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  • 14.02.2013 · IWW-Abrufnummer 130457

    Landgericht Bremen: Urteil vom 28.01.2013 – 2 O 1795/11

    1. Selbst wenn die Mangelbeseitigungskosten weniger als 1% des Kaufpreises ausmachen, ist der Mangel nicht unerheblich i.S.d. § 323 Abs. 5 BGB, wenn eine erhebliche Funktionsbeeinträchtigung vorliegt. . Für die Beantwortung der Frage, ob ein Mangel erheblich oder unerheblich i.S.d. § 323 Abs. 5 BGB ist, ist zunächst auf den Zeitpunkt der Rücktrittserklärung abzustellen. Auf die Funktionsbeeinträchtigung kommt es dann an, wenn der Mangel nicht oder nur mit hohen Kosten behebbar ist oder die Mangelursache im Zeitpunkt der Rücktrittserklärung ungeklärt ist, weil auch der Verkäufer die tatsächliche Ursache nicht feststellen konnte. Ein zu diesem Zeitpunkt erheblicher Mangel wird nicht dadurch unerheblich, dass es im Verlauf des gerichtlichen Verfahrens gelingt, den Mangel zu beseitigen, z.B. durch den Sachverständigen.
    2. Zum Zinsanspruch trotz einer Zug-um-Zug Verurteilung.


    2 O 1795/11
    Tenor
    1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 19.761,04 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 06.07.2011 zu zahlen, und zwar Zug um Zug gegen Übergabe des Fahrzeuges Fiat Ducato mit der Fahrzeug-Identnummer ZFA …, sowie Mahnkosten von 1.023,16 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 10.11.2011 (Rechtshängigkeit) zu zahlen.
    2. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Fahrzeugrücknahme des unter Ziffer 1. Genannten Fahrzeuges seit dem 16.11.2011 in Annahmeverzug befindet.
    3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
    4. Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 8% und die Beklagte zu 92% mit Ausnahme der Kosten für die Einholung des Gutachtens des Sachverständigen Y, diese Kosten hat die Beklagte zu 100% zu tragen.
    5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar; für den Kläger jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages. Der Kläger darf die gegen ihn gerichtete Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
    Tatbestand
    Der Kläger begehrt die Rückabwicklung eines Gebrauchtwagenkaufes.
    Der Kläger ist Verbraucher. Die Beklagte betreibt einen Autohandel. Über eine im Internet geschaltete Anzeige („mobile.de“; vgl. Anlage K14, Bl. 62 d.A.) kamen die Parteien miteinander in Kontakt.
    Die Parteien einigten sich unter dem 07.10.2010 über den Kauf eines gebrauchten Kfz „Fiat Ducato“, 26 Monate alt, Erstzulassung 19.08.2008, Laufleistung: 19.207 km, zu einem Kaufpreis von 21.500,00 €, wobei wegen der weiteren Einzelheiten auf den schriftlichen Kaufvertrag vom 07.10.2010 Bezug genommen wird (vgl. Anlage K1, Bl. 6 d.A.).
    Der Kläger zahlte den Kaufpreis, die Übergabe des Kfz erfolgte ebenfalls am 07.10.2010 (vgl. Anlagen K1 und K2, Bl. 6 und 7 d.A.).
    Nachfolgend rügte der Kläger bei der Beklagten mehrfach Mängel an dem Kfz, unter anderem am 01.11.2010, 11.11.2010, 13.12.2010, 06.02.2011, 10.02.2011 (vgl. Bl. 14 ff. d.A.). Das Kfz war zum Zweck der Prüfung und Beseitigung gerügter Mängel mehrfach bei der Beklagten, wobei wegen der weiteren Einzelheiten auf die zur Akte gereichte Aufstellung des Klägers verwiesen wird (vgl. Anlage K17, Bl. 78 ff. d.A.). Die Beklagte verbrachte ihrerseits das Kfz zu der Firma X. GmbH, einem Vertragshändler für die Automarke Fiat, und ließ Reparaturarbeiten durchführen, wobei wegen der weiteren Einzelheiten auf die Rechnungen der Firma X. vom 30.11.2010, 02.03.2011, 11.03.2011 und 16.06.2011 Bezug genommen wird (Bl. 92 ff. d.A.).
    Mit Schreiben vom 22.06.2011, zugestellt am 24.06.2011, erklärte der Kläger gegenüber der Beklagten den Rücktritt und forderte fruchtlos zur Rückgabe des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgabe des streitgegenständlichen Kfz bis zum 06.07.2011 auf (vgl. Anlage K3, Bl. 8 f. d.A.).
    Anschließend mandatierte der Kläger seinen Prozessbevollmächtigten, der die Beklagte mit Schreiben vom 09.09.2011 nochmals fruchtlos zur Rückabwicklung des streitgegenständlichen Pkw-Kaufes aufforderte (vgl. Anlage K5, Bl. 11 f. d.A.). Der Prozessbevollmächtigte des Klägers stellte ihm für die außergerichtliche Tätigkeit ausgehend von einem Gegenstandswert von 20.000,00 € insgesamt 1.023,16 € in Rechnung (vgl. Bl. 13 d.A.).
    Mit der seit dem 10.11.2011 rechtshängigen Klage verfolgt der Kläger sein vorgerichtliches Rückzahlungsbegehren weiter und verlangt zudem Erstattung der vorgerichtlichen Anwaltskosten.
    Der Kläger trägt vor:
    Die Beklagte habe nicht alle gerügten Mängel in den Griff bekommen. Das streitgegenständliche Kraftfahrzeug weise nach wie vor mehrere Mängel auf. Der Motor habe Startprobleme und ginge von Zeit zu Zeit nach dem Starten ohne erkennbaren Anlass aus. Das Kfz sei dann erst nach mehrfachen Versuchen überhaupt wieder angesprungen. Seit dem 21.09.2011 sei das Fahrzeug fahruntüchtig, da der Motor nunmehr nicht mehr anspringen würde. Nach Einschalten der Zündung würden sich diverse Fehlermeldungen zeigen. Der Anlasser drehe nicht mehr. Offenkundig habe sich der von Beginn an bestehende Mangel manifestiert. Das Fahrzeug habe einen für den Kläger unbekannten Fehler, höchstwahrscheinlich in der Bordelektronik. Die Warnleuchte „Allgemeine Fehlermeldungen“ für Störungen des Motoröldrucksensors oder des Kraftfahrzeugsperrschalters würde immer wieder aufleuchten. Mit dieser Warnmeldung solle man gemäß Fahrzeughandbuch nicht weiter fahren, sondern sich in die nächste Werkstatt begeben.
    Im Fahrbetrieb würde das Kfz unvermittelt die Motorleerlaufdrehzahl anheben. Dadurch würde das Automatikfahrzeug auch entsprechend bei erhöhter Drehzahl hoch und auch in den Fahrstufen des Getriebes wieder herunterschalten. Dies würde sich negativ auf das Fahrverhalten und den Verbrauch auswirken. Ein erhöhter Verschleiß an Kupplung, Getriebe und Antrieb sei zu befürchten. Das Fahrzeug würde im Fahrbetrieb „ruckeln und rattern“, unzulänglich schalten und unhomogen selbsttätig bei erhöhten Drehzahlen zwischen den Fahrstufen hin- und herschalten. Folge sei, dass im langsamen Fahr- und Abbremsbetrieb noch gegen den höher drehenden Motor „gegen an“ gebremst werden müsse, woraus sich ein nicht hinnehmbares Fahrverhalten ergeben würde.
    Die Mängel hätten bei Gefahrübergang am 07.10.2010 vorgelegen.
    Neben dem Kaufpreis habe die Beklagte Kosterstattung für Aufwendungen der Nachbesserung und Mietwagen in Höhe von insgesamt 543,39 €, für notwendige Verwendungen in Höhe von 850,00 € und für Wertverbessernde Verwendungen in Höhe von ca. 1.700,00 € zu erstatten. Für die von ihm - unstreitig - gefahrenen 18.667 km müsse er sich - ausgehend von einer zu erwartenden Gesamtlaufleistung von 275.000 Km - 1.459,00 € anrechnen lassen. Seine Verwendungen würden die Nutzungen übersteigen, so dass er den vollen Kaufpreis verlangen könne.
    Der Kläger beantragt,
    1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn, den Kläger, 21.500,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 06.07.2011 Zug um Zug gegen Übergabe des Fahrzeuges Fiat Ducato mit der Fahrzeug-Identnummer ZFA….. sowie Mahnkosten von 1.023,16 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 10.11.2011 (Rechtshängigkeit) zu zahlen. 2. Festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Fahrzeugrücknahme seit dem 06.07.2011 in Verzug befindet.
    hilfsweise,
    1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn, den Kläger, 673,33 € (Minderung) sowie weitere 565,39 € (Schadenersatz) jeweils nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 06.07.2011 zu zahlen.
    2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn, den Kläger, Mahnkosten von 1.023,16 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 10.11.2011 (Rechtshängigkeit) zu zahlen.
    Die Beklagte beantragt,
    die Klage abzuweisen.
    Die Beklagte trägt vor:
    Sie, die Beklagte, habe die von dem Kläger gerügten Mängel stets ernst genommen und den Fiat-Fachhändler X. - unstreitig - mit der Mangelbeseitigung beauftragt. Die Fehlerliste des Klägers sei der Firma X. übergeben worden, die ihrerseits diese Liste abgearbeitet hätte. Alle von dem Kläger aufgeführten Mängel seien beseitigt worden.
    Das von dem Kläger beschriebene „Rattern beim Abbremsen“ und „Rucken bei dem Kaltstart“ sei kein Mangel; diese Erscheinung entspreche dem Serienstand.
    Zu berücksichtigen sei, dass der Kläger selbst Arbeiten an dem Kfz (Eingriffe) vorgenommen habe. Soweit die Mängel auf diesen Arbeiten beruhen würden, könne sie, die Beklagte, dafür nicht haftbar gemacht werden.
    Der Nutzungsersatz wäre von einer zu erwartenden Gesamtlaufleistung von 180.000,00 € zu berechnen.
    Der Rücktritt vom 22.06.2011 stelle ein widersprüchliches Verhalten des Klägers dar, da er am 04.06.2011 Mängel gerügt und eine Nacherfüllungsfrist bis zum 04.07.2011 gesetzt habe und innerhalb dieser Frist zurückgetreten sei.
    Nach der Beweisaufnahme hat die Beklagte vertreten, der festgestellte Mangel sei in Ansehung des Beseitigungsaufwandes in Höhe von 45,23 € geringfügig iSd § 323 Abs. 5 BGB.
    Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
    Die Kammer hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 30.03.2012 durch Einholung eines schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen Y. (vgl. Bl. 98 ff. d.A.). Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das schriftliche Gutachten des Sachverständigen vom 04.10.2012 Bezug genommen (Bl. 133 ff. d.A.).
    Entscheidungsgründe
    Die zulässige Klage hat überwiegend Erfolg.
    I.
    Die Klage ist zulässig.
    1. Der Klageantrag zu Ziffer 1. war - wie geschehen - dahingehend auszulegen (§ 133 BGB analog), dass der aus der Klage gestellte Antrag gestellt werden sollte, da - wie mit Schriftsatz vom 31.01.2012 angekündigt - eine korrigierte Antragstellung (vgl. Bl. 61 d.A.) nicht erfolgt ist, sondern „nur“ den Hilfsantrag ausformuliert worden ist.
    2. Der Feststellungsantrag zu Ziffer 2. ist zulässig. Das erforderliche Feststellungsinteresse (§ 256 ZPO) ist gegeben. Dies folgt aus §§ 756, 765 ZPO, d.h. der Erleichterung der Zwangsvollstreckung bei einer Zug-um-Zug-Verurteilung, wenn das Bestehen des Annahmeverzuges bereits gerichtlich festgestellt worden ist.
    II.
    Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von 19.761,04 € aus §§ 346, 347, 433, 434, 437 Nr. 2, 440, 323 BGB (Kaufpreis) Zug um Zug gegen Rückgabe des streitgegenständlichen Kfz sowie auf Zahlung von 1.023,16 € aus §§ 433, 434, 437 Nr. 3, 440, 280 BGB (RVG-Kosten).
    1. Zwischen den Parteien hatte ein Kaufvertrag (§ 433 BGB) bestanden. Es steht nicht im Streit, dass der Kläger bei der Beklagten das streitgegenständliche Fahrzeug zu einem Preis von 21.500,00 € erworben hat und sich die Parteien über einen Kauf (§ 433 BGB) des streitgegenständlichen Fiat Ducato entsprechend dem schriftlichen Vertrag vom 07.10.2010 (Bl. 6 d.A.) geeinigt hatten.
    2. Im Zeitpunkt der Rücktrittserklärung (22.06.2011) war ein Sachmangel iSd § 434 BGB gegeben. Dies steht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme mit der notwendigen Sicherheit für die Kammer fest.
    Der Sachverständige Y., der der Kammer als zuverlässiger Sachverständiger für den Kfz-Bereich bekannt ist, hat in seinem in sich schlüssigen, widerspruchsfreien und von den Parteien nicht angegriffenen Gutachten überzeugend ausgeführt, dass aus technischer Sicht an dem streitgegenständlichen Fahrzeug ein zähes Anlassverhalten des Starters vorgelegen hat, bei längeren Leerlaufphasen die Drehzahl des Motors plötzlich von 850 U/min auf 1250 U/min angehoben wurde und die Fehlerleuchte „Allgemeine Fehlermeldunga“ im Kombiinstrument des Kfz aufgeleuchtet hat. Nach den Ausführungen des Sachverständigen hatte diese Erscheinung ihre Ursache in steuerungs- und elektronisch bedingten Effekten, die durch eine Unterspannung an der Motorund Getriebeelektronik ausgelöst worden sind, dessen Ursache letztlich ein fehlerhaftes Massekabel war. Aufgrund des Zustandes des Massekabels, war von einem längerfristigen elektrischen Mangel auszugehen, gleichermaßen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ein Eingriff nach Herstellung des Kfz auszuschließen. Mit dem festgestellten Elektronikfehler liege die Steuerung des Antriebsstranges unterhalb des Notenkorridors. Nach dem Bewertungssystem würden ca. 62% der erreichbaren Punktzahl erreicht. Nur ohne den Elektronikfehler entspreche das Fahrzeug dem Stand der Technik. Die einzelnen Einwendungen und Fragen aus dem Beweisbeschluss hat der Sachverständige umfassend aufgegriffen und hierzu Stellung bezogen. Die Anknüpfungstatsachen hat der Sachverständige offen gelegen, seine Schlüsse sind nachvollziehbar und ohne erkennbare Widersprüche. Anhaltspunkte, warum dem Sachverständigen nicht zu folgen wären, liegen aus Sicht der Kammer nicht vor.
    3. Für die Kammer steht ebenfalls mit hinreichender Sicherheit fest, dass der Sachmangel (§ 434 BGB) bereits im Zeitpunkt des Gefahrübergangs bestanden hatte.
    Zunächst griff - entgegen der Ansicht der Beklagten - die Vermutung aus § 476 BGB. Der von dem Kläger beschriebene Mangel, war - unwiderlegt - innerhalb der ersten sechs Monate nach Übergabe des Pkw aufgetreten (vgl. Anlage K17, Bl. 78). Dies ergibt sich zweifelsfrei aus den Mängelrügen des Klägers und den vorgelegten Rechnungen der von der Beklagten eingeschalteten Firma X.. Zudem hat der Sachverständige - wie zuvor erläutert - festgestellt, dass die Ursache des gerügten Mangels in dem fehlerhaften Massekabel gelegen hat, dass mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit von Beginn an „verbaut“ gewesen ist; damit unzweifelhaft auch bei Gefahrübergang.
    4. Die Voraussetzung einer fruchtlosen Nachbesserung (§ 440 BGB), die für einen Rücktritt erforderlich ist, liegt vor. Grundsätzlich ist nach § 440 BGB bei zweimaliger erfolgloser Nachbesserung von einem Fehlschlag iSd § 440 BGB auszugehen. Bei § 440 BGB handelt es sich um eine gesetzliche Vermutung, so dass im Einzelfall auch ohne eine zweimalige Nachbesserung von einer erfolglosen Nachbesserung ausgegangen werden kann. Entscheidend ist hier aus Sicht des Käufers darauf abzustellen, ob ihm weitere Nachbesserungsversuche zumutbar sind. Im Rahmen der Abwägung kommt es in erster Linie auf die Art und die Schwere des/der Mangels/Mängel an (Reinking/Eggert, Der Autokauf, 9. Aufl., Rn. 398 m.w.N.). Das streitgegenständliche Fahrzeug hatte sich mehrfach und über längere Zeiträume bei der Beklagten befunden, ohne dass diese in der Lage gewesen wäre, den streitgegenständlichen Mangel zu beheben. Bei dem vorliegenden Mangel war zu berücksichtigen, dass sich - wie von dem Sachverständigen ausgeführt - die erhöhte Drehzahl nicht nur unerheblich auf den Verschleiß ausgewirkt hat, sondern nach der Elektronikanzeige „Allgemeine Fehlermeldung“ nach dem Bordbuch die Fachwerkstatt aufzusuchen ist. Weitere Nachbesserungsversuche waren dem Kläger bei diesen Umständen nicht zuzumuten.
    5. Der vorliegende Sachmangel (§ 434 BGB) ist - entgegen der Ansicht der Beklagten – auch nicht nur unerheblich iSd § 323 Abs. 5 BGB.
    Bei der Frage der Erheblichkeit iSd § 323 Abs. 5 BGB handelt es sich um einen Wertungsgesichtspunkt, bei dem verschiedene Kriterien, z.B. Höhe der Beseitigungskosten, Art und Auswirkung des Mangels, Dauer der Mangelbeseitigung etc. heranzuziehen sind (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 72. Aufl., § 323 Rn. 32 m.w.N).
    Bei behebbaren Mängel kann im Einzelfall ein unerheblicher Mangel angenommen werden, wenn die Aufwendungen für die Mangelbeseitigung etwa ein Prozent des Kaufpreises ausmachen (BGH, NJW 2011, 2872). Im vorliegenden Fall betrug der Kaufpreis 21.500,00 €, die Mangelbeseitigungskosten hingegen nach den Ausführungen des Sachverständigen „nur“ 45,82 €, damit 0,21%. Gleichwohl liegt damit kein unerheblicher Mangel iSd § 323 Abs. 5 BGB vor. Vorliegend war maßgeblich auf die Frage der Funktionsbeeinträchtigung abzustellen. Für die Beantwortung der Frage, ob ein Mangel erheblich oder unerheblich iSd § 323 Abs. 5 BGB ist, ist zunächst auf den Zeitpunkt der Rücktrittserklärung abzustellen (BGH, NJW 2009, 508). Auf die Funktionsbeeinträchtigung kommt es dann an, wenn der Mangel nicht oder nur mit hohen Kosten behebbar ist oder die Mangelursache im Zeitpunkt der Rücktrittserklärung ungeklärt ist, weil auch der Verkäufer die tatsächliche Ursache nicht feststellen konnte (BGH, NJW 2009, 508; BGH, NJW 2011, 2872). Ein zu diesem Zeitpunkt erheblicher Mangel wird nicht dadurch unerheblich, dass es im Verlauf des gerichtlichen Verfahrens gelingt, den Mangel zu beseitigen, z.B. durch den Sachverständigen (BGH, NJW 2009, 508). Im Zeitpunkt der Rücktrittserklärung bestanden die von dem Sachverständigen festgestellten Mängel. Wie zuvor bereits erläutert, war es der Beklagten – als Fachfirma - nicht gelungen, auch unter Einschaltung einer weiteren Firma, die von dem Kläger gerügten Mangelsymptome zu beseitigen. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist für den Zeitpunkt der Rücktrittserklärung auch von einer erheblichen Funktionsbeeinträchtigung auszugehen. Das von dem Sachverständigen festgestellte Problem der erhöhten Leerlaufzahl hat unter anderem dazu geführt, dass die Bordelektronik eine Fehlermeldung ausgeworfen hat, nach der schnellstmöglich der Fiat-Kundendienst aufzusuchen war. Zudem führte dieses Elektronik- und Steuerungsproblem zu einem unharmonischen Längsbeschleunigungsverlauf und hat hektische Gangwechsel (3. und 4. Gang) nach sich gezogen, wodurch die Traktion nachteilig beeinflusst worden ist; einhergehend waren eine Mehrbelastung der Bauteile und damit mehr Verschleiß gegeben. Aus Sicht des Käufers ist bei diesen Symptomen von einem erheblichen Mangel des Kfz auszugehen.
    6. Die erforderliche Rücktrittserklärung des Klägers iSd § 349 BGB ist gegeben. Diese liegt in der vorgerichtlichen Aufforderung vom 22.06.2011 auf Rückabwicklung des streitgegenständliches Pkw-Kaufes. Erforderlich ist, dass das Verhalten des Rücktrittberechtigten - hier des Klägers – erkennen lässt, dass das Erlöschen noch nicht erfüllter Leistungspflichten und die Rückgängigmachung bereits erbrachter Leistungen gewollt ist (Soergel/Hadding, BGB, 12. Aufl., § 349 Rn. 1). Dieses Begehren ist der vorgerichtlichen Rückabwicklungsaufforderung vom 22.06.2011 zweifelsfrei zu entnehmen.
    7. Eine Fallgestaltung, in der nach § 323 Abs. 6 BGB der Rücktritt ausgeschlossen wäre, liegt nicht vor. Der Sachmangel (§ 434 BGB) beruht weder auf einem Umstand den der Kläger zu vertreten hätte (§ 323 Abs. 6 Var. 1 BGB) noch ist ein von der Beklagten nicht zu vertretender Umstand zu einem Zeitpunkt eingetreten, in dem sich der Kläger in Annahmeverzug befunden hatte (§ 323 Abs. 6 Var. 2 BGB).
    8. Entgegen der Ansicht der Beklagten lag auch im Kündigungszeitpunkt kein widersprüchliches Verhalten des Klägers iSd § 242 BGB vor. Der Kläger hatte zwar am 04.06.2011 zur Mangelbeseitigung bis zum 04.07.2011 aufgefordert und war vor Ablauf der Frist zurückgetreten. Jedoch war der Pkw in der Zeit vom 14.06.2011 bis zum 17.06.2011 bereits zur Nachbesserung bei der Beklagten (vgl. Bl. 81 d.A.) und der Mangel hat nach Abschluss des Mangelbeseitigungsversuches weiter fortbestanden; er hat sich - unwiderlegt - am 19.06.2011 (vgl. Bl. 81 d.A.) gezeigt. Am 20.06.2011 hat der Kläger darauf dann per Email reagiert ohne eine Reaktion der Beklagten zu erhalten (vgl. Bl. 81 d.A.).
    9. Der Kläger hat gegen die Beklagte infolge des Rücktritts einen Anspruch auf Rückzahlung des von ihm geleisteten Kaufpreises iHv 21.500,00 € abzgl. gezogener Nutzungen iHv 1.738,96 € und hat seinerseits das streitgegenständliche Kfz an die Beklagte herauszugeben und zu übereignen (§ 346 BGB).
    a. Gemäß § 346 Abs. 2 BGB hat der Kläger Wertersatz für die gezogenen Nutzungen zu leisten. Im Zeitpunkt des Gefahrübergangs hatte der Pkw bereits 19.207 km zurückgelegt. Der Kläger ist dann in seiner Besitzzeit insgesamt mit dem Pkw 18.667 km gefahren. Für die Berechnung der Nutzungsvorteile nach der allgemein üblichen Formel (vgl. hierzu bei Reinking/Eggert, Der Autokauf, 9. Aufl. Rn. 465) ist die Kammer von einer zu erwartenden Gesamtlaufleistung des streitgegenständlichen Pkw von 250.000 km ausgegangen. Die zu erwartende Laufleistung moderner Dieselfahrzeuge war nach Auffassung der Kammer mit 250.000 Km anzunehmen (so im Ergebnis auch bei Staudinger/Kaiser, BGB, Neub. 2009, § 346 Rn. 261). Bei Berücksichtigung dieser Gesamtfahrleistung ergibt sich ein Wert von 0,093157 € je Kilometer (21.500,00 € Kaufpreis: 230.793 km Restlauferwartung = 0,093157 € je km). Bei den gefahrenen Kilometer ergibt dies einen Nutzungsvorteil von gerundet 1.738,96 € (18.667 km x 0,093157 €).
    b. Ersatz für Kostenerstattungen, notwendige Verwendungen und wertverbessernde Verwendungen kann der Kläger mangels schlüssigen Vortrags hingegen nicht verlangen. Der Kläger hatte sich bei Begründung dieser Positionen pauschal auf zur Akte gereichte Anlagen bezogen, ohne in der Sache hinreichend vorzutragen. Es war nicht Aufgabe der Kammer, sich aus den eingereichten Unterlagen den entsprechenden Sachvortrag herauszusuchen (so auch BGH, MDR 2005, 1376; Handkommentar ZPO/Wöstmann, 3. Aufl., § 137 ZPO Rn. 2). Trotz Bestreitens der Beklagten hat der Kläger zu diesen Kosten nicht schlüssig vorgetragen, so dass dieser Teil des geltend gemachten Anspruchs abzuweisen war.
    c. Ebenfalls zu ersetzen sind als Schaden (§§ 433, 434, 437 Nr. 3, 440, 280 BGB) die sog. Rechtsverfolgungskosten, nämlich die vorgerichtlichen RVG-Kosten iHv 1.023,16 €.
    Eine Kürzung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren in Ansehung des streitigen Gerichtsverfahrens hat nicht zu erfolgen. Vielmehr erfolgt die Anrechnung auf die Verfahrensgebühr im gerichtlichen Verfahren. Ist nach der Vorbemerkung 3 Abs. 4 zu Nr. 3100 VV RVG eine wegen desselben Gegenstands entstandene Geschäftsgebühr anteilig auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens anzurechnen, so vermindert sich nicht die bereits entstandene Geschäftsgebühr, sondern die in dem anschließenden gerichtlichen Verfahren anfallende Verfahrensgebühr (BGH, MDR 2007, 984 = AnwBl 2007, 630 = DAR 2007, 493 = NJW 2007, 2049). Es kann dahingestellt bleiben, ob der Kläger die geltend gemachten bereits beglichen hat oder nicht. Aufgrund der ernsthaften Erfüllungsverweigerung hat sich der eventuelle Freistellungsanspruch ohnehin in einen Zahlungsanspruch umgewandelt. Verweigert der Schuldner die geforderte Leistung oder überhaupt den Schadenersatz ernsthaft und endgültig, dann wandelt sich der Freistellungs- in einen Zahlungsanspruch um, wenn der Geschädigte Geldersatz fordert (BGH, NJW 2004, 1868; BGH, NJW 1999, 1542; BGH, NJW-RR 1996, 700; BGH, NJW 1992, 2221; BGH, NJW 1991, 2014; BGH, NJW-RR 1987, 43). So liegt der Fall auch hier. Die Beklagte verweigert - wie zuvor bereits erläutert - ernsthaft und endgültig ihre Leistung.
    III.
    Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Feststellung des Annahmeverzugs aus §§ 293 ff. BGB n.F..
    Die Beklagte befindet sich seit dem 16.11.2007 in Annahmeverzug (§§ 293 ff. BGB). Zwar fordert § 294 BGB, dass eine Leistung so angeboten werden muss, wie sie zu bewirken wäre. Ein entsprechendes tatsächliches Angebot auf Herausgabe und Übereignung des streitgegenständlichen Kfz hatte der Kläger außergerichtlich nicht abgegeben.
    Gemäß § 295 BGB genügt ausnahmsweise auch ein wörtliches Angebot der zu bewirkenden Leistung - hier mit den vorgerichtlichen Schreiben vom 22.06.2011 und Klage vom 06.10.2011 – zur Begründung des Annahmeverzuges, wenn sich der Gläubiger - wie hier die Beklagte – bestimmt und eindeutig geweigert hat, die ihm obliegende Gegenleistung zu erbringen, wie vorliegend unter dem 16.11.2007 mit Stellung des Klageabweisungsantrages (im Ergebnis auch BGH, NJW 1997, 581; BGH, NJW 2006, 1690).
    Ein - wie von dem Kläger beantragter - vorhergehender Annahmeverzugseintritt - war nicht anzunehmen. Es war - wie bereits ausgeführt - weder vorgetragen noch aus dem gesamten Akteninhalt ersichtlich, dass der Kläger vorgerichtlich der Beklagten ein tatsächliches Angebot iSd § 294 BGB unterbreitet hatte.
    IV.
    Der Zinsanspruch des Klägers folgt aus §§ 280 Abs. 2, 286, 288 BGB.
    Der Zinsanspruch des Klägers entfällt auch nicht in Folge der beantragten Zug-um-Zug Verurteilung. Zwar kann in Fallgestaltungen ausnahmsweise der Verzugszins- und auch Prozesszinsanspruch entfallen, wenn dem Schuldner ein Zurückbehaltungsrecht zusteht und der Gläubiger diesem durch eine entsprechende Antragsstellung bereits Rechnung getragen hat (vgl. BGH, NJW-RR 2005, 170; BGH, EWiR 1999, 105; BGH, WM 1971, 449; BGH, NJW 1973, 1234; Bamberger/ Roth/Unberath, BGB, § 291 Rn. 5). Eine derartige Ausnahmesituation liegt indes nicht vor, wenn der Schuldner, wie hier die Beklagte, die Erfüllung ihrer Pflicht ernsthaft verweigert hat. Mit der Erfüllungsverweigerung entfallen die Pflichten des Gläubigers zur Mitwirkung, insbesondere die Verpflichtung, die eigene (Gegen-) Leistung anbieten zu müssen (im Ergebnis auch bei BGH, NJW-RR 1990, 444; Palandt/Grüneberg, BGB, 71. Aufl., § 286 Rn. 24 i.V.m. Rn. 15). Zudem kann sich der Schuldner bei ernsthafter Verweigerung der eigenen Leistung nicht auf die mangelnde Fälligkeit der Forderung oder ein ihm zustehendes Zurückbehaltungsrecht berufen (BGH, BGHZ 50, 175).
    V.
    Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 1, 96, 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.
    Im vorliegenden Fall war eine Kostentrennung gemäß § 96 ZPO angezeigt. Die Beweisaufnahme bezog sich allein auf den Anspruch des Klägers dem Grunde nach. Der Vortrag des Klägers zu der Mangelhaftigkeit des Kfz ist insoweit vollumfänglich bestätigt worden. Das Verteidigungsmittel der Beklagten, nämlich das qualifizierte Bestreiten (vgl. zum Bestreiten als Verteidigungsmittel iSd § 96 ZPO bei Baumbach/Hartmann, ZPO, 64. Aufl., § 96 Rn. 4; Handkommentar zur ZPO/Gierl, 3. Aufl., § 96 Rn. 5) ist hingegen erfolglos geblieben. Die Klageabweisung im Übrigen bezieht sich allein auf den Anspruch der Höhe nach. Darauf hatte sich die Beweisaufnahme nicht bezogen, so dass es im vorliegenden unbillig wäre, den Kläger anteilig an den Kosten der Beweisaufnahme zu beteiligen, obwohl er in der Frage des Anspruchsgrundes voll obsiegt hatte.
    VI.
    Der Gebührenstreitwert wird
    für den Klageantrag zu Ziffer 1 gemäß §§ 43, 48 GKG, 3 ZPO auf 21.500,00 €
    für den Klageantrag zu Ziffer 2. gemäß § 48 GKG, § 3 ZPO auf 215,00 €
    mithin auf insgesamt 21.715,00 € festgesetzt.
    Der Wert des Klageantrags zu Ziffer 2. war mit 1% des Wertes des Klageantrags zu Ziffer 1. Zu bemessen. Dieser Wert entspricht der Ersparnis desjenigen Aufwandes des Klägers, den er aufwenden müsste, um die Leistung anzubieten (vgl. so auch bei Zöller/Herget, ZPO, 28 Aufl., § 3 ZPO Rn. 16 Stichwort: Annahmeverzug; Hartmann, Kostengesetze, 39. Aufl., 48 GKG (§ 3 ZPO) Rn. 14).

    RechtsgebietBGBVorschriften§ 273 BGB, § 323 Abs. 5 BGB, § 433 BGB, § 437 BGB