    6.
    Die Klage ist auch begründet, soweit die Klägerin die Feststellung begehrt hat, dass die Beklagte zu 1. ver-pflichtet ist, ihr Schadensersatz für weitere Schäden zu leisten, die aus der Ausstattung des streitgegenständ-lichen Fahrzeugs mit einer unzulässigen Abschaltvorrichtung resultieren (Klageantrag zu 6.).

    Auch Sicht des Senats ist der Eintritt sonstiger weiterer Schäden infolge der unzulässigen Abschaltvorrich-tung und/oder des Entfernens derselben mittels Software oder Umrüstung des streitgegenständlichen Fahr-zeugs mittels Hardware nicht sicher auszuschließen (ebenso: OLG Celle, Urteil vom 20.11.2019 - 7 U 244/18 -, juris Rn. 41). Für solche Schäden wäre die Beklagte zu 1. nach §§ 826, 31 BGB ebenso einstandspflichtig wäre wie für die Kaufpreiserstattung.

    7.
    Der Klägerin steht kein Anspruch auf Ersatz des für eine Neuwagengarantie nutzlos aufgewendeten Geldbe-trages in Höhe von 1.293 € zu (Klageantrag zu 7.).

    Unter einem Schaden im Sinne des § 826 BGB ist nicht nur die negative Einwirkung auf die Vermögenslage zu verstehen, sondern die nachteilige Beeinträchtigung jedes rechtlich anerkannten Interesses. Der Schaden kann deshalb auch in der Eingehung einer „ungewollten“ Verbindlichkeit bestehen, selbst wenn dieser eine Forderung auf eine objektiv gleichwertige (äquiva-lente) Gegenleistung gegenübersteht (BGH, Urteile vom 28.10.2014 - VI ZR 15/14 -, juris Rn. 16, 19; vom 19.07.2004 - II ZR 402/02 -, juris; OLG Hamm, Urteil vom 10.09.2019 - 13 U 149/18 -, juris Rn. 50 ff.; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 05.03.2019 - 13 U 142/18 -, juris Rn. 17 f.). Dies ist der Fall, wenn die Leistung für die Zwecke des Erwerbers unbrauchbar (BGH, Ur-teile vom 21.12.2004 - VI ZR 306/03 -, juris; vom 26.09.1997 - V ZR 29/96 -, juris) oder nicht voll brauchbar ist (OLG Karlsruhe a.a.O. Rn. 19). Der Gläubiger einer Schadensersatzforderung, die sich auf unerlaubte Handlung stützt, muss aber bei der Errechnung seines Schadens dann eine Vorteilsausgleichung hinnehmen, wenn er bleibende Vorteile durch die unerlaubte Handlung erlangt hat (BGH, Urteil vom 02.07.1962 - VIII ZR 12/61 -, juris Rn. 5).

    Die Neuwagengarantie war für den bereits abgelaufenen Zeitraum nicht infolge der Schädigungshandlung der Beklagten zu 1. vergeblich im Sinne von nutzlos für die Klägerin. Vielmehr diente sie für den Zeitraum, für den sie gezahlt wurde, ihrer Absicherung gegen das wirtschaftliche Risiko eines Schadensfalls und dieser Zweck wurde erfüllt (ebenso: Schleswig-Holsteinisches OLG, Urteil vom 20.11.2019 - 9 U 12/19 -, juris 53). Deshalb bewirkt sie auch keine nach Ablauf des betreffenden Zeitraums verbleibende Schädigung, die zu einem Ersatzanspruch nach § 826 BGB führen könnte.

    8.
    Ein Anspruch der Klägerin auf Verzinsung des von ihr geleisteten Kaufpreises für die Zeit von Zahlung des Kaufpreises bis zum Eintritt des Verzugs gemäß § 849 BGB besteht nicht (Klage-antrag zu 8.).

    Nach § 849 BGB kann der Verletzte, sofern wegen der Entziehung der Sache der Wert oder wegen der Be-schädigung der Sache die Wertminderung zu ersetzen ist, Zinsen des zu ersetzenden Betrags von dem Zeit-punkt an verlangen, welcher der Bestimmung des Werts zugrunde liegt. § 849 BGB erfasst jeden Sachver-lust durch ein Delikt. Auch wenn der Schädiger den Geschädigten durch eine unerlaubte Handlung dazu bestimmt, eine Sache wegzugeben oder darüber zu verfügen, entzieht er sie ihm. Der Geschädigte verliert die Sachnutzung gleichermaßen, wenn ihm eine Sache ohne seinen Willen entzogen wird und wenn er durch eine unerlaubte Handlung dazu gebracht wird, sie wegzugeben oder darüber zu verfügen (BGH, Versäumnisurteil vom 26.11.2007 - II ZR 167/06 -, juris Rn. 4 m.w.N.). § 849 BGB ist nach seinem Wortlaut nicht auf

    die Wegnahme beschränkt und verlangt nicht, dass die Sache ohne oder gegen den Willen des Geschädigten entzogen wird.

    Der Klägerin ist eine Sache entzogen worden. Sache im Sinne von § 849 BGB ist auch Geld (BGH, Urteile vom 12.06.2018 - KZR 56/16 -, juris Rn. 45; vom 24.01.2017 - KZR 47/14 -, juris Rn. 56 f.; Versäumnisur-teil vom 26.11.2007 - II ZR 167/06 -, juris Rn. 6).

    Der Regelung des § 849 BGB kann jedoch ein allgemeiner Rechtssatz dahin, deliktische Schadensersatzan-sprüche seien stets von ihrer Entstehung an zu verzinsen, nicht entnommen werden (BGH, Urteil vom 12.06.2018 - KZR 56/16 -, juris Rn. 45). Der Normzweck geht vielmehr dahin, den endgültig verbleibenden Verlust an Nutzbarkeit der weggegebenen Sache − als pauschalierten Mindestbetrag − auszugleichen, der durch den späteren Gebrauch derselben oder einer anderen Sache nicht nachgeholt werden kann (BGH, Ver-säumnisurteil vom 26.11.2007 - II ZR 167/06, juris Rn. 5; Urteil vom 24.02.1983 - VI ZR 191/81 -, juris Rn. 10 m.w.N.).

    Dieser Normzweck ist im vorliegenden Fall nicht betroffen, da zwar der Klägerin ein Geldbetrag in Höhe des Kaufpreises für das Fahrzeug im Sinne des § 849 BGB „entzogen“ wurde, diese Entziehung aber nicht ersatzlos erfolgte, sondern dadurch kompensiert wurde, dass die Klägerin im Gegenzug für die Zahlung des Kaufpreises Eigentum und Besitz des Fahrzeugs mit der abstrakten Möglichkeit, dieses jederzeit nutzen zu können, erhalten hat. Dieser Besitz und die Möglichkeit, das Fahrzeug zu nutzen, stellen einen Vermögens-wert an sich dar (BGH, Urteil vom 15.04.1966 - VI ZR 271/64 -, juris).

    Wie oben dargelegt, ist der Klägerin zwar durch den Erwerb des Fahrzeugs mit der unzulässigen Abschalt-einrichtung ein Schaden entstanden; dieser wirkte sich indes nicht auf die abstrakte Nutzungsmöglichkeit und Funktionsfähigkeit des Fahrzeugs im Zeitpunkt des Erwerbs aus. Allein diese aber stellen eine Kompen-sation für die Zahlung des Kaufpreises im Sinne des § 849 BGB dar. Die Klägerin hat zwar durch die Be-zahlung des Kaufpreises die Nutzbarkeit des Geldbetrags verloren, hierfür aber im Sinne einer vollständigen Kompensation die Nutzbarkeit des Kraftfahr-zeugs hinzugewonnen (OLG Frankfurt, Urteil vom 27.11.2019 - 17 U 290/18 -, juris Rn. 38 ff.; Schleswig-Holsteinisches OLG, Urteil vom 22.11.2019 - 17 U 44/19 -, juris Rn. 71 ff.; OLG Karlsruhe, Urteil vom 06.11.2019 - 13 U 37/19 -, juris Rn. 135 ff.; OLG Oldenburg, Urteil vom 21.10.2019 - 13 U 73/19 -, juris Rn. 24; OLG Hamm, Urteil vom 10.09.2019 - 13 U 149/18 -, juris Rn. 99; OLG Koblenz, Urteil vom 28.08.2019 - 5 U 1218/18 -, juris Rn. 136; einschränkend unter Abzug einer Wertminderung des Fahrzeugs: OLG Koblenz, Urteil vom 16.09.2019 - 12 U 61/19 -, juris Rn. 84; a.A.: OLG Oldenburg, Urteil vom 02.10.2019 - 5 U 47/19 -, juris Rn. 41; OLG Köln, Urteil vom 17.07.2019 - 16 U 199/18 -, juris Rn. 29).

    Die der Klägerin für die Weggabe des Geldes als Gegenleistung eingeräumte Nutzungsmöglichkeit des Fahrzeugs ist auch nicht etwa deshalb unerheblich, weil dem Geschädigten Nutzungsersatz vom Kaufpreis abgezogen wird. Dieser Abzug erfolgt im Wege der Vorteilsausgleichung im Hinblick auf die tatsächlich gezogenen Nutzungen. Von diesen tatsächlich gezogenen Nutzungen der Klägerin ist jedoch die allgemeine Nutzungsmöglichkeit des Kraftfahrzeugs zu trennen. Als Kompensation für die Hingabe des Kaufpreises hat die Klägerin die abstrakte Nutzungsmöglichkeit als volle Kompensation für das Geld erhalten. Dabei ist zu berücksichtigen, dass § 849 BGB einen pauschalierten Mindestbetrag, und zwar unabhängig von einer im Einzelfall tatsächlich gezogenen Nutzung, verfolgt und daher bereits nach Sinn und Zweck der Regelung von vornherein dann nicht eingreift, wenn der Geschädigte für die Weggabe des Geldbetrages die abstrakte Möglichkeit zur Nutzung des Fahrzeugs eingeräumt erhält.

    Hinzu kommt ein weiterer Aspekt: Aus dem Vergleich der Tachostände im Zeitpunkt der mündlichen Ver-handlung und im Zeitpunkt des Erwerbs schließt der Senat, dass die Klägerin auf ein Fahrzeug angewiesen war. Das bedeutet, dass sie − in Kenntnis der Problematik der „Umschalt-logik“ − den Geldbetrag zwar nicht in den Kauf des streitgegenständlichen Fahrzeugs, sondern in den Kauf eines anderen Fahrzeugs inves-tiert hätte; der Geldbetrag hätte ihr also auf jeden Fall nicht zur Verfügung gestanden und hätte nicht von ihr anderweitig genutzt werden können. Würde man die Verzinsungsregelung des § 849 BGB in diesem Fall gleichwohl anwenden, führte dies zu einer dem Schadensersatzrecht fremden Überkompensation, da die Klägerin durch das schädigende Ereignis dann wirtschaftlich besser stünde als ohne das schädigende Ereig-nis. Dies widerspräche dem schadensersatzrechtlichen Bereicherungsverbot (BGH, Urteil vom 04.04.2014 - V ZR 275/12 -, juris Rn. 20 m.w.N., OLG Karlsruhe, Urteil vom 06.11.2019 - 13 U 37/19 -, juris Rn. 139).

    9.
    Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97 Abs. 1 ZPO, 92 Abs. 1, 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläu-fige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 711 Satz 1, 2 ZPO.

    10.
    Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf bis zu 65.000 € festgesetzt.

    Die Feststellung des Annahmeverzugs hat keinen eigenständigen wirtschaftlichen Wert (BGH, Beschluss vom 20.06.2017 - XI ZR 109/17 -, juris Rn. 4 m.w.N.). Gleiches gilt für die Zinsforderungen und den Frei-stellungsanspruch in Bezug auf die vorgerichtlichen Anwaltskosten, die als Nebenforderungen gemäß § 43 Abs. 1 GKG außer Ansatz bleiben.

    11.
    Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung wegen divergierender obergerichtlicher Rechtsprechung zugelassen (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 ZPO).

    Verkündet am 05.06.2020