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  • 03.03.2021 · IWW-Abrufnummer 220897

    Oberlandesgericht Frankfurt a. M.: Urteil vom 24.02.2021 – 4 U 257/19

    1. Der Einbau einer Motoraufwärmfunktion, die auf den Prüfstand zugeschnitten ist und im realen Straßenbetrieb nur in so seltenen Ausnahmefällen wirkt, dass nicht angenommen werden kann, sie solle dort überhaupt eine echte schadstoffmindernde Wirkung haben, ist ersichtlich auf die Manipulation der auf dem Prüfstand ermittelten Wert angelegt. Sie kann als unzulässige Abschalteinrichtung, über deren Vorliegen das Kraftfahrtbundesamt getäuscht wurde, eine sittenwidrige Schädigung des Fahrzeugkäufers begründen.

    2. Prozesszinsen sind bei fortlaufend ansteigendem Nutzungsersatz, der im Wege der Vorteilsausgleichung zu berücksichtigen ist und den Kaufpreiserstattungsanspruch vom Zeitpunkt der Rechtshängigkeit an bis zur letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht kontinuierlich vermindert, nicht aus dem letztlich in der Hauptsache zuerkannten Betrag zuzusprechen. Zu verzinsen ist für diesen Zeitpunkt vielmehr der Mittelwert aus dem zuerkannten Betrag und dem Anspruch, der am Tag nach Rechtshängigkeit bestand.


    OLG Frankfurt 4. Zivilsenat

    24.02.2021


    Tenor

    Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Einzelrichters der 13. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 26. September 2019 unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels des Klägers teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

    Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 50.899,14 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 21. Januar 2021 und aus 52.676,96 Euro vom 11. April 2019 bis zum 20. Januar 2021 Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Fahrzeugs der Marke Audi SQ5 3.0 TDI mit der Fahrzeugidentifikationsnummer … zu zahlen.

    Die Beklagte wird weiter verurteilt, an den Kläger 989,13 Euro nicht anrechenbare Kosten für die außergerichtliche Interessenvertretung ihres Prozessbevollmächtigten zu zahlen.

    Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

    Von den Kosten des Rechtsstreites erster Instanz trägt der Kläger 18 % und die Beklagte 82 %.

    Von den Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger 23 % und die Beklagte 77 %.

    Die Revision wird nicht zugelassen.

    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung. Beide Parteien dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des gegen sie zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

    Gründe

    I.

    Der Kläger verlangt von der Beklagten Zahlung von Schadensersatz nach dem Kauf eines von der Beklagten hergestellten Neuwagens, der mit einem von der Beklagten entwickelten Dieselmotor ausgestattet ist.

    Der Kläger erwarb das Fahrzeug Audi SQ5 im November 2015 zu einem Kaufpreis in Höhe von 63.816,44 Euro brutto als Neuwagen von einem Autohaus. Für den Fahrzeugtyp wurde die Typgenehmigung nach der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 mit der Emissionsklasse EU6 plus erteilt.

    Das Kraftfahrtbundesamt teilte am 23. Januar 2018 öffentlich mit (Anlage K1 = Bl. 33 d.A.), bei der Überprüfung mehrerer 3,0 Liter-Modelle der Beklagten, darunter das streitgegenständliche Modell SQ5, seien unzulässige Abschalteinrichtungen nachgewiesen worden. Die schadstoffmindernde, sogenannte schnelle Aufwärmfunktion springe nahezu nur im Prüfzyklus NEFZ an. Im realen Verkehr unterbleibe diese NOx-Schadstoffminderung. Von den daher erfolgten verpflichtenden Rückrufen seien in Deutschland rund 77.600 und weltweit rund 127.000 zugelassene Fahrzeuge betroffen.

    Im Februar 2019 - vor Klageerhebung - ließ der Kläger das auf die Anordnung des Kraftfahrtbundesamtes entwickelte und durch dieses freigegebene Softwareupdate durchführen. Mit Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 21. Februar 2019 forderte der Kläger die Beklagte unter Fristsetzung bis zum 7. März 2019 vergeblich auf, die streitgegenständlichen Ansprüche zu erfüllen.

    Der Kläger hat vorgetragen, das Fahrzeug verfüge über eine Motorsteuerungssoftware, welche den Ausstoß von Stickoxid im Prüfstandbetrieb, den sie erkenne, optimiere. Im realen Straßenverkehr werde der Ausstoß hingegen nicht optimiert, so dass die Grenzwerte um ein Vielfaches überschritten würden. Insbesondere werde der Schadstoffausstoß beim Kaltstart nur auf dem Prüfstand gemindert. Die Typgenehmigung sei arglistig erschlichen worden. Der Vorstand der Beklagten sei angesichts der Tragweite dieser Manipulation und wegen vorheriger Warnungen in die Entscheidung eingebunden gewesen. Entsprechendes gelte für den Leiter des Entwicklungsteams des streitgegenständlichen Motors, bei dem es sich um einen verfassungsmäßig berufenen Vertreter des Vorstands gemäß § 31 BGB handle.

    Die Beklagte hat entgegnet, die klägerische Behauptung, die Stickoxidwerte würden „nur“ für den Rollenprüfstand über eine höhere Abgasrückführungsquote gemindert, sei unzutreffend.

    Im Übrigen wird hinsichtlich der erstinstanzlichen Klageanträge auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl. 235 ff. d.A.) Bezug genommen.

    Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat zur Begründung ausgeführt, dass der Klägervortrag sich in weiten Teilen auf den vorliegend nicht streitgegenständlichen Motor EA 189 beziehe und sich im Übrigen in Spekulationen erschöpfe sowie daher in Ermangelung konkreter Anhaltspunkte „ins Blaue hinein“ erfolge. Das durch den Kläger angebotene Sachverständigengutachten sei daher nicht einzuholen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils.

    Gegen das ihm am 10. Oktober 2019 zugestellte Urteil hat der Kläger am 30. Oktober 2019 Berufung eingelegt und diese binnen verlängerter Frist am 6. Januar 2020 begründet. Mit der Berufung verfolgt er sein erstinstanzliches Begehren weiter und rügt, das Landgericht habe nicht berücksichtigt, dass die - konzernwert auch in Modelle von Volkswagen und Porsche eingebaute - Motorsteuerungssoftware den Abgastest erkenne. Dies ergebe sich, was das Landgericht völlig übersehen habe, aus der Mitteilung des Kraftfahrtbundesamtes. Erstmals in der Berufungsbegründung hat der Kläger vorgetragen, das Fahrzeug verfüge über ein „übergroßes Thermofenster“.

    Der Kläger beantragt, unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Frankfurt am Main vom 26. September 2019, Az.: 2-13 O 86/19,

    1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klagepartei einen Betrag in Höhe von 57.421,14 Euro Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Audi SQ5 TDI, Fahrzeugidentifikationsnummer …, nebst Zinsen in Höhe von 4 Prozent aus 63.816,44 Euro vom 4. November 2015 bis zum 7. März 2019 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 57.421,14 Euro seit dem 8. März 2019 zu zahlen,

    2. festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Annahme der Gegenleistung gemäß Ziffer 1.) in Verzug befindet,

    3. die Beklagte weiter zu verurteilen, an die Klagepartei weitere 1.137,64 Euro nicht anrechenbare Kosten für die außergerichtliche Interessenvertretung ihres Prozessbevollmächtigten zu erstatten.

    Die Beklagte beantragt,

    die Berufung zurückzuweisen.

    Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Erstmals trägt sie - unter unzutreffendem Verweis auf das landgerichtliche Urteil - vor, der Kläger sei vorsteuerabzugsberechtigt, so dass die Umsatzsteuer lediglich einen von ihm nicht zu tragenden durchlaufenden Posten darstelle. Sie betont, die Aufwärmfunktion habe anders als die „Umschaltlogik“ bei EA 189-Motoren mit dem Regelbetrieb des Fahrzeugs nichts zu tun, sondern trage dafür Sorge, dass die Stickoxidemissionen auch in den ersten Minuten nach dem Kaltstart effizient reduziert werden. Das Softwareupdate schaffe nun keine neue Funktion, sondern weite diese Funktion auf den Straßenbetrieb aus.

    Der Senat hat einen Beweisbeschluss erlassen, wegen dessen Inhalts auf den Beschluss vom 1. Juli 2020 (Bl. 359 f. d.A.), mit welchem der Beklagten auch die Vorlage des Bescheides des Kraftfahrtbundesamtes betreffend das streitgegenständliche Fahrzeugmodell aufgegeben wurde, verwiesen wird. Die Beklagte hat gegen den Beweisbeschluss Bedenken erhoben, woraufhin der Senat den Beschluss am 5. Oktober 2020 (Bl. 433 ff. d.A.) insbesondere dahingehend abgeändert hat, dass über die klägerische Behauptung der generellen Optimierung des Stickoxidausstoßes auf dem Prüfstand (über die durch das Kraftfahrtbundesamt angesprochene Aufwärmfunktion hinaus) mangels hinreichender Anhaltspunkte doch kein Beweis zu erheben sei. Die Beklagte ist zudem darauf hingewiesen worden, dass die ausbleibende Vorlage des von ihr nicht vorgelegten Bescheides des Kraftfahrtbundesamtes dazu führen könne, dass sie beweisfällig bleibe.

    Der Kläger hat anschließend den Bescheid des Kraftfahrtbundesamtes betreffend ein anderes 3,0 Liter-Fahrzeug der Beklagten - den Audi Q7 - eingereicht, der dem Bescheid für das streitgegenständliche Fahrzeugmodell nach dem unstreitig gebliebenen klägerischen Vortrag weitgehend entspricht und in dem es unstreitig insbesondere heißt wie folgt:

    „Strategien A und B

    Die von Audi verwendeten Strategien A und B werden nahezu ausschließlich unter den Bedingungen der Prüfung Typ 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 genutzt. Der Nutzung einer Aufheizstrategie (Strategie A) bei der Prüfung Typ 1 geht die Nutzung einer Strategie „Alternatives Aufheizen“ (Strategie B) während der Vorkonditionierung des Fahrzeugs zum Zwecke der Prüfung Typ 1 voraus. Beim Einsatz beider Strategien wird die Überschreitung des NOx-Grenzwertes von 80 mg/km bei der Prüfung Typ 1 sicher vermieden.

    Bei der Strategie A wird zum Starten der Aufheizstrategie eine Vielzahl von Initialisierungsparametern verwendet, die über eine UND-Verknüpfung miteinander verknüpft sind. D. h., alle Bedingungen müssen gleichzeitig vorliegen, dann wird die Aufheizstrategie genutzt. Die zu den Parametern gehörenden Werte (Schaltbedingungen) sind so eng bedatet, dass die Aufheizstrategie nahezu ausschließlich im Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) und den dort definierten Prüfbedingungen wirkt. Schon kleine Abweichungen in Fahrprofil und Umgebungsbedingungen führen zur Abschaltung der Aufheizstrategie.“

    Wegen des weiteren Inhalts wird auf den Bescheid (Anlage BK 8 = Bl. 457 ff. d.A.) verwiesen.

    Die Beklagte hat den angeforderten Vorschuss für das Sachverständigengutachten nicht eingezahlt und mitgeteilt, die von ihr zu beweisenden Behauptungen entweder nicht aufgestellt zu haben oder aber das Beweismittel jedenfalls jetzt zurückzuziehen, woraufhin der Senat gemäß §§ 402, 399, 379 Satz 2 ZPO von einer Einholung des Gutachtens abgesehen hat. Auf den Hinweis, dass die Berufung dem Grunde nach gute Erfolgsaussichten habe, weil nun nach dem unstreitigen Sachverhalt davon auszugehen sei, dass die Aufwärmfunktion im streitgegenständlichen Motor infolge einer Prüfstanderkennung nahezu nur auf dem Prüfstand ansprang, hat die Beklagte nichts mehr vorgetragen.

    Die Laufleistung des Fahrzeugs betrug zwei Tage vor dem Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz 60.682 Kilometer.

    II.

    Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache überwiegend Erfolg und bleibt im Übrigen erfolglos.

    1. Der Kläger hat gegen die Beklagte aus vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung gemäß §§ 826, 31 BGB dem Grunde nach Anspruch auf Zahlung des für das Kraftfahrzeug aufgewendeten Kaufpreises nebst Zinsen seit Rechtshängigkeit Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs. Im Streitfall liegen die Voraussetzungen vor, unter denen die Beklagte nach der vom Bundesgerichtshof getroffenen Grundsatzentscheidung (BGH, Urteil vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19 -, zitiert nach juris) wegen der Entwicklung eines Motors mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung gegenüber dem Fahrzeugkäufer aus vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung haftet.

    a) Nach der vorgenannten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zum Dieselskandal, die der Senat für zutreffend erachtet und der Beurteilung der vorliegenden Fallkonstellation zugrunde legt, stellt sich das Inverkehrbringen von Fahrzeugen, deren Motorsteuerungssoftware bewusst und gewollt so programmiert war, dass die gesetzlichen Abgasgrenzwerte mittels einer unzulässigen Abschalteinrichtung nur auf dem Prüfstand eingehalten wurden, so dass das Kraftfahrtbundesamt infolge einer grundlegenden strategischen Entscheidung bei der Motorenentwicklung systematisch getäuscht wurde, als objektiv sittenwidrig dar (BGH, a.a.O., Rn. 16).

    b) Diese Voraussetzungen liegen hier nach dem unstreitigen Sachverhalt vor. Nachdem die Beklagte ihr Beweisangebot hinsichtlich der Frage des Einsatzes der Aufwärmfunktion im realen Straßenverkehr zurückgezogen hat, bleibt als Vortrag, mit welchem sie der dezidierten klägerischen Behauptung einer Prüfstanderkennung entgegengetreten ist, allenfalls noch ein pauschales Bestreiten. Damit hat die Beklagte ihrer Darlegungslast nicht genügt, so dass der klägerische Vortrag gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden gilt.

    Der Kläger hat seinen Vortrag insbesondere durch die Anlagen K1 und BK8, deren Inhalt unstreitig blieb, mit Belegen unterfüttert. Nach der Mitteilung des Kraftfahrtbundesamtes vom 23. Januar 2018 steht fest, dass die Beklagte die Motoren von weltweit rund 127.000 selbst hergestellten Fahrzeugen so konstruierte, dass die Aufwärmfunktion nahezu nur im Prüfzyklus ansprang. Deshalb wurden diese Fahrzeuge verpflichtend zurückgerufen.

    Aus dem Bescheid für einen Audi Q7 ergibt sich die nähere Funktionsweise bei diesem Fahrzeugmodell. Danach wirkte die Aufheizstrategie wegen der engen Bedatung der Schaltbedingungen nahezu ausschließlich im Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) und bei den dort definierten Prüfbedingungen, während schon kleine Abweichungen in Fahrprofil und Umgebungsbedingungen zur Abschaltung der Aufheizstrategie führten. Nach dem unstreitig gebliebenen Vortrag des Klägers entsprach dieser Bescheid dem Bescheid für das streitgegenständliche Fahrzeugmodell weitgehend. Die Beklagte hat weder dargelegt noch ist sonst ersichtlich, dass sie für das streitgegenständliche Fahrzeugmodell SQ5 - ebenfalls ein 3,0 Liter-Dieselmotor desselben Herstellers - eine grundlegend andere Strategie gewählt hätte als für den Q7. Hiergegen spricht vielmehr, dass sich nach Mitteilung des Kraftfahrtbundesamtes die Strategien von Fahrzeugtyp zu Fahrzeugtyp nur „leicht“ unterschieden. Trotz gerichtlicher Aufforderung hat die Beklagte auch den das streitgegenständliche Fahrzeug betreffenden Rückrufbescheid nicht vorgelegt und damit diese naheliegende Möglichkeit ungenutzt gelassen, die vom Kläger dargelegte Funktionsweise der Motorsteuerungssoftware substantiiert zu bestreiten (vgl. OLG Naumburg, Urteil vom 18. September 2020 - 8 U 39/20 -, Rn. 56 m.w.N., zitiert nach juris).

    Danach steht fest, dass Parameter für die Motoraufwärmfunktion vorgegeben waren, die auf den Prüfstand zugeschnitten waren und gewährleisteten, dass die Funktion dort wirkte. Demgegenüber wirkte die Funktion im realen Straßenbetrieb nur dann, wenn zufällig der seltene Ausnahmefall eintrat, dass die engen Parameter dort ebenfalls erfüllt waren. Vor diesem Hintergrund kann nicht angenommen werden, dass die Funktion im realen Straßenverkehr überhaupt eine echte schadstoffmindernde Wirkung haben sollte. Vielmehr ist davon auszugehen, dass sich der eigentliche Sinn der Funktion darin erschöpfte, auf dem Prüfstand niedrige NOx-Werte zu erzielen und dabei vorzutäuschen, diese Werte würden auch im realen Straßenverkehr erreicht. Die gesamte Konstruktion war daher darauf ausgelegt, über die Manipulation zu täuschen.

    Dies bewertet der Senat in Übereinstimmung mit dem Kraftfahrtbundesamt und mehreren Oberlandesgerichten, die vergleichbare Fälle zu entscheiden hatten (OLG Naumburg, a.a.O., Rn. 54; OLG Koblenz, Urteil vom 5. Juni 2020 - 8 U 1803/19 -, Rn. 34, zitiert nach juris; OLG Oldenburg, Urteil vom 16. Oktober 2020 - 11 U 2/20 -, Rn. 58 m.w.N., zitiert nach juris), als unzulässige Abschalteinrichtung nach Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007, welche neben einer erhöhten Belastung der Umwelt mit Stickoxiden auch - wie die verpflichtenden Rückrufe und die Anforderung eines Updates durch das Kraftfahrtbundesamt zeigen - mit der Gefahr einherging, dass bei einer Aufdeckung dieses Sachverhalts eine Betriebsbeschränkung oder -untersagung hinsichtlich der betroffenen Fahrzeuge hätte erfolgen können (BGH, Urteil vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19 -, Rn. 16, 19 ff., zitiert nach juris; OLG Koblenz, a.a.O, Rn. 38; OLG Oldenburg, a.a.O., Rn. 89; OLG Naumburg, a.a.O., Rn. 63).

    Soweit die Beklagte argumentiert, die Aufwärmfunktion habe anders als die „Umschaltlogik“ bei EA 189-Motoren mit dem Regelbetrieb des Fahrzeugs nichts zu tun (sondern reduziere die Stickoxidemissionen in den ersten Minuten nach dem Kaltstart) und das Softwareupdate schaffe nun keine neue Funktion, sondern weite diese Funktion auf den Straßenbetrieb aus, ist diese Differenzierung zwischen Ausweitung einer bestehenden und Schaffung einer neuen Funktion irrelevant. Entscheidend ist, dass durch die enge, auf den Betrieb im NEFZ und die dort definierten Prüfbedingungen zugeschnittene Bedatung der Aufwärmfunktion im realen Straßenverkehr im Regelfall zusätzliche Emissionen ausgestoßen werden (vgl. OLG Koblenz, a.a.O, Rn. 37). Es mag sein, dass die erhöhten Emissionen „nur“ beim Kaltstart ausgestoßen werden anstatt ständig bei Betrieb des Fahrzeugs. Das macht die Abschalteinrichtung in Ermangelung ersichtlicher legitimer Zwecke aber nicht zulässig (vgl. OLG Oldenburg, a.a.O., Rn. 98; OLG Naumburg, a.a.O., Rn. 58).

    Das von der Beklagten verfolgte, an sich erlaubte Ziel der Erhöhung des Gewinns wird im Verhältnis zu dem Käufer eines der betroffenen Fahrzeuge dann verwerflich, wenn es - wie hier - auf der Grundlage einer strategischen Unternehmensentscheidung durch arglistige Täuschung der zuständigen Typgenehmigungs- und Marktüberwachungsbehörde - des KBA (§ 2 Abs. 1 EG-FGV) - erreicht werden soll und dies mit einer Gesinnung verbunden ist, die sich sowohl im Hinblick auf die für den einzelnen Käufer möglicherweise eintretenden Folgen und Schäden als auch im Hinblick auf die insoweit geltenden Rechtsvorschriften, insbesondere zum Schutz der Gesundheit der Bevölkerung und der Umwelt, gleichgültig zeigt (BGH, a.a.O., Rn. 22). Hinzu kommt das geschaffene System der planmäßigen Verschleierung des Vorgehens gegenüber den Aufsichtsbehörden sowie - nach dem Inverkehrbringen der Fahrzeuge - gegenüber den Verbrauchern (OLG Koblenz, a.a.O., Rn. 49; OLG Oldenburg, a.a.O., Rn. 97). Dementsprechend war das Handeln der Beklagten hier nach einer zusammenfassenden Würdigung der vorliegenden Umstände objektiv sittenwidrig (BGH, a.a.O., Rn. 22 ff.).

    Die Sittenwidrigkeit war - anders als in Fällen betreffend den Motor EA 189 (BGH, Urteil vom 30. Juli 2020 - VI ZR 5/20 -, Rn. 38 m.w.N., zitiert nach juris) - zum Zeitpunkt des nach September 2015 erfolgten Vertragsschlusses auch noch nicht wieder entfallen, denn die Beklagte hatte ihre strategische unternehmerische Entscheidung, im eigenen Kosten- und Gewinninteresse das Kraftfahrtbundesamt und letztlich die Fahrzeugkäufer zu täuschen, zu diesem Zeitpunkt betreffend den streitgegenständlichen Motor nicht durch die Strategie ersetzt, an die Öffentlichkeit zu treten (OLG Naumburg, a.a.O., Rn. 62; OLG Koblenz, a.a.O., Rn. 53).

    c) Die grundlegende strategische Entscheidung der Beklagten zur Entwicklung und Verwendung der unzulässigen Abschalteinrichtung ist nach dem als unstreitig zugrunde zu legenden Vortrag des Klägers mit Wissen des vormaligen Vorstandes der Beklagten oder zumindest einzelner Vorstandsmitglieder oder jedenfalls Repräsentanten im Sinne von § 31 BGB getroffen worden und der Beklagten damit gemäß § 31 BGB zuzurechnen.

    Der Kläger durfte aufgrund gegebener tatsächlicher Anhaltspunkte in prozessual zulässiger Weise vortragen, dass der Vorstand der Beklagten sowie der als verfassungsmäßig berufener Vertreter des Vorstands gemäß § 31 BGB anzusehende Leiter des Entwicklungsteams des streitgegenständlichen Motorsüber den Einbau der gesetzwidrigen Motorsteuerungssoftware Bescheid gewusst hätten (S. 22 ff. der Klageschrift = Bl. 24 ff. d.A.; S. 24 der Replik = Bl. 178 d.A.). Hierfür spricht nicht nur der Umstand, dass es sich bei der Verwendung der unzulässigen Abschalteinrichtung um eine grundlegende, weltweit alle Fahrzeuge mit den Motoren der Serie - 127.000 selbst hergestellte Fahrzeuge sowie eine unbekannte Zahl an mit ihren Motoren ausgestatteten Fahrzeugen anderer Hersteller wie Volkswagen und Porsche - betreffende Strategieentscheidung handelte, die mit erheblichen Risiken für den gesamten Konzern und mit persönlichen Haftungsrisiken für die entscheidenden Personen verbunden war, sondern auch die Bedeutung gesetzlicher Grenzwerte und der technischen und wirtschaftlichen Möglichkeiten ihrer Einhaltung für die Geschäftstätigkeit der Beklagten (BGH, a.a.O., Rn. 39; vgl. auch OLG Koblenz, a.a.O., Rn. 63; OLG Naumburg, a.a.O., Rn. 64; OLG Oldenburg, a.a.O., Rn. 76).

    Die Beklagte trifft danach unter Berücksichtigung der vom Bundesgerichtshof in der zitierten Entscheidung näher dargestellten Maßstäbe (siehe dazu im Einzelnen BGH, a.a.O., Rn. 35-39) eine sekundäre Darlegungslast dafür, dass ihr vormaliger Vorstand von der Entwicklung und Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung keine Kenntnis hatte. Es oblag der Beklagten daher zumindest, zu ihrer damaligen Organisationsstruktur und Arbeitsorganisation, den damaligen internen Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten, den Berichtspflichten und den von ihr veranlassten Ermittlungen vorzutragen (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 40).

    Sie hat aber erstinstanzlich überhaupt keinen derartigen Vortrag gehalten und zweitinstanzlich auch nur pauschal behauptet, der Vorstand habe „nach dem derzeitigen Ermittlungsstand“ - welcher nicht ansatzweise dargestellt worden ist - von der Entwicklung und Verwendung der Software keine Kenntnis gehabt (S. 11 f. des Schriftsatzes vom 17. Juli 2020 = Bl. 384 f. d.A.). Unabhängig von der Frage der Zulassungsfähigkeit dieses Vorbringens im Hinblick auf § 531 Abs. 2 ZPO ist die Beklagte somit ihrer sekundären Darlegungslast nicht hinreichend nachgekommen. Mithin gilt der Vortrag der Klägerseite zur Kenntnis des Vorstands der Beklagten nach § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 37).

    d) Dem Kläger ist durch das sittenwidrige Verhalten der Beklagten im Sinne des § 249 Abs. 1 BGB ein Schaden entstanden, der in dem Abschluss des Kaufvertrags über das mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehene Fahrzeug liegt. Nach den vom Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 25. Mai 2020 im Einzelnen überzeugend dargestellten rechtlichen Maßstäben kann sich ein Vermögensschaden in Fällen, in denen jemand durch ein haftungsbegründendes Verhalten zum Abschluss eines Vertrages gebracht wird, den er sonst nicht geschlossen hätte, auch bei objektiver Werthaltigkeit von Leistung und Gegenleistung daraus ergeben, dass die Leistung für seine Zwecke nicht voll brauchbar ist. Voraussetzung ist dafür allerdings, dass die Verkehrsanschauung den Vertragsschluss den Umständen nach als unvernünftig und nachteilig ansieht (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 46). In diesem Sinne hat die Beklagte den Kläger in Übereinstimmung mit dem Sachverhalt, der der Entscheidung des Bundesgerichtshofes zugrunde lag, durch ihr einer arglistigen Täuschung gleichstehendes sittenwidriges Verhalten zum Abschluss des Kaufvertrages über das mit der unzulässigen Abschalteinrichtung versehene Fahrzeug veranlasst und den Kläger damit geschädigt, weil er eine für seine Zwecke nicht voll brauchbare Gegenleistung erhalten hat, die den Vertragsschluss nach der Verkehrsanschauung als unvernünftig und nachteilig erscheinen lässt.

    Der Senat ist davon überzeugt, dass der Kläger den Kaufvertrag über das von ihm im Folgenden nicht weiterveräußerte, sondern selbst genutzte Fahrzeug nicht abgeschlossen hätte, wenn er von der unzulässigen Abschalteinrichtung und der daraus resultierenden Gefahr einer Betriebsbeschränkung oder -untersagung Kenntnis gehabt hätte. Maßgebend ist dabei der Erfahrungssatz, dass ein Käufer, der ein Kraftfahrzeug zur eigenen Nutzung erwirbt, bei Kenntnis der Gefahr einer Betriebsbeschränkung oder -untersagung von dem Erwerb des Fahrzeugs abgesehen hätte (BGH, a.a.O., Rn. 51). Anstelle einer Darstellung weiterer Einzelheiten wird auf die die Feststellung eines Vermögensschadens betreffende Würdigung des Bundesgerichtshofes (a.a.O., Rn. 44-59) Bezug genommen, aus der sich insbesondere auch ergibt, dass der durch den ungewollten Vertragsschluss entstandene Schadensersatzanspruch, der sich darauf richtet, dass der Kläger so gestellt wird, als ob er den Vertrag nicht abgeschlossen hätte (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 55), nicht dadurch berührt wird, dass der Kläger ein durch den Hersteller zur Beseitigung des Mangels des Fahrzeugs entwickeltes Software-Update hat durchführen lassen (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 58).

    Die von der Beklagten gegenbeweislich erstmals in der Berufungsinstanz (S. 10 des Schriftsatzes vom 17. Juli 2020 = Bl. 383 d.A.) angebotene Parteivernehmung des Klägers ist gemäß § 531 Abs. 2 ZPO nicht mehr berücksichtigungsfähig, nachdem die Beklagte dessen durch die Klägerseite angebotener Parteivernehmung erstinstanzlich noch ausdrücklich widersprochen hatte. Die Beklagte trägt unabhängig davon aber auch nicht vor, weshalb der Kläger entgegen der zu Grunde zu legenden Annahme, dass vernünftige Kunden von dem Erwerb eines manipulierten Fahrzeugs regelmäßig Abstand nehmen, hier ausnahmsweise unvernünftig hätte handeln und dennoch erwerben sollen. Die Beklagte hat sich darauf beschränkt, den klägerischen Vortrag zur Kausalität zu bestreiten, ohne auch nur ansatzweise zu erläutern, woraus sich Anhaltspunkte für die Motivation zum Erwerb eines mit einer Stilllegung bedrohten Fahrzeugs hätte ergeben sollen.

    Es ist nach den vom Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 25. Mai 2020 (a.a.O., Rn. 60-63) dargestellten Maßstäben auch ein auf den ungewollten und unvernünftigen Vertragsabschluss bezogener Schädigungsvorsatz der auf Seiten der Beklagten im Sinne des § 31 BGB haftungsbegründend handelnden Personen feststellbar. Der Senat hat vor dem Hintergrund, dass der Vorstand der Beklagten oder zumindest einzelne seiner Mitglieder Kenntnis von der mit der Entwicklung und Verwendung der unzulässigen Abschalteinrichtung verbundenen strategischen Entscheidung hatten und diese auch jahrelang umgesetzt wurde, keine Zweifel daran, dass die betreffenden Vorstandsmitglieder die mit dem ungewollten Vertragsabschluss eines Käufers verbundene Schädigung vorausgesehen und zur Erreichung der mit der strategischen Entscheidung angestrebten Zwecke billigend in Kauf genommen haben.

    e) Nach alledem kommt es auf die Zulassungsfähigkeit und Substantiiertheit der erstmals in der Berufungsbegründung aufgestellten Behauptung des Klägers, das Fahrzeug verfüge über ein „übergroßes Thermofenster“, nicht an.

    2. Betreffend die Schadenshöhe ist Grundlage der Schadensberechnung der gezahlte Brutto-Kaufpreis. Soweit die Beklagte erstmals in der Berufungserwiderung vorgetragen hat, der Kläger sei vorsteuerabzugsberechtigt, so dass die Umsatzsteuer lediglich einen von ihm nicht zu tragenden durchlaufenden Posten darstelle, erfolgte dies ohne jeglichen sonst ersichtlichen Bezug auf den erstinstanzlichen Vortrag beider Seiten einschließlich der eingereichten Anlagen. Möglicherweise handelte es sich um einen versehentlich verwendeten Textbaustein, wofür auch der unzutreffende Verweis auf S. 2 des landgerichtlichen Urteils (= Bl. 236 d.A.) spricht.

    Ob dieser der klägerischen Schilderung des Fahrzeugkaufs nicht entsprechende Vortrag im Hinblick auf § 531 Abs. 2 ZPO berücksichtigungsfähig ist, kann dahinstehen. Denn jedenfalls ist der Vortrag betreffend einen derartigen von der Beklagten darzulegenden und zu beweisenden Vorteilsausgleich erläuterungsbedürftig und daher in seiner Pauschalität nicht hinreichend substantiiert. Die Beklagte hat den Vortrag in keiner Weise erläutert, sondern an ihm im Gegenteil in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 20. Januar 2021 nicht mehr festgehalten. Sie hat dort vielmehr unter Zugrundelegung ihrer Rechtsauffassung eine Zuvielforderung von 15.038,23 Euro errechnet und ist dabei ersichtlich vom Bruttokaufpreis ausgegangen. Auch dieser Umstand spricht im Übrigen für die obige Vermutung, der Vortrag in der Berufungserwiderung sei nur versehentlich gehalten worden.

    3. Der Kläger muss sich nach der überzeugenden Würdigung des Bundesgerichtshofes im Urteil vom 25. Mai 2020 (a.a.O., Rn. 64-77), auf die der Senat Bezug nimmt, im Wege des schadensrechtlichen Vorteilsausgleichs die bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz gezogenen Nutzungen des Kraftfahrzeugs anrechnen lassen. Der Senat bemisst die Höhe der Nutzungsvorteile des Klägers in Ausübung seines Ermessens gemäß § 287 ZPO in Übereinstimmung mit der vom Bundesgerichtshof im Urteil vom 25. Mai 2020 (a.a.O., Rn. 80-83) gebilligten Berechnungsweise, indem er ausgehend von einer geschätzten Gesamtlaufleistung des Fahrzeugs von 300.000 Kilometern den vom Kläger gezahlten Bruttokaufpreis von 63.816,44 Euro durch die bei dem Neufahrzeug zum Erwerbszeitpunkt zu erwartende Laufleistung von 300.000 Kilometern teilt und mit den bis zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren gefahrenen Kilometern multipliziert.

    Hier wurde der Kilometerstand zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz nicht vorgetragen. Allerdings betrug er unstreitig zwei Tage zuvor 60.682 Kilometer, so dass mangels abweichender Anhaltspunkte im Wege der Schätzung gemäß § 287 ZPO von einer gleichmäßigen - der sonstigen durchschnittlichen Fahrleistung zwischen den mündlichen Verhandlungen in beiden Instanzen am 5. September 2019 sowie am 20. Januar 2021 entsprechenden - Zunahme der Fahrleistung von 42 Kilometern bis zur mündlichen Verhandlung und mithin von einem Kilometerstand von 60.724 Kilometern auszugehen ist. Es errechnet sich daraus ein auszugleichender Vorteil des Klägers in Höhe von 12.917,30 Euro. Es verbleibt daher von dem Kaufpreis ein Betrag in Höhe von 50.899,14 Euro.

    4. Der zuerkannte Zinsanspruch ergibt sich ab dem Tag nach Eintritt der Rechtshängigkeit aus den §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB. Verzugszinsen vor dem Eintritt der Rechtshängigkeit kann der Kläger hingegen nicht verlangen, denn er hatte die Beklagte vorgerichtlich nicht wirksam in Verzug gesetzt. In dem Schreiben seiner Bevollmächtigten vom 21. Februar 2019 (Anlage K4 = Bl. 39 d.A.) verlangte er Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs den Kaufpreis zwar abzüglich einer Nutzungsentschädigung, berechnete diese jedoch auf der Basis einer Gesamtfahrleistung von 500.000 Kilometern erheblich zu gering. Dies stellte eine deutliche Zuvielforderung (von rund sieben Prozent der gerechtfertigten Forderung) dar, so dass die Beklagte durch das Schreiben nicht in Verzug geriet (vgl. BGH, Urteil vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19 -, Rn. 86, zitiert nach juris).

    Die Prozesszinsen waren bis zur mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht nicht aus dem letztlich in der Hauptsache zuerkannten Betrag, sondern aus einem erhöhten Betrag zuzusprechen. Denn es war zu berücksichtigen, dass der Kaufpreiserstattungsanspruch erst infolge der seit Rechtshängigkeit gefahrenen Kilometer auf den zuerkannten Betrag herabgesunken ist (BGH, Urteil vom 30. Juli 2020 - VI ZR 397/19 -, Rn.38, zitiert nach juris). Einen Tag nach Rechtshängigkeit, welche am 10. April 2019 eintrat, betrug der Kilometerstand nach der gemäß § 287 ZPO erfolgten Schätzung des Senats, die von einer gleichmäßigen der sonstigen durchschnittlichen Fahrleistung zwischen dem außergerichtlichen Anwaltsschreiben vom 21. Februar 2019 sowie der mündlichen Verhandlung in der ersten Instanz am 5. September 2019 entsprechenden - Zunahme der Fahrleistung ausgeht, 44.009 Kilometer.

    Dies zugrunde gelegt, waren für diesen Tag Zinsen aus 54.454,78 Euro zuzusprechen (Nutzungsersatz damals: 63.816,44 Euro x 44.009 : 300.000 = 9.361,66 Euro). Für den Tag der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht waren hingegen Zinsen aus dem zuerkannten Betrag zuzusprechen. Der Mittelwert, aus dem Zinsen zuzusprechen sind, beträgt demnach 52.676,96 Euro. Dieser Mittelwert ist auch der Mittelwert aus den für den zweiten und den vorletzten Tag des Berechnungszeitraums zugrunde zu legenden Beträgen. Entsprechendes gilt für den dritten und den vorvorletzten Tag etc. bis schließlich für die zeitliche Mitte zwischen Rechtshängigkeit und mündlicher Verhandlung vor dem Berufungsgericht (vgl. die Gaußsche Summenformel). Nach diesem Prinzip liegt das dem Kläger zustehende rechnerische Mittel für diesen gesamten Zeitraum bei einer Verzinsung dieses Mittelwertes.

    5. Deliktszinsen kann der Kläger nach der überzeugenden Würdigung des Bundesgerichtshofes (Urteil vom 30. Juli 2020 - VI ZR 354/19 -, Rn. 19 m.w.N., zitiert nach juris), der sich der Senat anschließt, nicht verlangen. Danach steht der Anwendung des § 849 BGB schon der Umstand entgegen, dass der Kläger als Gegenleistung für die Hingabe des Kaufpreises ein in tatsächlicher Hinsicht voll nutzbares Fahrzeug erhielt. Zwar hat der Kläger durch den ungewollten Vertragsschluss einen Schaden erlitten, weil dem Fahrzeug eine Betriebsbeschränkung oder -untersagung drohte und im Zeitpunkt des Erwerbs nicht absehbar war, ob überhaupt, wenn ja zu welchem Zeitpunkt und wie - vor allem ohne Nachteil für den Käufer - der Mangel behoben werden kann. Gleichwohl war das Fahrzeug im Streitfall aber tatsächlich nutzbar, weil sich die bestehende Gefahr nicht realisierte. Die tatsächliche Möglichkeit, das Fahrzeug zu nutzen, kompensierte damit den Verlust der Nutzungsmöglichkeit des Geldes.

    6. Der Antrag auf Feststellung des Annahmeverzugs ist nicht begründet. Wie bereits oben ausgeführt, hatte der Kläger mit Schreiben seiner Bevollmächtigten vom 21. Februar 2019 (Anlage K4 = Bl. 39 d.A.) erheblich zu viel gefordert. Hinzu kamen im gerichtlichen Verfahren noch die zu viel verlangten Deliktszinsen, so dass durchgehend ein deutlich zu hoher Schadensersatzanspruch geltend gemacht wurde (BGH, Urteil vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19 -, Rn. 85, zitiert nach juris).

    7. Außergerichtliche Rechtsanwaltskosten kann der Kläger nur in dem Umfang verlangen, in welchem das außergerichtliche Tätigwerden berechtigt war.

    Die Höhe des Anspruchs beläuft sich für den Zeitpunkt des vorgerichtlichen Tätigwerdens der Prozessbevollmächtigten des Klägers durch das als Anlage zur Klageschrift vorgelegte Anwaltsschreiben vom 21. Februar 2019 auf eine 1,3-Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2300 VV RVG - unter Berücksichtigung der klägerischen Beschränkung auf die nicht anzurechnende Gebühr mithin 0,65 - nebst Post- und Telekommunikationspauschale und 19 % Umsatzsteuer. Ein höherer erstattungsfähiger Gebührensatz kommt gemäß § 14 Abs. 1 RVG unter Berücksichtigung von Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit nicht in Betracht und ist auch im Hinblick auf sonstige für die Gebührenbemessung relevante Umstände durch den Kläger nicht schlüssig dargelegt worden. Die Gebührenbemessung ist ferner auch unter dem Aspekt des dem Rechtsanwalt bei der Bemessung von Rahmengebühren gemäß § 14 Abs. 1 RVG zustehenden Ermessensspielraums nicht der gerichtlichen Überprüfung entzogen (vgl. BGH, Urteil vom 5. Februar 2013 - VI ZR 195/12 -, Rn. 7 f., zitiert nach juris).

    Die Gebühr ist unter Berücksichtigung des sich aus dem Schreiben ergebenden und nach den vorstehenden Ausführungen gerechtfertigten Gegenstandswerts der anwaltlichen Tätigkeit aus der Gebührenstufe bis zu 65.000,- Euro zu berechnen. Zum Zeitpunkt des außergerichtlichen Tätigwerdens am 21. Februar 2019 waren erst 42.000 Kilometer gefahren worden und war dementsprechend weniger Nutzungsersatz abzuziehen. Der Senat ermittelt so einen damaligen Gegenstandswert, der zwischen 50.000,- und 65.000,- Euro liegt.

    8. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO. Bei der Kostenentscheidung war auch das Unterliegen des Klägers mit den von ihm geltend gemachten Zinsen, insbesondere den Deliktszinsen, zu berücksichtigen, auch wenn diese nicht streitwertrelevant sind (vgl. Zöller-Herget, ZPO, § 92, Rn. 3). Die divergierenden Kostenentscheidungen für die beiden Rechtszüge resultieren daraus, dass der klägerische Anspruch in der ersten Instanz - insbesondere zum Zeitpunkt der Klageeinreichung und vor der bei der Kostenverteilung zugunsten des Klägers zu berücksichtigenden Erledigungserklärung in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht - wegen der weniger gefahrenen Kilometer noch etwas höher war.

    Die Revision war mangels des Vorliegens der Voraussetzungen von § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht zuzulassen, nachdem der Bundesgerichtshof die hier maßgeblichen Fragen nach Ergehen des erstinstanzlichen Urteils in seinen Entscheidungen zum Motor EA 189 bereits geklärt hat (insbesondere durch Urteil vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19 -, zitiert nach juris). Die Wertungen des Bundesgerichtshofes sind angesichts der hier eingebauten Prüfstandmanipulation ohne Weiteres auf den vorliegenden Fall übertragbar (vgl. OLG Naumburg, a.a.O., Rn. 76). Der Kläger hatte mit der Berufungsbegründung die Zulassung der Revision angeregt, dies aber wohl bloß im Hinblick auf die zwischenzeitlich ebenfalls geklärte Frage der Deliktszinsen (vgl. S. 27 der Berufungsbegründung = Bl. 288 d.A.).

    Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, § 711 Satz 1 und 2 in Verbindung mit § 709 Satz 2 ZPO.

    RechtsgebietBGBVorschriften§ 291 BGB, § 826 BGB