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  • 07.04.2022 · IWW-Abrufnummer 228526

    Hessisches Finanzgericht: Urteil vom 25.05.1999 – 2 K 1266/95

    Diese Entscheidung enhält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.




    Definition des Begriffs "Anschaffungskosten"; Einordnung von Überführungskosten für einen Pkw als Anschaffungskosten oder als Betriebsausgaben

    In dem Rechtsstreitverfahren
    hat der 2. Senat des Hessischen Finanzgerichts
    nach mündlicher Verhandlung
    in der Sitzung vom 25. Mai 1999
    unter Mitwirkung
    des Vorsitzenden Richters am Hessischen Finanzgericht ...
    der Richterin am Hessischen Finanzgericht ...
    des Richters am Hessischen Finanzgericht ... sowie
    der Geschäftsführerin ... und
    der kaufm. Angestellten ... als ehrenamtliche Richterinnen
    fürRecht erkannt:
    Tenor:

    Die Klage wird abgewiesen.

    Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
    Entscheidungsgründe
    1

    1.

    Der Beklagte hat die KFZ-Überführungskosten zutreffend nicht als sofort abzugsfähige Betriebsausgaben gemäß § 4 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) sondern als Anschaffungsnebenkosten gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 EStG behandelt.
    2

    a)

    Anschaffungskosten sind nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH), der sich der erkennende Senat anschließt, alle Aufwendungen, die geleistet werden, um ein Wirtschaftsgut zu erwerben und in einen dem angestrebten Zweck entsprechenden, z.B. betriebsbereiten Zustand zu versetzen. Dazu gehören der Anschaffungspreis und die Anschaffungsnebenkosten, d.h. alle Aufwendungen, die im Zusammenhang mit dem Erwerb des Wirtschaftsguts (und der Versetzung in einen zweckentsprechenden Zustand) stehen, soweit diese Aufwendungen dem Wirtschaftsgut einzeln zugeordnet werden können. Dabei ist für die Zuordnung von Aufwendungen zu den Anschaffungskosten insbesondere ihr Zweck maßgebend, also der zu dem Zeitpunkt, zu dem die Aufwendungen anfallen, mit ihnen "angestrebte Erfolg und Zustand" (sog. finaler Anschaffungskostenbegriff). Anschaffung ist danach der Inbegriff der Maßnahmen, die dazu bestimmt sind, die wirtschaftliche Verfügungsmacht über ein Wirtschaftsgut zu erlangen und es für die Erzielung von Einkünften nutzen zu können (vgl. u.a. BFH-Urteile vom 13. Oktober 1983 IV R 160/78, BFHE 139, 237, Bundessteuerblatt -BStBl- II 1984, 101, 102; vom 12. Februar 1985 IX R 114/83, BFHE 143, 431, BStBl II 1985, 690, 691; vom 24. März 1987 IX R 58/84, BFH/NV 1987, 810; vom 24. März 1987 IX R 68/83. BFH/NV 1987, 708 jeweils mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen, sowie § 255 Abs. 1 des Handelsgesetzbuchs - HGB-).
    3

    b)

    Im Streitfall wird das Leasinggeschäft nach dem Vorbringen der Beteiligten in den vorbereitenden Schriftsätzen und in der mündlichen Verhandlung sowie nach den vorliegenden Belegen dergestalt angebahnt und durchgeführt, daß sich der kaufinteressierte Kunde - und spätere Leasingnehmer - zunächst an die Haupthändlerin in ..., die Fa. KG, wendet. Im Verlaufe der Verhandlungen wird der Kunde von der Haupthändlerin darauf hingewiesen, daß grundsätzlich die Möglichkeiten des Barkaufs, der Finanzierung und des Leasings bestehen. Entscheidet sich der Kunde - in den hier zu beurteilenden Fällen - für ein Leasinggeschäft, wird dies im "Kaufantrag" unter der Rubrik ... "Zahlungsbedingungen" vermerkt, wobei auf die Klägerin als in Betracht kommende Leasinggesellschaft am selben Ort, d.h. in ..., verwiesen wird. Anläßlich des jeweiligen Leasingvertrages zwischen der Klägerin (Leasinggeber) und dem Kunden (Leasingnehmer) erwirbt die Klägerin als Leasinggeber bei der Haupthändlerin sukzessive die entsprechenden KFZ, wobei Bestellungen auf Vorrat nicht stattfinden. Die Bestellung der Klägerin als Leasinggeber bei der Haupthändlerin erfolgt dabei im eigenen Namen und für eigene Rechnung. Die Haupthändlerin wiederum bestellt die konkreten Fahrzeuge ausschließlich bei dem Hersteller, der ...-AG, im eigenen Namen und auf eigene Rechnung, ohne dabei auf das Leasinggeschäft und den Leasinggeber hinzuweisen.
    4

    Die hier streitigen Überführungskosten, die durch die Erfüllung des Vertrages zwischen der Haupthändlerin und dem Hersteller, nämlich durch den Transport vom Sitz des Herstellers an den Firmensitz der Haupthändlerin in ... entstehen, werden von der Haupthändlerin der Klägerin als Leasinggeber gemeinsam mit den Kosten für die Ausstellung des KFZ-Briefes in einer Gesamtsumme gesondert zum Kaufpreis des jeweiligen KFZ in Rechnung gestellt. Aufgrund eines allgemeinen "Rahmenabkommens" zwischen dem Hersteller und dem Leasinggeber (Klägerin), welches gegenüber den Vertragshändlerfirmen eine unverbindliche Empfehlung eines konkret bezifferten "Großverbraucher-Nachlasses" enthält und aufgrund der Leistung des Leasinggebers in der Großabnehmerliste des Herstellers, erwirbt der Leasinggeber (die Klägerin) dabei zu reduzierten Kaufpreisen. Nach Durchführung derÜbergabeinspektion durch die Haupthändlerin und nach Leistung der vereinbarten Anzahlung durch den Leasingnehmer wird das jeweilige KFZ dem jeweiligen Leasingnehmer bei der Haupthändlerin übergeben.
    5

    c)

    Bei dieser Konstellation, bei der der Hersteller in ... und sowohl der Leasinggeber als auch die Haupthändlerin in ... ansässig sind, stellen die dem Leasinggeber von der Haupthändlerin in Rechnung gestellten Überführungskosten Anschaffungsnebenkosten dar. Denn diese entstehen durch die Überführung zur Haupthändlerin nach .... Durch die Überführung vom Hersteller nach ... erlangt die Haupthändlerin, die in ihrer Werkstatt anschließend dieÜbergabeinspektion durchführt, den unmittelbaren (Fremd-) Besitz an den KFZ. Der Leasinggeber erwirbt das Eigentum aufgrund eines Besitzmittlungs Verhältnisses mit der Haupthändlerin gemäß §§ 929, 930 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) in dem Zeitpunkt, in dem das jeweilige KFZ auf das Betriebsgrundstück der Haupthändlerin und damit in deren unmittelbaren Besitz gelangt. Ein Besitzmittlungsverhältnis zwischen Hersteller und Leasinggeber (Klägerin) ist ausgeschlossen, da der Hersteller vom Leasinggeschäft und dem Kaufvertrag zwischen der Haupthändlerin und dem Leasinggeber keine Kenntnis hat und mithin keinen entsprechenden Willen bilden kann; im übrigen besteht zwischen dem Leasinggeber und dem Hersteller - abgesehen von der Rahmenvereinbarung - kein konkretes Rechtsverhältnis bezüglich der einzelnen KFZ.
    6

    Die Überführungskosten werden vom Leasinggeber (der Klägerin) mithin deshalb geleistet, weil sie erforderlich sind, um die KFZ im Rahmen des Kaufvertrages mit der Haupthändlerin zu Eigentum zu erwerben und um die Verfügungsmacht zu erlangen. Die Überführungskosten werden von dem Leasinggeber deshalb aufgewendet, weil sie gemeinsam mit den Kosten für die Ausstellung des KFZ-Briefes und der Übergabeinspektion durch die Haupthändlerin erforderlich sind, um erst einen planmäßigen, dem Unternehmenszweck entsprechenden - nachfolgenden - Einsatz der KFZ im Rahmen der Erfüllung der abgeschlossenen Leasingverträge zu ermöglichen. Die Nutzungsüberlassung im Rahmen des Leasingverhältnisses ist erst möglich, wenn zumindest eine juristische Sekunde zuvor die Leasinggegenstände in der beschriebenen Weise erworben und durch die Übergabeinspektion in einen betriebsbereiten Zustand versetzt worden sind. Die Überführungskosten sind hier schon vor der Durchführung der Übergabeinspektion und vor der Übergabe des jeweiligen KFZ im Rahmen des Leasingvertrages an den jeweiligen Leasingnehmer angefallen. Sie stehen auch bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise in unmittelbarem Zusammenhang mit der Anschaffung des Leasingguts (KFZ).
    7

    Die streitigen Überführungskosten stellen entgegen der Ansicht der Klägerin auch nicht deshalb sofort abziehbare Betriebsausgaben gemäß § 4 Abs. 4 EStG dar, weil die Leasingfahrzeuge erst nach Abschluß der Leasingverträge bestellt werden. Der erkennende Senat vermag sich insoweit nicht der Auffassung der Klägerin anzuschließen, wonach die Überführungskosten nicht "aufgrund des Anschaffungsgeschäftes" sondern - wegen der konkreten Reihenfolge der abgeschlossenen Verträge - aufgrund des speziellen Leasingvertrages zwischen dem Leasinggeber und dem Leasingnehmer entstünden. Denn sowohl bei einer sukzessiven Anschaffung der KFZ aufgrund zuvor abgeschlossener Leasingverträge als auch bei einer Vorratsbeschaffung mit nachfolgendem Abschluß von Leasingverträgen stellen die Überführungskosten stets Kosten des Kaufs, der Inbesitznahme (hier im Rahmen mittelbaren Besitzes) und des Erwerbs von Eigentum dar. Die Kosten des Transports vom Hersteller zum Ort des Leasinggebers und der Haupthändlerin sind bei Anwendung des finalen Anschaffungskostenbegriffs isoliert von den Kosten zu betrachten, die durch das konkrete Leasingverhältnis beispielsweise bei einer weiterenÜberführung vom Ort des Leasinggebers an den Ort des Leasingnehmers entstehen können. Im Streitfall sind unstreitig keine Aufwendungen dadurch entstanden, daß die KFZ von ..., d.h. vom Sitz des Leasinggebers und der Haupthändlerin an einen anderen Ort, nämlich an den der Leasingnehmer, von der Klägerin weiter überführt bzw. transportiert wurden. Damit sind auch keine durch das Leasinggeschäft als solches bedingten Überführungskosten entstanden (vgl. hierzu auch Mellwig, in BB 1981, 1808, 1809).
    8

    Soweit die Klägerin ihre Rechtsansicht darauf stützt, daß die aufgrund der jeweiligen, abgeschlossenen Leasingverträge nachfolgend bestellten KFZ von dem Hersteller über die ausliefernde Haupthändlerin direkt an die Leasingnehmer übergeben worden seien, wobei die Überführungskosten den Leasingnehmern gesondert berechnet oder in den Leasingraten eingerechnet worden seien, führt dies ebenfalls nicht zur Qualifizierung als Betriebsausgaben i.S.d. § 4 Abs. 4 EStG. Denn zum einen wurden die KFZ hier bereits nicht vom Hersteller direkt an die Leasingnehmer sondern zur Haupthändlerin transportiert. Zum anderen vertritt der erkennende Senat insoweit die grundsätzliche Auffassung, daß alle an den Kaufvertrag zwischen Haupthändlerin und Leasinggeber (Klägerin) bzw. an den Eigentumserwerb- bzw. Übergang gekoppelten Kosten aus den vorgenannten Gründen und in Anbetracht der konkreten örtlichen Konstellation im Streitfall Anschaffungsnebenkosten des Leasinggebers bleiben.
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    In diesem Zusammenhang kann sich die Klägerin auch nicht auf die von ihr angesprochenen BMF-Schreiben vom 5. Mai 1970 (IV B/2 - S 2170 - 4/70) und vom 12. Dezember 1974 (IV B/2 - S 2170 - 144/74) stützen. Der erkennende Senat hat bereits Zweifel, ob er aufgrund der vorstehenden Erwägungen der dort vertretenen Auffassung folgen könnte. Dies bedarf jedoch keiner näheren Ausführungen oder Entscheidung, da im Streitfall keine Frachtkosten aufgrund eines Transports vom Hersteller (der ...-AG) direkt zu den einzelnen Leasingnehmern sondern vom Hersteller zur Haupthändlerin bzw. zum Leasinggeber zur Beurteilung anstehen. Eine direkte Lieferung an die Leasingnehmer liegt - entgegen der Auffassung der Klägerin - bereits deshalb nicht vor, weil der Hersteller vom Leasinggeschäft und der Person des Leasingnehmers keinerlei Kenntnis hat und im übrigen weder von der Haupthändlerin noch vom Leasinggeber zur direkten Lieferung an den Leasingnehmer angewiesen wird. Daß eine direkte Lieferung vom Hersteller an den Leasingnehmer wegen rechtlicher und tatsächlicher Gründe nicht möglich ist, wirkt sich nicht zugunsten der Klägerin aus, weil gerade dies die konkreten Umstände des Rechtsstreits ausmacht. Ferner hat bereits der 3. Senat des Hessischen Finanzgerichts in seinem nicht veröffentlichten, den Beteiligten bekannten Urteil vom 10. Mai 1993 (Az. 3 K 11264/87), auf welches wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, im Ergebnis zutreffend darauf hingewiesen, daß in den hier zu beurteilenden Fällen dem Kunden (Leasingnehmer) von der Haupthändlerin nicht ein Leasinggeschäft mit der Leasinggesellschaft des Herstellers, welche regelmäßig auch ihren Sitz am Ort des Herstellers hat, vermittelt wird, sondern mit einer Leasinggesellschaft am Ort der Haupthändlerin. Der in den genannten BMF-Schreiben geregelte Sachverhalt liegt auch nach der Auffassung des erkennenden Senates im Streitfall nicht vor.
    10

    Die Klägerin vertritt in Anlehnung an Mellwig (a.a.O.) die Auffassung, daß allein der Anfall von Aufwendungen in Form vonÜberführungskosten eine Aktivierung nicht rechtfertigen könne, da kein selbständig bewertungsfähiger wirtschaftlicher Vorteil zugewachsen sei. Auch hiermit kann sie nicht durchdringen, denn diese Frage würde sich im Streitfall nur dann stellen, wenn eine eigeneÜberführungs- bzw. Transportleistung der Klägerin als Leasinggeber im Rahmen des konkreten Leasinggeschäfts, beispielsweise durch eine weitere Überführung des Leasinggegenstandes vom Ort des Leasinggebers bzw. der Haupthändlerin an den Ort des Leasingnehmers zur Beurteilung stünde. Eine solche - weitere - Überführungs- bzw. Transportleistung wurde hier - wie bereits dargestellt - nicht erbracht. Zur Beurteilung stehen hier nur die Überführungskosten im Rahmen des Anschaffungsvorganges, die gerade nicht auf einer Leistung der Klägerin als Leasinggeber beruhen und Anschaffungsnebenkosten darstellen.
    11

    2.

    ...