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  • 07.09.2020 · IWW-Abrufnummer 217712

    Amtsgericht Singen: Urteil vom 19.06.2020 – 1 C 187/19

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Aktenzeichen: 1 C 187/19
             
    Amtsgericht Singen

    Im Namen des Volkes    

    Urteil

    In dem Rechtsstreit


    - Kläger -

    Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt …

    gegen


    - Beklagter -

    Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte …

    wegen Forderung

    hat das Amtsgericht Singen durch den Direktor des Amtsgerichts xxx aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 28.05.2020 für Recht erkannt:

    1. Die Klage wird abgewiesen.
    2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
    3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leistet.
    Tatbestand

    Der Kläger begehrt vom Beklagten die Zahlung von 3.617,84 Euro an Schadensersatz.

    Am 25. Januar 2019 kaufte der Kläger vom Beklagten, der Inhaber eines Autohauses ist, einen gebrauchten Pkw, Marke Porsche, Typ Cayenne S V8, Erstzulassung Mai 2006, Laufleistung 167.665 km, 250 kW, 4511 ccm Hubraum, vier frühere Fahrzeughalter, zum Preis von 10.950,00 Euro. Die Parteien kamen überein, dass vor Übergabe die Heckklappe und das Radio/Navigationssystem repariert würden und die Hauptuntersuchung gemacht werde. Im schriftlichen Kaufvertrag (Anl. K 3, AS 27) wurde der Kläger - unter Durchstreichen von „Herrn/Frau“ - mit „Firma …“ aufgenommen. Weiter wurde unter dem Punkt „Zahlungsvereinbarungen“ mit einem Kreuz versehen: „für Vorsteuerabzugsberechtigte kein Umsatzsteuerausweis möglich, § 25a UStG“. Weiter heißt es darin: „Handelt der Käufer als Unternehmer, so wird folgendes vereinbart: [ab hier handschriftlich] Unter Ausschluß der Gewährleistungsgarantie (...)“. Das Auto holte der Kläger am 9. Februar 2019 beim Beklagten ab. Die Anzeige vom Kläger behaupteter Mängel und dessen Beseitigungsverlangen (Schreiben vom 30. Juli 2019, Anl. K 4, AS 29) wies der Beklagte zurück (Schreiben vom 13. August 2019).

    Der Kläger behauptet, Verbraucher zu sein und beim Verkaufsgespräch wiederholt darauf hingewiesen zu haben, Privatmann und kein Händler oder Unternehmer zu sein. Er arbeite als angestellter Informatiker und habe sich bis zuletzt in keinerlei Hinsicht unternehmerisch betätigt. Noch vor der Unterschrift habe ihn die mit der Sache befasste Ehefrau des Beklagten gefragt, ob er ein gewerblicher Käufer sei. Dies habe er verneint. Daraufhin habe sie entgegnet, sie wisse von nichts, das müsse aber so gemacht werden. Im Juli 2019 sei im Zuge des Kundendienstes festgestellt worden, dass das Getriebe (Kabelstrang/Wellendichtring) und der Klimakompressor undicht seien. Dies zu beheben, koste voraussichtlich 3.617,86 Euro netto.

    Auf den Gewährleistungsausschluss, so die Auffassung des Klägers, dürfe sich der Beklagte gemäß § 476 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht berufen. Dies gelte jedenfalls mit Bezug auf den Mangel am Getriebe, denn den habe der Beklagte arglistig verschwiegen.

    Der Kläger beantragt,

    1.    den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 3.617,86 Euro zu bezahlen;
    2.    den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger unter Berücksichtigung des § 15a RVG außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 218,72 Euro zu bezahlen.

    Der Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Er wendet ein, die Ehefrau des Beklagten habe dem Kläger gleich am Telefon erklärt, das Auto werde nicht an Endverbraucher, sondern nur an Gewerbetreibende/Ankäufer verkauft. Der Kläger habe erwidert, letzteres sei bei ihm der Fall. Auch im Verkaufsgespräch vor Ort habe die Ehefrau des Klägers mehrfach darauf hingewiesen, das Fahrzeug nur gewerblich zu verkaufen. Der Kläger habe wiederum bestätigt, das Fahrzeug für sich als Gewerbetreibenden zu kaufen. Um die angeblichen Mängel hätten weder Beklagte noch dessen Ehefrau nicht gewusst.

    Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie die Protokolle der mündlichen Verhandlung vom 13. Februar und vom 28. Mai 2020 verwiesen. Das Gericht hat die Parteien mündlich angehört. Auch hat es durch Zeugenvernehmung ihrer Ehefrauen Beweis erhoben.

    Entscheidungsgründe

    I.

    Die Klage ist zulässig, hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

    II.

    Der Kläger hat gegenüber dem Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung von 3.617,84 Euro an Schadensersatz gemäß §§ 433 Abs. 1 Satz 2, 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2, 437 Nr. 3, 440 BGB.
    Der vertraglich vereinbarte Gewährleistungsausschluss ist wirksam (dazu 1). Ein arglistiges Verschweigen des Beklagten wird ins Blaue hinein behauptet und ist dem angebotenen Sachverständigenbeweis nicht zugänglich (dazu 2).

    1.
    Es kann dahinstehen, ob das verkaufte Auto die vom Kläger behaupteten anfänglichen Mängel hat. Weiter kann offenbleiben, ob die Ehefrau des Beklagten als dessen Vertreterin gesagt hat, nichts davon wissen zu wollen, dass der Kläger kein gewerblicher Käufer sei.

    Entscheidend ist vielmehr, dass zur Überzeugung des Gerichts Folgendes feststeht: Der Kläger hat im Verkaufsgespräch jedenfalls deutlich zu verstehen gegeben, das Auto privat kaufen zu wollen. So hat er davon gesprochen, ein solches Auto kriege man ja gar nicht als Verbraucher. Es werde einem nicht verkauft. Er sei schon bei mehreren Händlern gewesen, ohne Erfolg.

    Diese Feststellung stützt sich auf Folgendes: Auch im ersten Termin zur mündlichen Verhandlung ist der Kläger, ohne dass dies im Protokoll Niederschlag gefunden hätte, nicht müde geworden, wiederholt zu erklären, dass es für solche Autos, wie hier vom Beklagten erworben, keinen Markt für Privatkäufer gebe (s. S. 2 des Protokolls, AS 167: „In dieser Preisklasse werden heute kaum noch Autos verkauft.“). Die Zeugin E. hat insoweit im Fortsetzungstermin ausgesagt, ihr Ehemann, der Kläger, habe noch betont, „man bekomme als Privatmann schlecht solche Autos gebraucht“ (S. 2 des Protokolls, AS 199). Schließlich hat die Zeugin S. angegeben, der Kläger habe erwähnt, schon mehrere solche Autos angeguckt zu haben. Doch keiner der Händler verkaufe solche Autos an Endverbraucher (S. 3 des zweiten Protokolls, AS 201).

    Weiter steht fest, dass sich der Kläger sehenden Auges darauf eingelassen hat, einen Kaufvertrag zu schließen, in dem er als Unternehmer aufgeführt wurde. Hierauf ließ er sich ein, weil er keinen anderen Weg für sich sah, ein solches Gebrauchtfahrzeug zu einem solchen Preis zu bekommen, weder von dem Beklagten noch von sonst einem gewerblichen Händler. Nach wiederholt vergeblichen Anläufen war er, um dieses Ziel zu erreichen, auch bereit, sich wie ein gewerblicher Käufer behandeln zu lassen und einen Gewährleistungsausschluss hinzunehmen.

    Diese Feststellung stützt sich auf das mündliche Vorbringen des Klägers (S. 2 des ersten Protokolls, AS 167, vorletzter Absatz), ferner auf die Angabe seiner als Zeugin vernommenen Ehefrau nach Vorhalt der Fassung des schriftlichen Vertrages: „Mein Mann sagte ja, er sei Privatmann. Er wollte aber ja das Auto. Darum hat er den Vertrag unterschrieben“ (S. 2 des zweiten Protokolls, AS 199). Außerdem fußt diese Feststellung auf der Aussage der Zeugin S., wonach der Kläger „ja etwas an Sicherheit“ habe haben wollen. Daraufhin habe sie ihm gesagt, er bekomme den Wagen „TÜV neu“. Damit sei er einverstanden gewesen (S. 3 des zweiten Protokolls, AS 201).

    Dem Ansinnen des Klägers, von der gängigen Praxis des Beklagten und sonstiger Gebrauchtwagenhändler eine Ausnahme zu machen und ihm als Verbraucher doch die Möglichkeit zu eröffnen, ein solches Auto gebraucht zu erwerben, gab der durch seine Ehefrau vertretene Beklagte nach. Der Gewährleistungsausschluss war die conditio sine qua non dafür, dass der Kläger als Käufer akzeptiert wurde. Umgekehrt war der Kläger hierfür bereit, sich wie ein Unternehmer behandeln zu lassen, den Vertrag entsprechend zu fassen und darin, wie stets gegenüber gewerblichen Käufern, die Gewährleistung auszuschließen. Der Kläger holte gleichsam als Kompensation für diesen Rechtsverzicht Folgendes heraus, was der Klägervertreter eigens im - nicht nachgelassenen - Schriftsatz vom 15. Juni 2020 noch einmal übersichtlich zusammengestellt hat: die Instandsetzung von Radio/Navigationsgerät und Heckklappe, einen zusätzlichen Satz Sommerreifen, die Vorstellung des Autos zur Hauptuntersuchung (“TÜV neu“).

    Unter diesen Umständen erachtet es das Gericht für treuwidrig, nunmehr geltend zu machen, es habe sich entgegen des vertraglichen Wortlauts der Sache nach um einen Verbrauchsgüterkauf im Sinne von § 474 Abs. 1 Satz 1 BGB gehandelt und § 476 Abs. 1 Satz 1 BGB stehe der Einwendung des Beklagten entgegen, sich auf den Gewährleistungsausschluss zu berufen.

    Auch in diesem besonderen Fall erscheint als „nicht legitim, dass der Verbraucher einen doppelten Vorteil - Preisnachlass und Schutzvorschriften - und der Unternehmer einen doppelten Nachteil - Gewährung einer Preisreduktion bei dennoch voller Inanspruchnahme - erleidet [, zumal] das Europäische Verbraucherrecht [...] nur nach „Waffengleichheit“, nicht nach zwingender Bevorzugung des Verbrauchers [strebt]“ (so für eine weitere Fallgruppe BeckOGK/Augenhofer, BGB, § 474 BGB Rn. 77; ähnlich Naidecki, Rollenwechsel beim Verbrauchsgüterkauf, ZGS 2009, 155, 156). Zu diesem Ergebnis kommt man auch, wenn man mit Weidenkaff (Palandt, BGB, 79. Aufl. 2020, § 474 Rn. 4) in der ausdrücklichen Bestätigung des Verbrauchers, Unternehmer zu sein, nur dann eine Umgehung im Sinne von § 476 Abs. 1 Satz 2 BGB sieht, wenn der Verkäufer „böswillig“ handelt, also nicht lediglich bösgläubig ist. Von „Böswilligkeit“ kann beim Kläger und dessen Stellvertreterin im gegebenen Fall keine Rede sein.

    Der der maßgeblichen Richtlinie und der entsprechenden gesetzlichen Regelung zugrundeliegende Zweck, Verbraucher vor vertragsmäßiger Benachteiligung zu schützen, lässt sich hier nicht geltend machen. Der Wille zum Vertrag lag hier ganz wesentlich auf Seiten des Klägers. Er wollte den fast 13 Jahre alten, stark motorisierten SUV aus dem Hochpreissegment partout verkauft bekommen und gewann den durch seine Ehefrau vertretenen Beklagten dafür, doch in seinem besonderen Fall eine Ausnahme zu machen und ihm einen Gebrauchtwagenmarkt zu eröffnen, der ihm sonst verschlossen war.

    Mit anderen Worten verdient unter diesen besonderen Umständen nicht der Kläger den Schutz der §§ 474 ff. BGB, sondern der Beklagte verdient den Schutz der §§ 133, 157, 242 BGB. Es erscheint als allein billig und gerecht, den Kläger an dem Vertrag festzuhalten und ihn so zu behandeln, wie er dies bei Vertragsschluss vereinbarte, um sein singuläres Konsumerlebnis zu verwirklichen.

    Es kommt hinzu, dass § 476 Abs. 3 BGB ausdrücklich anordnet, der Anspruch auf Schadensersatz, wie er hier geltend gemacht wird, stehe zur Disposition des Verbrauchers und dürfe ausgeschlossen werden. Auch diese gesetzgeberische Entscheidung rechtfertigt im gegebenen Fall, den vom Kläger geltend gemachten Schadensersatzanspruch als wirksam vertraglich ausgeschlossen anzusehen.

    2.
    Ungeachtet der Frage, ob die Voraussetzungen des § 166 Abs. 2 Satz 1 BGB hier zu bejahen wären, macht der Kläger ebenfalls ohne Erfolg geltend, die Einwendung des Gewährleistungsausschlusses scheitere zumindest teilweise daran, dass der Beklagte eine der behaupteten Mangelerscheinungen arglistig verschwiegen habe (§ 444 BGB).

    Diese bestrittene Behauptung ist nicht nur gänzlich unsubstantiiert geblieben, sie ist auch nicht in geeigneter Weise unter Beweis gestellt worden. Die Kenntnis des Beklagten und dessen innere Tatseite im Zeitpunkt des Vertragsschlusses ist dem Sachverständigenbeweis nicht zugänglich. Bei dem Vorbringen, dem Beklagten könne nicht entgangen sein, dass das Getriebe undicht gewesen sei, weil zwangsläufig „entsprechende“ Öltropfen (auf dem Stellplatz und dem Boden der Ausstellungshalle) hätten erkennbar gewesen sein müssen, ist eine bloße Mutmaßung und stellt eine Behauptung ins Blaue hinein dar. Zu Recht ist in der mündlichen Verhandlung darum von Seiten des Beklagten die Frage aufgeworfen worden, wie der Kläger zu dieser Behauptung komme, sei ihm doch offenbar selbst über Monate hinweg (Übergabe des Autos im Februar, Service im Juli 2019) nichts dergleichen aufgefallen. Der Kläger ist die Antwort darauf schuldig geblieben. Unter dieser Voraussetzung aber, doch auch ohnedies ist ausgeschlossen, ein Gerichtssachverständiger könne ohne weitere Anknüpfungstatsachen zur Einschätzung gelangen, das Getriebe müsse in dem - nicht bekannten - Zeitraum, in dem der Beklagte im Besitz des Autos gewesen sei, Öl in auffälligem Maße verloren haben, welchen Umstand der Beklagte müsse mitbekommen und daraus den sicheren Schluss gezogen haben, das Auto habe einen Defekt.

    III.

    Mangels Hauptforderung hat der Kläger auch keinen Anspruch darauf, die ihm aus der vorgerichtlichen Geltendmachung dieses Anspruchs entstandenen Kosten ersetzt zu verlangen.
    Im Übrigen wären diese Kosten auch sonst nicht ersatzfähig, da sich der Beklagte im Zeitpunkt der vorgerichtlichen Beauftragung des Klägervertreters mit der Erfüllung eines Gewährleistungsanspruchs nicht in Verzug befand (vgl. §§ 280 Abs. 2, 286 Abs. 1, 288 Abs. 4 BGB).

    IV.

    Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit stützt sich auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

    Rechtsbehelfsbelehrung:


     
    Gegen die Entscheidung kann das Rechtsmittel der Berufung eingelegt werden. Die Berufung ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 600 Euro übersteigt oder das Gericht des ersten Rechtszuges die Berufung im Urteil zugelassen hat.

    Die Berufung ist binnen einer Notfrist von einem Monat bei dem

    Landgericht Konstanz
    Untere Laube 27
    78462 Konstanz

    einzulegen.

    Die Frist beginnt mit der Zustellung der vollständigen Entscheidung, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung der Entscheidung.

    Die Berufung muss mit Schriftsatz durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt eingelegt werden. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung der angefochtenen Entscheidung und die Erklärung enthalten, dass Berufung eingelegt werde.

    Die Berufung muss binnen zwei Monaten mit Anwaltsschriftsatz begründet werden. Auch diese Frist beginnt mit der Zustellung der vollständigen Entscheidung.

    Rechtsbehelfe können auch als elektronisches Dokument eingelegt werden. Eine Einlegung per E-Mail ist nicht zulässig. Wie Sie bei Gericht elektronisch einreichen können, wird auf www.ejustice-bw.de beschrieben.





     
    Daun
    Direktor des Amtsgerichts
     

    Verkündet am 19.06.2020


    ________________
    Urkundsbeamter der Geschäftsstelle