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  • 09.03.2021 · IWW-Abrufnummer 221039

    Oberlandesgericht Stuttgart: Urteil vom 09.02.2021 – 10 U 46/18

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Aktenzeichen: 10 U 46/18
    Kr 11 O 144/17 LG Heilbronn

    Oberlandesgericht Stuttgart
    10. ZIVILSENAT

    Im Namen des Volkes    

    Urteil

    In dem Rechtsstreit

    XX

    gegen

    YY

    wegen Forderung

    hat das Oberlandesgericht Stuttgart - 10. Zivilsenat - durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht xxx, den Richter am Landgericht Dr. xxx und den Richter am Oberlandesgericht xxx aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 11.01.2021 für Recht erkannt:

    1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Heilbronn vom 16.02.2018, Az. Kr 11 O 144/17, wird zurückgewiesen.
    2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der Kosten des Revisionsverfahrens.
    3. Dieses Urteil und das angefochtene Urteil des Landgerichts Heilbronn sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
    Streitwert: 32.057,70 €

    Gründe

    I.

    A.

    Der Kläger begehrt die Rückabwicklung eines Kaufvertrags über einen gebrauchten PKW.

    Er kaufte mit Vertrag vom 16. November 2016 vom Beklagten einen gebrauchten XYZ für 31.750,00 €. In dem Kaufvertrag heißt es unter anderem:
    „1x Satz gebrauchte Winterräder auf Alufelgen (ABE für Winterräder wird nachgereicht)“.

    Der Kaufpreis wurde bezahlt; das Fahrzeug wurde dem Kläger mit auf dem Fahrzeug montierten Winterrädern übergeben und übereignet.
    Die Parteien streiten noch darüber, ob der Kläger wegen Mängeln in Bezug auf die Felgen der Winterräder wirksam den Rücktritt erklärt hat.

    B.

    Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Voraussetzungen für einen Rücktritt lägen nicht vor. Zum Zeitpunkt der Rücktrittserklärung habe der behauptete Defekt an der Luftfederung nicht mehr vorgelegen, da der Kläger diese bereits habe austauschen lassen. Es hätten auch keine anderen zum Rücktritt berechtigenden Mängel vorgelegen. Bezüglich der fehlenden Allgemeinen Betriebserlaubnis (ABE) für die Felgen der Winterräder sei zum Zeitpunkt der Rücktrittserklärung noch keine Frist zur Nacherfüllung fruchtlos verstrichen gewesen.

    Der Kläger habe den Beklagten zum Zeitpunkt der Rücktrittserklärung noch nicht aufgefordert gehabt, den Turbolader erneut zu reparieren. Dies sei auch nicht entbehrlich gewesen. Dem Kläger sei es vorgerichtlich darum gegangen, Informationen zu erhalten, woher der Beklagte den Turbolader bezogen habe. Seine Behauptung, es sei ein nicht altersgerechter Turbolader verbaut worden, sei ins Blaue hinein erfolgt.

    Bezüglich der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und der Antragstellung in erster Instanz wird auf den Tatbestand des Urteils des Landgerichts verwiesen.

    C.

    Die gegen dieses Urteil gerichtete Berufung des Klägers hat der Senat durch Urteil vom 13.11.2018 (Bl. 180 ff. d.A.) zurückgewiesen.

    Es liege zwar ein Mangel vor, da die Felgen der mitverkauften Winterräder nicht über eine ABE für das Fahrzeug verfügten. Der Mangel sei unbehebbar, da eine ABE für die mitverkauften Felgen nicht erlangt werden könne mit der Folge, dass eine Fristsetzung nicht erforderlich gewesen sei. Der geltend gemachte Rücktritt sei jedoch wegen Unerheblichkeit des Mangels ausgeschlossen. Denn die mitverkauften Felgen könnten gegen optisch vergleichbare ausgetauscht werden, die über eine ABE für das Fahrzeug verfügten. Dies verursache Kosten von weniger als 5% des Kaufpreises.

    Ein Rücktrittsrecht ergebe sich auch nicht wegen des im Wege der Nachbesserung eingebauten Turboladers. Der Kläger habe zwar schlüssig vorgetragen, dass dabei ein mangelhafter Turbolader eingebaut worden sei, ein Rücktritt sei jedoch mangels Fristsetzung zur Nacherfüllung ausgeschlossen.

    Wegen der weiteren Einzelheiten, der Antragstellung und des Vorbringens der Parteien im Berufungsverfahren bis zu diesem Zeitpunkt wird auf das Senatsurteil vom 13.11.2018 Bezug genommen.

    D.

    Die hiergegen gerichtete Revision des Klägers war erfolgreich. Durch Urteil des Bundesgerichtshofs vom 11.12.2019 (Az. VIII ZR 361/18) wurde das Senatsurteil vom 13.11.2018 „im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als hinsichtlich der auf das Fehlen einer ABE für die Felgen der Winterräder gestützten Ansprüche des Klägers zu seinem Nachteil entschieden worden ist“.

    Die fehlende ABE der Felgen führe nicht schon für sich gesehen zu einem Mangel des Fahrzeugs gem. § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB, da die Verwendung von für das Fahrzeug nicht zugelassenen Teilen nicht ohne weiteres die ABE für das Fahrzeug selbst entfallen lasse und dessen Nutzung im Straßenverkehr ausschließe (§ 19 Abs. 5 Satz 1 StVZO). Dies gelte nur dann, wenn durch die nachträgliche Veränderung mit einem gewissen Grad an Wahrscheinlichkeit eine Gefährdung für andere Verkehrsteilnehmer geschaffen werde (BGH aaO. Rn. 31/34). Ein Mangel liege jedoch vor, weil bei Vertragsabschluss vereinbart worden sei, dass der Beklagte die ABE für die Felgen nachreiche, was zur Folge habe, dass der Beklagte für das Vorhandensein einer ABE die Gewähr übernommen habe.

    Entgegen der im Berufungsurteil vertretenen Ansicht sei eine Fristsetzung nach § 326 Abs. 5 BGB erst dann entbehrlich, wenn beide Varianten der Nacherfüllung (Mangelbeseitigung oder Ersatzlieferung) unmöglich seien. Eine Nacherfüllung in Form der Ersatzlieferung sei hier nicht von vornherein ausgeschlossen. Ob dies möglich und geschuldet gewesen sei, hänge davon ab, ob nach dem durch interessengerechte Auslegung zu ermittelnden Willen der Parteien bei Vertragsschluss eine Nachlieferung von gleichartigen und gleichwertigen Felgen oder Winterrädern, die für das Fahrzeug zugelassen sind, in Betracht kommen sollte. Hierfür komme es darauf an, ob der Felgensatz nach den Vorstellungen der Parteien im Falle der Mangelhaftigkeit ersetzt werden könne, was das Berufungsgericht nicht geprüft habe.

    Bei der Frage, ob der Rücktritt wegen Unerheblichkeit gem. §§ 323 Abs. 5 S. 2, 437 Nr. 2 BGB ausgeschlossen sei, komme es nicht nur auf die Kosten für den Austausch der Felgen an, sondern auch darauf, ob durch die Verwendung nicht zugelassener Felgen die Betriebserlaubnis des Fahrzeugs erloschen sei. Denn in diesem Fall führe die Entfernung der nicht zugelassenen Teile noch nicht zu einem Wiederaufleben der Betriebserlaubnis des Fahrzeugs, sondern diese müsse erst neu beantragt werden. Die Parteien hätten zudem das Vorliegen einer ABE für die Felgen zum Gegenstand einer Beschaffenheitsvereinbarung gemacht, was grundsätzlich das Vorliegen einer nicht unerheblichen Pflichtverletzung indiziere. Dieses Indiz könne insbesondere dadurch ausgeräumt werden, dass das Fehlen der vereinbarten Beschaffenheit nur mit sehr geringfügigen Beeinträchtigungen verbunden sei. Es komme auch insofern darauf an, ob durch die Verwendung der Winterräder eine Gefährdung von Verkehrsteilnehmern zu erwarten sei. Die Frage, ob der Beklagte im Hinblick auf die Felgen grob fahrlässig gehandelt habe, sei im Hinblick auf die Erheblichkeitsschwelle des § 323 Abs. 5 S. 2 BGB schon deshalb unerheblich, weil dem Beklagten nach den Feststellungen des Berufungsgerichts keine grobe Fahrlässigkeit angelastet werden könne.

    E.

    Der Kläger ist der Ansicht, dass Felgen und Räder für die Verkehrssicherheit überragende Bedeutung hätten mit der Folge, dass die Betriebserlaubnis bei der Verwendung nicht zugelassener Felgen erlösche und wieder neu beantragt werden müsse. Die bloße Montage zulässiger Winterräder führe nicht dazu, dass die Betriebserlaubnis wiederauflebe. Eine Nacherfüllung durch Montage zulässiger Winterräder führe daher noch nicht zur Beseitigung des Mangels.

    Der Kläger beantragt:

    Unter Abänderung des am 16.02.2018 verkündeten Urteils des Landgerichts Heilbronn - Az. Kr 11 O 144/14 - wird für Recht erkannt:

    1. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 32.057,70 € nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu bezahlen, Zug um Zug gegen Rücknahme des Fahrzeugs XYZ mit der Fahrzeug-Identnummer: ...2.

    2. Es wird festgestellt, dass sich der Beklagte mit der Rücknahme des im Klageantrag Ziff. 1 näher bezeichneten Fahrzeuges in Verzug ist.

    3. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.474,89 € nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

    F.

    Der Beklagte beantragt,

    die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.

    Er bringt vor, dass die Betriebserlaubnis durch die Verwendung der Felgen nicht erloschen sei. Jedenfalls könnte eine eventuell erloschene Betriebserlaubnis durch die Montage zugelassener Felgen behoben werden.

    Nachdem der Kläger angegeben habe, dass es ihm nur darauf angekommen sei, dass das Fahrzeug 8-fach bereift sei, sei es ihm jedenfalls nicht auf die konkreten Felgen angekommen; eine Nachbesserung durch Ersatzlieferung sei daher möglich. Im Hinblick auf die Nacherfüllung durch Lieferung mangelfreier Winterräder habe der Kläger keine Frist zur Nachbesserung gesetzt, weshalb sich hieraus auch kein Rücktrittsrecht ergebe. Der Beklagte sei weiter bereit, den Mangel durch Montage von Winterädern beseitigen, deren Felgen über eine ABE für das Fahrzeug verfügen.

    G.

    Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen Z. (Bl. 217 ff. d.A.); der Sachverständige hat sein Gutachten in der mündlichen Verhandlung vom 11.1.2021 ergänzend erläutert (Bl. 279 ff. d.A.).

    II.

    Die zulässige Berufung erweist sich auch nach ergänzender Beweisaufnahme unter Berücksichtigung des in dieser Sache am 11.12.2019 ergangenen Urteils des Bundesgerichtshofs (Az. VIII ZR 361/18) als unbegründet.

    A.

    Die fehlende Allgemeine Betriebserlaubnis der Felgen für das streitgegenständliche Fahrzeug begründet zwar einen Sachmangel i.S.d. § 434 Abs. 1 S. 1 BGB (hierzu unten 1.). Hieraus ergibt sich jedoch kein Rücktrittsrecht, da dieser Mangel durch Beschaffung einer Einzelbetriebserlaubnis für die mitverkauften Felgen oder Austausch der Felgen der Winterräder beseitigt werden kann und unter Berücksichtigung der dabei anfallenden Kosten eine unerhebliche Pflichtverletzung vorliegt (hierzu unten 2.).

    1.

    Ein Sachmangel liegt gem. § 434 Abs. 1 S. 1 BGB vor, da das Fahrzeug aufgrund der fehlenden ABE der Felgen nicht die vereinbarte Beschaffenheit aufwies. Der Senat nimmt auf die Ausführungen im in dieser Sache ergangenen BGH-Urteil (dort Rn. 35) Bezug. Angesichts der Abweichung von der vereinbarten Beschaffenheit liegt ein Sachmangel vor, unabhängig davon, ob die Verwendung der Felgen zum Erlöschen der Betriebserlaubnis des Fahrzeugs führte.

    Darüber hinaus hat sich im Rahmen der Untersuchung durch den Sachverständigen herausgestellt, dass die auf die Winterreifen montierten Reifen (225/50 R17) unzulässig sind, da nach der EG-Typgenehmigung die Reifengröße 225/55 R17 zugelassen ist. Auf diesen Umstand kann das geltend gemachte Rücktrittsrecht nicht gestützt werden, weil der Kläger jedenfalls insofern keine Frist zur Nacherfüllung gesetzt hat und auch keine Anhaltspunkte ersichtlich sind, aus denen sich eine Erheblichkeit der Pflichtverletzung ergäbe.

    2.

    Ob hier zur Begründung eines Rücktrittsrechts gem. §§ 437 Nr. 2, 323 Abs. 1 BGB eine Fristsetzung erforderlich war und ob eine solche ggf. auch erfolgt ist, kann dahinstehen. Denn der durch den Kläger erklärte Rücktritt war jedenfalls deshalb unwirksam, weil dem gem. §§ 323 Abs. 5 S. 2, 437 Nr. 2 BGB die Unerheblichkeit der Pflichtverletzung entgegensteht.

    a.

    Ein Käufer ist nicht zum Rücktritt vom Kaufvertrag wegen eines Sachmangels berechtigt, wenn die Pflichtverletzung unerheblich, d.h. wenn der Mangel geringfügig ist (§§ 437 Nr. 2, 323 Abs. 5 S. 2 BGB). Dabei ist auf den Zeitpunkt der Rücktrittserklärung des Käufers abzustellen. Die Beurteilung der Frage, ob die Pflichtverletzung unerheblich ist, erfordert nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine umfassende Interessenabwägung auf Grundlage der Umstände des Einzelfalls (vgl. nur BGH, Urteil vom 28. Mai 2014 - VIII ZR 94/13, BGHZ 201, 290, Rn. 16 m.w.N.; Urteil vom 26. Oktober 2016 - VIII ZR 240/15 Rn. 27; Urteil vom 18. Oktober 2017 - VIII ZR 242/16 Rn. 12). Ein Verstoß gegen eine Beschaffenheitsvereinbarung indiziert in der Regel die Erheblichkeit der Pflichtverletzung (BGH, Urteil vom 6. Februar 2013 - VIII ZR 374/11 Rn. 16).

    Bei behebbaren Mängeln ist im Rahmen dieser umfassenden Interessenabwägung jedoch grundsätzlich nicht auf das Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigung, sondern auf die Kosten der Mängelbeseitigung abzustellen. Von einer Geringfügigkeit eines behebbaren Mangels und damit von einer Unerheblichkeit der Pflichtverletzung ist in der Regel auszugehen, wenn die Kosten der Mangelbeseitigung im Verhältnis zum Kaufpreis geringfügig sind (vgl. nur BGH, Urteil vom 28. Mai 2014 - VIII ZR 94/13, BGHZ 201, 290, Rn. 17 m.w.N.). Von einer Unerheblichkeit der Pflichtverletzung ist in der Regel dann nicht mehr auszugehen, wenn der Mangelbeseitigungsaufwand mehr als 5 % des Kaufpreises beträgt (vgl. nur BGH, Urteil vom 28. Mai 2014 - VIII ZR 94/13, BGHZ 201, 290, Rn. 12, 30; Urteil vom 26. Oktober 2016 - VIII ZR 240/15 Rn. 28).

    b.

    Der Mangel kann sowohl durch Lieferung von Winterrädern mit zugelassenen Felgen beseitigten werden als auch durch Beschaffung einer Einzelbetriebserlaubnis für die mitverkauften Felgen, wodurch jeweils Kosten entstehen, die 5% des vereinbarten Kaufpreises unterschreiten.

    aa.

    Bei der im Rahmen von § 323 Abs. 5 S. 2 BGB vorzunehmenden umfassenden Interessenabwägung kommt der Frage maßgebliche Bedeutung zu, ob die Betriebserlaubnis des Fahrzeugs durch die Montage von Winterrädern mit Felgen ohne ABE gem. § 19 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 StVZO erloschen ist und welcher Aufwand gegebenenfalls erforderlich ist, um die Betriebserlaubnis wiederzuerlangen.

    Aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme ist davon auszugehen, dass die Betriebserlaubnis des Fahrzeugs durch die Montage der Felgen nicht erloschen ist:

    aaa.

    Das Fehlen einer Allgemeinen Betriebserlaubnis (§ 20 StVZO) bezüglich der Felgen (vgl. § 22 StVZO), für die auch eine Einzelbetriebserlaubnis nach §§ 21, 22 Abs. 2 Satz 4 StVZO oder ein Nachtrag zur Betriebserlaubnis des Fahrzeugs (§ 22 Abs. 3, § 19 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. b StVZO) nicht vorlagen, führt nicht ohne Weiteres dazu, dass gemäß § 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 StVZO die Betriebserlaubnis für das Fahrzeug erlischt. Vielmehr setzt dies voraus, dass die - mit der Nutzung nicht zugelassener Felgen für die Winterräder verbundene - nachträgliche Veränderung mit einem gewissen Grad an Wahrscheinlichkeit eine Gefährdung für Verkehrsteilnehmer verursacht (BGH, Urteil vom 11. Dezember 2019 ‒ VIII ZR 361/18 ‒, BGHZ 224, 195, juris Rn. 30 f; VGH Baden-Württemberg - Urteil vom 31. Mai 2011 - 10 S 1857/09, juris Rn. 27, 29; KG Berlin, Urteil vom 27. März 1998 - 2 Ss 341/97 - 3 Ws (B) 76/98, juris Rn. 7). Es ist weder die Veränderung von Fahrzeugteilen, deren Beschaffenheit vorgeschrieben ist, noch die bloße Möglichkeit einer Gefährdung ausreichend, um die Betriebserlaubnis gemäß § 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 StVZO erlöschen zu lassen. Dem steht der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entgegen. Erforderlich ist daher, dass durch die nachträgliche Veränderung mit einem gewissen Grad an Wahrscheinlichkeit eine Gefährdung für Verkehrsteilnehmer geschaffen wird. Dabei lässt sich das Maß der für ein Erlöschen der Betriebserlaubnis erforderlichen Gefahr nicht abstrakt und absolut bestimmen. Denn der zu fordernde Wahrscheinlichkeitsgrad hängt von der Bedeutung der gefährdeten Rechtsgüter und dem Ausmaß des möglichen Schadens ab. Behörden und Gerichte haben daher für jeden konkreten Einzelfall zu ermitteln, ob die betreffende Veränderung - sei es durch unsachgemäßen Anbau eines an sich ungefährlichen Fahrzeugteils, sei es durch den Betrieb eines sachgerecht angebauten, aber gefährlichen Teils - eine Gefährdung von Verkehrsteilnehmern nicht nur für möglich erscheinen, sondern erwarten lässt (BGH aaO.; VGH aaO.).

    bbb.

    Nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen ist aufgrund der Montage der Felgen eine Gefährdung von Verkehrsteilnehmern nicht zu erwarten.

    Der Sachverständige führte aus, dass er zunächst festgestellt habe, dass die Felgen hinsichtlich Lochzahl und Lochbild auf das streitgegenständliche Fahrzeug montiert werden können.

    Anschließend habe er das Fahrzeug „diagonal verschränkt“. Dabei wird die maximale Auslastung des Federwegs simuliert, in dem zwei diagonal gegenüberliegende Räder höhenmäßig fixiert und die anderen beiden bis zur Auslastung des Federwegs abgesenkt werden, was der stärksten Belastung des Fahrzeugs im Hinblick auf den Federweg entspricht. Unter diesen Bedingungen wie auch im Normalzustand habe er eine ausreichende Freigängigkeit der Räder gegenüber angrenzenden Karosserieteilen festgestellt. Aufgrund des festgestellten Ausmaßes der Freigängigkeit könne eine Gefährdung von Verkehrsteilnehmern auch ohne eine Probefahrt unter Extrembedingungen ausgeschlossen werden. Zwar seien umfangreiche Fahrversuche mit Schwellen und bei Höchstgeschwindigkeit erforderlich und vorgeschrieben, wenn es um die generelle Zulassung von Felgen gehe. Da die hier vorliegenden Felgen grundsätzlich für vergleichbare Fahrzeuge desselben Herstellers zugelassen seien und es daher nur um eine Gefährdung bei Verwendung mit dem vorliegenden Fahrzeug gehe, könne eine Gefährdung allenfalls aus einem Kontakt mit Karosserieteilen resultieren, die jedoch aufgrund der Ergebnisse der von ihm durchgeführten Untersuchungen ausgeschlossen seien.

    Der Sachverständige hat damit überzeugend dargelegt, dass aufgrund der von ihm durchgeführten Messungen auch ohne Fahrversuche eine Gefährdung von Verkehrsteilnehmern ausgeschlossen werden kann.

    ccc.

    Da vorliegend ein Erlöschen der Betriebserlaubnis alleine nach § 19 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 StVZO in Betracht kommt und dessen Voraussetzungen mangels Gefährdung von Verkehrsteilnehmern nicht erfüllt sind, hat die Montage der Felgen nicht zum Erlöschen der Betriebserlaubnis des Fahrzeugs geführt.

    bb.

    Der Mangel kann sowohl durch Beschaffung einer Genehmigung im Einzelfall gem. §§ 22 Abs. 2 S. 4, 21 StVZO als auch durch Austausch der Felgen folgenlos beseitigt werden.

    aaa. Die Beschaffung einer Einzelbetriebserlaubnis nach §§ 22 Abs. 2 S. 4, 21 StVZO ist möglich und würde Kosten von unter 200 € verursachen:

    (1) Bei Vorliegen einer Einzelbetriebserlaubnis nach §§ 22 Abs. 2 S.4, 21 StVZO wäre die Montage der Felgen trotz der fehlenden ABE zulässig (vgl. BGH, Urteil vom 11. Dezember 2019 ‒ VIII ZR 361/18 ‒, BGHZ 224, 195-217, juris Rn. 30).

    (2) Die Erlangung einer solchen Erlaubnis ist auch möglich, da die Voraussetzungen hierfür nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen gegeben sind. Denn dieser erläuterte in der mündlichen Verhandlung vom 11.1.2021, dass die mit dem Fahrzeug verkaufte Rad-Reifen-Kombination diese Erlaubnis erhalten würde, da deren Erteilung die Prüfung und Untersuchung voraussetzt, die auch der Sachverständige im Rahmen der Prüfung durchgeführt hat, ob aufgrund der Felgen die Gefährdung von Verkehrsteilnehmern zu erwarten ist (siehe oben bb.bbb.). Da eine Gefährdung danach auszuschließen ist, sind auch die Voraussetzungen für die Erteilung der Einzelbetriebserlaubnis gegeben.

    (3) Erforderlich hierzu ist die Einholung eines entsprechenden Gutachtens, das bei der Zulassungsstelle vorgelegt wird, damit dort die Eintragung veranlasst werden kann. Die Kosten hierfür betragen nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen einschließlich Untersuchung des Fahrzeugs durch den Sachverständigen 100 € bis 150 €. Nachdem der Sachverständige nicht ausdrücklich erklärt hat, ob darin die MwSt. enthalten ist, ist jedenfalls davon auszugehen, dass die Kosten unter 200 € betragen.

    bbb. Der Mangel kann auch durch Lieferung mangelfreier Felgen beseitigt werden, wodurch Kosten von weniger 5% des Kaufpreises entstehen:

    (1.) Nach dem durch interessengerechte Auslegung zu ermittelnden Willen der Parteien (§§ 133, 157 BGB, vgl. BGH aaO. Rn. 41 ff.) bei Vertragsschluss kommt auch eine Nachlieferung von gleichartigen und gleichwertigen Felgen oder Winterrädern, die für das Fahrzeug zugelassen sind, als Nacherfüllung in Betracht.
    Der Beklagte hat zu dieser Frage darauf verwiesen, dass der Kläger vor Abschluss des Kaufvertrags zunächst angenommen habe, dass es sich bei den Winterrädern um Original-XYZ-Felgen gehandelt habe. Nachdem sich bei der Besichtigung herausgestellt habe, dass dies nicht zutreffe, habe ihn dies nicht vom Kauf des Fahrzeugs abgehalten; ihm sei es darauf angekommen, dass das Fahrzeug 8-fach bereift sei. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 1.10.2018 hatte der Kläger angegeben, dass er zunächst davon ausgegangen sei, dass es sich um Original-Felgen handle, er den Kauf aber nicht daran habe scheitern lassen wollen, als er kurz vor Vertragsabschluss erfahren habe, dass es sich bei den Winterrädern nicht um Original-Felgen handle. Der Kläger hat auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 11.1.2021 das Vorbringen der Gegenseite, dass es ihm in erster Linie darauf angekommen, sei, dass das Fahrzeug 8-fach bereift sei, nicht bestritten. Der Kläger bringt schon selbst nicht vor, dass es ihm gerade auf die Felgen mit der KBA-Nummer 48605 angekommen sei. Er legte vielmehr lediglich Wert darauf, dass die Felgen eine ABE für das Fahrzeugmodell besitzen.
    Auf dieser Grundlage kam es dem Kläger ersichtlich nicht darauf an, das Fahrzeug gerade mit den vorhandenen Felgen zu erwerben, weshalb eine Ersetzung der Felgen durch gleichwertige mit ABE für das Fahrzeug unter Berücksichtigung des Parteiwillens bei Vertragsschluss als Nacherfüllung in Betracht kommt.

    (2.) Der Senat hat bereits in dem in dieser Sache am 13.11.2018 gemäß § 287 ZPO unter Rückgriff auf allgemein im Internet zugängliche Preise die Kosten für den Erwerb neuer, vergleichbarer Felgen einschließlich der Kosten für das Aufziehen der Reifen sowie die Montagearbeiten auf weniger als 1.587,50 €, also auf weniger als 5 % des Kaufpreises geschätzt. Hiergegen haben die Parteien keine Einwendungen vorgebracht.

    cc.

    Der Umstand, dass aufgrund der fehlenden ABE der Felgen ein Verstoß gegen eine Beschaffenheitsvereinbarung vorliegt, steht der Unerheblichkeit der Pflichtverletzung nicht entscheidend entgegen. Zwar indiziert ein solcher Verstoß in der Regel die Erheblichkeit der Pflichtverletzung (BGH, Urteil vom 6. Februar 2013 - VIII ZR 374/11 Rn. 16). Diese Indizwirkung kann allerdings durch besondere Umstände ausgeräumt werden, etwa wenn das Fehlen der vereinbarten Beschaffenheit nur mit sehr geringfügigen Beeinträchtigungen verbunden und sie auch unter Berücksichtigung der mit dem Abschluss einer Beschaffenheitsvereinbarung verfolgten Interessen des Käufers als eine unwesentliche Pflichtverletzung einzustufen wäre (BGH, Urteil vom 11. Dezember 2019 ‒ VIII ZR 361/18 ‒, BGHZ 224, 195-217, juris Rn. 54). Nachdem die Montage der Felgen nicht zum Erlöschen der Betriebserlaubnis geführt hat und die Felgen problemlos ausgetauscht werden können oder eine Einzelbetriebserlaubnis erlangt werden kann, steht der Verstoß gegen die Beschaffenheitsvereinbarung der Unerheblichkeit nicht entgegen.

    dd.

    Entgegen der Auffassung des Klägers ergibt sich eine Erheblichkeit der Pflichtverletzung nicht aufgrund eines arglistigen Verhaltens des Beklagten. Es ist zwar richtig, dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine den Rücktritt ausschließende unerhebliche Pflichtverletzung beim Kaufvertrag in der Regel zu verneinen ist, wenn der Verkäufer über das Vorhandensein eines Mangels arglistig getäuscht hat (BGH, Urteil vom 24. März 2006 - V ZR 173/05, BGHZ 167, 19, Leitsatz). Alleine der Umstand, dass der Beklagte sich im Kaufvertrag verpflichtet hat, die ABE für die Winterräder nachzureichen, vermag indes ein arglistiges Handeln nicht zu begründen. Insbesondere ergibt sich daraus gerade nicht, dass der Beklagte bei Abschluss des Kaufvertrags wusste oder damit rechnete, dass die Felgen der Winterräder nicht über eine ABE für das verkaufte Fahrzeugmodell verfügen. Vielmehr ist davon auszugehen, dass der Beklagte davon überzeugt war, die Felgen seien für das Fahrzeugmodell zugelassen und die Übersendung der ABE sei eine reine Formsache. Der Beklagte ist zwar ein gewerblicher Kraftfahrzeughändler. Gleichwohl ist nicht ersichtlich, weshalb er hätte davon ausgehen müssen, dass die Felgen der Winterräder möglicherweise nicht für das streitgegenständliche Fahrzeugmodell zugelassen sind.

    Damit liegt auch die vom Kläger im Revisionsverfahren geltend gemachte grobe Fahrlässigkeit des Beklagten nicht vor (vgl. BGH, Urteil vom 11. Dezember 2019 ‒ VIII ZR 361/18 ‒, BGHZ 224, 195-217, juris Rn. 57).

    ee.

    Unter Berücksichtigung der aufgezeigten Umstände des vorliegenden Einzelfalls ist der Rücktritt hier wegen Unerheblichkeit der Pflichtverletzung gem. §§ 323 Abs. 5 S. 2, 437 Nr. 2 BGB ausgeschlossen, da der Mangel mit einem Aufwand beseitigt werden kann, der 5% des zwischen den Parteien vereinbarten Kaufpreises unterschreitet.

    Der Ausschluss des Rücktritts ist für den Kläger auch nicht unzumutbar. Insbesondere wird er nicht rechtlos gestellt. So kann er beispielsweise weiterhin Nacherfüllung gemäß §§ 437 Nr. 1, 439 BGB verlangen, die nach Wahl des Verkäufers durch das Bewirken einer Genehmigung im Einzelfall oder die Lieferung zugelassener Felgen erfolgen kann, oder gemäß §§ 437 Nr. 2, 441 BGB den Kaufpreis mindern oder gemäß §§ 437 Nr. 3, 440, 311a Abs. 2, 281 Abs. 1 S. 3 BGB den sogenannten „kleinen“ Schadensersatz geltend machen.

    B.

    1.

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 708 Nr. 10 S. 1 und S. 2, 709, 711 ZPO.

    2.

    Die Revision wurde nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen und die streitgegenständlichen Fragen aufgrund des in dieser Sache ergangenen BGH-Urteils höchstrichterlich geklärt sind.