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  • · Fachbeitrag · Autokauf


    Fallstricke beim Ausschluss der Sachmängelhaftung gegenüber Verbrauchern aus dem Ausland 


    von Prof. Dr. Ansgar Staudinger, Universität Bielefeld


    | Die Möglichkeit, sich innerhalb der Europäischen Union frei zu bewegen, und der wachsende Wohlstand in Drittländern führen immer häufiger dazu, dass auch Privatleute (Verbraucher) in deutschen Autohäusern auftauchen, um dort direkt Fahrzeuge zu kaufen. Die Versuchung ist groß, die Sachmängelhaftung bei diesen Geschäften mit einer entsprechenden Klausel im Kaufvertrag auszuschließen. Die Wahrscheinlichkeit, dass das gelingt, ist eher klein. Der folgende Beitrag zeigt, wo die Fallstricke liegen. |

    Der Praxisfall und die daraus resultierenden Fragen


    Den nachfolgenden Überlegungen liegt folgender Sachverhalt zugrunde, wie er im Tagesgeschäft vieler Autohäuser immer wieder vorkommt:


    • Praxisfall

    Ein Verbraucher mit Wohnsitz in einem anderen EU-Mitgliedsstaat oder Drittland kommt in ein deutsches Autohaus bzw. zu einem deutschen Kfz-Händler, um ein neues oder ein gebrauchtes Fahrzeug zu kaufen. Das Autohaus schließt mit ihm einen Kaufvertrag über ein Fahrzeug ab. Im Kaufvertrag steht als allgemeine Geschäftsbedingung (AGB) die Klausel: „Die Haftung für Sachmängel ist ausgeschlossen“.

    In diesem Fall stellen sich insbesondere die drei Fragen 


    • 1.welches Recht anwendbar ist,

    • 2.ob der Ausschluss der Sachmängelhaftung wirksam ist und

    • 3.ob der ausländische Verbraucher auch in seinem Heimatstaat klagen könnte, wenn das Fahrzeug einen Mangel aufweist?


    Welches Recht ist anwendbar?


    Im geschilderten Fall spricht nahezu alles dafür, dass deutsches Recht, also das BGB, anwendbar ist.


    • Entweder wurde durch die Verwendung der AGB-Klausel ausdrücklich deutsches Recht gewählt.

    • Zumindest aber wurde eine solche Rechtswahl stillschweigend getroffen. Indizien dafür sind neben der Bezugnahme auf Vorschriften des BGB etwa die Verwendung von Begriffen wie Sachmängelhaftung bzw. Gewährleistung. Indizwirkung hätte beispielsweise auch die Vereinbarung, dass im Streitfall ausschließlich die deutschen Gerichte zuständig sein sollen.

    • Ausdrückliche und stillschweigende Rechtswahl sind grundsätzlich zulässig. Dies folgt aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 Satz 1 der Rom I-Verordnung (VO). 


    Ist der Ausschluss der Sachmängelhaftung wirksam?


    Mit der Feststellung, dass die Anwendbarkeit deutschen Rechts vereinbart wurde, liegt die Antwort „nein“ bei der Frage nach der Wirksamkeit des Ausschlusses der Sachmängelhaftung auf der Hand.


    Verbraucher hat alle gesetzlichen Rechte


    Der vollständige Ausschluss der Sachmängelhaftung gegenüber einem Verbraucher ist bereits nach § 475 Abs. 1 und 2 BGB unzulässig. Dies gilt gleichermaßen für neu hergestellte Pkw wie für gebrauchte Kfz. Die Folge des Verstoßes gegen § 475 Abs. 2 BGB ist, dass der EU- wie der Drittstaatenverbraucher grundsätzlich alle ihm kraft des BGB zustehenden Gewährleistungsrechte und Ansprüche gegen den Unternehmer geltend machen kann. 


    Dieselben Konsequenzen ergeben sich auch aus der AGB-rechtlichen Kontrolle der Ausschlussklausel. Schließt der Kfz-Händler seine Haftung für Sachmängel gegenüber einem Verbraucher im Bausch und Bogen aus, verstößt er bereits gegen das Klauselverbot in § 309 Nr. 7a BGB. Das gilt ungeachtet dessen, ob ein neu hergestelltes oder ein gebrauchtes Fahrzeug vertrieben wird. 


    In beiden Fällen bleibt der Kaufvertrag bestehen, die Formularabrede ist unwirksam und an deren Stelle treten die gesetzlichen Rechte und Ansprüche des Käufers als Verbraucher.


    PRAXISHINWEIS | Der Versuch, die Haftung für Sachmängel auszuschließen, ist nicht nur zum Scheitern verurteilt. Er verschlechtert auch die Haftungssituation des Händlers insgesamt erheblich:


    • Denn bei Gebrauchten bestünde ja an sich nach § 475 Abs. 2 BGB die Möglichkeit, zumindest bestimmte Ansprüche von der Verjährungsfrist her auf ein Jahr zu „deckeln“. Wer allerdings überschießend seine Sachmängelhaftung vollkommen ausschließt, fällt am Ende auch bei gebrauchten Fahrzeugen auf den harten Boden des BGB und muss nach § 438 Abs. 1 Nr. 3 BGB zwei Jahre lang für jeden Sachmangel einstehen.

    • Mögliche weitere Sanktionen für solche unzulässigen Geschäftsbedingungen sind im Wettbewerbsrecht angesiedelt. So droht eine Abmahnung durch Konkurrenten bzw. auf diesem Feld tätige Anwaltskanzleien bis hin zum Tätigwerden von Einrichtungen wie Verbraucherzentralen oder Wettbewerbsbehörden.

    Rechtsmix zum Nachteil des Kfz-Händlers möglich 


    Doch es kann in diesem Fall noch schlimmer kommen: Hat das im Inland ansässige Autohaus seine Tätigkeit auch auf das Aufenthaltsland des Verbrauchers „ausgerichtet“, kann dieser sich die „Rosinen herauspicken“:


    • Er darf sich auf sämtliche Segnungen des BGB, also alle Rechte und Ansprüche bei Sachmängeln, berufen. 

    • Dem Verbraucher kommt zudem das Recht seines Heimatstaats zugute, wenn dieses günstiger ist (Art. 6 Abs. 2 Satz 2, Abs. 1 Buchst. b Rom I-VO).


    Wichtig | Das gilt sowohl für Verbraucher aus einem Mitglied- als auch aus einem Drittstaat und ebenso für jeden Kauf eines Fahrzeugs, sei es nun ein neu hergestelltes oder ein gebrauchtes. 


    Für eine „Ausrichtung“ auf das Land des Verbrauchers bedarf es nach Ansicht des EuGH (Urteil vom 6.9.2012, Rs. C-190/11; Abruf-Nr. 123047) nicht viel: 


    • Als Indiz kann bereits ein Internetauftritt in einer fremden Sprache oder Währung reichen.

    • Indizwirkung haben gleichermaßen Kommunikationsdaten wie internationale Vorwahl, E-Mail-Adresse, Faxnummer, Anfahrtsskizzen, oder aber eine Internetdomain, welche nicht auf „.de“ endet. 

    • Ein starkes Indiz ist es , wenn ein Kfz-Händler selbst auf seiner Homepage angibt, die Produkte ebenso an andere Verbraucher zu vertreiben, bzw. dass jener Ausgaben tätigt, um derartige Kunden mit Hilfe von Internet-Suchmaschinen den Zugang zu seiner Website zu erleichtern.

    • Dass der Vertrag erst auf dem Firmengelände des Verkäufers geschlossen wird, ist irrelevant.


    PRAXISHINWEIS | Noch nicht geklärt ist die Frage, ob es zusätzlich erforderlich ist, dass der Internetauftritt auch ursächlich für den Abschluss des Kaufvertrags war. Das ist relevant für den Fall, dass ein Verbraucher in Deutschland ein Fahrzeug erwirbt und erst nach der Rückkehr in sein Land von dem Internetauftritt des deutschen Verkäufers Notiz nimmt. Ein solcher Fall liegt dem EuGH derzeit zur Entscheidung vor (Rs. C-218/12).

    Wo kann der Käufer und wo muss der Verkäufer klagen? 


    Sollte der deutsche Verkäufer tatsächlich seine geschäftliche Tätigkeit im oben beschriebenen Sinne ausgerichtet haben, so führt dies gleichermaßen zu Konsequenzen für ein etwaiges Gerichtsverfahren:


    • Der Verbraucher hat in diesem Fall nicht nur die Möglichkeit, seine Rechte und Ansprüche in dem Land geltend zu machen, in dem der Unternehmer seinen Sitz hat. Vielmehr steht es jedenfalls einem Verbraucher mit Lebensmittelpunkt in der EU frei, den Prozess auch bequem an dem Gericht seines Wohnsitzes zu führen (Art. 16 Abs. 1, 2. Variante Brüssel I-VO).

    • Der Verkäufer wird sogar gezwungen, seine eigenen Ansprüche etwa auf Restkaufpreiszahlung vor diesen ausländischen Gerichten durchzusetzen (Art.16 Abs. 2 Brüssel I-VO). 


    Wichtig |Dieses Ergebnis lässt sich auch nicht mit einer Vereinbarung vermeiden, wonach für Streitigkeiten aus dem Vertrag ein bestimmtes deutsches Gericht, zum Beispiel das am Firmensitz des Händlers, zuständig sein soll. Denn Art. 17 Nr. 1 Brüssel I-VO erlaubt es im Vorfeld einer Streitigkeit nicht, eine solche den Verbraucher benachteiligende Gerichtsstandsvereinbarung zu schließen. Dies gilt selbst, wenn sie in Form einer Individualabrede erfolgt. 


    PRAXISHINWEIS | An ihrem Wohnsitz klagen können


    • sämtliche Verbraucher mit Lebensmittelpunkt in einem EU-Mitgliedsstaat sowie

    • Verbraucher in der Schweiz, Norwegen und Island (aufgrund der sogenannten revidierten Lugano-Konvention).

    Zusammenfassung der Ergebnisse anhand eines Beispiels


    Die Ergebnisse zum nachfolgenden Beispiel fassen die gewonnenen Erkenntnisse noch einmal zusammen:


    • Beispiel

    Ein Hamburger Kfz-Händler spricht dänische Kunden an, indem er in seinem Internet-Auftritt gebrauchte Fahrzeuge wahlweise in deutscher und dänischer Sprache anbietet. Ein dänischer Verbraucher aus Kopenhagen kommt daraufhin nach Hamburg und kauft vor Ort ein angebotenes Fahrzeug. Der Kaufvertrag unterliegt kraft (ausdrücklicher oder stillschweigender) Rechtswahl dem deutschen Recht. Aus den Geschäftsbedingungen des Vertrags folgt: „Die Haftung ftür Sachmängel ist ausgeschlossen“. Ferner sind laut dem Kleingedruckten die Gerichte in Deutschland ausschließlich zuständig. Zwei Monate nach Abschluss des Kaufvertrags behauptet der dänische Kunde einen Schaden am Turbolader.

    Kommt es zum Prozess, weil der Hamburger Händler sich auf den Ausschluss der Sachmängelhaftung beruft, hat der dänische Käufer folgende Rechte:


    • Er kann nach seiner Wahl vor einem deutschen Gericht oder in Kopenhagen klagen. Die Gerichtsstandsvereinbarung ist unwirksam.

    • Selbst wenn der dänische Verbraucher auf Nacherfüllung oder Rückzahlung des Kaufpreises in Hamburg klagt, ist die Klausel über den Gewährleistungsausschluss nichtig. Folge:

      • Dem Kunden stehen sämtliche Ansprüche und Rechte wegen Sachmängeln nach dem BGB zu. Mithin muss der Verkäufer sogar bei einem gebrauchten Fahrzeug zwei Jahre lang für Sachmängel einstehen.

      • Er kann sich zudem - auch vor deutschen Gerichten - auf sein dänisches Verbraucherschutzrecht berufen, wenn dies für ihn günstiger ist. 


    Beachten Sie | Wollte der Hamburger Händler seinerseits Ansprüche gegenüber dem dänischen Kunden geltend machen, müsste er zwingend in Dänemark klagen. Unerheblich ist, wo der Leistungs-, Zahlungs- bzw. Erfüllungsort im deutschen Recht liegt.


    FAZIT | Die Klausel „Die Haftung für Sachmängel ist ausgeschlossen“ verschlechtert eher die Position eines deutschen Kfz-Händlers, als dass jene sie verbessert. Kunden aus einem anderen Mitgliedsstaat der EU, Schweiz, Norwegen und Island, aber auch aus anderen Drittländern sollten daher bei der Sachmängelhaftung wie Inländer behandelt werden. Allenfalls gegenüber Kunden aus Drittstaaten könnte sich eine Gerichtsstandsvereinbarung über ein zuständiges deutsches Gericht als wirksam erweisen.

    Quelle: Ausgabe 04 / 2013 | Seite 14 | ID 38360740